Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Priester des Zeus in Dodona = Helloi vgl. Hellopia
Band II A,2 (1923) S. 1323
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Selloi (Σελλοί, oἱ Hom. Il. XVI 234. Soph. Tr. 1167. Arist. met. I 14 p. 352 b 1; vgl. Herodianos Schol. A = II 401, 8 L. Plin. n. h. IV 2 Selloe Eustath. 1057, 60), Leute in Thesprotia, s. die Art. Helloi o. Bd. VIII S. 194 und Hellopia o. Bd. VIII S. 196.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band S V (1931) S. 963967
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Σελλοί, die ὑποφῆται des Zeus in Dodona. Das einzige authentische Zeugnis sind die bekannten Homerverse Il. XVI 233ff.: Ζεῦ ἄνα, Δωδωναῖε, Πελασγικέ, τηλόθι ναίων, Δωδώνης μεδίων δυσχειμέρου, ἀμφὶ δὲ Σελλοὶ σοὶ ναίουσ' ὑποφῆται ἀνιπτόποδες χαμαιεῦναι. Freilich war schon im Altertum die Form des Namens bestritten, da die Majuskelschrift eine doppelte Deutung zuließ. Während Aristarch und seine Schule sich für die damals offenbar herrschende Lesung ἀμφὶ δὲ Σελλοί entschieden, setzten andere Erklärer die Form, die Pindar in seinem Gesang auf den dodonäischen Zeus gebraucht hatte (frg. 59) ein und lasen ἀμφὶ δὲ σ’Ἑλλοί. Die kritische Grundlage für die Frage ist von Bölte Art. Ἑλλοί Bd. VIII S. 194f. vorzüglich aufgearbeitet und klargelegt worden. Aber die Entscheidung, die er selbst schließlich zugunsten von ἀμφὶ δὲ σ’Ἑλλοί fällt, ist meines Erachtens doch nicht genügend begründet; Bölte billigt nämlich die sprachliche Argumentation eines antiken Erklärers, der diese Lesung durch den Sinn, nämlich die Beziehung des ἀμφί auf Zeus, gefordert glaubte (schol. Town. ἐὰν δὲ εἴπωμεν Σελλοί, ἔσονται περὶ πᾶσαν τὴν Δωδώνην οἰκοῦντες, οὐ περὶ τὸ τέμενος τοῦ θεοῦ· καὶ βέλτιον· ἐν Δωδώνῃ [964] γὰρ τὸ γένος ἐστὶ τῶν ἱερέων τοῦ Δἰὸς κατὰ διαδοχήν): ,die ὑποφῆται müssen in Dodona um das Heiligtum wohnen‘. Allein abgesehen davon, ob es berechtigt ist, für jene älteste Zeit so scharf zwischen Dodona und dem τέμενος zu scheiden (vgl. auch Schiff bei Kern o. Bd. V S. 1259, 11f.), so ist jene Erklärung, die auch bereits von Ed. Meyer (Forsch. I 41) gebilligt worden war, meines Erachtens überfein und wird dem homerischen Sprachgebrauch, der sich in den Beziehungen der Worte nicht so streng bindet (vgl. z. B. Od. III 391), nicht gerecht; hier zumal wird doch die Beziehung des ἀμφί auf Zeus durch das vorhergehende Partizipium μεδέων für den unbefangenen Leser sichergestellt. Aus der Stelle selbst durch Interpretation kann aber leider die Frage nicht entschieden werden, sondern wir sind, solange nicht von anderer Seite unerwartetes Licht kommt, darauf angewiesen, die Zeugen für die eine und die andere Lesung gegeneinander abzuwägen. Und da steht es nun so, daß die Zeugen wenigstens, die wir heute kennen – ob Aristarch nicht noch mehr gekannt hat, ist eine andere Frage –, sich gegenseitig die Wage halten. Auf der einen Seite steht Pindar, auf der anderen Sophokles und, wenn auch schon viel jünger, so doch immer noch von Bedeutung, Aristoteles. Pindar hat in seinem Liede Ἑλλοί gesagt, und daraus ist allerdings wohl sicher zu schließen (denn direkt gesagt ist es in den Scholien nicht), daß er auch bei Homer so gelesen hat. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: ich halte es für durchaus möglich, ja für wahrscheinlich, daß Pindar neben Homer noch eine andere Tradition gekannt oder wenigstens, etwa mit Rücksicht auf die gleich zu nennende Hesiodstelle, eine selbständige Kombination gewagt hat. Denn im Schol. A Πίνδαρος Ἑλλοὶ χωρὶς τοῦ σ, ἀπὸ Ἑλλοῦ τοῦ δρυτόμου, ᾧ φασι τὴν περιστερὰν πρώτην καταδεῖξαι τὸ μαντεῖον wird man doch nur sehr ungern, trotz des φασί (s. Bölte), die ätiologische Legende von dem Pindarzitat trennen. Dann gewinnen wir sogar ein von der homerischen Lesung unabhängiges Zeugnis für die Form Ἑλλοί, die indirekt auch schon durch den Namen der Landschaft Ἐλλοπία und ihre bei Hesiod gegebene Verbindung mit Dodona (frg. 134 ἔστι τις Ἑλλοπίη, πολυλήιος ἠδ’ εὐλείμων· ἔνθα δὲ Δωδώνη τις ἐπ’ ἐσχατιῇ πεπόλισται bei Strab. VII p. 328, wahrscheinlich aus Philochoros περὶ μαντικῆς, s. Tresp Fragm. d. griech. Kultschriftsteller 197) bezeugt ist. Aber damit ist die Lesung Σελλοί noch nicht widerlegt. Es bleibt für sie das vollwertige Zeugnis des Sophokles (Trach. 1166 τῶν ὀρείων καὶ χαμαικοιτῶν Σελλῶν ἐσελθὼν ἄλσος), der ohne Zweifel, wie allgemein zugegeben wird, die Homerverse vor Augen hatte, andererseits aber doch wahrscheinlich schon die Pindarstelle kannte und doch wohl nicht ohne Grund die andere Form wählte. Dasselbe gilt für Aristoteles, der meteor. I 14 ebenfalls Σελλοί sagt. Es ist auch nicht einzusehen, warum nicht tatsächlich beide Formen, Σελλοί als die ältere und Ἑλλοί als die jüngere, nebeneinander existiert haben können (Maas Griechen u. Semiten 7, vgl. v. Wilamowitz Herakles² I 1 Anm. Diels Archiv f. Religionswissenschaft XXII 4). – Über die Etymologie des Namens [965] und ihre verschiedene Erklärung s. bei Bölte o. Bd. VIII S. 196. – Der Streit, ob die Seller Priester waren oder ein Volk (so Beloch Griech. Gesch.² I 2, 61f., dagegen Ed. Meyer Forsch. 42), ist unfruchtbar und stellt eine Alternative, die nicht genügend die Siedelungsverhältnisse jener unwirtlichen (δυσχειμέρου) Gegend in archaischer Zeit berücksichtigt. Die Seller waren beides: sie waren ὑποφῆται, also das, was man später als Priester bezeichnete, aber natürlich nicht ein Priesterkollegium wie etwa die Pontifices, sondern sie bildeten eine Stammesgruppe (also, wenn man will ein ἔθνος), die sich dem Zeus zu Dodona besonders geweiht hatte und seinen Dienst versah (vergleichen könnte man vielleicht die Koreischiten um die Kaaba). Vom späteren Standpunkt aus konnten sie daher ganz gut als γένος τῶν ἱερέων τoῦ Διὸς κατὰ διαδοχήν (Schol. Town.) bezeichnet werden. Um es anders auszudrücken: die S. verhalten sich zu Dodona ähnlich wie einst (d. h. in archaischer Zeit) die Eumolpiden zu Eleusis oder die Branchiden zu Didyma; der Unterschied, der allerdings besteht, ist hauptsächlich durch die Siedlungsverhältnisse bedingt.

Die Hauptfrage, zu der die S. Anlaß geben, betrifft die Worte ἀνιπτόποδες χαμαιεῦναί. An sich sind zwei Erklärungen möglich: eine rein kulturhistorische und eine sakrale. Im Altertum sind beide vertreten worden. Aber die erstere, die in den ,ungewaschenen Füßen‘ und ,dem Lager auf der Erde‘ die Merkmale einer zurückgebliebenen Kultur sieht und die S. dadurch geradezu als Barbaren gekennzeichnet glaubt (Schol. A: ἀνιπτόποδες· ἤτοι βάρβαροι σκληρῶς τε καὶ νομαδικῶς ζῶντες, ταύτην ἔχοντες δίαιταν ὡς μηδὲ ἀπονίζεσθαι τοὺς πόδας διὰ τὸ μὴ παραδέξασθαι τὴν ἐκ τοῦ πρώτου βίου μεταβολήν, kürzer Strab. VII p. 328) ist sicher falsch, denn unmöglich konnte der Dichter Achill bei seinem Gebet gerade dies hervorheben lassen. Vielmehr zeigt der Zusammenhang, daß die Worte hier eine sakrale Bedeutung haben müssen und durch sie die S. gerade als besonders heilig bezeichnet werden sollen. Nur die Art dieser sakralen Bedeutung ist umstritten. Abgesehen von den unklaren oder verfehlten Versuchen einiger antiken Erklärer (Schol. A fährt fort: ἢ τοῦτο ἔκ τινος ἔθους ἐπὶ τιμῇ τοῦ θεοῦ ποιοῦντες · ἔνιοι γὰρ καὶ λουτρῶν ἀπέχονται καὶ τῆς τοιαύτης ἐπιμελείας [was übrigens einen richtigen Gedanken enthält, nur zu unbestimmt, s. u.]: τινὲς δὲ αὐτοὺς διὰ τοῦτο λέγουσιν ἀνιπτόποδας, ὅτι οὐκ ἐξίασιν ἔξω τοῦ ἰεροῦ · διὸ οὐδὲ ἀπολούεσθαι ἀνάγκην ἔχουσιν) stehen sich hauptsächlich zwei Erklärungen gegenüber. Die eine sieht in jenen Epitheta eine Anspielung auf die Inkubation, die man ja auf dem Erdboden schlafend, oft allerdings mit einem Fell als Unterlage, vollzog (s. Bd. IX S. 1256f.). So sagte schon Eustathius zu der Iliasstelle p. 1057, 64ff. χομαὶ γάρ, φασί, δοραῖς ἐγκοιμώμενοι τοῖς χρωμένοις χρηματίζουσιν (natürlich nicht auf Grund einer alten authentischen Überlieferung, sondern nach Analogien späterer Zeit), und dieser Auffassung hat sich nach Welcker (Kl. Schr. III 90) wohl die Mehrzahl der Neueren mehr oder weniger bestimmt angeschlossen. Ein Bedenken erregt dabei allerdings, daß über Inkubation in [966] Dodona sonst nicht das geringste bekannt ist. Die älteste uns überlieferte Form des dortigen Orakels ist die Weissagung aus dem Rauschen der heiligen dem Zeus geweihten Eiche, die bereits die Odyssee XIV 327f. = XIX 296f. kennt, und Zeus, nicht etwa die Erdgöttin, erscheint auch schon in unserer Iliasstelle als Herr von Dodona. Auch was die ἀνιπτοποδία, die man keineswegs mit der ἀνυποδεσία gleichsetzen darf, mit der Inkubation zu tun hat, ist zunächst nicht klar. Gerade deswegen hat auch E. Rohde Psyche⁴ I 122, 1 die Beziehung auf die Inkubation ausdrücklich und bestimmt verworfen, ohne freilich seinerseits eine Erklärung dafür an die Stelle zu setzen. Dies ist dann von anderer Seite versucht worden: Kretschmer Einl. in d. Gesch. d. gr. Spr. 87 und Kern o. Bd. V S. 1260 fassen jene Lebensweise als Askese auf und berufen sich auf indische Parallelen (Hillebrandt Neu- und Vollmondsopfer 3ff. Oldenberg Religion der Veda 411f.). Die Schwäche dieser Erklärung liegt darin, daß dem späteren griechischen Kult solche Askese fremd war, obwohl es natürlich an sich möglich ist, daß sie auch hier ursprünglich, als indogermanisches Erbteil, bestanden und erst mit der Zeit abgekommen ist. Am merkwürdigsten ist der Verzicht auf die Fußwaschung, und da ist es wichtig, daß derselbe Ritus uns durch eine Inschrift auch für eine ganz andere Gegend, für den Kult des Zeus Λαράσιος in Tralles bezeugt ist, auf die Kretschmer zuerst hinwies: Bull. hell. VII 276 Λ. Αὐρηλία Αἰμιλία ἐκ προγόνων παλλακίδων καὶ ἀνιπτοπόδων θυγάτηρ Λ. Αὐρ. Σεκούνδου Ση[ί]ου παλλακεύσασα καὶ κατὰ χρησμὸν Διί. Denn wenn auch das Wort ἀνιπτόποδες aus Homer genommen ist (Kern a. O.), so ist doch kein Zweifel, daß der Ritus selbst auch in Tralles bestand. Im Anschluß nun an diese Inschrift hat neuerdings Joh. Schaefer De Iove apud Cares culto, Diss. Hal. 1912, 462f. eine neue Erklärung der Σελλοὶ ἀνιπτόποδες χαμαιεῦναι versucht: er hält die Annahme der Inkubation für geboten und sucht nun die ἀνιπτοποδία, die bisher dabei nicht erklärt war, scharfsinnig auf folgende Weise verständlich zu machen: durch den Schlaf nachts auf der Erde treten die Seller in Gemeinschaft mit der Gottheit; diese Gemeinschaft dürfe auch am Tage nicht verloren gehen, da sie nur kraft ihrer weissagen können; am Tage aber sind es allein die ungewaschenen Füße, die die Berührung mit der Erde, d. h. mit der Gottheit bewahren. Es ist klar, daß auch diese Deutung nicht frei von Bedenken ist, aber sie verdient jedenfalls als ein Versuch, die innere sakrale Verbindung zwischen dem Schlaf auf der Erde und dem Verbot der Fußwaschung herzustellen, Beachtung. Auch die indische Anschauung bei Oldenberg Rel. d. Veda 425, auf die sich Schaefer beruft: ,Der Schmutz, d. h. offenbar das Vermeiden des Bades, ist ein Characteristicum dessen, der durch Tapas (Askese) einen Zustand besonderer Zaubermacht in sich erzeugen will‘, ist wichtig, mag man nun die ἀνιπτοποδία so wie Schaefer oder als einfache Askese auffassen. Daß auch in Dodona alter Erdkult im Hintergründe steht, meint auch Dieterich Mutter Erde 60. [967] Zum Schlusse will ich erwähnen, daß man auch eine der Etymologien des Namens mit der Art der von den S. geübten Weissagung in Verbindung gebracht hat: sie würden Ἑλλοί d. h. ,Stumme‘ genannt, weil wie Strab. VII p. 329 frg. 1 sagt, das Orakel οὐ διὰ λόγων, ἀλλὰ διά τινων συμβόλων weissagte. Selbst wenn die Etymologie richtig sein sollte, scheint mir die sachliche Erklärung ganz unwahrscheinlich.

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Band R (1980) S. 204
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Selloi

Priester des Zeus in Dodona. (E) S V. = Helloi (VIII 194); vgl. Hellopia (VIII 196 allg. Vorb.).