RE:Galateia 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Nereide, Tochter des Nereus und der Doris, auf Sizilien mit Polyphem | |||
Band VII,1 (1910) S. 517–518 | |||
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Galateia. 1) Nereide, Tochter des Nereus und der Doris (Hesiod Theog. 250, danach im Nereidenkatalog Il. XVIII 45 und Apollod. bibl. I 2, 7), auf Sizilien lokalisiert und mit der Polyphemsage in Verbindung gebracht.
Der Name, vom milchweißen Schaum des Meeres herzuleiten, muß schon früh dazu veranlaßt haben, in volkstümlicher Etymologie die Nereide vom Meer zu lösen und in Beziehung zum Milchreichtum der Herden (Luc. v. h. II 3) und zur Viehzucht zu bringen. Nach Duris frg. 43 M. errichtet Polyphem der G. διὰ τὴν εὐβοσίαν τῶν θρεμμάτων καὶ τοῠ γάλακτος πολυπλήθειαν am Ätna ein Heiligtum, ein anderes findet sich auf der Käseinsel im Milchmeer Lucians v. h. II 3, so daß an einer lokalen Verehrung G.s als Herdenbeschützerin nicht zu zweifeln ist, mag nun die Nachricht von der Gründung des Heiligtums durch Polyphem auf eine Lokalsage zurückzuführen oder durch spätere literarische Kombination veranlaßt sein. Die Annahme Gruppes Griech. Myth. 361, dieser Kult stamme aus Kreta und die Nereide G. sei mit der gleichnamigen Königin von Phaistos, für die keinerlei Kult bezeugt ist, s. 2), identisch, entbehrt der Begründung.
In der Sage von Polyphem und G., die sich literarisch zuerst um 390 bei Philoxenos von Kythera nachweisen läßt, sind zwei Versionen zu scheiden: a) In der älteren, volkstümlichen Sagenform ist G. als Herdenbeschützerin die Geliebte des Hirten Polyphem und Mutter seines Sohnes Galas oder Galatos, dessen durch Timaios bezeugter Name nicht wegen der künstlichen, auf etymologische Spielereien begründeten Verknüpfung mit Galatia und den Galatern angezweifelt zu werden braucht. In dieser Verknüpfung ein Werk der sizilischen Hofdichter zu sehen (Gruppe 361, 1), um territoriale Ansprüche der Syrakusaner auf die Küste des Adriatischen Meeres dadurch zu legalisieren, ist ebensowenig berechtigt, wie sich andererseits die durch jene gekünstelte Ableitung veranlaßte tendenziöse Erfindung der beiden andern Söhne Polyphems und G.s, Keltos und Illyrios bei Appian. Illyr. 2 leugnen läßt.
Diese Volkssage verwendet Philoxenos, der, bereits mit einer literarischen Bearbeitung dieses Stoffes beschäftigt (Phanias bei Athen. I 7 A), mit der Geliebten des Tyrannen Dionysios, G., ertappt und in die Latomien geworfen wurde, nach seiner Flucht aus persönlicher Rache durch künstliche Verknüpfung mit der Homerischen Odysseus-Polyphemepisode in seinem von Aristoph. Plut. 290f. parodierten Dithyrambos zu einem Spottgedicht, in dem Dionysios die Rolle des in doppelter Beziehung übertölpelten Polyphem, er selbst die des Odysseus spielte, und die Nereide G. ihre syrakusanische Namensschwester vertrat. Die ganze Satire hat nur dann Sinn, wenn Polyphem anerkannter, bis dahin begünstigter Liebhaber der G. ist, dem von Odysseus das Liebchen [518] abspenstig gemacht wird. Die ursprüngliche Sagenform erfreute sich im Westen dauernder Beliebtheit – durch Sauers Untersuchungen, Der Torso von Belvedere 55f., sind die unbegründeten Bedenken von Roßbach Arch. Jahrb. VIII 52, der die erste Sagenversion überhaupt leugnet, vollends gegenstandslos geworden – wie zahlreiche, auf hellenistische Vorbilder zurückgehende Wandgemälde Campaniens beweisen: G. sucht den Kyklopen selbst auf (Helbig Wandgemälde 1050. 1051), steht oder sitzt in trautem Vereine neben ihm (Helbig 1052. 1053), sie sitzt auf seinen Knien (Reliefbild in Turin, Schreiber Hellenist. Reliefbilder Taf. 55. Sogliano 474) und läßt ihn alle Freuden der Liebe kosten (Sogliano 475). In der erhaltenen Literatur jedoch findet sich diese Sagenversion erst bei Properz IV 1. 45 – vielleicht durch Kunstwerke beeinflußt, s. Holland Leipz. Stud. VII 276 – dann bei Luc. dial. m. 1 angedeutet, ausgeführt bei Nonn. Dionys. XL 553ff. (Holland a. a. O. 283f.; seine Vermutung, daß ihre poetische Gestaltung auf Nikias von Milet zurückgehe, ist nicht zu beweisen).
b) Philoxenos selbst wurde wohl durch sein Spottgedicht indirekt der Schöpfer der zweiten Sagenversion: aus dem betrogenen wird der nicht erhörte und durch Einführung eines begünstigten Nebenbuhlers – Acis bei Ovid. met. XIII 750f., nach Holland 272 aus Kallimachos entlehnt – zur wilden Eifersucht entflammte Liebhaber. Die gekünstelte Verknüpfung mit dem homerischen Abenteuer wird fallen gelassen, Odysseus scheidet als unnötig aus. G.s Persönlichkeit tritt dabei in der literarischen Überlieferung sehr hinter Polyphem zurück. Die geringen Fragmente der Komödien des Nikochares, Antiphanes und Alexis lassen nur erkennen, daß sie des Kyklopen Liebeswerben und Geschenke zurückweist; Hermesianax und Theokrit (id. VI. XI), Kallimachos und Bion schaffen das typisch gewordene Bild des stolzen, mutwilligen und koketten Mädchens, das mit dem ungeschlachten Liebhaber nur seinen Spott treibt, ein von Philoxenos angedeutetes und bis Niketas Eugenianos immer wiederholtes Motiv. G. ist für die Späteren das unerreichte Vorbild weiblichen Liebreizes (Alkiphr. I 19) und ihr Name die nie versiegende Quelle naheliegender Wortspiele (s. Holland 291f.).
Auch die zweite Sagenform findet sich nur auf Wandgemälden; G. spottet, auf einem Hippokampen durch die Fluten ziehend, des am Ufer stehenden (Helbig 1042) oder sitzenden Polyphem (Helbig 1043–1047. Sogliano 470–472), der ihr, von Eros gezügelt, selbst bis ins Wasser nachfolgt (Wandbild vom Palatin, Monum. XI 23). Die Benennung keiner der angeblichen Statuen der Nereide (z. B. Ince Blundel Hall 36. Newby Hall 6. Vatikan, Mus. Pio Clem. Helbig I² 153) ist gesichert, kein griechisches Vasenbild nennt die Nereide, nur als Schiffsname findet sie sich in der attischen Flotte (CIA II 789 b 14. 791, 65 add.) (O. Jahn Arch. Beiträge 411f. W. Helbig Symbola philol. Bonn. 359ff. R. Holland Leipz. Stud. VII 185ff. Br. Sauer Der Torso von Belvedere 32f.).