Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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letzter illyrischer König in Skodra um 180 v. Chr.
Band VII,1 (1910) S. 11981201
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Genthios (Γένθιος, diese polybianische Schreibung des Namens bestätigen zwei inschriftliche Erwähnungen gleichnamiger Zeitgenossen: Dittenberger Syll.2 293, 10 und Or. Gr. inscr. [1199] 119, 2), Sohn des Pleuratos, letzter illyrischer König. Obgleich mehrfach als rex Illyriorum bezeichnet (Liv. XL 42, 1. XLII 26, 2 u. a.), war er doch nur der Herrscher eines einzelnen illyrischen Volksstammes (Appian. Ill. 9), und zwar der Labeaten (Polyb. bei Liv. XLIII 19, 3 Labeates, ubi G. regnabat). Seine Residenz Skodra (jetzt Skutari) war Hauptort der Labeaten und lag in der Nähe des Labeates-Sees (Liv. XLIV 31, vgl. XLIII 20, 1. XLV 26, 1). Wahrscheinlich hatten jedoch die Vorgänger des G. die Grenzen ihrer Herrschaft nach verschiedenen Richtungen erweitert. Von den bei Liv. XLV 26, 13ff. genannten illyrischen Völkerschaften mögen einige der Herrschaft des G. unterworfen gewesen sein; daß es nicht alle waren, beweisen die Issaier, von denen das Gegenteil bekannt ist (vgl. Liv. XLII 26, 2. XLIII 9, 5). G. regierte nach der im übrigen unbrauchbaren Nachricht bei Liv. XL 42, 3 (vgl. Nissen Kritische Untersuchungen 237) spätestens seit 180 v. Chr. Bei seinem Regierungsantritt fielen die Delmatier, die seinem Vater untertan gewesen waren, vom Reiche ab (Polyb. XXXII 18, 4 = 9, 4 Büttner-Wobst); ebenso wahrscheinlich die Bewohner der Landschaften Parthos und Lychnitis, vgl. Niese Gesch. der griech. u. Maked. Staaten III 15, 3. 140. Die Annalen übertragen willkürlich die spätere Römerfeindschaft des G. auf die frühere Zeit: Liv. XL 18, 3f. XLII 26, 2. XLIII 9, 4; vgl. Niese III 141, 2. Eine Anekdote annalistiscber Herkunft auch bei Val. Max. III 3, 2. Vor dem Ausbruch des letzten römisch-makedonischen Kriegs war die Haltung des G. schwankend und verdächtig (Polyb. bei Liv. XLII 29, 11). Der römische Gesandte L. Decimius (s. o. Bd. IV S. 2273) begab sich 171 zu G., um mit ihm im Namen des Senates ein Bündnis zu schließen (Polyb. bei Liv. XLII 37, 1f.), kehrte jedoch unverrichteter Sache zurück und geriet in den Verdacht, von den illyrischen Häuptlingen bestochen worden zu sein (Liv. XLII 45, 8). Trotzdem stellte G. im ersten Kriegsjahr (170) ein Kontingent von 54 Lemben zur römischen Flotte (Polyb. bei Liv. XLII 48, 8). Im Jahre 169 bemühte sich dagegen König Perseus von Makedonien, den G. auf seine Seite zu bringen, Liv. XLIII 18f. Eine makedonische Gesandtschaft reiste über das Skardongebirge, um den νεανίσκος G. (Polyb. XXIX 3, 5. 4, 1) zum Abschluß eines Bündnisses zu bewegen. In der illyrischen Hauptstadt Skodra angelangt, erfuhren die Gesandten, daß G. weiter südlich in Lissos weile. G. beschied sie zu sich, zeigte sich einem Bündnis nicht abgeneigt, erklärte aber, ohne finanzielle Unterstützung sich am Kriege gegen Rom nicht beteiligen zu können. Auch zwei weitere Gesandtschaften des Perseus hatten keinen besseren Erfolg, da der makedonische König sich nicht zu festen Zusicherungen entschloß. Polvb. XXVIII 8f. Liv. XLIII 19f. Diodor. XXX 9. Nach der Rückkehr der dritten Gesandtschaft (Liv. XLIII 23, 8) im Herbst 169 bevollmächtigte endlich Perseus, durch den Einmarsch der Römer in Makedonien bedrängt, den Pantauchos zum Abschluß eines Bündnisses unter den von G. stipulierten Bedingungen: der Zahlung von 300 Talenten mit gehörigen Garantien. Bei Meteon [1200] unweit von Labeatessee beschwor G. dem Pantauchos das Bündnis und stellte die von Pantauchos bezeichneten Geiseln. Während G. den Olympion als Bevollmächtigten zu Perseus und auf Antreiben des Pantauchos auch eine Gesandtschaft nach Rhodos schickte, um die dortigen Staatsmänner für den Römerkrieg zu gewinnen, blieb Pantauchos bei G. und bewog ihn zu umfassenden Rüstungen namentlich auf der See. Perseus leistete in Dion vor der Front der makedonischen Reiterei dem Olympion den Bundeseid, stellte ihm Geiseln für G. und verwies die illyrischen Gesandten nach Pella zum Empfang des versprochenen Geldes, Polyb. XXIX 3f. Liv. XLIV 23. Kaum hatte G. zehn Talente erhalten, so ließ er zwei römische Gesandte M. Perperna und M. Petillius als angebliche Spione verhaften (Appian. Ill. 9); als Perseus dies erfuhr, glaubte er sich seinen Verpflichtungen entziehen zu können, da nun G. auch ohne makedonische Unterstützung mit Rom gebrochen hatte. Er ließ vertragswidrig den von den illyrischen Gesandten bereits versiegelten Rest des Geldes noch an der Landesgrenze zurückhalten, Polyb. XXIX 9, 13, der abgebrochene Schluß zu ergänzen aus Liv. XLIV 27, 8ff.; vgl. Appian. Mak. 18, 1. Plut. Aemil. 9. 13. In Rhodos machte der Übertritt des G. von der römischen zur makedonischen Partei (vgl. Oros. IV 20, 36) großen Eindruck; seine Gesandten Parmenion und Morkos wurden ehrenvoll aufgenommen und der Beschluß gefaßt, zwischen Rom und Perseus den Frieden zu vermitteln, Polyb. XXIX 11. Liv. XLIV 29, 6ff. Aus dieser Zeit erfahren wir Näheres über den Charakter und die Familienverhältnisse des G. Seinen echten Bruder Plator (so Liv. XLIV 30, 2; das überlieferte Πλεύρατον bei Athen. X 440 a = Polyb. XXIX 13, 2 hat Hultsch mit Recht nach Liv. korrigiert) ließ er, weil dieser sich mit Etuta, der Tochter des Dardanerfürsten Monunios, vermählen wollte und dadurch zuviel Macht zu gewinnen schien, mit einigen Anhängern umbringen; die Etuta nahm er selber zur Frau. Nach dem Tod des Bruders führte er ein grausames Regiment und verfiel immer mehr der Trunksucht, Polyb. und Liv. a. a. O. Aelian. var. hist. II 41. Im Frühling 168 griff G. gleichzeitig mit Perseus die Römer an. Bei Lissos hatte er seine Streitkräfte, 15 000 Bewaffnete, konzentriert. Seinen Halbbruder Caravantius, den Sohn seiner Mutter Eurydike aus einer andern Ehe, sandte er mit 1000 Mann zu Fuß und 50 Reitern nach Norden zur Unterwerfung des Stammes der Kauier aus: er selbst zog südwärts vor die Stadt Bassania unweit von Lissos. Ihre Bürger waren mit Rom verbündet und ließen es auf eine Belagerung ankommen. Von Süden her wollte der römische Legat Ap. Claudias Centho gegen G. vorrücken, er wurde aber im Kommando abgelöst durch den Praetor L. Anicius Gallus, der eben in Apollonia gelandet war. Dieser besiegte zuerst die 80 Lemben starke illyrische Flotte, durch die G. auf Anraten des Makedoniers Pantauchos die Umgebung von Dyrrhachion und Apollonia hatte verwüsten lassen. Dann entsetzte Anicius die belagerten Bassaniten und marschierte rasch gegen Skodra vor; die Städte des Landes öffneten ihm die Tore und wurden von ihm gnädig und gerecht [1201] behandelt. Törichterweise versuchte G. nicht sich in der wohlbefestigten und schwer zugänglichen Hauptstadt Skodra zu verteidigen, sondern erwartete vor der Stadt den römischen Angriff. Er wurde mit Verlusten zurückgeschlagen und eröffnete durch zwei vornehme Illyrier Teuticus und Bellus Verhandlungen. Während einer dreitägigen Waffenruhe, die ihm zugestanden wurde, verließ er insgeheim die Stadt und fuhr auf einem Schiff in den Labeatessee, um mit seinem Bruder Caravantius Fühlung zu gewinnen. Aber dieser hatte selber mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen (vgl. Liv. XLV 26, 14). So ließ G. alle Hoffnung auf Hilfe fahren und begab sich persönlich ins römische Lager, um seine Unterwerfung auf Gnade und Ungnade anzubieten. Fortan war er Gefangener der Römer. Liv. XLIV 30f. aus Polybios. Appian. Illyr. 9. Zonar. IX 24. Plut. Aemil. 13. Anicius nahm hierauf die Kapitulation von Skodra an, befreite die beiden von G. gefangen gesetzten römischen Gesandten Petillius und Perperna und beauftragte den letztern mit der Verhaftung der Freunde und Verwandten des G. In Meteon fand Perperna die Gemahlin des G. Etleva mit den beiden Söhnen Skerdilaidos und Pleuratos sowie seinen Bruder Caravantius; er brachte alle gefangen in das römische Lager bei Skodra. In 30 Tagen war der ganze Krieg beendet. Vgl. Eutrop. IV 6. G. und die ganze Familie wurden mit andern vornehmen Illyriern nach Rom geschickt, Liv. XLIV 32, 1–5 nach Polybios. Appian. a. a. O. Nach der Schlacht bei Pydna fanden die Römer das Geld, um das Perseus den G. betrogen hatte, noch unangetastet im makedonischen Königsschatz zu Pella, Liv. XLIV 46, 8. An den Quirinalien des J. 167 feierte Anicius seinen Triumph über G. und die Illyrier, Vell. Pat. I 9, 5. Ath. XIV 615 a–e = Polyb. XXX 14 (22 Büttner-Wobst). Dabei schritt G. mit seinen Angehörigen vor dem Triumphwagen einher. Nachher wurden sie nach Spoletium und später, da die Spoletiner die Aufnahme verweigerten, nach Iguvium in custodia gebracht. Die erbeuteten 220 Lemben des G. schenkte der Senat den bisher durch illyrische Piraterie vielfach geschädigten Bewohnern von Korkyra, Apollonia und Dyrrhachion, Liv. XLV 43 (annalistisch). Mit G. hörte das illyrische Königshaus zu regieren auf; sein Land wurde von den Römern in drei kleine Freistaaten zerspalten, Liv. XLV 26 (Polybios). Angeblich ist die Pflanze γεντιανή (Gentiana) von G. zuerst gefunden und nach ihm benannt worden, Dioskor. III 3, 1. Plin. n. h. XXV 71. Daß aus dieser Nachricht nicht auf botanische Gelehrsamkeit des G. geschlossen werden darf, bemerkt richtig schon Sprengel zu Dioskor. (Med. Graec. ed. Kühn Vol. XXVI, Lips. 1830) Bd. II S. 492.