Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Heros Eponymos des mythischen Volkes der Illyrioi
Band IX,1 (1914) S. 10881089
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Illyrios (Ἰλλυριός). Der als Schlange gedachte Heros Eponymos des sagenhaften ,Schlangenvolkes‘, der Ἰλλυριοί, der Nachbarn der ,Aalleute‘, der Ἐγχελεῖς – eine primitive Zoologie rechnet die Aale zu den Schlangen, und altem Volksaberglauben zumal sind zoologische Bedenken unbekannt –, die als rein mythische, böotischen Vorstellungskreisen entwachsene Völker zu verschiedenen Zeiten verschieden lokalisiert – ursprünglich in Böotien selbst, s. Crusius bei Roscher Myth. Lex. II 889 – ihren festen Platz in der antiken Geographie an der Ostküste des Adriatischen Meeres zu einer Zeit gefunden haben, wo diese für den Böotier die äußerste Grenze der οἰκουμένη bedeutete und wo man deshalb hierhin, an den Okeanos, das Reich der Unterirdischen wie die Gefilde der Seligen verlegte (vgl. das Reich des Geryoneus in Epirus, s. o. Bd. VII S. 1288). I. ist nun in Illlyrien geborener Sohn des Kadmos und der Harmonia nach Apollod. III. 39. Steph. Byz. s. Ἰλλυρία. Schol. Dion. Πer. 388, ἀφ’ οὗ Ἰλλυριοὶ ὀνομάζονται. Nun berichten die Schol. Veron. Aen. I 243: Cadmus, Agenoris filius, relictis Thebis comite Harmonia coniuge fortunae iniurias sustinens fines Macedoniae supergressus parvulum filium, qui iuxta Illyricum fluvium ab Harmonia editus fuerat, dereliquit. Hunc serpens spiris suis innexuit et, donec ad adultos veniret annos, amplexu corporis fovit imbuitque viribus, quibus omnem illam regionem sibi subdidit. Hic ex vocobulo suo Illyrium denominavit. Zwei Sagenformen sind miteinander verschmolzen: I. Sohn des Kadmos und I. autochthoner Heros. Die Wartung und Pflege des Knaben durch die Ortsschlange erweist ihn als autochthon und bezeugt deutlich seine eigene Schlangengestalt, die auch etymologisch begründet ist, s. auch Gruppe, Griech. Myth. 358.

Aber auch die Sage kennt des I. Schlangengestalt und erklärt sie durch die seiner Eltern. Denn in Schlangengestalt ziehen Kadmos und Harmonia ins Illyrierland, wo später noch ihre Grabmäler gezeigt werden. Sie führen illyrische Heere gegen griechische Städte (Eurip. Bacch. 1854f.), gehören also ursprünglich zu den mythischen Illyriern, wenn sie auch nach der üblichen antiken Auffassung erst nach ihrem Tod, dem die Verwandlung gleichzusetzen ist, Herren der schlangengestaltigen Unterirdischen werden. Apollodoros III 39 bringt verschiedene Sagenzüge und Auffassungen durcheinander, wenn er Kadmos und Harmonia von den Encheleern auf Grund eines Orakelspruchs um Hilfe gegen die Illyrier angerufen und Kadmos nach dem Sieg König der Illyrier werden läßt. Dann werden beide in Schlangen verwandelt und in die Gefilde der Seligen versetzt (über Kadmos und Harmonia vgl. Crusius bei Roscher Myth. Lex. II 849f. 889f.). Beider Schlangengestalt ist also Voraussetzung und Veranlassung dafür, daß I. zum Sohne des Kadmos und der Harmonia wird.

Gelehrte Sagenverschmelzung macht später I. als Sohn Polyphems und der Galateia zum Bruder des Keltos und Galas – echter Sohn der Galateia ist nur Galas oder Galates, der ursprünglich mit [1089] dem Volk der Galater gar nichts zu tun hat; erst als man diese falsche volksetymologische Verknüpfung vorgenommen hatte, und Kelten und Galater in der Nachbarschaft von Illyrien auftauchten, wurden ihm Keltos und Illyrios als Brüder gegeben; s. o. Bd. VII S. 517. Tim. frg. 37 FHG I 200 bei Appian. Illyr. 2. Appian. a. a. O. nennt als Söhne des I. Antarieus, Encheleus, Perrhaibos und Taulos, als Töchter Daartho, Dassaro, Partho, sämtlich Eponyme illyrischer Stämme; s. Strab. 326.