ADB:Heinrich VII. (deutscher König)

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Artikel „Heinrich (VII.), römischer König“ von Eduard Winkelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 433–439, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_VII._(deutscher_K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 16:38 Uhr UTC)
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Heinrich (VII.), römischer König, geboren 1211 in Sicilien, gestorben den 12. Februar 1242 zu Martirano in Calabrien. Als Friedrich II. im März 1212 seine abenteuerliche Fahrt von Messina nach Deutschland antrat, um dort dem Welfen Otto IV. die Krone streitig zu machen, ließ er seinen Sohn H., den ihm die aragonische Constanze das Jahr vorher geboren, zum Könige von Sicilien krönen. Wie es heißt, geschah das auf Verlangen Innocenz III., der so vielleicht die künftige Lösung der für den Augenblick allerdings unvermeidlichen Personalunion zwischen Sicilien und dem Kaiserreiche anzubahnen dachte. Ueber die ersten Lebensjahre Heinrichs liegen keine Nachrichten vor. Seine Mutter regierte das Land in ihrem Namen und in dem des Sohnes, soweit da unter den vollständig anarchischen Zuständen überhaupt noch von Regierung die Rede sein konnte, bis Friedrich II. im J. 1216 Gemahlin und Sohn zu sich nach Deutschland berief. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß Friedrich von Anfang an bestrebt gewesen ist, dem Sohne auch die Nachfolge im Reiche zu sichern, auch gegen den Willen der Curie, welche H. auf Sicilien beschränken wollte und sich von Friedrich eine darauf abzielende Zusicherung geben ließ. Dieser hat nun zwar nicht dem Wortlaute, wol aber dem Sinne dieses Versprechens entgegengehandelt, als er dem Sohne zunächst das Herzogthum Schwaben, welches allerdings wie ein Erbe des Hauses betrachtet werden konnte, dann aber auch nach dem Aussterben der Zähringer 1218 den Rectorat von Burgund übertrug, während er andererseits den sicilischen Königstitel des Sohnes außer Gebrauch setzte. Er hat gar nicht verhehlt, daß er selbst die Verwaltung Siciliens nicht blos bis zur Mündigkeit des Sohnes, sondern zeitlebens, auch künftig als Kaiser, in seiner Hand zu behalten wünschte, und als H. in der That um den 23. April 1220 auf dem Reichstage in Frankfurt zum römischen Könige erwählt wurde, wobei Friedrich klüglich die Initiative ganz den Fürsten überließ, da war er der Erfüllung jenes Wunsches ganz sicher. Denn wie Papst Honorius III. einerseits nicht wagen durfte, die Wahlfreiheit der Fürsten zu beeinträchtigen, so war andererseits, nachdem einmal auch H. zum römischen Königthume berufen worden, kein Grund vorhanden, die Union der beiden Kronen auf Friedrichs Haupte zu verweigern, um so weniger, als dieser sich nachdrücklichst dagegen verwahrte, daß diese Personalunion zur förmlichen Einverleibung Siciliens ins Kaiserreich führen solle. Endlich machte Friedrich auch das geltend, daß während seines bevorstehenden Kreuzzuges Deutschland einer monarchischen Spitze nicht entbehren könne.

So hat denn H. von 1220 an den Namen für die Verwaltung Deutschlands und Hochburgunds hergegeben, welche in Wirklichkeit der große Erzbischof [434] Engelbert von Köln unter dem Namen eines Gubernators führte (Bd. VI. 123), während die laufenden Geschäfte durch den Hofkanzler Konrad von Scharfenberg, Bischof von Metz und Speier, besorgt wurden und die Pflege und Erziehung des jungen Königs den Dienstmannen des Reiches und der staufischen Hausbesitzungen überlassen blieb, einer lebensfrohen, ritterlich-dichtenden, kriegerisch-unruhigen Gesellschaft, aus welcher besonders der mächtige Reichstruchseß Werner von Bolanden (Bd. III. 95) hervorzuheben ist, der von den höfischen Dichtern gefeierte Schenk Konrad von Winterstetten und der Bewahrer der Reichsinsignien Eberhard von Waldburg. Die beiden letzten hatten zugleich die Verwaltung des Herzogthums Schwaben, und es scheint, daß sie und ihre Standesgenossen, aus denen die tägliche Umgebung des Königs sich zusammensetzte, auch einen bedeutenden Einfluß auf die Erledigung der an den Hof gelangenden Geschäfte gehabt haben, obwol die fürstlichen Interessen hier wie am Hofe des Kaisers das Uebergewicht behielten: denn obwol Friedrich mit der Einsetzung seines Sohnes und der Regentschaft in Deutschland keineswegs auf alle Betheiligung an der Regierung des letztern verzichtet hat, sondern auch von Italien und Sicilien aus Herrscherrechte übte, so that er es doch hauptsächlich nur dann, wenn deutsche Fürsten zu allgemeinen Reichsangelegenheiten sich bei ihm einfanden. Er hat dann auch Erkenntnisse des königlichen Hofes abgeändert oder aufgehoben und wie er von Italien aus den glücklichen Umstand, daß König Waldemar II. von Dänemark am 6. Mai 1223 in die Gefangenschaft des Grafen Heinrich von Schwerin gerathen war, der Regentschaft zur Ausbeutung anempfahl (Bd. VI. 123), so schrieb er von dort aus ihr auch die gegen Frankreich und England zu beobachtende Politik vor, welche mit der damals in Aussicht genommenen Vermählung des Sohnes in Zusammenhang stand. Von beiden Theilen waren Prinzessinnen angetragen worden und bei diesem Anlaß hören wir zum ersten Male von einer Willensäußerung Heinrichs selbst, der eine von dritter Seite in Vorschlag gebrachte Verbindung mit einer böhmischen Prinzessin bestimmt abwies. Der Kaiser entschied sich schließlich für die älteste Tochter des Herzogs Leopold von Oesterreich und Steiermark, Margarethe, und diese, damals eben zwanzig Jahre alt, wurde am 18. November 1225 zu Nürnberg dem eben vierzehnjährigen Könige wirklich vermählt.

Eilf Tage zuvor war Engelbert von Köln ermordet worden und die erste Staatshandlung, bei welcher H. persönlich mitzuwirken hatte, war die auf dieses Verbrechen bezügliche Gerichtssitzung vom 21. November 1225, welche zu einem Zusammenstoße zwischen den Interessen des bisher alles beherrschenden geistlichen Fürstenthums und des Herrenstandes führte und in wildem Tumulte endete. Erst im December konnte in Frankfurt das Urtheil über die Mörder Engelberts gesprochen werden. Ueberall aber machte sich seitdem der Mangel einer kräftigen ausschlaggebenden Persönlichkeit an der Spitze der Regierung bemerkbar; die Anarchie nahm überhand und nicht ohne Grund rief ein Zeitgenosse aus: „Wehe dem Lande, dessen König ein Kind ist“. Und wie es im Inneren Deutschlands schlecht bestellt war, so waren auch die Leistungen nach Außen hin ungenügend. Das Reichsheer, welches H. 1226 dem Vater in die Lombardei entgegenführen sollte, vermochte nicht durch die Klausen von Verona zu dringen und mußte nach längerer Lagerung bei Trient heimkehren. Die mit den Dänen über die Freilassung ihres Königs geschlossenen Verträge vermochte das Reich nicht zum Vollzug zu bringen. Als Waldemar sogleich, nachdem er um bedeutende Zahlungen an den Grafen von Schwerin seine Freiheit erlangt hatte, mit Gewalt Nordalbingien für seine Krone zu behaupten versuchte, hat das Reich als solches gar Nichts dagegen gethan; der große Sieg bei Bornhövde vom 22. Juli 1227, welcher das Land bis zur Eider endgültig für Deutschland wieder erwarb, ist [435] allein der Tapferkeit der unmittelbar Betheiligten zu danken. Inzwischen hatte der Kaiser den Herzog Ludwig von Baiern seinem Sohne als Berather zur Seite gestellt, aber die Verwirrung wurde jetzt noch größer. Denn im Gegensatze gegen das Reichsoberhaupt, welches das Bündniß mit Frankreich erneuerte, erstrebte der Herzog wie einst Engelbert eine engere Verbindung mit England, während er gleichzeitig nach dem am 28. April 1227 erfolgten Tode des Pfalzgrafen Heinrich von Braunschweig dessen Allodien zur Vertheilung unter Wittelsbacher und Staufer zu bringen versuchte. Des Verstorbenen Neffe, Otto von Lüneburg, der letzte Sproß vom Hause des Löwen, wurde dadurch geradezu in die Opposition gegen die Dynastie hineingedrängt, so daß Gregor IX. bei dem Zerwürfnisse mit dem Kaiser seit 1227 auf ihn ganz besonders rechnen zu dürfen glaubte; man meinte sogar, in diesem Welfen einen geeigneten Gegenkönig zu finden. Dazu kam es zwar nicht, weil Otto von Lüneburg die zweifelhafte Ehre ablehnte; die Lage aber war trotzdem eine für die Dynastie höchst gefährliche und wurde es noch mehr dadurch, daß Herzog Ludwig, der Berather des Königs, den Verdacht auf sich lud, selbst im Einverständnisse mit dem Papste zu stehen. Als seine Umtriebe zu Weihnachten 1228 in Hagenau dem Könige enthüllt wurden, kam es am Hofe zu einer heftigen Scene, in Folge deren H. nicht blos seinen Vormund von sich wies, sondern im nächsten Jahre sowol ihn als auch den Bischof Berthold von Straßburg, welcher einen päpstlichen Legaten bei sich aufgenommen hatte, mit Nachdruck bekämpfte und zur Unterwerfung brachte. An persönlicher Energie hat H. es bei dieser Gelegenheit nicht fehlen lassen; die günstige Entscheidung aber war doch zumeist durch das Verhalten der Fürsten bedingt. Sie haben jene vereinzelten Auflehnungen gegen die Krone unschädlich gemacht, aber freilich auch dafür gesorgt, daß der siegende König die Gunst des Augenblicks nicht bis zur Vernichtung ihrer Genossen ausbeutete; auch der Frieden von S. Germano 1230 zwischen dem Kaiser und Gregor IX. ist ihr Werk und wurde von ihm nach beiden Seiten hin verbürgt. Den Lohn für ihr Verhalten gaben sie sich nun selbst in den großen Reichsgesetzen von Worms vom 1. Mai 1231, in welchen sie zuerst als „Landesherren“ bezeichnet werden, eine Menge einzelner Rechte in ihren Territorien sich verbriefen ließen und vor allem dem Aufkommen der Städtefreiheit in jeglicher Weise Hindernisse bereiteten. Verfügungen, welche der König in der Zeit des Kampfes zu Gunsten solcher Städte gemacht hatte, deren Bischöfe auf die feindliche Seite getreten waren, mußte er jetzt einfach widerrufen und er konnte sich diesem Drucke der fürstlichen Interessen um so weniger entziehen, weil er gerade damals mit seinem Vater uneins zu werden anfing.

Wir vermögen die Ursachen des Zwiespalts nicht mit völliger Gewißheit anzugeben; aber es wird erzählt, daß H., der einen sehr lockeren Lebenswandel führte, sich von seiner viel älteren österreichischen Gemahlin zu trennen beabsichtigte und daß Friedrich, der ihm diese Frau gegeben, darüber sehr erzürnt gewesen sei, vielleicht hauptsächlich deshalb, weil der Mannsstamm des österreichischen Hauses dem Aussterben entgegenging. Obwol H. sich zuletzt durch den Abt von St. Gallen Konrad von Bußnang von jenem Gedanken abbringen ließ, wurde die Entfremdung zwischen Vater und Sohn doch nicht gehoben. Dieser ersehnte größere Selbständigkeit, jener war nicht gesonnen sie zu bewilligen und der Umstand, daß er von sich aus alle Augenblicke in die deutsche Regierung eingriff, welche H. seit dem Zerwürfnisse mit dem Herzoge von Baiern ganz in seine eigene Hand genommen hatte, machte dem Sohne immer aufs neue bemerklich, daß er trotz seiner Königskrone nichts bedeute. Genug, am Ende des J. 1231 ließ sich nicht mehr bezweifeln, daß er auf Empörung sann. Als Friedrich ihn und die Fürsten auf den 1. November 1231 zu einem Reichstage [436] nach Ravenna entbot, kamen wol die letzteren, aber nicht der Sohn; während Friedrich, seiner harrend, den Reichstag ausdehnt, zieht dieser ruhig in Franken und Schwaben herum. Bestätigte Friedrich jene gegen die Städte gerichtete Gesetzgebung, so beginnt H., weil die Fürsten trotz aller Willfährigkeit von seiner Seite in dem obwaltenden Zwiespalte doch zum Kaiser halten, jetzt an den Städten einen Halt zu suchen und das mit Berufung auf eine angebliche Erweiterung seiner Rechte, welche sicherlich in diesem Augenblicke nicht erfolgt ist. Als aber Friedrich mit den Fürsten von Ravenna nach Friaul ging und seinen Befehl, vor ihm zu erscheinen, erneuerte, als dann immermehr Fürsten dem Kaiserhofe zuzogen, da mußte H. wol zu der Erkenntniß kommen, daß ihm vorläufig nichts übrig bleibe als zu gehorchen; er stellte sich um Ostern 1232 zu Aquileja dem erzürnten Vater, ließ dessen Zurechtweisung über sich ergehen und leistete den von ihm geforderten Eid, daß er sich fortan den kaiserlichen Befehlen fügen werde. Erfülle er sein Versprechen nicht, so solle er der Treupflicht der Fürsten verlustig und ohne Weiteres der Excommunication verfallen sein. Die anwesenden Fürsten aber verpflichteten sich, in diesem Falle dem Vater gegen den Sohn beizustehen.

Gedemüthigt, nicht überzeugt und noch weniger versöhnt, kehrte H. nach Deutschland zurück, wo die Autorität der Krone durch die Vorgänge in Friaul nothwendig Einbuße erlitten haben muß. Fehden gab es jetzt an allen Ecken und Enden; die Streitigkeiten zwischen den Bischöfen und ihren Städten mehren sich und der König, dessen letzte städtefreundlichen Verfügungen natürlich in Friaul beseitigt worden waren, gab dann wol zu verstehen, daß er persönlich den Städten günstig sein würde. In derselben Zeit, in welcher die zuchtlosen Ketzerverfolgungen eines Konrad von Marburg und seiner Genossen alle Bande staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung zu sprengen drohten, begann H., gegen den übrigens der Vorwurf erhoben worden ist, aus Habsucht jene Ausschreitungen geduldet zu haben, auf eigene Faust eine Fehde gegen den Nachfolger seines früheren am 15. September 1231 von einem Unbekannten ermordeten Vormundes, den Herzog von Baiern und Rheinpfalzgrafen Otto, und auch das gegen das ausdrückliche Verbot des Vaters, der die dem Herzoge abgepreßten Geiseln nachher demselben zurückgeben ließ. Offenbare Anhänger des Kaisers im königlichen Rathe, welche nicht so mächtig waren, daß er sie hätte fürchten müssen, wurden unter allerlei Vorwänden geschädigt, so daß Friedrich, welcher durch den Erzbischof von Trier und Andere über alle Vorgänge in Deutschland genau unterrichtet wurde, vollauf zu thun hatte, um die Handlungen des Sohnes zu widerrufen und gutzumachen, und schon Vorkehrungen gegen die drohende Empörung desselben traf. Seine Gefügigkeit gegen die sehr unbequeme päpstliche Vermittlung zwischen ihm und den Lombarden und die Dienste, welche er dem Papste gegen das aufständische Rom leistete, gingen hauptsächlich aus dem Bestreben hervor, sich für alle Fälle des Beistandes der Kirche zu versichern, und er erreichte diesen Zweck vollkommen. Einige Tage, nachdem Friedrich den Entschluß kundgegeben (1. Juli 1234), im nächsten Jahre selbst nach Deutschland zu gehen, beauftragte Gregor IX. den Vertrauten des Kaisers, den Erzbischof von Trier, H. zu bannen, wenn die gegen ihn erhobenen Anklagen wahr seien.

H. war diesmal zum äußersten entschlossen. Am 2. September 1234 erließ er ein Manifest, welches seine Verdienste um Kaiser und Reich aufzählte und die Beeinträchtigungen seiner Würde, mit welchen ihm der Vater gelohnt habe. Wenn er aber auch jetzt noch die Fürsten um ihre Vermittlung ersuchte und sogar den Erzbischof von Mainz und den Bischof von Bamberg mit dem Anerbieten vollständiger Unterwerfung nach Italien sandte, so war das sicher ein [437] Kunstgriff, um wo möglich Zeit zu gewinnen. Denn was er von den Fürsten zu erwarten hatte, darüber hätten ihn die Ereignisse von 1232 belehren müssen, und daß er nicht an Unterwerfung dachte, zeigen seine Handlungen. Auf einer Versammlung zu Boppard wurde offen der bewaffnete Widerstand gegen den Kaiser beschlossen; königliche Gesandte gingen an die lombardische Liga, welcher H. gegen alle Feinde, und zu diesen gehörte eben der Kaiser, Beistand versprach, während er zugleich eine Verbindung mit Frankreich suchte, welches einigen Grund hatte, sich durch die damals von Friedrich betriebene Verschwägerung mit England beunruhigt zu fühlen. Die Hauptsache aber war, in Deutschland selbst Anhang zu finden, und gerade damit wollte es ihm nicht recht gelingen. Von den weltlichen Fürsten hat nicht ein einziger sich offen auf die Seite des Empörers gestellt; von den geistlichen wagten doch nur wenige den Weisungen des Papstes entgegenzuhandeln; der Städte glaubte H. sich erst durch Geiseln aus den besten Häusern versichern zu müssen und nur aus den Kreisen der Grafen, Herren und Dienstmannen Schwabens wurde seinem Vorhaben reichlicher Zustimmung und Unterstützung entgegengebracht. Das Uebergewicht der fürstlichen Interessen in der Reichsregierung und die dauernde Entfernung des Kaisers im Süden mochten hier den Wunsch erregen, daß der Schwerpunkt des Ganzen wieder nach Deutschland verlegt und dadurch dem Einfluß jener gewöhnlich den Hof füllenden Stände näher gebracht werde. Herrenstand und Fürstenstand traten sich gegenüber und glaubten ihre Rechnung, dieser bei dem Vater, jener besser bei dem Sohne zu finden. Schwieriger aber ist es zu sagen, was H. für sich selbst erstrebte, ob blos erweiterte Selbständigkeit oder, wie ein Zeitgenosse gesagt hat, die Theilung des Reiches oder etwa gar die Verdrängung des Vaters überhaupt. Er war möglicher Weise sich selbst noch nicht völlig klar über das, was er wollte; aber daß er nicht eine territoriale Theilung, nicht ein deutsches Sonderreich erstrebt und nationalen Tendenzen gehuldigt hat, das bezeugt schon jene Werbung bei den Lombarden, welchen er sich als König, als künftigen Kaiser antrug, ganz abgesehen davon, daß er schwerlich sein Anrecht auf Sicilien preisgegeben haben wird, dessen Krone er schon als kleines Kind empfangen hatte.

H. belagerte im April 1235 Worms, welches die Geiseln verweigert hatte, als Friedrich sich von Apulien aus nach Deutschland auf den Weg machte. Dieser nahm kein Heer mit, aber viel Geld. Bei der Landung in Friaul fand er schon eine Anzahl Fürsten zu seinem Empfange versammelt; andere stießen zu ihm, als er durch Steiermark nach Baiern gelangte. Zu einem Kampfe mit dem Sohne ist es aber gar nicht gekommen: die Legitimität, die Thatsache, daß das Reichsoberhaupt selbst im Lande erschienen war, schlug den Aufstand zu Boden. Völlige Rathlosigkeit ergriff die Verschworenen: einige der schwäbischen Herren vertheidigten sich vereinzelt auf ihren Burgen; H. selbst dachte an verzweifelten Widerstand auf dem Trifels. Dann, weil er das Hoffnungslose seiner Lage einsah, schickte er dem Vater von Wimpfen aus die Meldung seiner Unterwerfung entgegen und warf sich demselben, der am 4. Juli nach Worms gekommen war, dort zu Füßen. Gnade konnte ihm nicht gewährt werden. Er ward sogleich gefangen gesetzt, zuerst in Worms selbst, dann in der Obhut seines ärgsten Feindes, des Rheinpfalzgrafen, zu Heidelberg, später in Allerheim bei Nördlingen. Eine förmliche Absetzung Heinrichs scheint gar nicht erfolgt zu sein und im Grunde bedurfte es auch einer solchen nicht, da er selbst schon 1232 für den Fall der Auflehnung die Fürsten ihres Eides entbunden hatte. Er hörte eben auf römischer König zu sein und Friedrich hat nie daran gedacht, ihn als solchen wieder fungiren zu lassen oder Heinrichs ältesten Sohn an die [438] Stelle des entthronten Vaters zu setzen. Schon im folgenden Jahre begann er die Königswahl seines zweiten Sohnes Konrad vorzubereiten.

Der Ausgang Heinrichs VII. ist äußerst trübselig, obwol nicht unverdient. Am Anfange des J. 1236 wurde er unter vielen Vorsichtsmaßregeln nach Apulien geschafft und erst auf S. Felice bei Venosa, darauf in Nicastro, endlich in Martirano, halbwegs zwischen Nicastro und Cosenza, gefangen gehalten. Hier ist er am 12. Februar 1242 gestorben. Ob Friedrich gesonnen war, ihm wenigstens die Nachfolge in Sicilien zu lassen, muß dahingestellt bleiben; er hat jedenfalls nicht verhindert, daß man dort auch während der Gefangenschaft Heinrichs nach Jahren seines dortigen Königthums zählte, er hat Trauergottesdienst für den Verstorbenen halten und ihn wie einen König bestatten lassen. Der Todte wurde in einem Marmorsarkophage des Doms von Cosenza in einem mit Gold und Silber durchwirkten Gewande beigesetzt, dessen Muster aus Adlerfittichen gebildet war. – Sein Wappen soll in senkrecht getheiltem rothem Felde rechts ein halber schwarzer Adler, links ein halbes silbernes Kreuz mit ausgeschweiften Armen gewesen sein.

Heinrichs Söhne, Friedrich (geb. vor 1232) und Heinrich (geb. 1234), wurden vom Großvater gut gehalten und erzogen; den ersten finden wir wiederholt in den Urkunden desselben als Zeugen und er hat 1247 Turin für den Kaiser erobert. Heinrichs Gattin, Margarethe von Oesterreich, hielt sich nach seinem Tode in verschiedenen deutschen Klöstern auf; als aber mit ihrem Bruder Friedrich dem Streitbaren der Mannsstamm des babenbergischen Hauses erloschen war, kehrte sie in ihre Heimath zurück, welche damals wie ein Reichsland von kaiserlichen Capitänen verwaltet wurde. Als ein Jahr nach dem Tode des Kaisers, welcher in seinem Testamente ihrem Sohne Friedrich Oesterreich und Steiermark zugewiesen hatte, erst dieser und wol nicht viel später auch dessen Bruder starb, da reichte Margarethe am 8. April 1252 Otakar von Böhmen ihre Hand, welcher, auf ihre Ansprüche gestützt, sich der Herzogthümer bemächtigte und, als er diese hatte, sich 1264 wieder von ihr trennte. Sie selbst ist am 28. October 1267 gestorben.

H. VII. lebte und endete wie ein Verbrecher. Zu seiner Entschuldigung kann höchstens das angeführt werden, daß er sehr früh den Einflüssen einer Umgebung ausgesetzt gewesen ist, deren Wandel wol kaum als Beispiel für den Knaben geeignet war und deren Interessen, als er heranwuchs, vielfach den Interessen des Vaters entgegenliefen. Die Mutter hat er seit seinem neunten Jahre nicht mehr gesehen; mit dem Vater hat er kaum vier Jahre (1216–20) zusammengelebt und als er ihm zwölf Jahre hernach begegnete, fand er in ihm blos den Richter. Ein großer Theil der Verwirrung seiner Rechtsbegriffe, an welcher er unterging, wird auf die Rechnung jener Verhältnisse zu setzen sein; aber freilich mindestens seit 1232, als er Besserung gelobte, war er Herr seiner Thaten und diese sind wenig löblich. Wenn trotzdem die Zeit seiner Regierung keineswegs eine besonders unglückliche für Deutschland war, so hat er doch selbst so gut wie gar keinen Antheil an dem Großen, welches damals geleistet wurde; am meisten vielleicht noch an der Blüthe der höfischen Poesie, welche in seinem Kreise zahlreiche Vertreter hatte. Ein provencalischer Dichter läßt den König selbst noch singen, als er gefangen gesetzt und die Rüstung ihm ausgezogen ward. Die Befreiung des überelbischen Nordens aber, die weite Ausdehnung des germanischen Elementes nach dem Osten, die Gründung der bischöflichen und ritterlichen Staaten zwischen Weichsel und Peipus, im Innern des Reiches das unverkennbare materielle Aufblühen in Stadt und Land, die Codification des niederdeutschen Rechts im Sachsenspiegel – alles das hat sich, wenn ich so sagen darf, aus dem kräftigen Mark der Nation heraus von selbst [439] gemacht. Anderes, wie die Eindämmung der Ketzergerichte und die Landfrieden, scheint dem Könige eher aufgezwungen, als von ihm ausgegangen zu sein. Aber freilich, der Kreis, in welchem die Krone sich noch schöpferisch bethätigen konnte, war schon sehr enge geworden und in allen allgemein wichtigen Fragen gab nicht sowol Neigung und Wille des Königs, als vielmehr, wie H. an sich selbst zu erfahren bekam, Interesse und Entschluß des Fürstenstandes den Ausschlag.

Vgl. Raumer, Gesch. der Hohenstaufen; Schirrmacher, K. Friderich der Zweite; Winkelmann, Gesch. K. Friedrichs II., Bd. I., u. A.