Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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der Sprung als Leibesübung
Band VII,2 (1912) S. 22732276
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Halma (ἅλμα), der Sprung als Leibesübung. Vor alters stellte er einen selbständigen Wettkampf dar, bei welchem auch ein Preis zu verdienen war (Phil. Gymn. 3). So bei Homer, wo er zwar nicht in der Ilias, wohl aber Od. VIII 103. 128 bei den Phaiakenspielen erwähnt wird. In historischer Zeit wird er bei den Wettkämpfen nur als Bestandteil des Pentathlon (s. d.) zugelassen. Krause Gymn. 285 setzt auch bei den Griechen wie im jetzigen Turnen Weitsprung, Hoch- und Tiefsprung voraus, doch ist der letztgenannte auch in der einzigen Stelle, die Krause anführen kann, Sen. ep. 15, gar nicht bezeugt, und ebensowenig können die von de Ridder in Daremberg-Saglio III 6 für Hoch- und Tiefsprung angegebenen Beispiele denselben erweisen. Als Übung in der Palästra oder zu hygienischen Zwecken könnten ja beide zugelassen worden sein, daß jedoch im Wettkampf nur der Weitsprung üblich war und auch in der Palästra vornehmlich geübt wurde, geht aus der [2274] monumentalen und schriftlichen Überlieferung einhellig hervor. Sicher ist ferner auch, daß er in historischer Zeit mit Halteren (s. d.) ausgeführt wurde und, wie das Pentathlon überhaupt, von Flötenspiel begleitet war. Letzteres bezeugt Paus. V 7, 10. VI 14, 10. Ps.-Plut. de mus. 26. Phil. Gymn. 55. Vgl. Krause Gymn. 389. 482. Pinder Fünfkampf 97f. Mie Jahrb. f. Phil. CXLVII 792. Haggenmüller Fünfkampf 15. Leonardos Olympia 69f. Auch auf Vasenbidern, z. B. Sprung allein unter Flötenbegleitung Inghirami Vasi fitt. I 83, mit anderen Übungen Gerhard Auserl. Vas. 260 (Reinach II 129); Ann. d. Inst. 1846 tav. d'agg. M (Reinach I 272). Wien. Vorl. D 5.

Nicht völlig einig ist man dagegen über die Art der Ausführung, und man schwankt, ob man einen einfachen oder einen Dreisprung anzunehmen habe. Für letzteren entscheiden sich Wassmannsdorf Monatschr. f. d. Turnw. 1885, 270. Fedde Fünfk. d. Hell. 1889, 22ff. M. Faber Philol. L 478ff. Hueppe Allg. Sportzeitg. 1899. Küppers Arch. Anz. XV 104ff. 154f.; Monatschr. 1900. Ein solcher Dreisprung besteht aus zwei Sprungschritten und einem dritten Sprung mit beiden Füßen und wird heute noch als πήδημα in Griechenland geübt. Als Stütze für diese Annahme wird zunächst angeführt Bekker Anecd. 224 βατὴρ τὸ ἄκρον τoῦ τῶν πεντάθλων σκάμματος, ἀφ' οὗ ἅλλονται τὸ πρῶτον. Σέλευκος. Σύμμαχος δὲ τὸ μέσον, ἀφ' οὗ ἁλόμενοι πάλιν ἐξάλλονται, ferner die beiden aus dem Altertum bekannten kolossalen Rekordsprünge: vor allem der mehrfach bezeugte des Phayllos von Kroton (s. d. und Gardiner Journ. hell. Stud. XXIV 71ff. 77f.) über 55 Fuß, worauf das Epigramm gemacht wurde πέντ' ἐπὶ πεντήκοντα πόδας πήδησε Φάϋλλος (Schol. Plat. Crat. 413 A. Schol. Aristoph. Ach. 213) und als zweiter der des Lakoniers Chionis mit 52', vgl. Afric. bei Euseb. zu Ol. 29 Χίονις Λάκων στάδιον · οὗ τὸ ἅλμα νβ’ ποδῶν. Verglichen mit dem modernen Sprungrekord von 24' 113/4" erscheinen die beiden Leistungen bei einfachem Sprung unmöglich, und man müßte einen Fehler der Überlieferung bzw. fabelhafte Übertreibung voraussetzen. Dies nimmt denn auch Gardiner a. O. 70ff. in ausführlicher Darlegung an und hält im Anschluß an ältere Gelehrte wie Krause, Grasberger u. a. nur einen einfachen Weitsprung im Altertum für möglich. Eine absolut sichere Entscheidung scheint das vorhandene Material noch nicht zu gestatten. Die Anhänger des Dreisprungs müssen zugeben, daß die gesamte ältere schriftliche und monumentale Überlieferung hievon gänzlich schweigt, und daß sich Schwierigkeiten bei der Anbringung des mittleren βατήρ ergeben, den Gegnern wiederum fällt die Aufgabe zu die angeführten allerdings sehr jungen Zeugnisse zu erklären oder zu eliminieren. Von dieser Grundfrage abgesehen läßt sich über den Vorgang im einzelnen manches feststellen.

Das H. wurde, wie gesagt, durchaus mit Sprunggewichten ausgeführt. Hauptstelle dafür ist Phil. Gymn. 55 ἁλτὴρ δὲ πεντάθλων μὲν εὕρημά, εὕρηται δὲ ἐς τὸ ἅλμα, ἀφ' οὗ δὴ καὶ ὠνόμασται· οἱ γὰρ νόμοι τὸ πήδημα χαλεπώτερον [2275] ἡγούμενοι τῶν ἐν ἀγῶνι τῷ τε αὐλῷ προσεγείρονσι τὸν πηδῶντα καὶ τῷ ἁλτῆρι προσελαφρύνουσι · πομπός τε γὰρ τῶν χειρῶν ἀσφαλῆς καὶ τὸ βῆμα ἑδραῖὸν τε καὶ εὔσημον εἰς τὴν γῆν ἄγει. τουτὶ δὲ ὁπόσου ἄξιον οἱ νόμοι δηλοῦσιν· οὐ γὰρ ξυγχωροῦσι διαμετρεῖν τὸ πήδημα, ἢν μὴ ἀρτίως ἔχη τοῦ ἰχνοῦς. Dazu Aristot. Probl. V 8, 881 b 5 ὁ μὲν (sc. πένταπλος) μεῖζον ἄλλεται ἔχων ἢ μὴ ἔχων ἁλτῆρας. Die Sprunggewichte beschweren also nicht den Athleten, sondern erleichtern die Übung, sie bewirken Sicherheit in der Bewegung der Hände und den verlangten festen und eleganten Niedersprung. Über die Handhabung besagt die Stelle nichts, hier müssen die Monumente aushelfen, wobei aber alles auszuscheiden ist, was ein zufälliges Hantieren mit den Hanteln bedeuten kann und nicht mit voller Sicherheit auf den Sprung selbst gedeutet werden muß; so werden z. B. diese Geräte mehr oder weniger eilig herbeigetragen (rf. Schale des Brit. Museum E 58, abgeb. Gardiner a. O. 190, Fig. 10). Deutlich hierher gehörig ist zunächst eine Gruppe von Darstellungen wie z. B. Ann. d. Inst. 1846, tav. d’agg. M (andere Beispiele bei Jüthner Ant. Turng. 13, 11): der zurückgeneigte Oberkörper der Athleten ruht auf dem etwas eingeknickten einen Bein, während das andere leicht vorgesetzt oder erhoben erscheint und die bald höher, bald niedriger vorgestreckten Hände die Hanteln halten. Daß hier ein Aufwärtsschwingen der Hanteln bezeichnet ist, wie Gardiner 185 meint, scheint mir nicht richtig. Näher liegt anzunehmen, daß sich der Athlet unmittelbar vor dem Anlauf zum Sprung oder vor dem Absprung selbst befindet, und damit entsteht auch die Frage, ob das H. mit oder ohne Anlauf vorgenommen wurde (Gardiner 187ff.). In der Palästra ist sicherlich beides geübt worden, denn eine Reihe von Darstellungen zeigt auch trainierende Hantelträger im Gehen oder Lauf (Mus. Greg. XVII 1 a. Gerhard Aus. Vas. 259. 260. 294. Mon. d. Inst. I, XXII 8 = Arch. Ztg. 1881, IX 1. Klein Euphronios 306. Mus. Borb. XIV 56, besonders deutlich am tuskulanischen Mosaik Mon. d. Inst. VI. VII 82), aber jener Typus mit vorgestreckten Händen ist doch mit einem Anlauf weniger leicht in Einklang zu bringen. Zu Beginn desselben hätte das Schema wenig Sinn, und als Mittelstellung einer Bewegung scheint es mir kaum durchführbar. Am leichtesten verständlich bleibt es als Moment unmittelbar vor dem Absprung, analog dem Zielschema bei der Diskobolie (s. d. Bd. V S. 1187): Der Athlet wird im nächsten Moment mit den Halteren nach rückwärts ausholen und dann sie vorwärts schwingend den Absprung bewerkstelligen. Das würde dann für einen Sprung vom Stand sprechen.

Für den Flug durch die Luft und den Niedersprung kommen nur zwei Vasenbilder in Betracht, die jedoch alles in wünschenswerter Deutlichkeit illustrieren. Es ist dies die rf. Schale Bourgignon Arch. Ztg. 1884 Taf. 16, 2 B (Jüthner a. O. 15, Fig. 13) und die sf. Amphora des Brit. Mus. B 48 in Journ. hell. Stad. II 219 und Arch. Jahrb. V 243, 35 (Jüthner Fig. 14). Erstere zeigt, wie der Springer durch die Luft saust die Beine und hantelbeschwerten [2276] Arme nach vorwärts gestreckt, letztere, wie er schon fast den Boden erreichend die Arme mit den Hanteln zurückreißt, um im Niedersprung nicht vorwärtszustürzen, sondern ein βῆμα ἑδραῖον zu gewinnen. Der während des Sprunges durch die Hanteln nach vorwärts verschobene Schwerpunkt wird im letzten Augenblick wieder rückverlegt und so die Vorwärtsbewegung des Körpers durch den Rückstoß aufgehoben, der Athlet würde sonst auf das Gesicht fallen. Die Darstellung zeigt auch, wie die Länge des Sprunges markiert wurde. Man sieht nämlich mehrere aufrechtstehende Striche, die mit naiver Perspektive offenbar Furchen im Boden vorstellen. So auch auf einer Gemme, jetzt Furtwängler Ant. Gemm. XVII 42. Auf diese Furchen, βόθρος nach Schol. Pind. Nem. V 19, spielt Pindar a. O. an: μακρὰ μοὶ δὴ αὐτόθεν ἅλμαθ' ὑποσκάπτοι τις (vgl. Krause Gymn. 394). Gemessen wurde die Weite des Sprunges nach Poll. III 151 mit einem κανών. Um den Niedersprung zu erleichtern und ungefährlich zu machen, mußte der Boden in der richtigen Entfernung gelockert werden. Der betreffende Platz hieß dann τὰ ἐσκαμμένα oder σκάμμα (s. d. und Gardiner a. O. 70ff.). Phayllos, der darüber hinaus auf festen Boden sprang, soll sich ein Bein verletzt haben (Suid. s. ὑπὲρ τὰ ἐσκαμμένα πηδᾶν). Die Absprungstelle, die man sich nicht als Sprungbrett, sondern als Sprungschwelle vorzustellen hat, hieß βατήρ (s. o. und Bd. III S. 122).

Aus der oben angeführten Stelle in Aristot. Probl. ist wohl zu schließen, daß der Sprung auch ohne Halteren geübt wurde, was ja das ursprüngliche gewesen sein muß und noch bei Homer üblich war. In historischer Zeit kann dies jedoch nur zur Übung vorgenommen worden sein, da bei den Wettkämpfen ausnahmslos Halteren vorauszusetzen sind. Gardiner a. O. 193f. hat es versucht, eine Reihe von Vasendarstellungen hierauf zu beziehen, welche junge Athleten in meist vorgeneigter Stellung und vorgestreckten Armen aufweisen. Doch ist Hauser Arch. Jahrb. X 182ff. rechtzugeben, der solche Darstellungen für den Wettlauf in Anspruch nimmt (vgl. Bd. V S. 1719). Literatur: Krause Gymn. 383ff. Grasberger Erz. u. Unterr. I 298ff. Jüthner Ant. Turng. 3ff. Gardiner Journ. hell. Stud. XXIV 70ff., 179; Greek athlet. sports 295ff. A. de Ridder in Daremberg-Saglio III 5ff. Legrand ebenda IV 1056.