ADB:Koch, Christian Friedrich

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Artikel „Koch, Christian Friedrich“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 368–371, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Koch,_Christian_Friedrich&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 05:30 Uhr UTC)
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Koch: Christian Friedrich K., mit Recht als „einer der drei Männer des preußischen Rechts“ bezeichnet, wurde als Sohn des Taglöhners Christian Friedrich K. am 9. Februar 1798 zu Mohrin, einem Städtchen bei Königsberg in der Neumark, geboren, starb am 21. Januar 1872 zu Neiße in Schlesien. Ihm und W. L. Bornemann (vgl. Bd. III S. 173 ff.) verdankt das preußische Recht seine systematisch-kritische Behandlung fast in seinem ganzen Umfange. K. mußte sich aus den ärmlichsten Verhältnissen mit eiserner Energie emporarbeiten, während Bornemann völlig geebnete Wege fand. Die ersten Studien machte der geistig trefflich veranlagte Knabe beim Hüten der Ziegen und Gänse der Eltern auf der Weide, stets mit Schiefertafel und Stift oder später mit Papier, Bleistift und Büchern versehen. Der Vater, auf die nächsten Dörfer wandernd, um Töpfe zu binden und andere armselige Arbeit zu suchen, betrachtete diese Beschäftigungsweise als nutzlos, in der Meinung, „daß der Junge doch nie Präsident werden würde“ – worin er irrte! In den Schulen war er stets der Erste, übertraf alle Mitschüler an Fleiß und Geist, auch an Witz und Grobheit, wie Vernachlässigung des Aeußeren – völlig so, wie er später in seinen Werken und im Umgange mit Anderen auftrat. Zum Schneiderhandwerk bestimmt, war K. nebenbei bei dem Stadtrichter Scheibler in seiner Vaterstadt als Abschreiber thätig, was ihn schon früh mit dem Gange des Processes, überhaupt den Rechtsangelegenheiten bekannt machte. Eine Tischlermeisterfrau Rosenthal nahm ihn auf zwei Jahre in ihr Haus und sorgte für ihn in mütterlichster Weise, erfreut [369] durch den rastlosen Eifer des Knaben, welcher Thüren, Fenster, Stühle mit Notizen versah, um ja nichts zu vergessen. Sie verschaffte ihrem Lieblinge bei dem Bruder ihres Mannes, einem am Oberlandesgerichte Soldin angestellten Kanzlisten, eine Stelle. K. erlernte die Geschäfte des Subalterndienstes, ging dann als Amtsactuar nach Pyrehne bei Landsberg a. W., bald danach als Justizactuar an das Patrimonialgericht Reppen. Trotz sehr beschränkter Mittel beschloß er, seit 1821 verheirathet, die ihm nicht zusagende Stelle niederzulegen und sich die nöthigen Kenntnisse anzueignen, um höhere Aemter ins Auge zu fassen. Er legte sehr bald die Maturitätsprüfung ab, studirte, aufs Höchste angeregt, unter Savigny bis 1825, wurde Auscultator, sechs Monate später Referendar und veröffentlichte 1826 die ihm sofort einen Namen verschaffende, streng die Ansichten der historischen Schule vertretende Schrift „Versuch einer systematischen Darstellung der Lehre vom Besitze nach preußischem Recht in Vergleich mit dem gemeinem Recht“, ein Werk, das Savigny’s Anerkennung fand und neben dem Bornemann’schen Werke über Rechtsgeschäfte den Beginn einer preußischen Rechtswissenschaft bezeichnete. Es wurde 1839 bei Aderholz in Breslau von Neuem aufgelegt. Die in der Materie selbst liegenden Schwierigkeiten waren hier insofern noch größere, als für das Werk Savigny’s reiches Quellenmaterial und umfangreiche Litteratur vorlag, hier dagegen die Ansichten und Absichten der Verfasser des Landrechts, zumal zu deren Zeit große Unklarheit geherrscht hatte, bei ungenügender Bekanntmachung der Gesetzgebungsmaterialien schwer festzustellen waren. Uebrigens zeigt diese Schrift – wie dies bei der ersten Jugendarbeit auch nicht auffallen kann – eine starke Anlehnung an Savigny’s Werk (7. Ausgabe von Rudorff, Wien 1865 S. 549). Nach Zurücklegung der großen Staatsprüfung lernte K. in Köln und Aachen das französische Recht kennen, wurde 1829 an das Oberlandesgericht in Marienwerder, 1832 als Director des Stadt- und Landgerichts nach Culm, auf kurze Zeit 1834 nach Glogau versetzt und endlich 1835 zum Rath am Oberlandesgericht in Breslau befördert. Hier trat er in Beziehungen zu Männern, wie Simon, Wentzel, Rönne, Baumeister und Anderen und betheiligte sich seit 1838 an den von den sog. fünf Männern herausgegebenen „Ergänzungen und Erläuterungen zu den preußischen Rechtsbüchern“, welche Mitwirkung er jedoch bei den ferneren Ausgaben zufolge Mißhelligkeiten aufgab. Für junge Praktiker hatte er 1832 eine, großen Anklang findende „Anleitung zum Referiren und zum Aufsetzen der Erkenntnisse bei preußischen Gerichtshöfen“ (2. Aufl. 1836) geschrieben, auch mit der Judenfrage sich beschäftigt in der Schrift „Die Juden im preußischen Staate“, Marienwerder 1833, endlich besondere Aufmerksamkeit der schwierigen Lehre von den Forderungen gewidmet. Die drei Bände seines „Recht der Forderungen nach gemeinem und preußischem Recht mit Rücksicht auf neuere Gesetzgebungen historisch und dogmatisch dargestellt“, 1836, 1840, 1843 (2. Aufl. 1859), sowie das sich anschließende Werk „Lehre von dem Uebergang der Forderungsrechte durch Universal- und Singularsuccession“, 1837, zeigen ihn als selbständigeren Forscher, der sich als Ziel setzt, die Schätze der gemeinrechtlichen Litteratur auch für das auf diesem Gebiete wenig glückliche Landrecht zu verwerthen. Eine bis dahin sehr wenig bearbeitete Materie behandelte er in „Recht und Hypothekenwesen der preußischen Domänen, mit Berücksichtigung der Doganen- und Domänenverwaltungsgeschichte“, 1838, einer Schrift, deren Grundanschauung übrigens sehr bald widerlegt wurde. Verdienstvoll war die Begründung einer Zeitschrift „für die Rechtsbestimmungen und Rechtsmeinungen der drei schlesischen Landesjustizcollegien in zweifelhaften zur richterlichen Entscheidung oder zur obrigkeitlichen Zurechtweisung (!) vor dieselbe gekommenen Rechtsfragen“: das „schlesische Archiv für die praktische Rechtswissenschaft“, 1837–1846 in sechs Bänden erschienen [370] und zahlreiche kritische, werthvolle Abhandlungen Koch’s enthaltend. Im Herbst 1840 ging K. als Director des Land- und Stadtgerichts nach Halle a. S., wo er die Freude und Genugthuung hatte, unter seiner bewährten Leitung den Sohn Savigny’s, den jungen Niebuhr, den späteren Staatsminister Delbrück u. A. den Justizdienst erlernen zu sehen. Er verstand es aber nicht, sich in die geselligen Umgangsformen zu schicken; schroff und eigensinnig stieß er seine Umgebung von sich ab und ergriff sehr gern die sich bietende Gelegenheit, mit dem späteren Präsidenten Wentzel, dem Förderer der preußischen Gesetzgebung, zu tauschen und 1841 als Director an das Fürstenthumsgericht nach Neiße zu gehen, wo er sein arbeitsames Leben beschließen sollte. Mit neuem Muthe widmete er seine Kräfte der Ausarbeitung eines sehnlichst erwünschten systematischen Lehrbuchs des preußischen Privatrechts, das er 1845 veröffentlichte. Es war dies die erste wahrhaft dogmatische Bearbeitung, wie Behrend bemerkt, und wurde die Grundlage, auf welcher in neuerer Zeit die vortrefflichen Arbeiten von Förster und Dernburg weiter geführt worden sind. Sehr scharf spricht er sich schon in diesem Werke gegen die damals um sich greifende rechtsbelehrende Function des Justizministers aus, indem er bestrebt ist dahin zu wirken, „daß der Glaube an die Berechtigung irgend einer Amtsautorität in Sachen der Wissenschaft wankend werde“. Mehr noch geschah dies in „Beurtheilung der ersten zehn Bände der Entscheidungen des königl. Geh. Obertribunals“ 1847, und zwar in einer Form, die trotz des anerkennenswertben Zweckes der Arbeit wol nicht gebilligt werden kann. Uebrigens mangelte es ihm nicht an Anerkennung seiner emsigen Wirksamkeit. Die Universität Halle ernannte ihn wegen seiner Verdienste um das vaterländische Recht zum Doctor der Rechte honoris causa, der Minister anerkannte in einem Rescript, daß K. durch die Schrift „Preußens Rechtsverfassung und wie sie zu reformiren sein möchte“, 1843 (Fortsetzung 1844) vielfach Mißstände aufgedeckt habe und sein edler Gegner, Bornemann, berief kurz nach Uebernahme des Justizministeriums zur Mitwirkung an gesetzgeberischen Arbeiten den Mann, der sich von Neuem durch ein „Lehrbuch des preußischen Civilprocesses“, 1847 (2. Aufl. 1854), auch ein nach und nach in 8 Auflagen verbreitetes „Formularbuch für instrumentirende Gerichtspersonen und Notarien“ (zuerst 1844 erschienen) als gründlichsten Kenner des heimischen Rechts gezeigt hatte. Doch erwies sich K. der ehrenvollen Aufgabe, einen Civilproceßentwurf auszuarbeiten, nicht völlig gewachsen. Diese im J. 1848 erschienene Arbeit ist kein Werk aus einem Guß, in der Form schwerfällig, inhaltlich ohne Harmonie. Völlig ungerecht sind die Angriffe auf den Justizminister Kisker in der Schrift: „Die bevorstehende Gerichtsorganisirung und die Patrimonialrichter in Preußen“, 1849. Politische, damals schwer in die Wagschale fallende Rücksichten waren es, welche K., der eine kurze Zeit Hülfsarbeiter am Obertribunale gewesen war, von der Mitgliedschaft ausschließen ließen, sodaß er als Kreisgerichtsdirector in seine alte Stellung zurückkehrte, bis er endlich 1854 in den Ruhestand trat, vielleicht aus Anlaß einer Disciplinaruntersuchung, deren Veranlassung er selbst erzählt (Preuß. Civilproceß 2. Aufl. 1854 S. 330 Note: „tumultuarisches Verfahren“). Die schriftstellerischen Arbeiten hatten ihm ermöglicht, ein in der Nähe von Neiße gelegenes Rittergut Blumenthal zu erwerben, wo er sich nun in voller Muße – abgesehen von vorübergehender Thätigkeit als Abgeordneter eines schlesischen Wahlkreises während der Conflictszeit – lediglich wissenschaftlichen Arbeiten widmete. In diese Periode fallen die Ausgaben der „Proceßordnung“ (1. Aufl. 1851, 6. Aufl. 1871); „Das Wechselrecht“, 1850; „Allg. Hypothekenordnung“, 1856: die zum Theil sehr sarkastische „Anleitung zur preußischen Proceßpraxis mit Beispielen“, 1860, 1861; „Allg. Deutsches Handelsgesetzbuch“, 2. Aufl. 1869, 1872; „Preußische [371] Konkursordnung“, 2. Aufl. 1867; „Preußisches Erbrecht“, 1866; „Allgemeins Berggesetz für den preußischen Staat“, 1871, 1872, vor Allem aber der allen Praktikern unentbehrlich gewordene „Commentar zum Allgemeinen Landrecht“, 1852–1856, 7. (6.) Aufl. 1878–1880 in 4 Bänden. Mehr als irgend ein Anderer hat K. mit diesen Schriften die Erkenntniß des preußischen Rechts gefördert. Den größten Theil seines Vermögens, welches mehr als 300000 Mark betragen haben soll, hat er testamentarisch seiner Vaterstadt Mohrin zur Errichtung einer Armenkinder-Erziehungsanstalt vermacht.

Christian Friedrich Koch. Eine Skizze seines Lebens von Prof. Dr. J. Behrend, Berl. 1872. – Suarez, Bornemann und Koch, die drei Männer des preußischen Rechtes, Berl. 1875.