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Artikel „Delbrück, Johann Friedrich Ferdinand“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 36–37, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Delbr%C3%BCck,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 05:01 Uhr UTC)
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Delbrück: Johann Friedrich Ferdinand D., geb. 12. April 1772 in Magdeburg, gest. in Bonn 25. Jan. 1848, Sohn eines Rathmannes, machte die Vorbereitungsstudien an der Domschule seiner Vaterstadt und bezog zu Ostern 1790 die Universität Halle, wo er hauptsächlich bei Friedr. Aug. Wolf, daneben aber sowol bei dem Kantianer Jakob als auch bei Eberhard, dem Gegner der kantischen Philosophie, Vorlesungen hörte und sich viel in Niemeyer’s Haus bewegte. Eine im Mai 1794 angetretene Erzieherstelle bei dem Grafen Stollberg in Eutin gab er in Folge religiöser Differenzen alsbald wieder auf und ging von dort nach Kiel, um bei K. L. Reinhold zu hören; hierauf übernahm er eine Hauslehrerstelle bei einem reichen Kaufmann in Hamburg, wobei ihm die Gelegenheit wurde, Klopstock persönlich kennen zu lernen. Im J. 1796 nach Magdeburg zurückgekehrt, setzte er für sich seine Studien fort, veröffentlichte eine Schrift „Ueber die Humanität“ (1796) und arbeitete eine Dissertation aus „Homeri religionis quae ad bene beateque vivendum heroicis temporibus fuerit vis“, auf deren Grund ihm die Universität Halle die Doctorwürde verlieh (1797). Nun ging er nach Berlin, wo er in Gedike’s Lehrer-Seminar eintrat und alsbald (Herbst 1797) als Collaborator am Gymnasium zum grauen Kloster angestellt wurde. Er durfte sich hier nicht nur eines näheren Umganges mit Buttmann, Spalding, Heindorf, Schleiermacher und Nicolai erfreuen, sondern trat auch, nachdem sein ältester Bruder (Joh. Heinrich Gottlieb) seit 1800 Erzieher des damaligen Kronprinzen geworden war, den Hofkreisen näher und ertheilte einige Zeit hindurch dem Prinzen August und der Prinzessin Charlotte (nachmaliger Kaiserin von Rußland) Unterricht. In diese Zeit fällt seine erklärende Ausgabe der Oden Klopstock’s (1800) und eine lebhafte Betheiligung an der Allg. Litt.-Zeitung sowie an der Jenaer Litt.-Zeitung. Im Jahre 1809 wurde er als Rath bei der ostpreußischen Regierung angestellt und zugleich zum außerordentlichen Professor an der Universität Königsberg ernannt, in welcher Eigenschaft er über „Theorie, Kritik und Litteratur der schönen Künste“ zu lesen hatte; es [37] knüpften sich ihm hieran auch öffentliche ästhetische Vorlesungen sowie die Veröffentlichung der Schrift „Ein Gastmahl, Reden und Gespräche über die Dichtkunst“ (1809). Sowie er in seiner amtlichen Stellung überhaupt tüchtigst Hand anlegte in Ausführung der damaligen inneren Reform Preußens, so brachte er auch in der Zeit des kriegerischen Aufschwungs durch seine „Erläuterungen der königlichen Verordnung über den Landsturm“ (1813) eine durchschlagende Wirkung hervor. Da er gegen Ende des Jahres 1814 in Folge einer schweren Krankheit und einer fast noch schwereren Reconvalescenz eine Aenderung des Wohnortes für unerläßlich halten mußte, kam die Regierung seinen Wünschen entgegen, indem sie ihn (Anfang 1816) als Regierungs- und Schulrath nach Düsseldorf versetzte, woselbst allerdings seine amtliche Thätigkeit eine weniger angenehme war, da die ganze Provinz dem neuen preußischen Regime mehr Abneigung als Zuneigung entgegentrug. Um so freudiger ergriff er es, als er die Anfrage erhielt, ob er an der neu zu gründenden Universität Bonn einen Lehrstuhl zu übernehmen geneigt sei. Ende October 1818 siedelte er nach Bonn über, wo ihm „Schöne Litteratur“ und Philosophie als Hauptfächer übertragen waren; daneben führte er (1819–27) das Commissariat über das Bonner Gymnasium und (1821–24) die Vorstandschaft der wissenschaftlichen Prüfungs-Commission. Auch veröffentlichte er nun mehrere Schriften, nämlich: „Sokrates, Betrachtungen und Untersuchungen“ (1819), „Christenthum, Betrachtungen und Untersuchungen“ (1822–27, 3 Theile, deren zweiter gegen Ueberschätzung Melanchthon’s gerichtet war, sowie der dritte in gleicher Weise über Schleiermacher handelte), „Lehrsätze, Rathschläge und Fragen über Erziehung und Unterweisung der Jugend“ (1823, ein Auszug aus seinen Vorlesungen über Pädagogik), „Xenophon, zur Rettung seiner durch Niebuhr gefährdeten Ehre“ (1829), „Grundriß einer Anweisung zur gehörigen Einrichtung des akademischen Lebens und Studiums“ (1835), „Der verewigte Schleiermacher“ (1837, eine Vertheidigung gegen Vorwürfe, welche ihm aus obiger Beurtheilung Schleiermacher’s erwachsen waren), „Ergebnisse akademischer Forschung“ (1843, Aphorismen über verschiedene Gegenstände und Fragen der Theologie; eine Fortsetzung derselben gab aus Delbrück’s Nachlasse Nicolovius heraus, 1848), „Das Volkslied ‚Was ist des Deutschen Vaterland‘ nebst Zuschrift an Arndt“ (1846), „Zum Gedächtnisse K. Dietr. Hüllmann’s“ (im 6. Bande der von W. A. Schmidt herausgegebenen Allg. Zeitschrift für Geschichte, 1846); dazu kommen noch zahlreiche Gelegenheitsreden, deren frühere D. selbst in 2 Bänden gesammelt herausgab (1831). In den letzten Monaten seines Lebens hatte er körperlich durch Asthma und noch mehr psychisch durch Trübsinn und Schwermuth zu leiden. Er war eine edel angelegte Natur, von übergroßer Bescheidenheit, strengstem Rechtsgefühle und innig schlichter Religiosität; er suchte bei Beurtheilung der Dinge und der Menschen mit Vorliebe einen vermittelnden Standpunkt zu gewinnen, gleich ferne von Ueberschätzung wie von Verkleinerung, und insbesondere in Bezug auf Religion war er mild und versöhnlich, da er das religiöse Denken als freie individuelle Herzensangelegenheit eines jeden Einzelnen betrachtete; so suchte er auch den Katholiken gerecht zu werden und erklärte sich bei gebotener Gelegenheit entschieden gegen den Uebereifer mancher protestantischer Theologen. Seine philosophische Anschauung näherte sich vielfach dem Gefühlsstandpunkte Jacobi’s, war aber zugleich von Kant-Schiller her ästhetisch angehaucht.

Alfr. Nicolovius, Ferd. Delbrück, ein Lebensumriß. Bonn 1848.