Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Foerster, Franz“ von Herbert Meyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 661–670, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:F%C3%B6rster,_Franz&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 15:56 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Förster, Ernst
Nächster>>>
Förster, Heinrich
Band 48 (1904), S. 661–670 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Franz Förster (Verwaltungsjurist) in der Wikipedia
Franz Förster in Wikidata
GND-Nummer 104051345
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|661|670|Foerster, Franz|Herbert Meyer|ADB:Förster, Franz}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=104051345}}    

Foerster: Franz August Alexander F., Rechtsgelehrter, verdient um Theorie und Praxis des preußischen allgemeinen Landrechts und um die Gesetzgebung Preußens und des neuen Deutschen Reiches, wurde am 7. Juli 1819 in Breslau geboren. Sein Vater war der ordentliche Professor des römischen Rechts und des Strafrechts an der Breslauer Universität Dr. August Wilhelm F. Geboren am 10. October 1790 zu Breslau als dritter Sohn eines Stadtraths und Fabrikbesitzers war dieser der erste gewesen, dem die dortige Juristenfacultät nach ihrer Uebersiedlung von Frankfurt a. O. die Doctorwürde verlieh, und zugleich einer der meistversprechenden. Die vorgeschriebene Disputation hielt er am 23. Mai 1812 über das Thema: „De origine donationis ante nuptias“. Nachdem er in den Jahren 1813 und 1814 an den Freiheitskriegen theilgenommen hatte, wurde er bereits 1816 an derselben Facultät als Privatdocent zugelassen. Er erwies sich so tüchtig im Lehramt, daß er schon 1817 außerordentlicher und 1820 ordentlicher Professor wurde; 1824 zu 1825 bekleidete er das Amt des Rector magnificus. Sein Hauptwerk behandelt die „Bonorum possessio liberorum contra tabulas parentum“ (Vrat. 1823). Noch in jungen Jahren, am 27. November 1826, wurde er der Wissenschaft und seiner Familie durch den Tod entrissen; seine an sich schon schwache Gesundheit war den Folgen der in den Feldzügen erlittenen Strapazen erlegen, zumal er aus Pflichttreue und wissenschaftlichem Streben die Sorge für sein körperliches Wohl hinter der Arbeit zurückstellte.

F. war also erst sieben Jahre alt, als sein Vater starb. Mit treuer Liebe, doch mit sehr beschränkten äußeren Mitteln leitete die Mutter, Louise Ernestine F., geb. Petiskus, eine Predigerstochter, seine und seiner drei jüngern Geschwister Erziehung. F. erhielt seine Schulbildung durch Privatlehrer und auf Breslauer Schulen; vorübergehend besuchte er auch das Gymnasium in Neiße, wohin seine Mutter für einige Zeit übergesiedelt war, um ihrem verwittweten Bruder zur Seite zu stehen. Interesse und Eifer für seine geistige Ausbildung lernte der begabte und lebhafte Knabe aber erst kennen, als er im J. 1834 das Magdalenaeum in Breslau bezog, das unter der Leitung des trefflichen Pädagogen Schoenborn damals einen hervorragenden Ruf als humanistische Bildungsstätte erlangt hatte. Im Herbst 1839 wurde er nach gut bestandener Abgangsprüfung an der Universität seiner Vaterstadt immatriculirt, um aus wirklicher Neigung Rechtswissenschaft zu studiren. Außerdem fühlte er sich zu historischen und philosophischen Studien hingezogen und erwarb während seiner Studentenzeit umfassende Kenntnisse in diesen Zweigen der Wissenschaft. Vor allem aber führte ihn sein Drang zu historischer Forschung zur Beschäftigung mit der Geschichte unseres vaterländischen Rechts. Schon im zweiten Studiensemester machte er sich an die Lösung einer akademischen Preisaufgabe über das Obligationenrecht des Sachsenspiegels, obwol er damals weder von deutschem Privatrecht etwas wußte, noch von älterer deutscher Sprache, und nur eben erst bei Gaupp deutsche Rechtsgeschichte gehört hatte. Doch sein eiserner Fleiß, mit dem er sich auf das Studium der Litteratur und der Quellen warf, zu deren Verständniß er auch vor einer eingehenden Durcharbeitung von Grimm’s deutscher Grammatik nicht zurückschreckte, führte ihn zum Ziele. Im Herbst 1841 wurde ihm unter rühmlicher Anerkennung der bewiesenen Kenntnisse und seines juristischen Scharfsinns der Preis zuerkannt. Diese Beihülfe und verschiedene Stipendien setzten ihn in die Lage, während der nächsten drei Semester die Universität Berlin zu beziehen. Von den dortigen Rechtslehrern, bei denen er hörte, Dirksen, Gneist, [662] Homeyer, Frhr. v. Richthofen, Savigny und Stahl, fesselte ihn besonderts Savigny in seinen Vorlesungen über römisches Recht, in dem sich F. schon in Breslau bei Huschke eine gute Grundlage verschafft hatte. Außerdem setzte er seine germanistischen Studien bei Jacob und Wilhelm Grimm und bei Lachmann fort. Schelling’s Philosophie der Offenbarung befremdete ihn mehr, als sie ihn anzog, da sein Geist damals unter dem Banne der historischen Weltauffassung Hegel’s stand.

Im März 1843 nach Breslau zurückgekehrt, meldete sich F. zum juristischen Doctorexamen und wurde am 23. Mai, an derselben Stelle wie einst am gleichen Tage sein Vater, promovirt. Seine Dissertation, „De creditoris pigneraticii praestationibus e praeceptis juris Germanici“ (Vrat. 1843), fand nicht den ungetheilten Beifall der Facultät, wenn ihre Vorzüge auch anerkannt wurden. Dennoch ist sie, besonders in der erweiterten, verdeutschten Form, in der sie F. zwei Jahre später unter dem Titel „Die Verantwortlichkeit des Satzungsgläubigers nach dem Rechte des Mittelalters“ (Zeitschr. f. deutsches Recht, IX, 101 ff.) veröffentlichte, eine wesentliche Bereicherung der Wissenschaft und noch heute eine der besten Arbeiten über älteres deutsches Pfandrecht. Am 12. Juni 1843 trat F. als Auscultator in den preußischen Justizdienst und bestand am 30. Januar 1846 die Referendariatsprüfung, nachdem ihn langwierige und lebensgefährliche Krankheit während der Jahre 1843–1845 lange Zeit vom praktischen Vorbereitungsdienste zurückgehalten hatte. Dieses Leiden, das mit Bauchfellentzündung einsetzte und sich in schwerer Erkrankung der Nieren äußerte, hat seine an sich schon schwache Gesundheit dauernd untergraben und ihn nie wieder zu völliger Rüstigkeit kommen lassen; es hat auch den Keim zu seiner letzten Krankheit gelegt. Dennoch fand er Muße zu schriftstellerischer Thätigkeit. Seine Schriften aus dieser Zeit, „Die Unabsetzbarkeit der Richter und die Gesetze vom 29. März 1844“ (Schles. Provinzial-Blätter, 1845, Bd. 122, S. 253 ff., 377 ff.), „Der neue preußische Civil-Proceß“ (ebd. 1846, Bd. 124, S. 134 ff., 466 ff.), „Die Verbesserung des Gefängnißwesens“ (ebd. S. 361 ff.), „Theorie der preuß. Ges. über das Eigenthum am Kirchenvermögen“ (Suckow’s Prophet VIII, 1846, S. 225 ff.), „Das Gesetz vom 17. Juli 1846“ (Breslauer Ztg., 1846, Nr. 180), „Ueber Vergangenheit und Gegenwart des monarchischen Princips in Teutschland“ (Neue Jahrb. der Gesch. u. Politik, 1846, II, 111 ff.) sind in dem Kanngießer’schen Nachruf eingehend gewürdigt.

Im Frühjahr 1847 that F. einen lange geplanten Schritt, indem er sich bei der Breslauer juristischen Facultät um Zulassung als Privatdocent bewarb. Diesmal fand seine Dissertation „Quid de reipublicae vi ac natura medio aevo doctum sit“ (Vrat. 1847; deutsch umgearbeitet u. d. T. „Die Staatslehre des Mittelalters“, Monatsschr. f. dtsch. Wiss. u. Litt., 1853, S. 832 ff., 922 ff., auch als Vortrag „Der Staatsgedanke des Mittelalters“, Greifsw. 1861) ungetheilte Anerkennung, und nachdem er am 23. Juli 1847 seine Probevorlesung „Ueber die staatsrechtliche Bedeutung der deutschen Herzogthümer im 10. und 11. Jahrh.“ zur vollen Zufriedenheit der Facultät gehalten hatte, fand am 3. December der feierliche Habilitationsact statt, bei dem einer der Opponenten der spätere Cultusminister Dr. Falk war. F. gedachte sich jedoch als akademischer Lehrer nicht von der praktischen Ausübung der Rechtswissenschaft zurückzuziehen, schwebte ihm doch, wie er bei der Disputation ausführte, als höchstes Ziel vor Augen, an seinem Theile dazu beizutragen, den in Deutschland herrschenden Gegensatz zwischen Rechtsprechung und Rechtslehre zu mildern. Dennoch war ihm nicht beschieden, auch auf dem Lehrstuhle dauernd in dieser Richtung zu wirken. Zwar las er im Sommersemester 1848 über preußisches Landrecht; doch kam [663] er nicht zu einer intensiven Lehrthätigkeit. Denn einmal hatte er sich auf die große Staatsprüfung vorzubereiten, die er im Februar 1849 bestand; andererseits ergriff ihn die Bewegung des Jahres 1848 lebhaft. Er wurde Mitglied des constitutionellen Zentralvereins für Schlesien und ein gern gehörter Redner in politischen Versammlungen. Doch hielt er sich fern von jeder demokratischen Uebertreibung. Sein historischer Sinn machte ihn abhold allem sprunghaften Vorwärtsdrängen, jeder revolutionären Bewegung. Er hat sich zeitlebens zu den gemäßigten Liberalen gehalten.

Schon im Frühjahr 1850 verzichtete F. auf die venia legendi und damit auf die akademische Laufbahn, die ihm so am Herzen gelegen hatte. Am 31. März 1849 hatte der junge Assessor die Anweisung erhalten, bei dem infolge der Justizreorganisation neugebildeten Kreisgericht zu Löwenberg eine Kreisrichterstelle zu verwalten; und im Mai folgenden Jahres wurde er endgültig zum Kreisrichter ernannt. Foerster’s Sinnesänderung, die ihn völlig der Praxis sich zuwenden ließ, erklärt sich zwar zum Theil durch den Geist der Zeit, die „frisch und unmittelbar im Leben zu wirken verlockte, die allzugewaltig zum Handeln drängte und vom bloßen Wort entfernte“. Aber maßgebend war für ihn, daß er sich am 30. März 1849 mit Clara Gaupp, der Tochter seines Lehrers, des Breslauer Rechtsgermanisten Ernst Theodor Gaupp (s. A. D. B. VIII, 425 ff.) verlobt hatte und daß er hoffen durfte, sich im Justizdienst schneller eine gesicherte Lebensstellung zu schaffen. Schon am 5. October 1850 konnte er denn auch seine geliebte Gattin heimführen, um mit ihr in dem schönen Gebirgsstädtchen einige glückliche Jahre zu verleben, vollbefriedigt durch seine Berufsthätigkeit unter angenehmen collegialen Verhältnissen. So fand er Ersatz für den schmerzlichen Verlust zweier geliebter Geschwister und die Trennung von der Mutter, die zu ihrem Schwiegersohn nach Glogau, später mit ihm nach Berlin übersiedelte. Doch ging F. auch in der Löwenberger Zeit nicht völlig in seinen Amtspflichten auf. In die erste Zeit seines Aufenthalts fiel seine Candidatur für das Erfurter Parlament. In seiner Wahlrede und in Zeitungsartikeln (Löwenberger Volksblatt 1849, Nr. 45, 47, 50, 53, 55 „Zur Verständigung. über die deutsche Frage“) trat er lebhaft für die unveränderte Annahme des preußischen Entwurfs der Reichsverfassung ein. Alle Einzelfragen müßten gegenüber dem großen Ziele, dem Zustandekommen eines deutschen Bundesstaates unter Preußens Führung, zurücktreten. F. kam nicht dazu, seinen Standpunkt im Parlament zu vertreten, da der junge Richter nicht die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigte. Anderweite Bethätigung für seine reiche Arbeitskraft fand F. darin, daß er im Auftrage der Generalcommission für Schlesien mehrere, zum Theil recht bedeutende Ablösungen im Löwenberger Kreise bearbeitete, Vor allem aber in seiner litterarischen Thätigkeit, die sich jetzt mit Entschiedenheit seinem späteren Haupt-Arbeitsgebiet, dem preußischen Recht, zuwandte. Im J. 1854 veröffentlichte er eine Abhandlung „Ueber § 38. I, 13 A.G.O. und die Rechtskraft der Urtelsgründe“ (Neues Archiv f. preuß. Recht XVI, 370 ff.). Vor allem aber machte er sich an die Abfassung seines ersten größeren Werkes „Klage und Einrede nach preußischem Recht“ (Breslau 1857; bespr. von Gaupp in den Heidelb. Jahrb. d. Litt. LI, 1858, S. 593 ff.). Vor dessen Vollendung war F. am 1. November 1856 als Abtheilungsdirigent an das Kreisgericht zu Rothenburg in der Oberlausitz übergesiedelt. Foerster’s Buch erregte berechtigtes Aufsehen, war doch darin ein wichtiger Abschnitt aus dem Grenzgebiet zwischen Privatrecht und Proceß für das preußische Recht zum ersten Mal mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und steter Heranziehung der gemeinrechtlichen Doctrin und Praxis scharfsinnig behandelt. [664] F. selbst urtheilte später recht hart darüber und schrieb seinen Erfolg mit Unrecht hauptsächlich der glücklichen Wahl des Themas zu. Jedenfalls verhalf ihm das Buch zur Erlangung eines seiner Bedeutung entsprechenden Wirkungskreises. Schon im Januar 1858 verließ er das kleine Rothenburg, um als Appellationsgerichtsrath nach Greifswald überzusiedeln.

Die Thätigkeit an einem höheren Gerichtshof des gemeinen Rechts in steter anregender Berührung mit hervorragenden Praktikern und den Lehrern der Universität, unterstützt durch die, an seinen früheren Wohnorten schmerzlich vermißten, reichen litterarischen Hülfsmittel der Universität und des Appellationsgerichts, erweiterte Foerster’s Gesichtskreis und befruchtete sein wissenschaftliches Streben. Da sein Amt seine Arbeitskraft bei weitem nicht erschöpfte, so nahm er seinen alten Plan wieder auf, als Richter und Lehrer des Rechts zugleich durch eigenes Beispiel zu zeigen, wie die Praxis des preußischen Rechts durch engere Fühlung mit der Wissenschaft, besonders mit der gemeinrechtlichen Doctrin, neubelebt werden könne, und wie auch die Wissenschaft aus intensiverer Durchdringung der im preußischen Rechte schlummernden modernen und deutschnationalen Rechtsgedanken nur Nutzen ziehen könne. Im Herbst 1858 habilitirte er sich zum zweiten Mal an der Universität, und las auch mehrere Semester über preußisches Privatrecht, Staatsrecht und Civilproceß. Doch gab er die akademische Lehrthätigkeit im Herbst 1861 abermals auf; der Erfolg hatte seinen Erwartungen nicht entsprochen, zumeist wegen des damals außerordentlich darniederliegenden Rechtsstudiums. Die Greifswalder juristische Facultät zählte zeitweise nicht mehr als 15 Studirende, so daß selbst die Professoren oft kaum Zuhörer hatten. Unter diesen Umständen war für F. an die Erlangung einer außerordentlichen Professur nicht zu denken; auch die Bewerbung um das Amt des Universitätsrichters scheiterte. Dazu kam ein erneuter schwerer Anfall seines alten Leidens, den er sich im Herbst 1859 durch kaltes Baden zuzog und von dem er sich erst im Frühjahr 1860 langsam erholte. F. sah sich daher bei Ausführung seines Lieblingsgedankens auf litterarische Thätigkeit angewiesen. Im J. 1858 hatte er einen Aufsatz „Einiges zur Lehre von der Rechtskraft“ (Gruchot’s Beiträge II, 343 ff.) veröffentlicht; nach seiner Genesung, 1860, ging er an die Ausführung eines lang überlegten und gehegten Planes, ein ausführliches Handbuch des preußischen Privatrechts zu schreiben. Die ersten drei Bände dieses großen Werkes „Theorie und Praxis des heutigen gemeinen preußischen Privatrechts auf der Grundlage des gemeinen deutschen Rechts“ (Berlin 1865–1868) vollendete er noch in Greifswald. Der vierte Band erschien im J. 1873; von 1869 ab begann die zweite Auflage zu erscheinen. Die dritte Auflage, die letzte, die F. selbst bearbeitete, kam in den Jahren 1873–1874 heraus. (Die späteren, stark umgestalteten Ausgaben sind von Eccius bearbeitet; 4. Aufl. 1880 ff., 7. Aufl. 1896 ff.) F. selbst hat später von seinem Handbuch gesagt: „Ich habe mit dem Werk Glück gehabt und ich kann wol sagen, daß es mein Lebenswerk geworden ist.“ Nun, dieses Glück war wohl verdient; eine glückliche Hand stand hier im Dienste eines reichen und klaren Geistes. Ungewöhnliche Beherrschung eines vielgestaltigen Stoffes, der durch seine Verbreiterung im einzelnen sich bisher für wahrhaft wissenschaftliche Behandlung zu spröde erwiesen hatte, verband sich bei ihm mit einer Flüssigkeit der Darstellung und einer Klarheit des Stils, die das Werk gleich geeignet machte zur Einführung in das Studium des preußischen Rechts, wie zum Gebrauch in der Praxis, und die dabei niemals juristische Schärfe und methodische Schulung vermissen läßt. Foerster’s Handbuch wurde das grundlegende Werk für die Wissenschaft des preußischen Rechts und dessen [665] Anwendung im täglichen Geschäftsgang der preußischen Richter und in den Entscheidungen der höchsten Gerichtshöfe. Wäre dieses Buch wirklich sein einziges Lebenswerk, sein einziges Verdienst um unser Recht, so würde es doch allein ausreichen, ihm einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft zu sichern.

Das Werk wurde von vornherein von der Kritik sehr günstig aufgenommen; (wichtigste Besprechungen: Franklin, Krit. Vierteljahrsschr. VI, 148 ff., Göppert, ebd. VIII, 524 ff., Bekker in Glaser’s Jahrbüchern 1866, S. 278 f., Hinschius, Preuß. Anwalts-Zeitung IV, 382 ff., V, 830 f., Gruchot in seinen Beiträgen VIII, 475 ff.). Allgemein wurde anerkannt, welchen Fortschritt Foerster’s Werk gegenüber seinen Vorgängern bedeute; insbesondere wurde auch der Vorzug gerühmt, der es vor dem älteren Handbuch von Koch auszeichnet und der in erster Linie auf der Verarbeitung der neueren gemeinrechtlichen Litteratur und deren Fruchtbarmachung für das preußische Recht beruht, außerdem aber auch auf der gerechteren Beurtheilung des preußischen allgemeinen Landrechts und der diesem Gesetzbuche eigenthümlichen Rechtsbildungen. Jene Verquickung des preußischen Rechts mit der neueren gemeinrechtlichen Doctrin betrachtete F. als seine Hauptaufgabe. Er hielt es für nothwendig, „bei Bearbeitung der einzelnen deutschen Landesrechte das gemeine Recht nicht nur zu einer äußerlichen Vergleichung zu benutzen, sondern als Grundlage zu nehmen: einmal für die Erkenntniß der Landesrechte selbst, um dadurch nachzuweisen, daß sie nur Zweige an einem und demselben Stamme sind, aus dem sie fort und fort ihre Nahrung ziehen; sodann für das gemeine deutsche Recht, welches in ihnen eine eigenthümliche Gestaltung, eine Art von Abschluß erlangt hat, der nothwendig auf seine fernere Entwickelung zurückwirkt“. Um die Rechtsbildung auf beiden Gebieten zu fördern, müsse die Darstellung beide in ihrer fortschreitenden historischen Entwicklung zu fassen suchen; so könne auch die Wissenschaft der Landesrechte theilnehmen an dem frischeren und freieren Geiste, der die nicht an den Buchstaben gebundene gemeinrechtliche Theorie und Praxis belebe. In der Durchführung dieses Planes liegen die großen Vorzüge und auch die Mängel von Foerster’s Werk. Man hat ihm mit Recht vorgeworfen, daß er die ältere gemeinrechtliche Doctrin, wie sie zur Zeit der Redaction des A.L.R. herrschte, nicht genügend berücksichtigt habe; aber diese geringere Beachtung der älteren Litteratur wäre wahrlich kein großer Verlust, wenn es sich dabei nicht um deutsche Rechtsgedanken und um moderne Entwicklung römischer Institute handelte, die die historische Romanistenschule aus dem Pandektenrecht wieder ausgetrieben hat. F. hatte den ehrlichen Willen, auch die deutschrechtlichen Grundlagen des A.L.R. zu ihrem Rechte kommen zu lassen; aus den Bestandtheilen beiderlei Herkunft wollte er „ein organisches Ganze erarbeiten“. Aber die römische Form, in die er das preußische Recht umgoß, das Pandektensystem, war stärker als er. Die Durchdringung des preußischen mit gemeinem Recht ließ sich nicht durchführen, ohne hie und da dem Geiste des Landrechts und seinen eigenthümlichen Begriffen Zwang anzuthun. Doch dieser Fehler war kaum zu vermeiden, er lag im Vorwurf. Ein weiteres Ziel, das F. sich mit seinem Werke gesteckt hatte, und das er auch erreicht hat, war, beizutragen zur Vorbereitung eines einheitlichen deutschen Privatrechts, für dessen Inangriffnahme er in den Vorworten zum vierten Bande und zur dritten Auflage begeistert eintritt. Er faßte sein Buch mit Recht als eine wichtige Vorarbeit für das große deutsche Gesetzgebungswerk auf. Sein Eintreten für die Codification des gesammten Privatrechtes durch das Reich war wol nicht ohne Einfluß auf ihr Zustandekommen. Wie drastisch ist seine Warnung, bei der Gesetzgebung stückweise vorzugehen, seine Ablehnung „eines in Fetzen herumflatternden [666] Privatrechtes“, wie köstlich sein Ausspruch, „Gelegenheitsgesetze seien nicht so gut wie Gelegenheitsgedichte!“

Zur Zeit, als F. so schrieb, war er kein Neuling mehr in gesetzgeberischer Thätigkeit. Durch Rescript vom 26. Mai 1868, nach Fertigstellung des dritten Bandes der „Theorie und Praxis“, war F. zu legislatorischen Arbeiten in das preußische Justizministerium berufen worden; der neue Justizminister Leonhardt war auf F. durch dessen Werk aufmerksam geworden. Schon am 8. August desselben Jahres wurde F. zum Geheimen Justiz- und vortragenden Rath ernannt. Seine Freude darüber war um so größer, als er durch die Uebersiedlung nach Berlin wieder mit seiner dort lebenden Mutter vereinigt wurde. Bis zu deren Tode, am 19. Februar 1872, genossen Beide das Glück des Zusammenlebens. Aber auch in amtlicher Beziehung war F. von seiner Thätigkeit voll befriedigt; er selbst erklärte sie in dieser Hinsicht für die fruchtbarste und glücklichste Zeit seines Lebens: „Ich hatte die idealste Stellung inne, die einem praktischen Justizbeamten zu theil werden kann“. Und reich und ersprießlich waren denn auch die Erfolge auf dem neuen Arbeitsgebiet, dem er sich sogleich mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit und unermüdlichen Arbeitsfreudigkeit zuwandte. Seine ungewöhnliche Begabung für juristische Formgebung und die Leichtigkeit, mit der er auch schwierige Fragen rasch zu erledigen wußte, kamen ihm hier außerordentlich zu Statten. Seine nächste Aufgabe war die Abfassung der Gesetzentwürfe zur Reform des preußischen Immobiliar-Sachenrechts. Er löste das Problem, das man früher erfolglos angegriffen hatte, in überraschend kurzer Zeit. Die Entwürfe des Gesetzes vom 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten, der Grundbuch-Ordnung vom gleichen Datum, sowie der Gesetze betr. Ausdehnung beider Gesetze auf Schleswig-Holstein, Neuvorpommern und Rügen, Hannover, Kassel, Ehrenbreitstein und Hohenzollern vom 26./31. Mai 1873 rühren von ihm her, ebenso der erste, grundlegende Entwurf der Vormundschafts-Ordnung vom 5. Juli 1875, dessen weitere Bearbeitung ihm wegen seiner Beschäftigung mit der Reichgesetzgebung im J. 1873 abgenommen wurde. Auch hat er das Eigenthumserwerbs-Gesetz und die Grundbuch-Ordnung während einer Krankheit des Justizministers unter großer körperlicher Anstrengung in beiden Häusern des Landtags vertheidigt und durchgebracht. Diese beiden Gesetze wurden ihm auch eine Veranlassung zu litterarischer Thätigkeit: als Redactor der Reformgesetze und bester Kenner der bisher für Preußen noch nicht monographisch behandelten Materie hielt er es für angemessen, selbst das ganze Rechtsgebiet in einem systematischen Werke wissenschaftlich zu behandeln. Sein „Preußisches Grundbuchrecht“ (Berlin 1872) hat der Praxis hervorragende Dienste geleistet. Diese wissenschaftlichen Studien waren ihm neben seiner aufreibenden amtlichen Thätigkeit geradezu Bedürfniß; er pflegte zu sagen, er brauche sie, um nicht den Eindruck zu gewinnen, als gäbe er sich bei seinen Berufsarbeiten geistig aus. In seinen letzten Lebensjahren war seine litterarische Productionsskraft hauptsächlich auf den Abschluß und die Bearbeitung der Neuauflagen seiner „Theorie und Praxis“ gerichtet; doch war er seit dem Jahre 1873 auch als Mitarbeiter an der 5., 6. und 7. Auflage des Koch’schen Commentars zum Allgemeinen Landrecht thätig. Endlich gehörte F. seit dem Jahre 1870 der Justiz-Prüfungscommission an und erwarb, wie schon in Greifswald als Mitglied der Commission für die erste juristische Prüfung, den Ruf eines vorzüglichen Examinators. Aeußere Anerkennung fand seine Thätigkeit im preußischen Justizministerium in der Verleihung des Titels eines Geheimen Ober-Justizrathes.

[667] Die Aussicht auf eine glänzende schöpferische Thätigkeit öffnete sich für F., als der Bundesrath des Norddeutschen Bundes den Reichskanzler um Ausarbeitung der für die geplante einheitliche Justizreform erforderlichen Reichsjustizgesetze ersuchte und dieser die Feststellung der Entwürfe, da es der Reichsregierung an verfügbaren Kräften mangelte, zum größeren Theile dem preußischen Justizminister Leonhardt übertrug. Nachdem F. im Winter 1870/71 bereits der Commission angehört hatte, mit der Leonhardt den von ihm umgearbeiteten „norddeutschen Entwurf“ der Civilproceß-Ordnung durchberathen hatte, und nachdem er somit thätigen Antheil an der Fertigstellung dieses für das spätere Gesetz maßgebenden preußischen Justizministerial-Entwurfs gehabt hatte, war er im Frühjahr 1871 Mitglied der Justizministerial-Commission, in der in zwei Lesungen über den von Friedberg verfaßten Entwurf der Strafproceß-Ordnung berathen wurde. Vor allem aber war F. auch bei Ausarbeitung der Entwürfe selbst in hervorragender Weise betheiligt. In den Jahren 1870–73 stellte F. im Auftrage des Justizministers den Entwurf einer deutschen Gemeinschuld-Ordnung fertig und schuf damit die bleibende Grundlage der späteren Reichs-Concursordnung vom 10. Februar 1877, die allgemein als eins der besten unserer großen Reichsgesetze anerkannt ist. Besonders lag F. aber am Zustandekommen des zur Schaffung eines einheitlichen deutschen Richteramtes und einer einheitlichen Rechtsprechung vor allen wichtigen Gerichtsverfassungs-Gesetzes. Den ersten Entwurf, dessen Ausarbeitung ihm vom Justizminister Anfang 1872 übertragen worden war, vollendete er schon im Juli des Jahres. F. hatte seine Aufgabe im weitesten Sinne gefaßt: er wollte ein vollständiges Organisationsgesetz liefern, also nicht allein die Bedürfnisse des Processes befriedigen, sondern alle übrigen Thätigkeiten der Gerichte regeln und die Amtsverhältnisse der Gerichtspersonen einheitlich gestalten, namentlich ein einheitliches deutsches Richteramt schaffen. Er war mit seinem ganzen Idealismus und seinem warmen deutschen Patriotismus an die Sache herangegangen; es war ihm Herzenssache, auf diesem wichtigen Gebiet zur Ausgestaltung der deutschen Einheit beitragen zu können. Um so mehr schmerzte es ihn, als in den Minister-Conferenzen im Decbr. 1872 zwar sein Entwurf, nicht ein bairischer Gegenentwurf, zu Grunde gelegt, aber in seiner Ausdehnung und Tendenz von allen Staaten, außer Preußen und Baden, heftig bekämpft wurde. Besonders Baiern war im Interesse möglichster Erhaltung der Landes-Justizhoheit für äußerste Beschränkung, und lehnte anfangs sogar die Spitze der Gerichtsorganisation, das deutsche Reichsgericht, ab, um es durch eine nichtrichterliche Rechtsauslegungsbehörde, einen „Bundesrechtshof“, zu ersetzen. Schweren Herzens arbeitete F. zwei weitere Entwürfe aus, von denen er selbst zum Theil nicht wünschte, daß sie Gesetz würden, während er gleichzeitig im Laufe des Jahres 1873 den Entwurf eines Gesammt-Einführungsgesetzes der deutschen Gerichts-Ordnung fertigstellte. Auch der fernere Verlauf der Verhandlungen befriedigte ihn durchaus nicht. In einem Zeitungsaufsatz „Die Klippen der deutschen Gerichtsreform“ (Spener’sche Zeitg. 1873, Nr. 77) trat er mit seinen Befürchtungen an die Oeffentlichkeit, wie er bereits früher seine Anschauungen über die Reform des Processes in einer Artikelreihe „Das deutsche Prozeßrecht“ (National-Zeitg. 1871, Nr. 415/423) dargelegt hatte. Da er nun auch wahrzunehmen glaubte, daß Leonhardt für das Zustandekommen der Reichs-Justizgesetzgebung nicht mehr mit alter Regsamkeit eintrete – wahrscheinlich waren, außer einer Erkrankung des Ministers, für die Verzögerung politische Gründe maßgebend, für die in seinem nur die Sache sehenden Idealismus die Schätzung fehlte –, so begann F. an der Vollendung des Werkes, an dem er mit Begeisterung gearbeitet hatte und dem er so hohe nationale [668] Bedeutung beimaß, ganz zu verzweifeln. Dazu kamen persönliche Gründe, die ihm seine Stellung verbitterten. Er glaubte zu spüren, daß Leonhardt ihm nicht mehr das alte Wohlwollen entgegenbrächte; und in der That mag dieser nicht ganz frei von Eifersucht auf den Mann gewesen sein, dessen Arbeitskraft die Gesetzgebung Preußens und des Reiches in jener Zeit mehr verdankte als irgend einem Andern, und der durch seine Kenntnisse, durch die Festigkeit seiner Ansichten und die Schärfe, mit der er sie zu vertreten wußte, bei allen Verhandlungen sehr großen Einfluß hatte. Ferner fühlte sich F. dadurch zurückgesetzt, daß man ihm keinerlei Hoffnung auf eine führende Rolle bei der Ausarbeitung des Entwurfes eines Civilgesetzbuches für das Deutsche Reich, vielleicht den größten Wunsch seines Lebens, eröffnete und das für die neugeschaffene Directorstelle der Justizabtheilung im Reichskanzleramte nicht er in Aussicht genommen wurde. Für diese Nichtberücksichtigung waren zwar sicher nur politische Erwägungen ausschlaggebend – man wollte nicht alle hohen Reichsämter mit Preußen besetzen, und F. war von den süddeutschen Ministern als gefährlichster Gegner ihrer particularistischen Bestrebungen geradezu gefürchtet –; dennoch war F. tief verwundet und entschloß sich nunmehr zur Annahme eines im Vorjahre abgelehnten Vorschlages seines Jugendfreundes, des Cultusministers Falk, das Amt des Ministerialdirectors für Kirchenangelegenheiten zu übernehmen. Am 25. Februar 1874 erhielt er die Ernennung, zugleich mit dem Titel eines Wirklichen Geheimen Ober-Regierungsrathes.

Am 1. März 1874 schied F. aus seinem Amt im Justizministerium und trat in das Cultusministerium über. Er fand reiche Arbeit. Der Culturkampf hatte begonnen. F. übernahm die Redaction der Maigesetze. Er konnte es aus voller Ueberzeugung thun, da er selbst von der Nothwendigkeit dieses Kampfes gegen die römische Hierarchie durchdrungen war. Bismarck hat später (Gedanken und Erinnerungen II, 130) die juristische Detailarbeit der Maigesetze getadelt, wol nicht mit Unrecht. F. ging mit einem Optimismus in den Kampf, wie er nur bei einem Manne erklärlich ist, der aus eigener Anschauung die katholische Kirche nicht kannte. Seinem auf das Ganze gerichteten Idealismus war politisches Abwägen und diplomatische Berechnung fremd. Ihn selbst befriedigte die Beschäftigung mit jener Gesetzgebung, die nur äußerliche Einrichtungen und Abwehrmaßregeln zum Inhalte hatte, nicht; er vermißte stets den rechtswissenschaftlichen Charakter bei seiner Thätigkeit. So sehr ihn der Kampf in seinen Höhepunkten ergriff, so lebhaft er mit der Seele dabei war, wenn es galt, im Parlament Angriffe des Centrums abzuwehren, so scharf und schneidig er dann mit seiner ganzen Person für die Sache eintrat, die rechte Berufsfreudigkeit, die die Justizgesetzgebung in ihm erweckt hatte, fehlte ihm in seinem neuen Amt, und bitter klingt seine Klage: „So suche ich fort und fort, wie Schlemihl nach seinem Schatten, nach dem mir verloren gegangenen, meiner Natur entsprechenden geistigen Schwerpunkt, den ich nur in der Rückkehr in ein Justizamt wieder finden kann“. Auch die Arbeiten zur Herstellung einer Verfassung für die evangelische Kirche, an denen er betheiligt war, befriedigten ihn nicht. Er war ausgeprägt gottesfürchtig und pflegte allsonntäglich im Kreise der Familie Hausandacht zu halten; doch wagte er nicht zu hoffen, daß es zu einer alle Gegensätze umspannenden und versöhnenden Kirchenverfassung werde kommen können. Er fürchtete den „dürren und zelotischen Geist einer Buchstabenorthodoxie“ auf der einen Seite, ebenso wie deren Gegensatz, den „verflachenden Nationalismus“; beide waren ihm gleich verhaßt. Dennoch hat er an seinem Theile redlich am Zustandekommen der Kirchengesetzgebung mitgewirkt. Das [669] Gesetz vom 25. Mai 1874 betr. die evangelische Kirchengemeinde- und Synodal-Ordnung und das Gesetz vom 3. Juni 1876 betr. die evangelische Kirchenverfassung entstammen seiner Feder, ebenso wie die Verordnung vom 2. Decbr. 1874 betr. Pfarrwahl. Bei der Berathung dieser Gesetze im Landtage war er als Commissar der Regierung hervorragend betheiligt; in gleicher Eigenschaft nahm er an den Verhandlungen der ersten außerordentlichen Generalsynode theil, in der die Generalsynodal-Ordnung vom 20. Januar 1876 berathen wurde, sowie an den Verhandlungen der außerordentlichen Synode des Consistorialbezirks Wiesbaden vom 6. bis 26. September 1876 betr. Einführung der neuen Kirchenverfassung in Nassau. Seinem Eintreten ist es zuzuschreiben, daß mancherlei liberale Bestimmungen in die Kirchengesetzgebung Eingang fanden. Er nahm sich dabei mit gleicher Energie des Selbstverwaltungsrechtes der kirchlichen Körperschaften wie der Wahrung des staatlichen Aufsichtsrechtes an. Seine Objectivität, die Klarheit und Eleganz seiner Sprache, verbunden mit seinem reichen Wissen und der Festigkeit seiner Ueberzeugung machten ihn im Landtage zu einem der beliebtesten Vertreter der Regierung und verschafften ihm aufmerksames Gehör. Wol waren seine Entgegnungen oft scharf im Inhalt und im Tone – vorsichtiges Abwägen äußerer Umstände war seine Art nicht –, doch wirkte er überzeugend, da man erkannte, daß es ihm nur um die Sache zu thun war, daß hier ein ganzer Mann von makellosem Charakter offen für das eintrat, was er als gut und richtig erkannt hatte. Wer ihn aber näher kannte, der wußte, ein wie warmes Herz er für seine Freunde hatte, welch kindlich reine, dem Idealen zugewandte Seele in diesem geistvollen Gelehrten, diesem pflichttreuen Beamten lebte, der seinen schwächlichen Körper, ohne an Schonung zu denken, in den Dienst seines Staates und seines Königs stellte, die er liebte.

Es war F. nicht beschieden, in den Justizdienst zurückzukehren. Noch im letzten Lebensjahre, als er bei der Durchberathung des Falk’schen Unterrichtsgesetz-Entwurfs betheiligt war, hatte er sich mit dieser Hoffnung getragen. Seine Ernennung zum Präsidenten des evangelischen Ober-Kirchenrathes, die im J. 1877 geplant war, schlug er aus. Der Tod durchkreuzte seine Pläne. Ein leichtes Lungenleiden, das ihn im Frühjahr 1878 befiel, enthüllte sich als Vorbote eines erneuten Anfalls seines alten Leidens. Die Nierenentartung war in ihr letztes Stadium getreten. Am 8. August verschied er, noch nicht sechzigjährig, doch nach einem Leben, das reich war an Arbeit und Erfolg. Seine Wittwe und vier Kinder überlebten ihn, eine erstgeborene Tochter und drei Söhne. Jene, Helene F., lebt z. Z. in Wernigerode a. Harz bei ihrem Manne, dem Generalmajor z. D. Westphal. Der älteste Sohn, Reinhart F., ist Oberlandesgerichtsrath in Hamm, der zweite, Paul, Hauptmann und Compagniechef bei der Unterofficierschule in Potsdam, der jüngste, Erich, ist Pfarrer in Frankfurt a. M.

Abegg, Nachruf für A. W. Foerster i. d. Jahrb. d. ges. deutschen jur. Litt. III, 1826, S. 368 ff.; – Ders., im Jubiläumsprogr. d. Bresl. jur. Fak. z. 4. Aug. 1861, S. 19 f. (A. W. Foerster), S. 32 f. (Fr. Foerster). – Nadbyl, Chronik u. Stat. d. Univ. Breslau 1861, S. 39, 41, 58. – A. W. Foerster, Disput. inaug., Vrat. 23. Mai 1812, S. 12 f. – Fr. A. A. Foerster, Diss., Vrat. 23. Mai 1843, S. 43 f. – H. Kanngießer, Preuß. Jahrbücher XLII, 409 ff. – Rassow, in Gruchots Beiträgen XXII, S. XV ff. – Reichsanz. Nr. 185, 9. Aug. 1878. – National-Ztg. 8. Aug. 1878. – Post, 9. Aug. 1878. – Nordd. Allg. Ztg., 10. Aug. 1878. – Schles. Ztg. Nr. 369, 10. Aug. 1878. – Allg. Ztg. Nr. 223, 11. Aug. 1878, S. 3280. – Köln. Ztg. Nr. 222, 11. Aug. 1878. – [670] Ev. Gemeindebote und Ev.-Kirchl. Anz., Aug. 1878. – Besonders auch handschr. „Notizen aus meinem Leben“ und andere Aufzeichnungen Foerster’s, deren Benutzung mir von Frau Min.-Dir. Foerster in Berlin und Herrn O.-L.-G.-R. Foerster in Hamm freundlichst gestattet wurde. Diesem und Herrn Pfarrer Foerster in Frankfurt a. M. verdanke ich auch sonstige werthvolle Mittheilungen. – Acten der jur. Fak. zu Breslau.