RE:Hermeias 13
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Neuplatonischer Philosoph aus Alexandreia | |||
Band VIII,1 (1912) S. 732–735 | |||
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13) Hermeias aus Alexandreia, neuplatonischer Philosoph. Über ihn Damasc. vit. Isid. bei Phot. cod. 242 p. 341 a 7ff. (§ 74 West.) und bei Suid. s. Ἑρμείας II. III; Αἰδεσία u. a. (den Suid. s. Παμπρέπιος c gegen Ende erwähnten Rhetor H. aus Alexandreia mit ihm zu identifizieren [Zeller Phil. d. Gr. III 24, 890, 1], ist kein Grund. Dagegen spricht, daß letzterer in Athen lehrte, der Neuplatoniker wahrscheinlich in Alexandreia; s. u. Auch stünde ... Ἑρμείου τοῦ ῥήτορος, ὧν τὸ κλέος ὑπερβαλεῖν ἐσπουδάκει τῆς πολυμαθίας im Widerspruch mit ἁμιλλώμενος ἦν πρὸς ἅπαντας πλὴν Πρόκλου μόνου καὶ τῶν ἄλλων φιλοσόφων, wenn es sich um die gleiche Person handelte). Über die Einordnung der Angaben über H. in die Isidorosbiographie J. R. Asmus Byz. Ztschr. XVIII (1909), 455f. XIX (1910), 271.
H. studierte gleichzeitig mit Proklos in Athen unter Syrian. Wohl im Kreise des letzteren lernte er dessen Verwandte Aidesia kennen, die er heiratete, und die ihm Ammonios (s. Art. Ammonios Nr. 15) und Heliodoros (s. Art. Heliodoros Nr. 6) gebar. Sein Charakter wird von Damaskios aufs höchste gerühmt, der zur Kennzeichnung seines feinen Gerechtigkeitsgefühls erzählt, daß er beim Einkauf, insbesondere von Büchern, den durch Unwissenheit des Verkäufers zu niedrig bemessenen Verkaufspreis selbst zu erhöben pflegte. Daß er in Alexandreia – jedenfalls in der letzten Zeit seines Lebens nicht in Athen – lebte und ohne Zweifel auch lehrte, ist aus Suidas s. Αἰδεσία zu schließen, wo Aidesia als καλλίστη καὶ ἀρίστη γυναικῶν τῶν ἐν Ἀλεξανδρείᾳ geschildert und berichtet wird, daß sie nach H.s Tode die Übertragung der ihrem Gatten gewährten δημοσία σίτησις auf ihre Söhne bis zum Beginne ihrer philosophischen Studien erwirkte und diese Söhne alsdann zu Prokloe nach Athen begleitete. Für Alexandreia spricht ferner H.s enge Freundschaft mit Aigyptos, dem Mutterbruder des Isidoros.
Weniger als durch seinen Charakter leuchtete H. nach Damskios' Urteil durch seine philosophische [733] Beanlagung hervor. Zwar brachte er es durch große Arbeitslust zu ansehnlicher Gelehrsamkeit, aber es fehlte ihm an Kraft zu selbständiger Leistung und an dialektischer Schlagfertigkeit. So war er nicht imstande, Einwendungen nachdrücklich zu bekämpfen, obwohl ihm alles, was er in der Exegese Syrians gehört und in Büchern gelesen hatte, gegenwärtig war.
Große Abhängigkeit von Syrian zeigt auch der erhaltene Kommentar zu Platons Phaidros, der zuletzt von P. Couvreur, Paris 1901, herausgegeben wurde (leider fehlen in der von fremder Hand zu Ende geführten Arbeit genügende Indices). Hier S. Xff. über die Überlieferung, S. Vf. über frühere Veröffentlichung einzelner Abschnitte durch Verschiedene und der ganzen Schrift durch Ast. Schon Zeller Ph. d. Gr. III 24 890f. erkannte, daß H.s Standpunkt durchaus der seines Lehrers ist, und wies auf einige Übereinstimmungen hin. Diese ließen sich leicht vermehren. Man vergleiche beispielsweise H. 171, 8ff. mit Syr. in Met. 82, 20ff. Kroll und beachte dabei die bei Syrian beliebten (s. Krolls Index) Termini ὑστερογενής 171, 11. 15. 20, κοινότητες (171, 10), κατατεταγμένος 171, 9; s. auch 172, 15, wo das Syrianische ἀκατάτακτος erscheint. Der ganze Kommentar ist nichts als eine Wiedergabe von Syrians Phaidrosexegese, er ist ein Kollegheft aus des Verfassers Studienzeit in Athen. Das geht klar aus S. 92, 6ff. 154, 21. 28 hervor, wo von Einwendungen, die ὁ ἑταῖρος Πρόκλος und der Schreibende selbst machten, und ihrer Widerlegung durch den φιλόσοφος berichtet wird. Da sich diese Stellen in keiner Weise von den umgebenden Partien des Kommentars abheben, so bleibt kein Zweifel, daß alles nur ein Niederschlag von συνουσίαι des H. und Proklos mit Syrian ist. So erklärt sich auch das καὶ ἔτι τοῦτο ἠπόρησα 24, 5f. und das von Couvreur nicht verstandene und deshalb verdächtigte φησίν 169, 2, sowie der aus der Sphäre des Auditoriums stammende Vergleich 185, 29ff. Daß Syrian den Phaidros erklärte, geht aus Procl. in Parm. p. 944, 17 (d. Ausg. v. 1864) hervor, wo allerdings nicht gesagt ist, ob der Verfasser die mündliche Exegese im Kolleg oder einen herausgegebenen Kommentar im Auge hat. Mit dem, was Proklos hier von Syrians Interpretation berichtet, stimmt H. überein; nach beiden meint Plat. Phaedr. 247 D mit αὐτὴ δικαιοσύνη die in göttliche Wesenheit eingegangene δικαιοσύνη, nicht die Idee der δικαιοσύνη (Herm. 153, 33ff.). Vgl. ferner Herm. 152, 15ff. mit Procl. p. 944, 11ff. Auch die Stellung der Götter des Phaidros als Gottheiten einer μέση τάξις (Procl. 944, 10. 13) ergibt sich aus Herm. p. 145ff. (vgl. besonders 146, 2).
H.s Kommentar rückt somit in die Reihe der uns in nicht geringer Zahl erhaltenen ἀπὸ φωνῆς eines Lehrers nachgeschriebenen und alsdann ausgearbeiteten Kathederexegesen, und aus diesem Charakter – besser als aus einer teilweisen Zerstörung und Wiederersetzung der Anfangspartie der Schrift – erklären sich auch die mehrfachen Dubletten und Störungen des Zusammenhanges (vgl. Byz. Ztschr. XVIII [1909] 525). Mit Athetesen, wie sie Ast und Couvreur vornahmen, ist dem Wirrwar nicht abzuhelfen. Tilgt man z. B. mit Couvreur das (übrigens zum Ganzen [734] ausgezeichnet passende *) [1] Stück 8, 4 περὶ ἔρωτος – 14, so bleibt doch der Zusammenhang nach 8, 4 τοιοῦτον unterbrochen, und das gleiche Thema ist immer noch doppelt, 8, 16ff. und 10, 27ff. (hier wieder 11, 2ff. = 1, 10ff.) behandelt. 12, 26ff. ist eine Übersicht über die Personen des Dialogs, die sich natürlich nicht auf die nach Couvreurs Athetese allein übrig bleibenden Namen beschränken kann, sehr wohl am Platze, und an sie schließen sich vor Eintritt in die Exegese gut Bemerkungen über den Stil des Werkes, von denen freilich das 12, 30ff. Erhaltene nur ein dürftiger Überrest zu sein scheint. Eher als an eine Tilgung dieser Partie möchte man daran denken, die Ausführungen im Vorhergehenden, die mit dem Abschnitt 12, 26–13, 2 nicht wohl bestehen können, so die Inhaltsübersicht 1, 10–8, 3, die das Personenverzeichnis überflüssig macht, und das Stück 9, 11–10, 22 auszuscheiden, und in der Tat lassen sich diese Abschnitte sauber aus dem Ganzen herausheben. Gleichwohl wäre eine Athetese auch hier verfehlt. Denn im Inhalte dieser Partien deutet nichts auf einen Einschub von fremder Hand. Es sind Erweiterungen, die der Verfasser selbst bei der Ausarbeitung des Syrianischen Kollegs vorgenommen hat.
Zu der Abhängigkeit des H. von Syrian stimmt auch seine Interpretationsmethode. Wie bei den übrigen neuplatonischen Platonkommentaren, so ist auch bei dem des H. der Gewinn für das Verständnis Platons sehr gering, sieht man ab von einigen Resten älterer exegetischer Gelehrsamkeit, die z. T. in unseren Platonscholien wiederkehren; groß hingegen ist seine Bedeutung für unsere Kenntnis neuplatonischer Interpretationsweise. Die Syrianische Schule verrät der Phaidroskommentar nun auch darin, daß durchweg die Iamblichische Methode der Exegese obwaltet, an der Syrian wie die athenische Schule überhaupt festhielt (vgl. Genethliakon für Carl Robert Berlin 1910, 139ff.), befolgt ist. H. steht so mit dieser Jugendarbeit in einem gewissen Gegensatze zu der großen alexandrinischen Exegetensippe, deren geistiger Vater er ist (Genethl. 145ff.). Iamblich ist auch für ihn ,der Göttliche‘. Seine Erklärungen werden mehrfach mit Beifall erwähnt, die für Iamblich charakteristische umfassende Bestimmung des σκοπός der Platonischen Schrift (Genethl. 138) wird übernommen (p. 9, 9f.; 11, 19f.; 13, 6). Aber auch ohne Nennung Iamblichs werden seine Gedanken verwertet. So erweist sich p. 41, 22ff.; 43, 24f. durch Vergleichung mit Procl. in Tim. I p. 19, 18ff.; 62, 31 als sein Eigentum. Vor allem aber ist iamblichisch das den ganzen Kommentar beherrschende Streben, die Erklärung auch da, wo metaphysische Beziehungen dem Texte nach seinem Wortlaute ganz fern liegen, durch allegorische und symbolische Deutung ins Metaphysische hineinzuspielen (vgl. Genethl. 132ff.). Das heißt θεωρητικῶς oder θεωρητικώτερον interpretieren [735] im Gegensatze zur Erklärung κατὰ τὸ φαινόμενον; vgl. 1, 8; 39, 26; 64, 24f. (κεκρυμμένη θεωρία); 189, 34ff.; 202, 25; 214, 19; 235, 3 (s. auch 30, 30f.; 203, 17; verschieden φαινόμενον–νοούμενον 16, 14ff.) Mit θεωρητικῶς und θεωρητικώτερον charakterisiert Simpl. in Categ. mehrmals (s. Kalbfleischs Index) die metaphysische Exegese Iamblichs, und auch der hier in Beziehung auf Iamblich gebrauchte Ausdruck νοερὰ θεωρία ist H. nicht fremd (40, 12). An den Gegensatz von Porphyrios und Iamblich (Genethl. 129), zugleich aber auch an Iamblichs eigene Methode (ebenda 132) erinnert die Gegenüberstellung und Verbindung der ethischen und der physikalisch-metaphysischen Deutung p. 28, 24ff., und wenn die letztere unter den Gesichtspunkt des ἐπὶ τὰ ὅλα μεταβιβάζειν gerückt wird, so stimmt auch das zu Iamblich (Genethl. 133. 137. 141). Auch die Nebeneinanderstellung logischer, ethischer, physikalischer und theologischer Ausdeutung 15, 13. 19. 28; 54, 19. 23. 25 (vgl. auch 10, 23ff.) ist im Sinne Iamblichs (Genethl. 137f.). Andererseits fehlt die in den alexandrinischen Kommentaren übliche Scheidung der einzelnen πράξεις und innerhalb dieser wieder der θεωρίαι und der Erklärungen der λέξις (Genethl. 154).
Neben diesen Punkten wäre noch mancherlei zu beachten, wenn Hs. Kommentar für unsere Kenntnis neuplatonischer Exegese fruchtbar werden soll, so die gelegentlich, z. B. 14, 3ff. geäußerten methodischen Grundsätze, die Aufstellung verschiedener möglicher Erklärungen, die durch ἤ, ἄλλως, ἢ καὶ ἄλλως, δυνατὸν δὲ καὶ οὕτως ἐξηγήσασθαι (49, 11f.) geschieden werden, die sehr zahlreichen Etymologien (zu 18, 12ff. vgl. Hermes XLII [1907], 647).
Ob dem Altertum von H. außer dem Phaidroskommentar noch weitere Schriften vorlagen, ist zweifelhaft. Wenn Ammon. in Anal. pri. 31, 24f. bemerkt, sein Vater habe nach dem Vorgang anderer alle Schlüsse der zweiten und dritten Figur für vollkommen gehalten, so kann sich dies auf eine mündliche Interpretation der Aristotelischen Analytik stützen. Barvoets Katalog der Hss. der Eskurialbibliothek verzeichnet: Hermiae Medici Mathematica et in Phaedrum Platonis K. III. 16, Δ. VII. 7. Θ. III. 7 (E. Miller Catal. des mss. grecs d. l. bibl. de l'Escur. p. 528). Diese Hss. sind 1671 verbrannt. (Näheres ergibt vielleicht der anonyme Katalog der Eskurialbibliothek in der Pariser Bibl. Nat. Coisl. 356, vgl. E. Miller a. a. O. p. XXVIIf.).
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ *) Zu ἀναγωγεὺς τῶν ψυχῶν (8, 9), vgl. 9, 26; zu προτρεπτικὸν εἶναι Φαίδρου εἶς φιλοσοφίαν (8, 9f.) 1, 4f.; 10, 24. Der Redner muß Philosoph sein (8, 12f.) auch nach 1, 6. Die Betonung des Nutzens (8, 14) findet sich an vielen Stellen des Kommentars (z. B. 1, 1; 3, 5; 18, 10; 19, 7; 21, 15; 24, 25; 27, 1. 13; 33, 2).