ADB:Engelbert I. (Erzbischof von Köln)

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Artikel „Engelbert, Erzbischof von Köln“ von Eduard Winkelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 121–124, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Engelbert_I._(Erzbischof_von_K%C3%B6ln)&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 22:36 Uhr UTC)
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Engelbert, geboren um 1185, Erzbischof von Köln 29. Februar 1216, † 7. November 1225, Sohn des auf dem Kreuzzuge Friedrichs I. gestorbenen Grafen Eberhard, Bruder Adolfs IV. von Berg, Vetter des 1205 abgesetzten Erzbischofs Adolf I. von Altena. Durch den mächtigen Einfluß seines Hauses ward E., kaum aus der Domschule zu Köln entlassen, Propst von St. Georg daselbst und später noch mit einer ganzen Reihe anderer geistlicher Stellen im Kölnischen, in Aachen, Deventer und Zütfen ausgestattet, welche ihm sehr bedeutende Einkünfte gebracht haben müssen. Die Mehrheit des Domcapitels wählte ihn schon 1199 zum Domprobste. Obwol E. damals lange noch nicht das gesetzliche Alter erreicht hatte und obwol seine Wahl auch sonst sehr anfechtbar war, blieb er nach längerem Processe gegen den Candidaten der Minderheit schließlich doch im Besitze jener Würde, welche zusammen mit dem Rückhalte an seinem Hause ihm die Nachfolge im Erzbisthum fast mit Gewißheit verbürgte. Als indessen Erzbischof Adolf zu Ende des J. 1204 von dem durch den Papst anerkannten Otto IV. zu König Philipp übertrat und E. nicht blos mit seiner ganzen Verwandtschaft dem Beispiele des Vetters folgte, sondern in dem nun über das Erzbisthum hereinbrechenden Bürgerkriege sich durch Gewaltthätigkeiten aller Art besonders hervorthat, traf ihn erst der Bann und bald darauf die förmliche Absetzung. Er jedoch kümmerte sich darum nicht im geringsten; er durchzog an der Spitze bewaffneter Haufen das Land, brandschatzte und plünderte die Güter des zum Papste und Gegenbischofe Bruno von Sain haltenden Capitels, indem er offenbar darauf rechnete, daß seine Absetzung in irgend einer Weise zurückgenommen werden würde, falls König Philipp, wie es den Anschein hatte, die Oberhand behielt und den Papst zum Frieden zwang. Aber Philipp ward am 21. Juni 1208 ermordet, die schon verlorene Sache Otto’s IV. und der Gegenpartei im Erzbisthum triumphirte, Erzbischof Adolf mußte sich mit einer Abfindung zufrieden geben, die Grafen von Berg und Altena, welche jetzt allen Einfluß verloren, fügten sich dem Erzbischof Bruno und dann seinem Nachfolger Dietrich von Hengebach, demselben, mit welchem einst E. um die Dompropstei gestritten hatte. E. selbst hat damals seinen Frieden mit der Kirche gemacht und konnte, wie die Dinge lagen, es nur als eine besondere Gunst ansehen, daß [122] ihm die Dompropstei gelassen wurde. Vielleicht war neben dem Schadenersatze, welchen er dem Capitel leisten mußte, auch sein kurzer Kreuzzug gegen die Albigenser im J. 1212 eine Buße seiner früheren Vergehen.

Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre Engelberts kirchliche Laufbahn nun wol abgeschlossen gewesen. Da hat der Umstand, daß Erzbischof Dietrich dem Kaiser Otto treu blieb, als der Papst sich mit demselben entzweite und die Wahl Friedrichs II. zum deutschen Könige genehmigt hatte, dem bergischen Grafenhause und dadurch E. selbst plötzlich wieder zu neuer Geltung verholfen. Erzbischof Sigfried von Mainz setzte als päpstlicher Legat 1212 den beseitigten Adolf wieder als Erzbischof von Köln ein und, obwol Innocenz III. diesen schließlich nicht anerkannte, sondern eine völlige Neuwahl anordnete, hatten die Grafen von Berg sich doch schon um die Sache des Papstes und seines Schützlings Friedrich so verdient gemacht, daß das Capitel am 29. Febr. 1216 wieder einen Geschlechtsgenossen, eben den Dompropst E., einstimmig zum Erzbischofe erwählte. Er empfing am 1. Mai zu Würzburg die Bestätigung von dem damaligen Legaten des Papstes und die Belehnung vom Könige. Das Pallium ward ihm jedoch erst viel später zu Theil, als die aus den vielen Processen um das Erzbisthum entstandenen Schulden einigermaßen geordnet waren. Erst wenig über 30 Jahre alt, kräftig und stattlich in seiner äußeren Erscheinung, ein Mann mit großem Selbstgefühl, festem Willen und durchdringendem Verstande, schlagfertig in Wort und That, so trat E. die Regierung des durch langen Bürgerkrieg verwilderten und in jeder Beziehung zurückgekommenen Erzbisthums an. Sein Streben war, hier erst wieder eine feste Ordnung zu schaffen, den Frieden aufrechtzuhalten, seine geistliche und landesfürstliche Gewalt zur rückhaltlosen Anerkennung zu bringen und wo möglich auszudehnen, die Besitzungen seiner Kirche zu mehren, den Trotz der Großen zu brechen. Ging es nicht anders, so griff er ebenso unbedenklich wie in früheren Jahren zum Schwerte und führte es mit demselben Nachdrucke und gelegentlich auch mit derselben Nichtachtung entgegenstehender Rechte. Als Engelberts Bruder Adolf von Berg auf dem Kreuzzuge nach Damiette starb und Walram von Limburg für seinen mit Adolfs einziger Tochter vermählten Sohn das Erbe beanspruchte, trat ihm E. entgegen: als Erzbischof zog er die Lehen Adolfs ein, als Bruder trat er selbst die Grafschaft an, von den Alloden wollte er nichts abgeben. Er zwang durch glückliche Kämpfe erst die Verbündeten der Limburger, dann diese selbst sich ihm bedingungslos zu unterwerfen. In ähnlicher Weise ward jeder andere Widerstand gebrochen, der sich in den beiden Herzogthümern des Erzbischofs, dem ripuarisch-lothringischen und dem westfälischen, hervorwagte: E. herrschte da vielleicht selbständiger und uneingeschränkter von den Localgewalten als irgend ein anderer deutscher Fürst seiner Zeit. In seinem Bereiche war natürlich ebenso wenig Raum für städtische Freiheit. Hatten die stolzen und reichen Bürger von Köln sich in den vorhergegangenen Wirren gewöhnt, sich den Erzbischöfen zur Seite zu stellen, waren diese selbst oft genöthigt gewesen, sie als Bundesgenossen zu behandeln, so benützte E. gleich am Anfange seiner Regierung einen Zwist der Schöffen und der Zünfte, um sein Herrschaftsrecht der Stadt in Erinnerung zu bringen. Er hob, in dieser Beziehung durchaus des Rückhalts an der Reichsregierung sicher, den von den Bürgern eigenmächtig eingesetzten Stadtrath wieder auf, strafte den Widerstand der Zünfte und zwang die Schöffen, sich bei ihrer Rechtsprechung nach seinen Satzungen zu richten. Er ward und war eben der wirkliche Herr im Lande und unbekümmert um den Haß, mit welchem die früher ungezügelten Edlen, Dienstmannen und Patricier sein straffes Walten verfolgten. Seine eigenen Verwandten kamen nicht besser fort. Uebrigens trat er ebenso der Zuchtlosigkeit der kirchlichen Elemente entgegen. Obwol er selbst [123] mehr Fürst als Bischof war und im Drange der weltlichen Geschäfte, wie ein Zeitgenosse klagte, dem Geistlichen zu wenig Aufmerksamkeit zuwandte, wir wissen doch, daß er oft reformirend in die inneren Verhältnisse der Stifter eingriff, das kirchliche Leben zu heben bemüht war und – in merkwürdigem Gegensatze zu seiner eigenen Prachtliebe – die eben sich ausbreitenden Bettelorden begünstigte, alles das aber mit derselben Eigenwilligkeit und Selbstherrlichkeit, welche seine weltliche Herrschaft kennzeichnet. Die Frucht derselben haben vornehmlich seine Nachfolger geerntet; doch kam sie auch schon den Mitlebenden zu Gute. Mochten die höheren Stände über den Druck des Fürsten knirschen, die unteren erkannten die Wohlthat strenger Rechtspflege, des Friedens, unbedingter Sicherheit und steigenden Gedeihens dankbar an. Eine Menge köstlicher Scenen, welche uns Engelberts Zeitgenosse und Biograph Cäsarius v. Heisterbach aufbewahrt hat, zeigen, wie sehr er in diesen Kreisen verstanden und geliebt wurde.

Ein weiteres Feld that sich den Fähigkeiten Engelberts auf, als König Friedrich II. ihn 1220 bei seinem Abzuge nach Italien zum „Reichsgubernator“ für seinen Sohn, den jungen König Heinrich VII., bestellte. Auf die Erziehung desselben hat E., der ihn am 8. Mai 1222 in Aachen krönte, wol kaum einen tiefgreifenden Einfluß geübt; einen sehr bedeutenden aber auf die deutsche Regierung. Diese wurde durch ihn ganz in den Bahnen gehalten, in welchen sie sich schon unter Friedrich II. hatte bewegen müssen. Die Interessen des Fürstenthums und insbesondere des geistlichen Fürstenthums blieben für das Ganze maßgebend; die Freiheitsbestrebungen der Städte und der Trotz des Lehnsadels und der Ministerialität konnten dagegen nicht aufkommen. Nach Außen hin aber hat E. zwei Mal einen nachweisbaren Einfluß geübt, nämlich in Bezug auf das Verhältniß des Reiches zu Dänemark und dann auf die Stellung desselben zu Frankreich und England.

Als König Waldemar II. von Dänemark mit seinem Sohne am 6. Mai 1223 von dem Grafen Heinrich von Schwerin gefangen genommen war, verlangte Papst Honorius III. ihre unbedingte Freilassung und wies die deutschen Bischöfe an dieselbe zu erzwingen. Da wahrte E. dem Papste gegenüber seine reichsfürstliche Stellung. Für die Freilassung Waldemars war er wol thätig, aber nicht im Sinne des Papstes, sondern eher in dem des Kaisers, welcher bei dieser Gelegenheit das 1215 abgetretene Nordalbingien zurückgewinnen zu können meinte. Ein Vertrag wurde von E. am 24. Sept. 1223 zu Nordhausen mit dem Grafen von Schwerin vereinbart, welcher seine Gefangenen dem Reiche übergeben sollte; ein zweiter Vertrag ist am 4. Juli 1224 von dem Meister des deutschen Ordens, Hermann von Salza, mit Waldemar selbst über seine Freilassung geschlossen worden. Es war nicht Engelberts Schuld, daß Waldemar trotzdem nicht sogleich freikam und daß der Vertrag nicht ausgeführt ward. Denn die Dänen verweigerten die Annahme desselben, als E. im Herbste mit König Heinrich VII. und vielen Fürsten an der untern Elbe erschien. Eine zweite Reise des Gubernators nach Sachsen im Februar 1225 scheint gleichfalls fruchtlos geblieben zu sein.

In dieser Angelegenheit in der Hauptsache mit dem Kaiser einig, stieß er bei der Behandlung der französisch-englischen Dinge mit diesem zusammen. Daß die politischen Ueberlieferungen seiner Vorgänger auf dem kölnischen Stuhle und die Handelsbeziehungen seiner Unterthanen ihm persönlich den Anschluß an England wünschenswerth machten, ist vollkommen begreiflich; aber es zeugt doch von einer gewissen Selbstüberschätzung, daß er diesen auch dem Kaiser und dem Reiche zum Trotz durchsetzen zu können meinte. Während Friedrich an der alten Verbindung mit Frankreich festhielt und diese nach Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen den [124] Westmächten im Novbr. 1224 erneuerte, trat E. mit England in Verkehr und brach den mit Frankreich ab. Während dieses eine seiner Prinzessinnen dem Kaiser für seinen Sohn anbot, verabredete E. mit König Heinrich III. von England, daß dessen Schwester die Gattin Heinrichs VII. werden sollte. Es ist hier nicht der Raum, die bunten Verwicklungen zu verfolgen, welche sich aus diesem Gegensatze der kaiserlichen Politik und der des Gubernators ergaben. Hätte der letztere die weltlichen Fürsten zu gewinnen vermocht, so wäre er wol durchgedrungen. Aber eben dies wurde nicht erreicht. Der König von Böhmen und der Herzog von Baiern waren gegen ihn und gerade der Herzog von Oesterreich, welchen E. dadurch in seinen Plan gezogen zu haben meinte, daß die Tochter desselben Königin von England werden sollte, brachte denselben vollständig zum Scheitern. Der sah seine Tochter lieber als römische Königin und künftige Kaiserin und bestimmte den Kaiser, sich für diesen Ausweg zu entscheiden. E. erlitt in dieser Angelegenheit also eine vollkommene Niederlage und er mochte nur des einen Erfolges sich rühmen, daß wenigstens die dynastische Verbindung der Staufer mit den Capetingern mittelbar durch ihn vereitelt worden war. Am 18. Novbr. 1225 wurde zu Nürnberg die Vermählung Heinrichs VII. mit Margarethe von Oesterreich vollzogen. Der Gubernator hatte dorthin kommen wollen, war aber nicht erschienen. Er war am 7. Novbr. am Gevelsberge bei Schwelm von einem Vetter aus dem Hause Altena, dem Grafen Friedrich von Isenburg[1], meuchlerisch erschlagen worden. Daß E. den Gewaltthätigkeiten desselben gegen das Stift Essen neuerdings entgegengetreten war, scheint die That beschleunigt zu haben; das Rachewerk selbst war doch wol schon längst in den von Engelberts harter Fürstenhand betroffenen Kreisen geplant worden. Des Isenburgers[1] Bruder, die Bischöfe von Münster und Osnabrück, sollen davon gewußt haben, ebenso die schwer gekränkten Limburger. Der Graf von Tecklenburg schützte den Mörder eine Zeit lang. Andere werden wenigstens den Tod des „Fürstenmeisters“ wie eine Erleichterung empfunden haben, wie denn die Bürgerschaft von Köln von seinem Nachfolger sogleich die Beseitigung der ihr aufgedrängten Statuten erzwang. Allgemeiner jedoch war die Entrüstung über die verbrecherische That und der Schrei nach Rache, welchem auch Walther von der Vogelweide in seinem Spruche: „Den ich im Leben pries, des Tod muß ich beklagen“ etc., beredten Ausdruck gab. Weltliche und kirchliche Strafurtheile hetzten den Mörder des großen Todten und die Mitverklagten durch die Lande; jener ward schließlich bei Lüttich gefangen und im November 1226 zu Köln gerichtet. – Die Leiche des Gubernator-Erzbischofs hatte man am 24. Febr. 1226 im alten Dome, den schon er umzubauen beabsichtigte, nicht weit von seinem großen Vorgänger Philipp von Heinsberg bestattet; bald geschahen Wunder an seinem Grabe, mit deren Erzählung Cäsarius das dritte Buch seiner Biographie füllt; E. fand auch in dem römischen Martyrologium eine Stelle: seine Heiligsprechung ist jedoch nicht erfolgt. Erst seit dem Kurfürsten Ferdinand, welcher 1618 den Todestag Engelberts zu begehen befahl und am 6. Aug. 1622 die Gebeine desselben feierlich erhob, ist E. in dem Bereiche der kölnischen Erzdiöcese zum Tagesheiligen geworden. – Die Hauptquelle für Engelberts Leben ist außer den zeitgenössischen Annalen, Chroniken und Urkunden die genannte schon 1226–27 verfaßte Biographie (Ausg. Böhmer, Font. II. doch ohne das dritte die Wunder enthaltende und erst 1237 vollendete Buch).

Vgl. Kaufmann, Cäs. v. Heist., ein Beitrag zur Culturgeschichte, Köln 1850, wo die Zustände, in welchen E. zu wirken hatte, sehr gut gezeichnet sind. Eine treffliche Monographie, Engelbert der Heilige, Erzb. von Köln u. Reichsverweser, erhielten wir von Dr. J. Ficker, Köln 1853.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. a b S. 124. Z. 21 und 25 v. o. l.: Isenberg und Isenbergers (statt Isenburg und Isenburgers). [Bd. 55, S. 889]