RE:Tisia 3
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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linker Nebenfluß der Donau, heute Theiß | |||
Band VI A,2 (1937) S. 1469–1478 | |||
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3) T., die heutige Theiß, der größte Nebenfluß der Donau auf linkem Ufer im heutigen Ungarn.
1. Name. Tisia (so Iord. Get. V 33. XXXIV 178. Geogr. Rav. IV 14, 204, 11 Pind.; Τισσός Theophyl. Simoc. VIII 3, 8. 11. 13. Theophan. chron. p. 435; Tiza Einhard vit. Carol. Mon. Germ. hist. SS I 183; Τήσa Omurtag.-Inschr. (Provadia) Anfang des 9. Jhdts. [Kanitz Donau-Bulgarien III¹ 354 nr. XXXVIII = Skorpil Arch.-epigr. Mitt. XVII 200 = Kalinka Akad. Wien, Schrift d. Balkankommiss. Antiquar. Abt. IV 78]; Τίτζa Constant Porphyr. de adm. imp. c. 40; Pathissus Plin. n. h. IV 80; Parthiscus Ammian. Marc. XVII 13, 4; Πάθισος Strab. VII 313). Der Name des Flusses ist thrakisch (seine älteste Form die von Strabon überlieferte; vgl. Melich über d. ungar. Flußnamen Tisza, Streitberg-Festgabe 262ff.). Zu der Ansicht Kieperts FOA XVII Text 4, 38, daß die Namensform, wie sie in den Quellen vor dem 5. Jhdt. vorliegt, unter Verwendung der slavischen Praeposition pa = bei gebildet worden sei und dadurch vielleicht die Tributärstellung des Flusses zur Donau; Ausdruck gefunden habe, nimmt Melich keine Stellung; sie ist aber durch seinen Hinweis auf die Unrichtigkeit der Meinung Niederle’s Slov. Star. II 158, den Namen für das Slavische in Anspruch zu nehmen, als verfehlt zu betrachten: sind doch die Slaven zur Zeit Strabons und des Plinius gar nicht so weit nach Westen vorgedrungen und können daher die Namengebung kaum irgendwie beeinflußt haben. Nach Melich 263ff. erfuhr der Name mit der Ansiedlung germanischer Stämme an den Ufern des Flusses Umgestaltungen: die älteste Form das got.-gepid. ὁ Τίζας in dem Gesandtschaftsberichte des Priscus vom J. 448 (Mueller FHG IV 83), durch ein Versehen des Kopisten in ὁ Τίγας verwandelt (so schon Müllenhoff Deutsche Altertumsk. II 378. Tomaschek Arch.-epigr. Mitt. XVII 200); auch nach der übersetzung des Gesandtschaftsberichtes [1470] bei Iord. Get. XXXIV 178 müßte die Gleichung Τίγας = Tisia anerkannt werden; damit in Widerspruch allerdings der nicht unbegründete Hinweis Diculescu’s D. Gepiden 260, die byzantinischen Gesandten hätten die T. überhaupt nicht überschritten; für die Entwicklung der heutigen Namensform sei aber das avarisch-türkische Tisa maßgebend gewesen, welches die Magyaren nach der Eroberung Ungarns in der Gestalt Tisza übernommen hätten. Für die einzelnen Stufen der neueren Form bis zur heutigen vgl. Melich Magyar. Nyelv, XIX 38.
2. Lauf. Von gelegentlichen Andeutungen abgesehen, erfahren wir über die T. bei den Schriftstellern des Altertums, die sie doch nahezu ausnahmslos nur vom Hörensagen kannten, nichts. Namentlich ihres Ursprunges und ihres Laufes wird von ihnen kaum gedacht. Allein bei Strab. VII 314 findet sich die kurze Bemerkung τοῦ Παρίσου (wohl Παθίσου) ἀπὸ τῶν ὀρῶν ἐπὶ τὸν Ἴστρον κατὰ τοὺς Σκορδίσκους.
Daß die T. zu den großen Flüssen gehört, weiß schon Iord. Get. V 33, der sie zu den magnis opinatisque fluminibus rechnet.
Manchmal verwechseln sie sie mit einem ihrer Nebenflüsse oder machen sie aus einem Nebenflusse der Donau zu einem ihrer Zuflüsse. So meint Ptolem. III 7, 1. 8, 1 mit dem Τιβίσκος, den er als Grenzfluß des vorrömischen Dacien im Westen angibt, die T. (o. Bd. IV S. 1953. Schütte Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Sprache XLI 24. Diculescu 224) und nicht die Temes (daher auch seine Mündung in die Donau).
Iord. Get. ersetzt XXXIV 178 in dem Berichte des Priscus aus dem J. 448 n. Chr. den Flußnamen Τίγας durch Tisia, doch, worauf Diculescu 86 mit Recht aufmerksam macht, keineswegs mit Recht, da die oströmischen Gesandten auf ihrem Wege an Attilas Hof die T. überhaupt nicht überschritten haben. Daher muß auch der vielfach als richtig angesehene Vorschlag Thierrys Hist. d’Attila I 84, den Τιφήσας dieses Gesandtschaftsberichtes mit der T. zu identifizieren, ebenso zurückgewiesen werden wie die Bemerkung Wietersheims Gesch. d. Völkerwanderung II 230 Anm., in Tisia und Tibisia verschiedene Arme der Theiß zu sehen, in T. wahrscheinlich die Temes.
Findet die Konjektur Diculescus 75 zu der Notiz Iord. Get. XXII 113, wo er von den Flüssen spricht, die das Gepidenland durchziehen, ubi nunc Gepidae sedent, iuxta flumina Marisia Miliaque et Gilpil et Grisia, qui amnes suprodictos excedit, daß nach dem letzten (Grisia) der Name der T. ausgefallen sei, Anklang, so wäre mit dem folgenden Relativsatze ihre Stellung als Hauptfluß diesen gegenüber richtig gekennzeichnet.
Wietersheim I 61 Anm. c irrt, wenn er den Flatausis (o. Bd. VI S. 2504), durch den nach Iord. Get. V 33 das Gepidenreich im Südosten begrenzt wird, als Oberlauf der T. ansieht, da die Quelle keineswegs diesen Schluß gestattet (Iord. Get. V 33 quae (Gepidarum patria) magnis opinatisque ambitur fluviis. Nam Tisia per aquilonem eius chorumque discurrit ... ab eoo Flutausis secat; vgl. Diculescu 74).
Wenn Herodot. IV 100 und Strab. VII 304 (anders 313) den Marisos in die Donau münden [1471] läßt, so dehnen sie seinen Namen auch auf den Unterlauf der T. nach seiner Vereinigung mit ihr aus (Patsch Anz. Akad. Wien 1925, phil.-hist. Kl. 69, 4. S.-Ber. 214. Bd. 1. Abh. 103); möglicherweise wurde diese Ansicht durch die Tatsache ausgelöst, daß das Wasser der durch den Marisos beim heutigen Arad gebildeten Sümpfe durch die Aranka der T. zugeführt wird (Grienberger Ztschr. f. d. deutsche Altertum LV 50; vgl. u. Abschn. 2). Aber auch die Vermutung Patschs Anz. 69, 4, der Name des Marisos sei wegen der Goldfunde in seinem Oberlaufe bekannter gewesen, hat manches für sich.
Die durch das geringe Gefälle bedingte Verwilderung namentlich des unteren Laufes der T. erwähnt Ammian. Marc. XVII 13, 3f. has terras (= Sarmatiam) Parthiscus inruens obliquatis [1472] meatibus Histro miscetur, sed dum solus licentius fluit, spatia Longa et lata sensim praeterlabens et ea coartans prope exitum in angustias, accolas ab impetu Romanorum alveo Danubii defendit, a barbaricis vero excursibus suo tutos praestat obstaculo, ubi pleraque umidioris soli natura et incrementis fluminum redundantia stagnosa sunt et referta salicibus ideoque invia nisi perquam gnaris; et super his insularem anfractum aditu Parthiscus paene contiguum, amnis potior ambiens, terrae consortio separavit.
Über die in den literarischen Quellen des Altertums genannten Nebenflüsse der T., die insgesamt auf ihrem linken Ufer münden (nach dem Geogr. Rav. IV 14, 204, 18f. Pind. unrichtigerweise in die Donau), gibt folgende Übersicht in alphabetischer Anordnung Aufschluß:
Priscus frg. 8 Mueller FHG IV 83 |
Iord. get. | Geogr. Rav. IV 14 ed. Pinder |
Andere Quellen | Der heutige Name |
Anmerkung |
S. 204, 15 Arine |
– | Aranka, Arm des Maros |
o. Bd. II S. 831 | ||
Δρήκων | XXXIV 178 Drica |
S. 204, 13 Drica |
– | Bega oder Aranka |
o. Bd. IV S. 1706 |
XXII 113 Gilpil |
S. 204, 16 Gilpit |
– | Schwarze Körös? |
o. Bd. VII S. 1365; vgl. Grienberger Ztschr. f. d. Deutsche Altertum LV 46 | |
XXII 113 Grisia |
S. 204, 17 Gresia |
Constant. Porphyr. de adm. imp. c. 40 Κρίσος |
Weiße Körös |
o. Bd. VII S. 1881, vgl. Grienbergera. O. | |
XXII 113 Marisia |
S. 204, 14 Marisia |
Herodot. IV 100. Strab. VII 304Μάρισος |
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Constant Porphyr. de adm. imp. c. 40 Μορήσης |
Maros | o. Bd. XIV S. 1807 Nr. 3, nicht mit dem Mariscus Geogr. Rav. IV 5, S. 179, 19 identisch (gegen die landläu- fige Anschicht, so nach Fluss o. Bd. XIV S. 1807 Nr. 3. Patsch S.-Ber. Akad. Wien phil.h.-Kl. 208. Bd. 2. Abh. 4f.). | |||
XXII 113 Miliare |
– | – | Schnelle Körös |
o. Bd. XV S. 1661, nach Tomascheko. Bd. II S. 831, Variante für Arine (s. d.) | |
CIL III 827 Samum |
Szamos | o. Bd. I A S. 2228 Nr. 2; in dieser Inschrift aus dem J. 239 n. Cghr. unter dem Samum cum reg(ione) [tr]ans val[lum] wahrscheinlich die Gegend am Flusse gemeint Mommsen zur Inschrift). | |||
Priscus frg. 8 Τίγας |
XXXIV 178 Tisia |
– | – | Bega | s. Art. Tigas. |
[1473]
3. Besiedlung und Geschichte. Unsere Kenntnis in dieser Beziehung verdanken wir größtenteils den literarischen Quellen, weniger den archäologischen Forschungen, die hauptsächlich für räumlich beschränkte Gebiete in Betracht kommen; aus diesem Grunde lassen sich auch die Überreste der westlichsten der drei Verteidigungslinien (,Römerschanzen‘), die von der Einmündung der Bega in die T. an die weiße Körös und in weiterem Verlaufe an die Szamos führt (Näheres darüber Kematmüller Dtsche Rundschau f. Geogr. XIV 217f., weit besser als Tocilescu Recherches arch. en Roumanie 117ff.), für seine Geschichte nur in geringem Maße verwerten. Vielfach sind durch Flußumbildungen im Anlande nicht einmal Spuren von ihnen erhalten (Patsch Anz. 197); auch zwang das steinarme Land zur Verwendung leichter vergänglicher Baustoffe und zur Sparsamkeit in der Errichtung von Denkmälern.
Die Veränderungen der Besiedlungsverhältnisse in diesem Teile Mitteleuropas im Laufe der Zeit machen es begreiflich, daß als Uferanwohner der T. nicht immer dieselben Völker bei den verschiedenen Schriftstellern genannt werden. Frühzeitig war die T.-Niederung, namentlich das Banat, jedenfalls infolge seiner Fruchtbarkeit, dicht besiedelt, wofür die Zahl und Ausdehnung der aus Flach- und Hügelgräbern bestehenden Nekropolen Zeugnis ablegen (Patsch Anz. 198).
Die ersten uns mit Namen bekannten Anwohner der T. sind die Agathyrsen (Herodot. IV 78); sie gingen aber schon im 2. Jhdt. v. Chr. in den Dakern auf. Diese schoben allmählich ihren Herrschaftsbereich über den Fluß nach Westen vor. Hier stießen mit ihnen um das J. 60 v. Chr. die Boier und Taurisker zusammen, die unter Critasirus ostwärts über die Donau vorgegangen waren (vgl. o. Bd. IV S. 1959); nur so ist der Bericht Strab. VII 304 zu verstehen, demzufolge sich die Daker darauf beriefen, εἶναι τὴν χώραν καίπερ ποταμοῦ διείργοντος Πaρίσου, (Patsch 214 Bd. 44); denn der Fluß Πάρισος, der nach Strabon das Herrschaftsgebiet der Daker von dem der Boier scheidet, kann kein anderer sein als der Πάθισος, die T. (so schon Zippel D. röm. Herrschaft in Illyrien 216). Der Kampf endete mit der Niederlage der vereinten Boier und Taurisker (zu einzelnen Punkten dieser Frage o. Bd. V A S. 8f., wo auch die einschlägige Literatur angeführt ist). Den Dakern war aber der Besitz des Gebietes am rechten Ufer der T. nicht dauernd gesichert; sie mußten es vielmehr bis an die Donau den Iazygen überlassen (Plin. n. h. 80); die Angabe Tac. ann. XII 20, daß der Suebenkönig Vannius in seinem Heere Iazygen als Reiter verwendet habe, veranlaßt die meisten Forscher, diesen Besitzwechsel im T.-Gebiete in das zweite Viertel des 1. Jhdts. n. Chr. zu setzen (Müllenhoff III 35, 1 um das J. 30 oder 40. Brandis o. Bd. IV S. 1952 etwa zwischen 20 und 50, Täubler Klio IX 24, 3 zwischen 25 und 35, Patsch 214. Bd. 141 um das J. 45, im Gegensatze dazu Sehmsdorf D. Germanen in d. Balkanländern bis zum Auftreten d. Goten 34ff. in die Tage Neros [vgl. Vulić o. Bd. IX S. 1189], sicher vor dem J. 69, vgl. Gsell Essai [1474] sur le règne de l’emp. Domitien 203; Vulić hält es für denkbar, daß der Verlust dieses Gebietes mit den Erschütterungen des Dakerreiches nach Burebistas Tod [Ende 45 oder Anfang 44 Zippel 222. Niese Ztschr. f. dtsch. Altert. XLII 156, ähnlich Brandis Suppl.-Bd. I S. 263; Bd. IV S. 1960 kurz vor oder nach Caesars Ermordung, Swoboda Parerga I 90], etwa zur Zeit der Schlacht bei Actium in Zusammenhang stehe; auch nach Ptolem. III 7, 1 bildet der meridionale Tieflandstreifen zwischen Donau und T. ihr Siedlungsbereich [so auch Kiepert FOA XXXIII. XXXIV, anders, nämlich auch über die Ebene östlich der T. FOA XVII Text 4, vgl. CIL III tab. IX und Karte zu Mommsen RG V³], nach Wietersheim I 195 ganz unrichtig schon im J. 70 v. Chr.). Wenn wir der Angabe Iord. Get. XII 71 Glauben schenken dürfen (Zweifel an ihrer Richtigkeit nicht ganz von der Hand zu weisen, vgl. o. Bd. IV S. 1969; Bd. IX S. 1191), daß er nicht die Grenzen des Gepidenreiches, sondern die des alten Dacien im Auge habe, dann griffen die Iazygen auch auf das linke Ufer der T. über; denn nach ihm scheidet die Aluta ihr Gebiet von dem der Roxolanen (Iaxyges ab Roxolanis Aluta tantum fluvio segregantur).
Octavian versuchte mehrmals die schon von C. Julius Caesar geplante Eroberung der T.-Ebene (zumindest ungenau jüngst Schur Augustus, Kl. Biographien v. Endres 43, wenn er meint, daß diese Aufgabe ,wegen anderer dringenderer Geschäfte‘ Octavians ,unterblieben‘ sei); freilich dauernden Erfolg konnte er nicht buchen. So verlegt auch Patsch 214, Bd. 106 ähnlich wie v. Domaszewski Österr. Jahresh. VIII 151f. und Dobiáš Casopis musea Kralovství českéko XCVI 152 den Schauplatz des Sieges eines uns mit Namen nicht näher bekannten römischen Feldherrn über die Daker, von dem allein das Bruchstück eines Elogiums aus Frascati (Dess. 8965, seine jüngste Ergänzung und Erklärung Premerstein Österr. Jahresh. XXVIII 151ff.) berichtet, in den Raum östlich der mittleren Donau an den Unterlauf der T. und an den Marisos, spricht sich aber gegen den zeitlichen Ansatz des J. 14 v. Chr. und die Beziehung auf M. Vinicius durch v. Premerstein aus. Wenige Jahre später nach der erfolgreichen Abwehr neuer Einfälle der Daker in das Land am rechten Donauufer ließ Augustus wieder ein Heer über die Donau setzen und nötigte die Daker zur Anerkennung der römischen Oberhoheit (Mon. Ancyr. V 47); in diesem Feldzuge (nach v. Premerstein Österr. Jahresh. I 167 kaum nach dem J. 7 n. Chr.) stellte das T.-Gebiet die Verbindung zwischen Pannonien, dem Ausgangspunkte der Operationen, und dem Feindeslande dar (Strab. VII 304. 313; o. Bd. IV S. 1963). Unmittelbar nach dem 2. Dakerkriege des Kaisers Traian (107) wurde die Ebene zwischen der unteren T., dem Temes und dem westlichen Teile des siebenbürgischen Randgebirges der Provinz Moesia superior unterstellt (v. Domaszewski Arch.-epigr. Mitt. XIII 143; Rh. Mus. XLVIII 242; o. Bd. XV S. 2356. CIL III p. 1445, danach u. R. Kiepert FOA XVII Text 3f. und CIL III tab. IV—VI. IX. Rostovtzeff [1475] Gesch. d. Staatspacht in d. röm. Kaiserzeit 394, dagegen Patsch Röm. Mitteil. XX 233ff. Anz. 194). Das römische Dacien reichte also nicht mehr ganz bis an die T. (o. Bd. IV S. 1969f.).
Der Bericht Eutrop. VIII 6, daß Traian nach der Besiegung der Daker in ihr Land ex toto orbe Romano infinitas copias hominum transtulerat ad agros eo et urbes colendas macht eine wesentliche Vergrößerung der Bevölkerungsziffer in den nächsten Jahrzehnten im Raume zwischen Marisos, T. und Danubius wahrscheinlich (Patsch Anz. 200). Unter Kaiser Antoninus Pius im I. 158/59 erhielt das Banat infolge seiner Lage am Limes als Dacia Maluensis eine Sonderstellung (Patsch Anz. 204; fälschlich von Fluss o. Bd. XIV S. 927 an die Aluta versetzt).
Unter Kaiser Marc Aurel nahm der Ansturm transdanubischer Völkerschaften, vor allem der Markomannen und Iazygen, auch die T.-Gegenden schwer mit. Erst die Fürsorge des Kaisers Septimius Severus für Dacien kam auch ihnen zugute (Mommsen CIL III p. 161; RG V 216. Jung Römer u. Romanen in d. Donauländern 116f. Patsch Anz. 206f.). Wenn sich auch ihre Lage wenige Jahre später, seit 230 durch die Einfälle der Goten neuerlich bedrohlich gestaltete, so beweist doch die Errichtung von Denkmälern noch in den 50er Jahren des 3. Jhdts. (Bau eines Tempels in Potaissa zur Zeit der Samtherrschaft des Gallienus und Valerianus CIL III 875 Dess. 4845, die Ehrung des jungen Valerianus bei seiner Erhebung zum Caesar in Sarmizegethusa CIL III 7971 = Dess. 554 und ein Meilenstein zu Ehren des Gallus und seines Sohnes Volusius CIL III 8061), daß die Straße von Apulum längs des Marisos zum Banater Limes in römischer Hand geblieben war (Patsch Anz. 207). Wenn auch die Iazygen wahrscheinlich bereits vor dem Abzuge der Römer aus Dacien das Banat besetzt hatten (Patsch Anz. 214), da sie sich wenige Jahrzehnte später (im J. 332) förmlich schon mit seinem Boden verwachsen fühlten, so brachen doch erst mit seiner Preisgabe im J. 271 für die Gegenden an der T. schwere Zeiten an.
Gedrängt von den Vandalen, die um das Jahr 280 an der oberen T. saßen, überschritten sie wiederholt die römischen Grenzen, namentlich unter der Regierung des Carus (Schmidt Gesch. d. deutschen Stämme I 78), aber auch in der Folge behaupteten sie sich in diesen Strichen. Bei ihrer Verfolgung nach seinem Siege über sie bei Campona im J. 322 zog Kaiser Constantin über die T. und durch das südwestliche Banat bis Margum (Patsch S.-Ber. Akad. Wien. 212. Bd. 2. Abh. 16f. mit näherer Literaturangabe).
Schmidt I 79. 323 irrt, wenn er um das J. 330 die Taifalen im Banat siedeln läßt (s. d., o. Bd. IV A S. 2027). Wenige Jahre später führten die schweren inneren Unruhen unter den Iazygen nach Abwehr des Goteneinbruches im Frühjahr 332 (Seeck Gesch. d. Unterganges d. ant. Welt IV 4f. 382; Regesten der Kaiser u. Päpste f. d. J. 311-476 n. Chr. 181; Schmidt Gesch. I 82; o. Bd. II S. 21f.) zu Änderungen in der Besiedlung dieses Gebietes. Die Sarmatae [1476] Limigantes zwangen die herrschende Oberschicht, die Sarmatae Argaragantes zur Auswanderung (Ammian. Marc. XVII 31, 3f. Patsch Anz. 183. 187. 191. 193. 212. Bd. 28f.).
Der wiederholten Beunruhigung römischen Reichsbodens durch die Sarmatae Limigantes bereitete Kaiser Constantius II. im J. 358 ein Ende durch seine Siege über sie, zuerst in dem Raume zwischen Donau und T. (Iulian. epist. ad Athen. 279 D. Hertlein I 360) und dann im Banat (Patsch 212. Bd. 37f.); er ersetzte sie durch einen Teil der Sarmatae Argaragantes (Exc. Val. 6, 31. 34. Oros. VII 28, 29. Patsch Anz. 194. 214. 212. Bd. 38) und brachte mit der diesen gegebenen Erlaubnis, ihre langjährigen Gastgeber in Oberungarn, die Victovalen, bei sich aufzunehmen, die ersten Germanen in diese Landstriche (Patsch Anz. 194. 212. Bd. 38).
Mittlerweile waren schon im 3. Jhdt. auch am Oberlaufe der T. mit den Gepiden Germanen vorgestoßen (Diculescu 32); ihre Wohnsitze erstreckten sich seit der Mitte des 4. Jhdts. von deren Quellen bis zu ihrem Knie und berührten hier vandalisches Gebiet (Diculescu 32); die zahlreichen Funde zweigliedriger Armbrustfibeln mit umgeschlagenem Fuße sind Zeugen ihres Einzuges und ihrer Niederlassung (Diculescu 32). Um das J. 400 besetzten die Rugier das bis dahin von den Vandalen innegehabte Gebiet an der oberen T. (Schmidt I 327; Allgem. Gesch. 134). Ungefähr zur selben Zeit erfolgte von Norden her der Einbruch der Hunnen in die T.- Ebene (Diculescu 54).
Unmittelbar nach dem Zusammenbruche des Hunnenreiches in der Schlacht am Nedao (o. Bd. XVI S. 2171) nahmen die Gepiden, deren König Ardarich den Anstoß zur Erhebung der Germanen nach Attilas Tode gegeben hatte, das Gebiet zwischen Donau und T., Aluta und Karpathen in Besitz (Diculescu 66. 72. Schmidt I 308; Allgemeine Gesch. 131); auch die Landstriche, die sie einem der Söhne Attilas, Geismuth, auf dakischem Boden überließen, sind höchstwahrscheinlich an der T. zu suchen (Diculescu 69). Nach Iord. Get. V 33 umschloß die T. als Grenzfluß das Gepidenreich von Norden nach Südwesten (auch in der Folge Procop. bell. Goth. IV 25). Mit den campi patentes (Paul. Diac. c. 20), in welche die Langobarden nach vorübergehendem Aufenthalte im benachbarten Rugierlande (Schmidt I 432; Allgem. Gesch. 80. Diculescu 133) am Ende des 5. Jhdts. vorstießen, ist voraussichtlich die T.-Ebene gemeint (Schmidt I 437).
Die Aufnahme des Gebietes zwischen Donau und T. in den Herrschaftsbereich der Gepiden war eine Folge des Anschlusses der Sarmaten an diese nach ihrer Niederlage durch die Ostrogothen (Diculescu 105). Hier gerieten sie gar bald in Feindseligkeiten mit den Langobarden. Diesen bereitete erst der Zusammenbruch der gepidischen Macht um 570 ein Ende (Diculescu 166) und ermöglichte den Langobarden, sich des ganzen Landes westlich der T. zu bemächtigen (Menand. frg. 64 Dind. Diculescu 166). Nach dem Abzuge der Langobarden nach Italien nahmen die Avaren die Ebenen an der T. in Besitz, wie Gräberfunde mit [1477] Pferdebestattung zeigen (Hampel Altertümer d. frühen Mittelalters II 339f. III Taf. 260ff. II 362f. III Taf. 273. II 363. Taf. 264. Diculescu 219).
Bei der Besprechung des Kampfes der Byzantiner gegen sie erwähnt Theophyl. Simoc. VIII 3 auch den Τισσός, doch in seiner Angabe, VIII 3, 11, daß die Heeresabteilung, die der byzantinische Feldherr Priscus nach seinem Siege über sie gegenüber Viminacium im J. 601 mit der Beobachtung ihrer Bewegung nördlich des Temes beauftragt habe, die T. überschritten habe, sieht Diculescu 224 bei kritischer Prüfung des Berichtes eine Verwechslung mit dem Τίβισκος (vgl. o. Abschn. 2). Um diese Zeit ließen sich zum ersten Male Slaven in der T.-Ebene nieder (Diculescu 224. 243). Die Rumänen erschienen hier erst ungefähr 300 Jahre später (Diculescu 243).
4. Verkehr und Handel. Der Verkehr des Tales, wenigstens des unteren Teiles, mit dem Süden und Osten ist literarisch schon für das 5. Jhdt. v. Chr. bezeugt. So erklärt sich nach Patsch Anz. 69, 4. 169f. der Bericht des Herodot, der die T. zum Nebenflusse des Marisos macht, und da nahezu ein halbes Jahrtausend später dieselbe Auffassung bei Strab. VII 304 (anders allerdings VII 313, vgl. Abschn. 2) begegnet, so deutet die Einheitlichkeit der Wasserstraße T.-Marisos auf einen alten Handelsweg hin, der schon in sehr früher Zeit Siebenbürgen mit dem Süden verbunden und seine Bedeutung Jahrhunderte hindurch behauptet hat. Sie steigerte sich noch mit dem Interesse der Römer an Dacien. So weist der Bericht Strab. VII 304 (für die Zeit des Augustus, vgl. o. Abschn. 3) ῥεῖ δὲ δι’ αὐτῶν (= Daker) Μάρισος ποταμὸς εἰς τὸν Δανούιον ᾧ τὰς παρασκευὰς ἀνεκόμιζον οἱ Ρωμαῖοι πρὸς τὸν πόλεμον auf die Nachschublinie hin, welche von der T.-Mündung Donau abwärts, dann der Save entlang gegen Aquileia geführt hat (Patsch 212. Bd. 103. v. Premerstein österr. Jahresh. I 168. Cichorius D. Reliefs d. Traianssäule Text 23; o. Bd. IV S. 1963). Mit der Anlage des Limes entlang der unteren T. und des Marisos wurde diese Wasserstraße gegenüber dem Landwege im sumpfigen Gelände bevorzugt (Patsch Anz. 198).
Aber auch der Abwicklung des Handelsverkehrs diente sie in steigendem Maße, besonders seit dem Aufschlusse der ergiebigen Goldlager Daciens (für die Frühzeit aus den Funden zweifellos eingeführter Metallgegenstände selbst aus Gold, griechischer und frührömischer Münzen [Patsch Anz. 199, 5 mit Literaturangaben] zu erschließen). Der militärische Schutz, den der Limes bot, kam ihr zweifellos zustatten (Patsch Anz. 198. Müller zu Ptolem. 7, 2. Goos Arch. f. siebenbürg. Landesk. XIV 114; vgl. den Fund der Statue eines Schiffers in Micia, Münsterberg-Öhler österr. Jahresh. V Beibl. 124f., die Erwähnung eines collegium nautarum, CIL III 1209 = Dess. 7146, in Apulum, die Darstellung eines Männleins in einem Nachen mit einem Ruder unter der linken Achsel und einem Anker auf der Goldkette aus dem Schatzfunde von Simlau, dessen Anfertigung nicht vor dem J. 336 erfolgt ist, Diculescu 44, 1).
[1478] Funde von Ziegeln der Legio XIII gemina in weiter Entfernung von ihrer Garnison Apulum in Bultsch unterhalb Micias und in Német-Tschanad in der Nähe von Szegedin (Parthiscum) machen die Verbindung dieser Posten durch eine Limesanlage wahrscheinlich, die ebenso den Marisos aufwärts (so schon Mommsen zu CIL III 6272) wie die T. abwärts vom Szegedin bis Acumincum verlief (Patsch Anz. 197).
Von Siedlungen an der T. findet sich im Altertum allerdings nur eine genannt (Πάρθισκον, jetzt Szegedin, Ptolem. III 8, 1), auch ihr Name ein neuerliches Beispiel für die Bezeichnung von Flußplätzen nach den Wasserläufen, an denen sie lagen (Patsch S.-Ber. Akad. Wien 208. Bd. 2. Abh. 4).
Aber auch die Fruchtbarkeit der T.-Niederung, die wir aus der großen Bevölkerungsziffer des Banates (noch im 4. Jhdt. n. Chr. über 700 000 Köpfe, vgl. Patsch Anz. 214) trotz ihrer Vorliebe für Pferdezucht (Ammian. Marc. XVII 12, 2ff. 18. Cichorius Text 151) erschließen müssen, ermöglichte zweifellos die Ausfuhr mancher Erzeugnisse (Patsch Anz. 183. 198; vgl. die Darstellung mähender Soldaten des Kaisers Traian auf der Traianssäule Taf. LXXXI [Cichorius Text II 199ff. Kazarow Beitr. z. Kulturgesch. d. Thraker 39]. Funde verkohlten Getreides in den Wohnstätten der Daker, Getreidegruben vgl. Milleker Gesch. d. kgl. Freistadt Werschetz 6f. 7).
Als Fahrzeuge dienten vielfach Einbäume (Ammian. Marc. XVII 13, 17. 27 cavatis roboribus, vgl. Patsch Anz. 188).
Über die T. führte aber auch aus Ostungarn quer durch den Norden des alten Iazygenlandes ein Verkehrsweg (Kiepert FOA XVII Text 4. v. Domaszewski Marcussäule Text 122).