Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Tochter der Timandra, die Männerbesiegerin
Band XII,1 (1924) S. 515516
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2) Die jüngere L. war die Tochter der Timandra, der treuen Gefährtin des Alkibiades (Athen. XII 535c. XIII 574e. Plut. Alcib. 39), die den Beinamen Damasandra (Männerbesiegerin) führte (Athen. XIII 574e. Bei dem Schol. Arist. Plut. 179 wird sie irrtümlich Epimandra genannt). Ihr Vater war unbekannt (Athen. XIII 589b). Timandra stammte aus Hykkara (oder Hykaron) in Sizilien (Plut. a. O.). Dieser Ort wird nun auch als Geburtsort der L. genannt (Timaios frg. 105 [‌FHG I 219]. Nymphodoros frg. 1 [FHG II 375], beide bei Athen. XIII 589a. b. Synesios ep. 3 [Migne G. 66, 1327], Steph. Byz. s. v., der s. Κραστός und Εὐκάρπεια auch diese sizilischen Gemeinden als Geburtsorte anführt). Von hier soll sie bei Gelegenheit der sizilischen Expedition als Kind nach Korinth gekommen sein (Plut. Nic. 15. Paus. II 2, 5. Polemon frg. 44 [FHG III 127] bei Athen. XIII 588c. Schol. Arist. Plut. 179), und zwar habe sie ein Korinther gekauft und seiner Frau in Korinth geschenkt, während eine andere Überlieferung sie (oder ihre Mutter Timandra?) als Geschenk des Dionysios an den Dithyrambendichter Philoxenos mit diesem nach Korinth kommen ließ (Schol. Arist. Plut. 179). Nach dem Scholiasten soll sie damals 7 Jahre alt gewesen sein. Dann wäre sie um 420 geboren. Da nun Apelles in Korinth auf sie aufmerksam geworden sein soll, als sie noch eine Knospe war (erst nach 3 Jahren glaubte er ihre reife Schönheit genießen zu können, Athen. XIII 588d. Vgl. [Alciphr.] frg. 5 [S. 156 Sch.]), andererseits der Maler aber noch für einzelne Nachfolger Alexanders arbeitete (Brunn Gesch. d. griech. Künstler II 204. 211f. Blütezeit nach Plin. n. h. XXXV 79 die 112. Olympiade [332/329 v. Chr.]), so müßte er nach dieser Erzählung ein Alter von weit über 100 Jahren erreicht haben und seine Blütezeit um sein 100. Lebensjahr fallen, was widersinnig ist. Auch die Angabe, daß sich Demosthenes in L. verliebt haben soll (Gell. I 8), stimmt mit ihrem oben angegebenen Geburtsjahr schlecht überein, da sie wenigstens die 50 schon überschritten haben mußte, als Demosthenes herangewachsen war. Es bleibt also kein anderer Ausweg, als entweder die Geschichte von der Gefangennahme der L. auf der sizilischen Expedition für spätere Erfindung zu erklären, wozu sie eigentlich zu gut bezeugt ist, oder die L. des Apelles und Demosthenes als eine dritte Hetaire dieses Namens anzusprechen. Entscheidet man sich für die letzte Möglichkeit, so wird die Unsicherheit über die Schicksale der drei L. noch größer, da dann die überlieferten Daten auf drei verteilt werden müßten. Dafür könnte noch die Notiz bei Schol. Arist. Plut. 179 angeführt werden, nach der L. selbst (oder gar ihre Mutter Timandra! Ganz klar ist der Wortlaut nicht) mit Alexander nach Persien mitgegangen sein soll. Diese L. könnte von Apelles entdeckt und von Demosthenes geliebt worden sein. Zu einer sicheren Entscheidung ist natürlich nicht [516] zu gelangen. – L. wurde schnell in Korinth berühmt (Schol. Arist. a. O.), soll aber jedem den Zutritt zu sich verstattet haben und gegen ihre Liebhaber entgegenkommend gewesen sein, um nicht hinter Phryne zurückzustehen (Athen. XIII 588e). Ihre Schönheit wurde gepriesen (Plut. amator. 21. Hypereid. frg. 17 Bl.); berühmt waren namentlich ihre Brüste (Athen. a. O.). Von ihren weiteren Schicksalen wird berichtet, daß sie sich in einen Thessaler Hippolos (oder Hippostratos: Paus II 2, 5; nach Schol. Aristoph. a. O. Eurylochos oder Aristonikos, nach Athen. XIII 589a Pausanias) verliebt, mit ihm heimlich Korinth verlassen haben und ihm nach Thessalien gefolgt sein soll (Plut. amator. 21); hier sei sie von vielen Thessalern geliebt worden (Schol. Arist. a. O.). Aus Neid und Eifersucht sei sie dann von thessalischen Weibern im Heiligtum der Aphrodite mit hölzernen Fußschemeln getötet und verstümmelt worden (Plut. a. O. Schol. Arist. a. O. Athen. XIII 589b. Suid. s. χελώνη). Wegen dieses Frevels soll eine Pest ausgebrochen sein, die erst aufhörte, als man der Aphrodite ἀνοσία einen Tempel errichtete (Schol. Arist. a. O. Suid. a. O.); nach anderen habe man seitdem das Heiligtum selbst so genannt (Plut. a. O. [Aphrodite ἀνδρόφονος). Athen. a. O. Phot. bibl, p. 533 Bekker). Ihr Grab wurde am Peneios gezeigt (Paus. II 2, 5); Athen. XIII a. a. O. überliefert auch die Inschrift auf ihrem Grabstein.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Name L. ein beliebter Hetairenname war, wohl auch seit den historisch berühmten Trägerinnen desselben öfter typisch gebraucht wurde. Es ist deshalb unmöglich, die sonstigen Erwähnungen einer L. auf eine der historisch bekannten zu beziehen. Dies gilt besonders für die Epigramme der Anthologie, obwohl ich oben gewagt habe, mehrere sowie eine Stelle des Properz auf die ältere L. zu deuten. Vgl. z. B. Anth. Pal. V 301 (I 221 Stadtm.). VII 218–220 (II 147–150 Stadtm.). Auson. epigr. 17. Aristaen. I 1. Zum Schluß sei noch erwähnt, daß Plin. n. h. XXVIII 81. 82 eine L. als Verfasserin eines Buches über Geburtshilfe nennt.

[Geyer. ]