Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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zwei Völkerschaften, in Italien an der Adria und im mittleren Gallien
Band II A,2 (1923) S. 14741477
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Senones, gemeinsame Benennung für zwei Völkerschaften oder vielmehr für zwei Teile desselben Volksstammes, seßhaft

der eine Teil in Italien am Adriatischen Meer, s. Nr. 1,
der andere im mittleren Gallien, s. Nr. 2.

Sämtliche Belegstellen hat, ohne Unterscheidung [1475] der beiden Volksteile, gesammelt Holder Altcelt. Sprachschatz II 1485–1498.

Name. Der gemeinsame Name lautet in den lateinischen Schriftquellen fast immer Senones, mit dem vereinzelten Singularis Seno (im Accusativus: Senonem) bei Hirtius (Caes.) bell. Gall. VIII 30, 1; über eine Nebenform Senonus, Senoni s. Nr. 2 A. Der bei unrömischen Völkernamen beliebte griechische Accusativus auf -as (s. o. Bd. I A S. 2289, inschriftlich z. B. Lingonas, Ceutronas) findet sich auch von S. (Nr. 1 und 2) gebraucht u. a. bei Verrius Flaccus-Festus, Valerius Maximus, Florus, Ambrosius, Symmachus, Ammianus, Orosius, Prosper, Fredegar. Die lateinischen Dichter messen übereinstimmend (Nr. 1 und 2) Sĕnŏnes, Sĕnŏnum, so Lucanus, Silius (7mal), Statius, Iuvenalis, Claudianus (4mal), Paulinus Petricordiensis, Sidonius (2mal), Venantius Fortunatus. In der Messung des ĕ stimmen mit den lateinischen Dichtern überein die griechischen Schriftsteller, welche den Namen mit ε schreiben (vgl. bes. Σένονες bei Strabon 5mal, Ptolemaios II 8, 9, Appianos 8mal und Dativ Σένοσιν 2mal; vgl. auch Ableitung von ξένος bei Verrius-Festus mit Isidorus), mit Ausnahme des ältesten Gewährsmannes Polybios, der 4mal den Namen mit η schreibt in Übereinstimmung mit der nicht bloß durch ihn, sondern auch durch Strabon, Ptolemaios, Appianos (vgl. Steph. Byz.) beglaubigten Schreibung des Namens der Stadt Σήνη oder Σήνα (vgl. auch den gleichnamigen Fluß bei Sil. VIII 453: Sĕnŏnum de nomine Sēna; erst bei Prokop. b. Goth. ist belegt: Σενογαλλία, ebenso Concil.) [s. die Stellen bei Holder II 1464f.]. Die Schreibung des Polybios Σήνωνες weicht außerdem ab durch die Länge des ō, welche auch die Überlieferung des Diodoros, Dionysios Halikarn. und Plutarchos bietet. Doch ist diese Abweichung belanglos, weil ja die Betonung mit der lateinischen Sénones übereinstimmt. Eine andere Abweichung ist Schreibung mit νν bei Diodoros (Σέννωνες) und Steph. Byz. (Σέννονες). Ptolemaios legt nach der übereinstimmenden Überlieferung den gallischen S. den Namen Σένονες bei, dagegen den italischen S. den Namen einer germanischen Völkerschaft, der Semnones [s. C. Müller Ausg. des Ptolem. I 1 p. 259. Gudeman Ausg. des Tac. Germ. (1916) 200. Schönfeld Wörterb. d. altgerm. Personen- u. Völkernamen (1911) 202; auch diesen Namen schreiben griechische Schriftsteller mit ο und ω; bei Velleius II 106, 2 ist statt Semnonum überliefert: Senonum]. Abgeleitet ist das Adiectivum Senonicus, für Nr. 1 und 2 gebraucht, und zwar von Gellius (s. u.) für Nr. 1, von Sulpicius Severus (s. u.) und häufig Späteren für Nr. 2; über die Ableitungen Senonius und Senonensis s. Nr. 2 A.

Wanderung. Im 5. Jhdt. v. Chr. beginnt jene, jedenfalls über einen langen Zeitraum sich erstreckende Völkerwanderung, welche die Kelten oder Gallier aus ihren rechtsrheinischen Wohnsitzen in Mittel- und Süddeutschland verdrängte, sie zu Herren des nach ihnen benannten Gallien machte und sie auch über die Alpen nach Italien, über die Pyrenäen nach Hispanien, über den Kanal nach Britannien, andere nach Griechenland und nach Kleinasien führte. Da wir in Italien (ebenso [1476] in Britannien und anderswo) die nämlichen keltischen Völkernamen antreffen, wie in Gallien, so müssen wir Teilung der betreffenden Volksstämme annehmen. Denn aus unbedeutenden Verschiedenheiten in der Schreibung der Namen Verschiedenheit der Volksstämme erschließen zu wollen, wie (nach d'Arbois de Jubainville) der italischen Sēnōnes und der gallischen Sĕnŏnes, ist unberechtigt. Über die Wanderung und Teilung sind wir ungenügend unterrichtet, die Nachrichten des Livius V 34f. (J. 391 v. Chr.), vgl. V 33, 2f. Plutarch. Camill. 15, sind dazu legendenhaft entstellt. Doch dürfen wir aus der Überlieferung folgern, daß die italischen S. (Liv. V 34, 5), sowie die Cenomani (Liv. V 35, 1) sich erst in Gallien von ihren Stammesgenossen abgezweigt haben, vielleicht auch die Insubri von den Aedui (Liv. V 34, 5 und 9), daß dagegen die Boii und Lingones sich bereits vorher geteilt hatten (Liv. V 35, 2; freilich Strabon IV 4, 1 nennt die Boii mit den S. zusammen). Als letzte kamen die S. über die Westalpen nach Italien (Liv. V 35, 2: Senones recentissimi advenarum, vgl. V 33, 4/5); da sie die fruchtbaren Niederungen des Po bereits von keltischen Völkerschaften besiedelt fanden, drangen sie über den Appennin in Etrurien ein; von hier stießen sie gegen Rom vor [die Schriftsteller nennen die Sieger an der Allia und Eroberer Roms unter Brennus (390 v. Chr.) entweder bloß Galli (Κελτοί) oder aber sehr häufig Galli Senones oder Senones Galli oder bloß Senones (Gell. XVII 21, 21: bellum Senonicum); Liv. V 35, 2 allerdings bekennt: id parum certum est solamne an ab omnibus Cisalpinorum Gallorum populis adiutam (gentem Senonum Clusium Romamque venisse). Die später nach Latium und weiter südlich bis Campanien und Apulien vorgedrungenen Barbaren werden Galli genannt]. Schließlich waren die S. seßhaft am Küstenstreifen ab Utente flumine usque ad Aesim (Liv. V 35, 2; vgl. Polyb. II 17, 7. Ptolem. III 1, 19 u. a.), nach Ptolem. III 1, 44 auch etwas landeinwärts, s. Nr. 1. Vgl. Jullian Hist. de la Gaule I 286ff. 293ff.

Während diese italischen S. nach ihrer Vernichtung und Vertreibung aus der Geschichte verschwinden (Polyb. II 19, 11. 20, 1. 7. Strab. V 1, 6. 10. Plin. n. h. III 116. Flor. I 8 = 13, 19 und daher Iordanes Rom. 139) und ihr Andenken nur im Ager Gallicus und der römischen Kolonie Sena Gallica erhalten bleibt (Kiepert FOA XXIII FGik), erscheinen die S. in Gallien erst mit der Eroberung Galliens durch Caesar in der geschriebenen Geschichte, und da auf ihren Hauptort Agedincum, welcher unter römischer Herrschaft ein blühendes, wohlhabendes Gemeinwesen war, später der Name der Völkerschaft S. übertragen wurde, so lebt dieser in dem Namen der Stadt Sens fort, wie auch die Landschaft noch heute le Sénonais heißt, s. Nr. 2.

Vom Zusammenhang der gleichnamigen Völkerschaften in Italien und in Gallien sagen unsere Quellen, abgesehen etwa von Liv. V 34, 5, nichts, denn die Nachricht des Sueton. Tib. 3: traditur (Drusus) pro praetore ex provincia Gallia retulisse aurum Senonibus olim in obsidione Capitolii datum, nec, ut fama est, extortum a Camillo betont doch nur allgemein einen Zusammenhang mit [1477] den Transalpinischen Galliern, gleich anderen Stellen. Bei Paulus hist. Langob. II 23 (Mon. Germ. Ser. rer. Langob. p. 85) heißt es allerdings: Brennus rex Gallorum qui aput Senonas urbem (d. h. zu Sens) regnabat (!) usw.

[Keune. ]

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Senones

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