Wir gehen zu der Aufgabe über, die Anziehung eines geraden Cylinders zu berechnen, dessen Endflächen Ellipsen sind. Die Dichtigkeit sei constant. Wir legen das Coordinatensystem so, dass die Endflächen ausgedrückt werden durch die Gleichungen
und
und die krumme Oberfläche durch die Gleichung
(1)
Die Axe der fällt dann in die Axe des Cylinders und die Basisfläche liegt in der Ebene.
Die Untersuchung lässt sich auf eine einfachere zurückführen. Man betrachte einen Cylinder, der mit dem gegebenen die krumme Oberfläche gemein hat, aber keine Endflächen besitzt, also von bis sich erstreckt. In seinem Innern sei die Dichtigkeit von bis und von bis . Auch hier soll die im Punkte concentrirte positive Masseneinheit angezogen werden von einer positiven Masse, dagegen abgestossen werden von einer negativen Masse. Man denke sich, die Potentialfunction dieser Masse sei bekannt, nemlich
Dann ist, wie man leicht sieht,
die Potentialfunction, die von demselben Cylinder herrührt, wenn die Dichtigkeit ist von bis und von bis .
Durch Superposition erhält man
|[101]als Potentialfunction für den Fall, dass im Innern des Cylinders die Dichtigkeit ist von bis und von bis , dagegen von bis . Dieser Fall ist der unserer Aufgabe.
Wir setzen
und sehen als Unbekannte an sowohl in der Gleichung
(2)
als auch in der Gleichung
(3)
Beide Gleichungen sind vom dritten Grade. Dass sie lauter reelle Wurzeln haben, beweist man auf demselben Wege wie für die Gleichung in §. 24.
So lange von Null verschieden ist, hat die Gleichung (2) dieselben Wurzeln wie die Gleichung . Nimmt man also als Abscisse und als Ordinate einer Curve (Fig. 15), so sieht man, dass bei stetig wachsendem die Ordinate von
auf springt an den drei Stellen . Ist , so schneidet die Curve die Abscissenaxe je einmal zwischen und , zwischen und , und zwischen und . Die grösste Wurzel der Gleichung (2) ist also positiv. Wir bezeichnen sie mit .
Die Gleichung (3) hat eine Wurzel . Die beiden anderen finden sich, wenn man
|[102]
(4)
setzt. Nimmt man auch hier als Abscisse, aber als Ordinate einer Curve, so springt bei stetig wachsendem die Ordinate von auf an den beiden Stellen und . Für zeigt sich, dass die Curve die Abscissenaxe je einmal schneidet zwischen und und zwischen und . Hier ist aber noch zu unterscheiden, ob der Punkt ausserhalb des Raumes liegt, welchen die unbegrenzte Cylinderfläche (1) umschliesst, oder innerhalb.
Liegt der Punkt ausserhalb, so ist für , und folglich schneidet die Curve (Fig. 16) die Abscissenaxe
zwischen und , nicht aber zwischen und .
Wenn dagegen der Punkt innerhalb des von der Fläche (1) umschlossenen Raumes liegt, so ist für . Die Curve (Fig. 17) schneidet also die Abscissenaxe zwischen und , nicht aber zwischen und .
Daraus geht hervor, dass die grösste Wurzel der Gleichung (3) positiv ist, wenn der Punkt ausserhalb des von der Fläche (1) umschlossenen Raumes liegt, und dass sie gleich Null ist, wenn er innerhalb liegt. Wir bezeichnen diese grösste Wurzel der Gleichung (3) mit . Jedenfalls ist , wenn von Null verschieden. Für einen inneren Punkt sieht man dies ohne weiteres, weil positiv und Null ist. Für einen äusseren Punkt hat man dagegen die Gleichungen
|[103]
zu beachten, in denen und positiv sind. Diese Gleichungen geben zu erkennen, dass die positive Summe grösser sein muss als die ebenfalls positive Summe . D. h. es muss sein.
Für ist .
In den Gleichungen (2) und (3) wollen wir von jetzt an nur den grössten Wurzelwerth in Betracht ziehen. Man kann in der Gleichung (2) als gegeben ansehen. So lange der Werth von grösser als Null ist, darf man statt der Gleichung (2) auch schreiben:
Dann ist der Punkt auf der Oberfläche eines Ellipsoids zu suchen, dessen Hauptaxen in die Coordinatenaxen fallen. Lässt man alle positiven Werthe bis durchlaufen, so erhält man eine Schaar von unendlich vielen confocalen Ellipsoiden. Ihre Durchschnitte mit der Ebene sind Ellipsen, die mit der Schnitt-Ellipse der Ebene und der Cylinderfläche (1) die Brennpunkte gemein haben.
Für degenerirt das Ellipsoid in eine Cylinderfläche, nemlich die Fläche (1).
|[104]Sollen umgekehrt in der Gleichung (2) gegeben sein, so wird dadurch aus der Schaar von Ellipsoiden ein einziges herausgehoben, oder, was dasselbe sagt, es wird dadurch eindeutig bestimmt.
Sieht man in der Gleichung (3) die grösste Wurzel als gegeben an, so ist der Punkt auf der Oberfläche eines elliptischen Cylinders zu suchen, dessen Axe in der Axe der liegt. Legt man der Grösse alle Werthe von bis bei, so erhält man eine Schaar von unendlich vielen elliptischen Cylindern. Ihre Durchschnitte mit der Ebene sind confocale Ellipsen. Eine von ihnen ist zugleich der Durchschnitt der Ebene und der Cylinderfläche (1). Sie wird von allen anderen umschlossen. Sollen umgekehrt gegeben sein, so ist zu unterscheiden, ob der Punkt, dem diese Coordinaten angehören, ausserhalb oder innerhalb des von der Fläche (1) umschlossenen Raumes liegt. Im ersten Falle gehört er der Oberfläche eines einzelnen von den unendlich vielen Cylindern an, im andern Falle wird er von allen Cylinderflächen umschlossen. In beiden Fällen ist eindeutig bestimmt, im ersten grösser als Null, im zweiten gleich Null.
Die Potentialfunction kann man durch ein einfaches Integral nicht ausdrücken, wohl aber jede der Kraft-Componenten . Wir wollen auch hier die Ausdrücke nicht herleiten, sondern sie als gegeben ansehen und ihre Richtigkeit nachträglich beweisen.
Um die Ausdrücke (5), (6), (7) zu verificiren, ist es nothwendig, zunächst zu beweisen, dass sie den partiellen Differentialgleichungen genügen:
(8)
Es muss ferner bewiesen werden, dass ausserhalb des mit Masse erfüllten Cylinders, also für die Gleichung erfüllt ist:
(9)
dagegen im Innern jenes Cylinders, d. h. für die andere Gleichung:
(10)
wenn für und für
Es muss endlich gezeigt werden, dass in unendlicher Entfernung von dem mit Masse erfüllten Cylinder, d. h. für
(11)
Wir wollen noch bemerken, dass nach der Natur der Aufgabe
(12)
für
Denn zu irgend einem Massenelemente auf der Seite der positiven lässt sich ein zugehöriges Massenelement auf der Seite der
|[106]negativen finden, so dass sie zur Ebene symmetrisch liegen. Die beiden Massenelemente sind einander entgegengesetzt gleich. Sie haben von einem beliebigen Punkte der Ebene gleichen Abstand. Folglich ist der Beitrag, den sie zu dem Werthe der Potentialfunction im Punkte liefern, gleich Null. In dieser Weise lassen sich aber alle Massenelemente paarweise zusammenordnen, und es hat deshalb die Potentialfunction an jeder Stelle der Ebene den constanten Werth Null. Daraus ergibt sich, dass auch die Derivirten in der Ebene überall gleich Null sein müssen. Dies liefert die Gleichungen (12).
Wir betrachten zuerst den Ausdruck für , also die Gleichung (5). Differenziren wir partiell nach , so ergibt sich
Es ist aber nichts anderes als multiplicirt mit der Function unter dem Integralzeichen, wenn man darin überall setzt. Dadurch wird , folglich auch . Wir erhalten also einfach
wofür man auch schreiben kann:
(13)
Die Function aus Gleichung (6) nehmen wir zunächst in der Form
(14)
indem wir uns vorbehalten, die Function so zu bestimmen, dass für die erste der Gleichungen (12) erfüllt werde.
|[107]
Nun ist aber durch Differentiation leicht zu beweisen, dass
wenn die Quadratwurzeln auf beiden Seiten positiv genommen werden. Folglich kann man auf das Integral in (14) die Integration nach Theilen anwenden. Man hat zunächst für das unbestimmte Integral die Gleichung
Der freie Theil ist Null für , dagegen gleich für . Folglich lautet das Resultat der Transformation:
(15)
und hier ist für dagegen für .
Wenn wir in (15) partiell nach differenziren, so ergibt sich
(16)
|[108]Der Beitrag , der auf der rechten Seite noch hinzugefügt werden müsste, fällt weg, weil ist.
Aus (13) und (16) erkennt man auf den ersten Blick, dass die erste der Gleichungen (8) in der That erfüllt ist.
Es kommt nun darauf an, die Function richtig zu bestimmen, so dass für auch wird. Dabei ist zu beachten, dass für die untere Grenze des Integrals in (15) übergeht in . Nun ist aber für die Function , und folglich wird dann der Werth von
völlig unbestimmt. Wir nehmen deshalb in dem zu ermittelnden Integral zunächst als untere Grenze und verstehen unter eine unbestimmte positive Constante und unter eine positive Grösse, die nachher der Null unaufhörlich angenähert werden soll. Unter dieser Verabredung bleibt zwischen den Integrationsgrenzen und die Function positiv. Folglich ist jetzt der Arcussinus , und das Integral in (15) hat für einen angebbaren, endlichen Werth, wenn als untere Grenze genommen wird. Dieser Werth geht für über in
also in einen Grenzwerth, der von der unbestimmten Grösse unabhängig ist. Dieser Grenzwerth ist der Werth des Integrals in (15), wenn als untere Grenze genommen und gesetzt wird. Daraus ergibt sich nun leicht, dass
(17)
sein muss, damit die erste der Gleichungen (12) erfüllt werde.
Die Function aus Gleichung (7) nehmen wir zunächst in der Form
|[109]
(18)
Durch Integration nach Theilen erhalten wir dafür
(19)
und es ist auch hier wieder für und für . Indem wir jetzt in (5) partiell nach , in (19) partiell nach differenziren und die Resultate vergleichen, finden wir, dass auch die letzte der Gleichungen (8) erfüllt ist.
Die Function wird auf demselben Wege bestimmt wie vorher die Function . Man gelangt zu dem Resultate, dass
(20)
genommen werden muss, damit die zweite der Gleichungen (12) erfüllt werde.
Nun bleibt von den Gleichungen (8) noch die zweite zu beweisen.
Nun ist für einen Punkt im Innern des unendlich langen Cylinders , also
In diesem Falle haben wir
Für einen Punkt im äusseren Raume ist dagegen die posisitive Wurzel der Gleichung
(22)
Daraus berechnet sich
(23)
Aus (17) und (20) geht dann durch Differentiation hervor
Es ist demnach sowohl für einen inneren, wie für einen äusseren Punkt die zweite der Gleichungen (8) erfüllt.
Wir gehen dazu über nachzuweisen , dass unsere Ausdrücke für auch den Gleichungen (9) und (10) Genüge leisten.
Aus der Gleichung (5) berechnen wir zunächst
(24)
|[111]Der Beitrag , welcher auf der rechten Seite noch hinzugefügt werden müsste, ist gleich Null, weil ist.
Die Function nehmen wir in der Form (15). Danach berechnet sich
Das erste Integral rechts lässt sich transformiren durch Integration nach Theilen. Wir erhalten
(25)
Auf demselben Wege berechnen wir
(26)
|[112]Aus den Gleichungen (24), (25), (26) ergibt sich unmittelbar durch Addition
Diese Gleichung reducirt sich noch, wenn man berücksichtigt, dass
ist. Man erhält
(27)
Nun ist zu unterscheiden, ob der Punkt im Innern des unendlich langen Cylinders liegt oder ausserhalb.
Für einen Punkt im Innern ist und in Folge davon
Für einen inneren Punkt geht also die Gleichung (27) über in folgende:
Dies ist die partielle Differentialgleichung (10).
Liegt der Punkt im äusseren Raume, so ist die eine positive Wurzel der Gleichung (22), also eine Function von und . Deshalb erhalten wir
|[113]
und ferner
Beachtet man nun, dass nach den Gleichungen (23)
ist, so erhält man für einen äusseren Punkt:
Die Gleichung (27) geht also für einen äusseren Punkt in folgende über:
Dies ist die partielle DifFerentialgleichung (9).
Endlich fragt sich noch, welche Werthe annehmen, wenn oder oder beide unendlich gross werden.
Dass wird, wenn man irgend eine der drei Coordinaten unendlich gross nimmt, ist leicht zu erkennen. Denn es wird dann . Die Grenzen des Integrals in (5) fallen also zusammen, und ausserdem wird die Function unter dem Integralzeichen zu Null für .
Für nehmen wir den Ausdruck (15) und führen unter dem Integralzeichen die vorgeschriebene Differentiation aus. Wird dann noch aus (17) genommen, so lässt sich schreiben:
|[114]
Das Integral wird zu Null, wenn wir irgend eine der Coordinaten unendlich gross nehmen. Denn es wird dann , die Grenzen der Integration fallen also zusammen. Die Function unter dem Integralzeichen wird für , selbst dann noch, wenn sein sollte. Denn vermöge der Gleichung kann nicht unendlich gross werden, wenn gesetzt wird und ist. Der Werth dieses Bruches ist endlich oder unendlich klein, je nachdem unendlich gross oder endlich ist, und folglich ist jedenfalls unendlich klein für .
Wenn also eine der Coordinaten unendlich gross wird, so hat man
Ist nun endlich, , so wird und in Folge dessen
. Ist , so nimmt der letzte Ausdruck für die Form
an. Wir schreiben ihn deshalb so:
und ermitteln den wahren Werth nach den Regeln der Differentialrechnung. Derselbe findet sich
wenn man und unendlich gross nimmt. Von den drei variabeln Factoren ist der letzte ein positiver echter Bruch, dessen
|[115]Werth höchstens gleich ist. Der erste hat den Grenzwerth , und der zweite den Grenzwerth Null. Denn vermöge der Gleichung (22) muss endlich sein, selbst wenn und unendlich gross genommen werden. Folglich ist
für .
Damit ist bewiesen, dass für .
Auf demselben Wege wird der Beweis geführt, dass für .
Die Richtigkeit der Ausdrücke für ist zwar im vorigen Paragraphen vollständig bewiesen. Doch erscheint es nicht unzweckmässig, einen Theil der Untersuchung noch auf einem anderen Wege vorzunehmen. Es ist dies namentlich die Bestimmung der Functionen und , wenn man dabei von den Gleichungen (14) und (18) des vorigen Paragraphen ausgehen will.
Es handelt sich darum, den Werth von aus der Gleichung (14) des vorigen Paragraphen zu ermitteln für . Man hat dabei zu beachten, dass für die Grösse übergeht in . Dadurch wird aber der Werth des Integrals in (14) unendlich gross, und der erste Bestandtheil von nimmt in Gleichung (14) die unbestimmte Form an.
Um den wahren Werth zu ermitteln, kann man statt des reellen Integrationsweges einen anderen einschlagen, welcher durch
complexe Werthe der Variablen führt.
Wir denken uns nach dem Vorgange von Gauss eine complexe Zahl repräsentirt durch den Punkt einer Ebene, dessen rechtwinklige Coordinaten sind. Die Zahl nimmt dann alle möglichen complexen Werthe an, wenn der Punkt in der unbegrenzten Ebene in alle möglichen Lagen gebracht wird. Die Werthe von ändern sich stetig, wenn der Punkt eine ununterbrochene Linie stetig durchläuft. Wir sagen dafür der Kürze wegen: die complexe Variable durchläuft die Linie.
Die Ebene, in welcher der Punkt beweglich ist, heisst die Zahlenebene. Es ist vortheilhaft, sie im Unendlichen als geschlossen anzusehen, d. h. sie als eine Kugel von unendlich grossem