Fama, die Personifikation des Gerüchtes, die von Vergil ab nicht selten bei römischen Dichtern auftritt, wie bei den Griechen Φήμη, Ὄσσα, Ἀγγελία usw. (s. d.). Nach der glänzenden Schilderung Vergils (Aen. IV 173–188) ist F. ein Ungetüm, schneller als irgend ein anderes; Schnelligkeit ist ihr Element, und sie gewinnt neue Kräfte im Laufe (zu v. 175 vgl. Lucr. VI 340f.); feige, klein im Entstehen, hebt sie sich bald in die Lüfte empor, und sie schreitet einher auf dem Erdboden und birgt zugleich ihr Haupt in den Wolken (vgl. auch Ovid. met. IX 137ff.), wie Eris bei Homer Il. IV 442f.; das anschauliche Bild von
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dem aus kleinen Ursachen ins Ungeheure wachsenden Zwiste ist von Vergil geschickt auf die F. übertragen, vgl. auch Goethe ,Legende‘: ,Und so soll ich, die Bramane, / Mit dem Haupt im Himmel weilend, / Fühlen, Paria, dieser Erde / Niederziehende Gewalt‘. Terra hat die F. hervorgebracht, die Mutter Erde, vom Zorne gereizt gegen die Götter, erzählt man (ut perhibent), als jüngste Schwester des Coeus und des Enceladus, schnellfüßig und mit flinken Flügeln, ein schrecklich ungeheures Fabelwesen, das so viel wachsame Augen hat als Federn am Leibe, darunter, es klingt wie ein Wunder (über die Beziehung von subter, mirabile dictu zum Folgenden vgl. Carl Nauck Ztschr. f. d. Gymnasialwesen XXVIII 1874, 709), so viele Zungen; ebensoviele Mäuler lärmen, so viele Ohren richtet sie lauschend empor (vgl. Val. Flacc. Arg. II 125). Dazu vergleiche man, was z. B. Apollod. I 39f. W. über Typhon berichtet, den Ge in gesteigertem Zorn hervorbringt, als die Götter der Giganten Herr geworden, vgl. P. Corssen Rh. Mus. N. F. XLI 1886, 245f. Ribbeck Röm. Dichtung II2 75. Weiter heißt es bei Vergil, daß F. des Nachts schlummerlos mit Zischen dahinfliegt (vgl. Hor. c. II 2, 7) zwischen Himmel und Erde, bei Tage aber thront sie spähend auf dem Giebel des Daches oder auf hohen Türmen, ein Schrecken volkreicher Städte, ebenso auf Lug und Trug erpicht wie Wahres kündend. ,F. erregt die Eifersucht des Iarbas, hinterbringt der Dido die Nachricht von der bevorstehenden Abfahrt des Aeneas (IV 298), trägt die Kunde von Dido’s Tod durch die Stadt (IV 666), meldet der Mutter des Euryalus wie dem Euander die Trauerbotschaften (IX 474. XI 139), fliegt den Ankömmlingen in Latium voraus (VII 104)‘, Ribbeck a. O. Vgl. noch Verg. Aen. III 121 und VII 392 (F. volat, ebenso Petron. sat. 123 v. 211); ferner Prop. III 32 (34), 94. IV 1, 9, wo F. im Sinne von Ruhm, wie z. B. auch Hor. c. II 2, 8. ,Ganz anders als Vergil faßt Ovid die Gestalt der F. auf (met. XII 39–63), weniger großartig, subtiler‘, vgl. Ribbeck a. O. II2 308f. Ausführlich schildert er der F. Wohnung auf hoher Burg; mitten im Weltenraume ist sie gelegen, zwischen Erde und Meer und Himmel, wo man alles, auch noch so Entferntes erschauen und vernehmen kann; zahllose Zugänge und tausend Öffnungen hat F. angebracht am Palaste und die Schwellen nicht verschlossen durch Tore, Tag und Nacht steht er offen; ganz ist er aus tönendem Erz, er summt und hallt wieder, das Gehörte verdoppelnd; keine Ruhe ist drinnen, kein Schweigen, doch ist es auch kein Schreien, sondern leises Gemurmel, wie fernes Rauschen des Meeres oder verhallender Donner; ein und aus gehen, ein luftiges Volk, Tausende erlogener Gerüchte (Rumores), mit wahren gemischt, und es hausen da, in des Palastes Vorhöfen, die Credulitas, der temerarius Error, die vana Laetitia, die consternati Timores, die Seditio repens, die Susurri (dubio auctore); sie selber aber, die F., sieht alles, was sich abspielt im Himmel und im Meere und auf Erden, und forscht über den ganzen Weltenraum hin. Vgl. auch Ovid. met. IX 137ff. (in Anlehnung an Verg. Aen. IV 175ff.). XV 3f. (zu praenuntia veri für F. vgl. Aen. IV 188. IX 474. XI 189). XV 853. Auf diesen
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Schilderungen fußend malt Valerius Flaccus aus, wie F., durch Iuppiter von den friedlichen Gefilden des Äthers ferngehalten, knirschend unter den untersten Wolken wohnt und von da die Länder heimsucht, Arg. II 116ff., und Statius Theb. III 425–431 läßt sie wachsam (vgl. Aen. IV 182) lauschend auf jeden Ton, von leerem Lärm umgeben, vor dem Wagen des Mars einherfliegen, und angetrieben vom Schnauben der Renner schüttelt sie mit stetem Gemurmel die zitternden Federn (vgl. Verg. Aen. IV 181. Ovid. met. XII 49); es drängt sie der Wagenlenker mit blutigen Stacheln, Geschehenes und Nichtgeschehenes zu sagen, und vom hohen Wagen setzt ihr der Vater ingrimmig zu mit der skythischen Gerte. Vgl. noch Stat. silv. V 1, 106; Theb. II 205. 208 (dea turbidae 345f. (sollers F.). IV 32. 369 (turbatrix). VI 2. IX 32f. (pernicior iudex). X 626. XII 812. Sil. Ital. Pun. IV 1. VI 554. VII 504 (F. furit wie bacchatur F. Verg. Aen. IV 666). 579. X 578. Claudian. de Manlii Theod. cons. 270; de bello Pollentino 201ff. Vgl. Rob. Engelhard De personif. quae in poesi atque arte Romanor. inveniuntur, Diss. Gött. 1881, 80f. Rich. Berge De belli daemonibus, Diss. Leipz. 1895, 51ff. Weihinschrift aus Cöln Famae Publius usw., Orelli-Henzen 5817, ferner an F. augusta aus En la Alameda, Ostippo in der Hispania Baetica CIL II 1435[1] (Famae aug. sacrum); vgl. auch Φήμῃ εὐαγγέλῳ auf einem zu Tusculum gefundenen Stein IG XIV 1120. Zu K. O. Müller Hdb. d. Arch.3 § 406, 2 für F. auf Münzen vgl. schon C. A. Böttiger Kl. Schr. II 374.