Verordnungen (Journal von und für Franken, Band 2, 6)

Textdaten
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Autor: Anonym
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Titel: Verordnungen
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aus: Journal von und für Franken, Band 2, S. 741–749
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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X.
Verordnungen.


1. Decret an alle Ordensvorsteher in der Stadt (Wirzburg) und auf dem Lande, die Abstellung verschiedener Mißbräuche bey den Andachten betreffend. Vom 6 May 1791.

Es sind bereits die Gesinnungen der hochfürstl. geistl. Regierung, die Ablaßfeyer und sonstige Andachten betreffend, den hiesigen Ordensvorstehern zum Theil mündlich bekannt gemacht worden; damit nun aber solche auch in Zukunft nicht ausser Acht bleiben mögen, so werden sie hiemit allen und jeden Prioren, Guardianen, Superioren und andern Ordensvorstehern hiesiger Diöces und Landen nochmahls schriftlich, und zur immerwährenden Nachachtung übergeben.

Den sämmtlichen Vorstehern der in hiesiger Diöces und Landen sich befindenden Ordensständen kann es, nach ihren bewährten Einsichten, nicht entgehen, daß

Erstens der wahre einzige Zweck alles christkatholischen Gottesdienstes kein anderer sey, als den unser Heiland Jesus Christus in seinem Evangelium selbsten bestimmt, und vorgezeichnet hat, nemlich: die Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit, eine solche nemlich, die von dem leeren| Ceremoniendienste der Juden weit entfernt ist. Und daß in eben diesem Gottesdienste des Geistes und des Herzens der dringendste Beweggrund liege, der Tugend aus allen Kräften nachzutrachten.

Zweytens daß alle Verehrung der Heiligen, indem sie von der katholischen Kirche für erlaubt und nützlich gehalten werde, ihren Zweck und Nutzen nicht anders erziele, als in so ferne sie den Menschen zu jenem wahren wesentlichen Gottesdienste hinführet, ihn so fort zur Veredlung seines Herzens, und zu jeder Art von Tugend aufmuntert und darin bestärkt.[1]

Daß folglich die Verehrung der Heiligen hauptsächlich in der Nachfolge ihrer Tugenden bestehe,[2] wobey jedoch immerhin der wichtige Punct nicht aus den Augen gelassen werden dürfe, daß neben jenen Tugenden der Heiligen und Freunde Gottes stets und vornehmlich auf das erhabenste Muster aller Tugend hingewiesen werden müsse, der, da er von keiner Sünde wuste, alle Gerechtigkeit hieniden| erfüllet hat, und auf den uns eigentlich der himmlische Vater hinweiset, indem er sagt: dieß ist mein geliebter Sohn, den soll ihr hören. Daß also

Drittens der wesentliche Punct, wovon alle Andachten ausgehen, und worin sie sich wieder vereinigen, kein anderer sey, als dieser, daß die Gottesfurcht in die Herzen der Gläubigen gepflanzet, der Abscheu vorm Bösen vermehret, die Liebe erhöhet, und die Beweggründe zu selbiger verstärket und vervielfältiget werden: und daß diejenigen, die an solchen Theil nehmen, nicht anders als mit Empfindungen der Reue und Busse, mit Vorsätzen zur ernsten Belehrung und Besserung, und mit aufs neue rege gewordenen Eifer zur Erfüllung ihrer Berufspflicht, von denselben hinweg gehen mögen. Wenn nun

Viertens das Jahr durch, verschiedene Ablässe bey vorkommenden Festtagen in den Kloster- und andern Kirchen gefeyert werden; so haben dieselbigen einzig zur Absicht, daß die Christen zur Buße und zur ernstlichen Sinnesänderung ermahnet und aufgemuntert werden. Und wenn die Kirchenbußen, zu deren Nachlasse die Ablässe ursprünglich eingesetzt wurden, nun nicht mehr statt haben können; so bleibt doch der wesentliche Zweck derselben noch stehen, daß nämlich der ächte Bußgeist, das ist, die stete Aufmerksamkeit eines jeden auf sich selbsten, und auf sein ganzes sittliches Verhalten, und ein immerwährendes Bestreben der Sünde zu ersterben, und der Gerechtigkeit zu leben, bey den Gläubigen genährt und unterhalten werde.

Nach solchen Grundsätzen bleiben die Ablässe und besondern Andachten, die in den Kloster- und andern Kirchen hergebracht sind, immer gut und nützlich, in so ferne, sie nämlich höhern Pflichten keinen Eintrag thun, sondern vielmehr denselbigen| einen großen Vorschub[3] leisten. Es muß nämlich das Augenmerk wachsamer Vorsteher und Lehrer der Religion stets dahin gerichtet seyn, daß

a) der Hauptzweck aller Andacht die Erhöhung und Ausbreitung ächter Gottesverehrung, und die Beförderung aller Tugend sey, und daß so fort alle der Sache angemessene Veranstaltung getroffen werden müsse, diesen großen Endzweck vorerst und unmittelbar zu erreichen. In solcher Hinsicht müssen

b) alle und jede Nebenabsichten des Gewinns, der Eitelkeit und dergleichen, die sich bey menschlichen Anstalten so leicht und unvermerkt einschleichen, von den Geistlichen sowohl, die dergleichen Andachten begehen, als auch von den incorporirten Pactisten, Mitgliedern der Bruderschaften, und wie sie sonst Namen haben mögen, für je und allezeit entfernt bleiben.

c) Dann wäre auch aller Bedacht dahin zu nehmen, daß alles prunkhafte, alles übertriebene in Verzierungen, Gebräuchen und andern Umständen, überhaupt alles, was die stille Herzensandacht nur stören, aber nicht befördern kann, abgeschafft und vernichtet werde, in näherer Erwägung der unendlichen Würde und Heiligkeit unserer göttlichen Religion, die wir auf alle Weise aufrecht zu erhalten verbunden sind, und die durch solche unzweckmäsige Vorkehrungen nur mehr verunstaltet und erniedrigt würde; und in Anbetrachte des mächtigen Einflusses, den sie stets auf die Gemüther behaupten soll, und den wir nicht nur nicht zu behindern, sondern durch alle unsere gottesdienstlichen Feyerlichkeiten immer mehr zu befördern trachten sollen.

| d) Ferner dürfte auch das Verhältniß nimmermehr übersehen werden, in welchem jede Andacht, jeder christliche Gebrauch und fromme Gewohnheit mit den vornehmsten Pflichten des Christenthums steht.[4]

Dieses Verhältniß unverrückt zu erhalten, und in allen Lehren und Predigten nimmermehr in der Maaß davon abzuweichen, daß das Volk allenfalls auf irrige Begriffe verfallen, so fort Nebendinge für Hauptsachen, und etwa auch Mittel für Zwecke ansehen, und bey selbigen stehen bleiben möge, muß das stäte Augenmerk einsichtiger und für die gute Sache eifernder Lehrer des Christenthums seyn. Und gleich wie alle Geistliche, sie seyen, wes Ordens und Standes sie immer wollen, nur einen gemeinsamen Zweck haben, nämlich eine reine ungeheuchelte Gottesverehrung, und was damit innigst verbunden ist, das sittliche Wohl der Menschen zu befördern, so sollen auch

e) sich alle von diesem erhabenen Zwecke vorerst den rechten Begriff machen, und davon innigst durchdrungen ihr ganzes Berufsgeschäfft also und dergestalt treiben, daß sie weder ihr eigenes Ich, noch auch die zeitlichen Vortheile ihres Hauses und Ordens mit einmischen, sondern, wie Paulus, nicht was Ihre, sondern das was Christi ist, suchen, und hierinfalls auch Jesu Christo nachfolgen, der feyerlich versicherte, es sey ihm nicht so wohl um die seinige Ehre, als um die Ehre seines himmlischen Vaters zu thun: daß sie so fort ohne Partheygeist und ohne irgend einen erniedrigenden Einfluß menschlicher Leidenschaften, in allen ihren frommen Anstalten und Feyerlichkeiten mit vereintem| Muthe und Kräften dahin arbeiten, daß auch der erhabene Zweck ihres geistlichen Standes erreicht, und das Beste der Tugend und Frömmigkeit zu unsern Zeiten, vornehmlich, da solches auf so mancherley Weise erschüttert und untergraben wird, mit Weisheit und redlicher Zusammensicht befördert werde; so fort die einen den andern mit bereitwilliger Hülfeleistung, mit übereinstimmenden Lehren und Grundsätzen, und überhaupt mit werkthätiger Liebe Gottes und des Nächsten an Handen geben.

Es werden demnach sämmtliche Ordensobern hiemit noch einmahl nachdrucksamst ermahnet und angewiesen, diese hier vorgelegten Grundsätze, die einzig aus den reinsten Quellen des Christenthums fließen, bey allen ihren Ordensandachten, Bruderschaften, und andern der Gottseligkeit gewidmeten Anstalten vor Augen zu haben; das Volk vorerst und hauptsächlich zu dem wesentlichen Gottesdienste eines Christen hinzuweisen, und den wahren Vortheil desselben, die sittliche Verbesserung und Heiligung des innern Menschen, damit zu bezielen.

Dann wäre aber auch alles zur Sache nicht gehörige, aller Prunk, und was sonst noch der Einfalt der Religion Jesu zuwider seyn mögte, oder was nur von weiten dem Gewinne, der Eitelkeit, dem Ehrgeize, und andern menschlichen Schwachheiten Vorschub leisten könnte, davon auf immer zu entfernen; hingegen aller Gottesdienst stetshin mit gehöriger Würde zu feyern, und alle frommen Gebräuche zur Erbauung des Volkes, zur Besserung der Sitten und zur Beförderung der Tugend einzig zu verwenden.

Bey Empfehlung besonderer Andachten wäre dem Verstande des gemeinen Mannes die Richtung dahin zu geben: daß er seine häuslichen und andern Berufspflichten darüber nicht ausser Acht lassen, und| überhaupt nie auf den Gedanken verfallen möge, der wahre Gottesdienst sey eine müßige Speculation, oder diese und jene Nebensachen seyen Hauptsache, diese und jene Mittel seyen schon der Zweck selbsten, und alles sey damit gethan, wenn man nur solche Mittel stetshin gebrauche, ohne weiters auf den Zweck und dessen Einrichtung hinzusehen. Der Ablaß wäre insbesondere als ein Aufruf zur Buße und zur Bekehrung des Herzens dem Volke zu verkündigen; die Verehrung der Heiligen aber unter dem Gesichtspuncte vornehmlich zu zeigen, daß sie durch Nachahmung ihrer Tugenden am besten bewerkstelliget werde, welches sodann uns nothwendig zur Nachfolge Jesu Christi, des vollendeten Musters aller Tugenden, hinführen muß.[5]

Und gleichwie man es immerhin von Seiten des hiesigen hohen Ordinariats mißfällig angesehen hat, wenn sich hie und da bekleidete Bilder in den Kirchen vorgefunden haben; so wird den Obern hiemit diese Gesinnung von neuem und mir noch größerm Nachdrucke zu erkennen gegeben, und zugleich eingeschärft, daß sich an keinem der heiligen Bilder noch etwas finden solle, was nur irgend einen Mißverstand verursachen, und der Würde der Religion nachtheilig seyn könnte.[6]

| Zur nähern Erreichung dieser heilsamen Absichten, wird es nun aber nicht hinreichend seyn, wenn die Ordensobern in ihren Kirchen und bey ihren Andachten deßfalls, wie billig, die zweckdienlichen Vorkehrungen treffen: es wird auch ausser dem noch erfordert, daß die hier vorgelegten Grundsätze allenthalben gelehret, und dem Volke bey jeder Gelegenheit beygebracht werden. Dieselbigen wären demnach von den jeweiligen Lectoren in ihren Dogmatiken und Moralen aufzustellen, und den angehenden Theologen mit fruchtbarer Nutzanwendung zu entwickeln: dann hätten auch die Prediger auf den Kanzeln, die Beichtväter in den Beichtstühlen, und am Krankenbette einen guten Gebrauch davon zu machen, und sie dem gemeinen Manne auf eine der Zeit und den Umständen angemessene Weise beyzubringen. Alle aber hätten insgesamt mit redlichem Eifer dahin zu arbeiten, daß unsre heilige Religion mit der ihr zukommenden Würde und Majestät gepflogen, und in Ausübung gebracht werde. Wie denn auch nicht minder in der Lehre so wohl, als in den Gebräuchen auf die zunehmenden Einsichten unter dem gemeinen Volke, und die mehr als sonst dringenden Bedürfnisse unseres Zeitalters eine stete Rücksicht zu nehmen wäre.
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Hochfürstl. geistl. Regierung heget ein vollkommenes Zutrauen zu der bekannten guten Denkungsart| der jetzo aufgestellten Obern, sie werden das alles von nun an und sogleich in Vollzug bringen, und die etwa noch vorwaltenden Mängel ohne Weiters verbessern. Damit aber diese hier ein für allemahl vorgetragene Gesinnung und ernstliche Willensmeynung des hiesigen hohen Ordinariats mit der Zeit nicht wieder in Vergessenheit gerathe; so wird hiemit gnädigst verordnet, vorliegendes Decret solle zum immerwährenden Andenken in die Registratur eines jeweiligen Ordensobern beygelegt verbleiben, so fort einem jedem Nachfolger im Amte zur Nachachtung gegeben, auch denen von Zeit zu Zeit eintretenden Lectoren, Predigern und Beichtvätern zu ihrer allerseitigen Benehmung bekannt gemacht werden.

Wäre gegen alles bessere Vermuthen, der Fall, daß sich erhebliche Klagen darob in der Folgezeit hervorthun sollten; so wird man von Seiten der Hochfürstl. geistl. Regierung vermüßigt seyn, sich dießfalls an die zeitlichen Ordensobern zu halten, und sie darüber zur schuldigen Verantwortung zu ziehen.

 Decretum Wirzburg den 6 May 1791.
 (L. S.)
 Hochfürstl. geistl. Regierung.



  1. Sollten Mönche fähig seyn, diese und die folgenden Puncte zu verstehen? In ihren Klosterschulen haben sie ohne Zweifel nie so was vernommen, auch steht nichts davon in ihren Schulbüchern; also scheint es beynahe verzeihlich zu seyn, daß sie bis jetzt dieses Decret noch nicht billigen wollen. d. E.
  2. Christus ist dem wahren Christen das beste und hinlänglichste Muster der Tugend. Warum soll also der Christ die Heiligen sich zum Beyspiele der Nachahmung wählen? Besagt ja schon der Name: Christ, wessen Anhänger und Nachfolger wir seyn wollen. d. E.
  3. Da aber Mönchsandachten nicht nach obigen Grundsätzen eingerichtet sind, so können sie nicht anders als schädlich und verderblich seyn. d. E.
  4. Gerade dieses Wesen mit den Mönchsandachten, Abblässen, Segnungen und benedicirten leblosen Dingen, als Kreuzen, Rosenkränzen, Bildern etc. ist der Moralität so sehr nachtheilig. d. E.
  5. Warum soll denn nicht geradezu Jesus als Muster der Nachahmung vor Augen gestellt werden? Ist denn wohl jener Weg zu ihm sicherer, als der kürzeste? d. E.
  6. Trotz allem noch so strengen und nachdrücklichen Befehle des hohen Ordinariats figurirt bey den ehrw. P. P. Dominicanern und Franciscanern noch die Mutter Gottes in modischer Frisur und im Reifrocke. Und im hohen Dom stehen noch zur Stunde zwey ähnliche angekleidete Bilder, die, weil sie sich des auf der Kirche haftenden Beneficii immunitatis zu erfreuen haben, auch zur Freude aller derer, die Geschmack hieran finden mögen, stehen bleiben werden. Sollten nicht unter dergleichen gar erbauliche Zierrathen auch die Votivtafeln und wächsernen Hände, Füße, Herzen, und s. f. gehören? d. E.