Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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attischer Vasenmaler und -fabrikant 6./5. Jh. v. Chr.
Band VI,1 (1907) S. 12211225
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9) Attischer Vasenmaler und Vasenfabrikant aus dem Ende des 6. und den ersten Jahrzehnten des 5. Jhdts., anfänglich in der Werkstatt des Kachrylion tätig, später viele Jahre hindurch Besitzer einer eigenen Fabrik. Von den seinen Namen tragenden, sämtlich in rotfiguriger Technik ausgefülrrten Vasen sind drei mit ἔγραψεν, die übrigen mit ἐποίησεν signiert. Während man früher auch die Malereien der letztem Klasse dem E. selbst zuschrieb und demnach ein sehr kompliziertes Entwicklungsbild dieses Meisters entwarf, haben zuerst Dümmler (Bonn. Stud. 79) und Furtwängler (Arch. Anz. 1891, 69) die polychrome Berliner Schale einem andern Maler zugesprochen, darauf hat Hartwig eine Gruppe als von Onesimos gemalt ausgesondert und haben [1222] neuerdings Furtwängler und Reichhold Vasenmalerei 103 wahrscheinlich gemacht, daß auch die den Lieblingsnamen Παναίτιος καλός tragenden, sowie überhaupt alle nur mit Εὐφρόνιος ἐποίησεν signierten Vasen von anderer Hand herrühren, so daß nur die mit ἔγραψεν signierten Gefässe, die zugleich den Lieblingsnamen Leagros tragen, als eigene Malereien des Meisters gelten dürfen. Es sind dies folgende drei: 1) die Geryoneus-Schale in München. Aus der Fabrik des Kachrylion. Wien. Vorlegebl. V 3. Furtwängler und Reichhold a. O. Taf. 22 S. 98. Klein Euphr.2 53; Meistersign.2 nr. 3; 2) der Antaios-Krater im Louvre. Ohne Fabrikangabe. Mon. d. Inst. 1855 tab. 5. Wien. Vorlegebl. V 4. Pottier Cat. d. vas. du Louvre, Atlas pl. 100. 101. Klein Euphr.2 116; Meistersign.2 nr. 1; 3) der Kottabos-Psykter in Petersburg. Ohne Fabrikangabe. Compte Rendu 1869 Taf. 5. Wien. Vorlegebl. V 2. Klein Euphr.2 104; Meistersign.2 nr. 2. Hierzu darf vielleicht 4) die fragmentierte Iliupersisschale im Berliner Museum 2281 gerechnet werden, auf der von der Künstlerinschrift in dem Abschnitt unter dem Innenbild nur die ersten Buchstaben des Namens erhalten sind, so daß sehr wohl Εὐφρόνιος ἔγραψεν dagestanden haben kann, Robert Arch. Zeit. XL 1882, 38ff. Taf. 3. Klein Euphr.2 159; Meistersign.2 nr. 6. Hartwig Meisterschal. 149ff. Noack Aus d. Anomia 158ff. Erweist sich nun auch E. in diesen Werken als ein kraftvoller, mächtig über den Bann des Archaischen hinaus strebender Künstler, der es namentlich versteht, die überlieferten Typen lebendig zu machen und zu vertiefen, und in der Darstellung des Nackten einen bedeutenden Fortschritt repräsentiert, so kann er doch in dem künstlerischen Leben seiner Zeit bei weitem nicht die dominierende Stellung eingenommen haben, die man ihm früher zuschreiben zu dürfen glaubte. Vielmehr treten nun als mindestens gleichberechtigte Künstlerindividualitäten neben ihn Euthymides, Brygos und die in seinem eigenen Atelier beschäftigten Maler. Von diesen lassen sich bis jetzt drei unterscheiden:

a) Der Maler mit dem Lieblingsnamen Panaitios. Ihm gehören 1) die Eurystheus-Schale im Brit. Mus. E 44, Παναίτιος καλός. Die beiden auf der Außenseite dieser Vase angebrachten Szenen finden sich ebenso verbunden auf einer älteren Schale des Louvre, die den Lieblingsnamen Memnon trägt, abgeb. Wien. Vorlegebl. 1890/91 Taf. 10. Da dort der Krieger auf der Rückseite die Beischrift Ὀλυττεύς hat, darf man vermuten, daß die Szene dargestellt ist, wie Diomedes auf Befehl des Hermes und unter dessen Geleit den Odysseus auf seinem Wagen zur Verteidigung der Leiche des Achilleus herbeiholt. Wien. Vorlegebl. V 7. Murray Des. fr. greek vas. p. 10 fig. 4 nr. 27. Furtwängler und Reichhold a. O. Taf. 23 S. 110. Klein Euphr.2 86ff.; Meistersign.2 nr. 4. 2) Die früher bei van Branteghem befindliche Komos-Schale, Παναίτιος καλός. Fröhner Burlington Fine Arts Club, Catalogue 1888, 11ff. nr. 8. Hartwig Meisterschal. Taf. 47. 48, 1 S. 466ff. 3) Die Theseus-Schale im Louvre, Mon. grecs pl. 1. 2. Wien. Vorlegebl. V 1. Furtwängler und Reichhold a. O. Taf. 5 S. 27ff. Journ. Hell. Stud. XVIII pl. 14. Klein Euphr.2 182ff.; Meistersign.2 nr. 7. Robert Herm. XXXIII 132ff. 4) Die fragmentierte [1223] Dolonschale im Cab. d. Méd. zu Paris, Mon. d. Inst. II 10 A. Wien. Vorlegebl. V 5, 1. Robert Arch. Zeit. XL 1882, 47. Klein Euphr.2 136ff.; Meistersign.2 nr. 5. Furtwängler a. O. S. 110 bemerkt, daß dieser Maler in der Gewandbehandlung unmittelbar an Euthymides anknüpfe. Der Vergleich der Komos-Schale (2) mit dem Komos auf der Münchener Hektorvase des Euthymides (Furtwängler und Reichhold a. O. Taf. 14) läßt ihn auch in den Stellungen und Motiven von diesem Meister abhängig erscheinen, so daß man ihn geradezu für dessen Schüler halten möchte. Sollte dies zutreffen, so würde es für die Unbefangenheit des E. und zugleich für seine Klugheit bezeichnend sein, daß er sich einen Schüler aus dem Atelier desjenigen Nebenbuhlers berief, der sich seiner Superiorität durch das ὡς οὐδέποτε Εὐφρόνιος gerühmt hatte.

b) Onesimos (nicht Diotimos, s. d. Bd. V S. 1150 Nr. 22). (Ὀνήσ)ιμος ἔγραψεν steht neben Εὐφρόνιος ἐποίησεν auf 1) einer Schale im Louvre mit einer Reiterdarstellung, daneben die Lieblingsnamen Erothemis und Lykos, Hartwig Meisterschal. Taf. 53 S. 509ff. Klein Meistersign.2 143; Lieblingsinschr.2 59. Dieser Vase steht in jeder Hinsicht außerordentlich nahe 2) die Troilos-Schale in Perugia, auf der auch der Lieblingsname Lykos wiederkehrt. Sie ist daher von Hartwig mit Recht dem Onesimos zugewiesen worden obgleich nur der Töpfer E. seinen Namen darauf gesetzt hat. Gerhard A. Vas. 224–226. Wien. Vorlegebl. V 6. Hartwig Meisterschal. Taf. 58. 59, 1. Klein Euphr.2 213; Meistersign.2 nr. 8; Lieblingsinschr.2 59. Über diesen Maler, dem ein starker Zug zum Dramatischen eigentümlich ist, wird unter Onesimos ausführlicher zu handeln sein; einstweilen s. Hartwig Meisterschal. 503ff.

c) Der Maler der 1) schönen polychromen Schale in Berlin 2282, mit einem Knabenwettreiten als Außen- und Achilleus und Diomede (...OΜΕΔ...) als Innenbild; denn an dieser Ergänzung und Deutung O. Jahns (Arch. Zeit. XI 1853. 143) wird festzuhalten sein gegenüber Hartwigs mit Vorbehalt geäußertem Vorschlag, die Buchstaben als Reste der Malersignatur anzusehen und sie zu Διομέδων zu ergänzen. Der Kopf des Achilleus erinnert an den schönen Jünglingskopf aus dem Perserschutt (Ἐφ. ἀρχ. 1888 πίν. 2. Collignon Sculpt. grecque I 362 u. ö.), der der Diomede an die jüngsten der eben dort gefundenen Mädchenstatuen (κόραι). Den in der Lieblingsinschrift genannten Glaukon hat Studniczka (Arch. Jahrb. II 1887, 162) unter allgemeiner Zustimmung mit dem Sohn des von E. gefeierten Leagros, dem Strategen von 441/0 und Flottenkommandanten von 433/2 identifiziert (Kirchner Prosopogr. att. nr. 3027). Gerhard Trinksch. u. Gef. XIV 5–10. Wien. Vorlegebl. V 5. 2–6. Hartwig Meistersch. Taf. 51. 52 S. 484ff. Klein Euphr.2 240; Meistersign.2 nr. 9; Lieblingsinschr.2 80. Dieser Schale ist aufs engste verwandt 2) die in fragmentiertem Zustand auf der Akropolis, jedoch nicht im Perserschutt, gefundene gleichfalls polychrome Orpheus-Schale, mit den Buchstabenresten OIEϟEN und ON, die man mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Εὐφρόνιος ἐπ]οίησεν und Γλαύκ]ων [καλός ergänzt hat. Jedesfalls ist diese Schale von derselben Hand, wie die [1224] Berliner. J. E. Harrison Journ. Hell. Stud. IX pl. 6 p. 145ff. Klein Lieblingsinschr. 80. Hartwig a. O. 490. Nach Furtwängler wäre dieser Maler Sotades zu benennen (Arch. Anz. 1891, 69).

Wie andere Vasenfabrikanten seiner Zeit hatte auch E. der Athena Ergane auf der Akropolis ein Weihgeschenk, vermutlich eine der bekannten κόραι, gestiftet. Seine im Perserschutt aufgefundene Basis trägt auf der Frontseite die Weih- und Künstlerinschrift Εὐφρόνιος [...ἀ]ν[έθηκεν ὁ] κεραμεὺς [τῇ Ἀθηναί]αι δ[εκάτην, ὁ δεῖνα ἐποίη]σεν und auf ihrer Oberfläche eine metrische Inschrift, die sich bei der Dürftigkeit des Erhaltenen der Ergänzung entzieht, Studniczka Arch. Jahrb. II 1887, 144. Lolling Κατὰλ. τ. ἐν Ἀθήναις ἐπιγραφικοῦ Μουσείου I 85. IG I Suppl. p. 79 und p. 154 nr. 362.

Versuche, dem E. auch unsignierte Gefässe zuzuweisen, sind mehrfach gemacht worden, namentlich von Winter und Hartwig. Sie sind aber mit um so größerer Vorsicht, aufzunehmen, als dabei zwischen dem wirklichen E. und dem Maler mit dem Lieblingsnamen Panaitios noch nicht unterschieden wird. Doch korrigiert sich bei Hartwig dieser Fehler einigermaßen durch die Verteilung der Werke auf zwei Perioden, von denen die erste der Wirksamkeit des E., die zweite der seines Gehilfen entspricht. Mehr oder weniger wahrscheinlich erscheint die Zuteilung an E. selbst bei folgenden Gefässen: 1) Komos-Schale, einst bei van Branteghem, Λέαγρος καλός, Hartwig Meistersch. Taf. 8 S. 102ff. Klein Lieblingsinschr. 40 nr. 13. 2) Komos-Schale in Krakau, Ἀθηνόδοτος καλός, Hartwig a. a. O. Taf. 11 S. 112ff. Klein Lieblingsinschr. 49 nr. 5. 3) Schale mit Kampfszenen auf der Außenseite und einem Palaestriten als Innenbild in der Sammlung Bourguignon in Neapel. Hartwig a. O. Taf. 12 S. 115ff. Klein a. O. 49 nr. 6. 4) Amazonen-Schale im Brit. Mus. E 45, Hartwig a. O. Taf. 13 S. 118ff. Murray Des. fr. greek vas. p. 11 fig. 5 nr. 28. 5) Schale mit Streitszene in der Palaistra, im Cab. d. med. zu Paris, Κηφισοφῶν καλός, Hartwig a. O. Taf. 15, 2. 16 S. 132ff. Klein Lieblingsinschr. 56f. Über Winters Versuch, ein von der Akropolis stammendes Fragment mit Peleus und Thetis und der Signatur IOϟ ΕΛΡ(αψεν) dem E. zuzuteilen (Arch. Jahrb. III 1888 Taf. 2 S. 66), s. Hartwig a. O. 247, der es richtig dem Peithinos zuweist. Die von demselben Gelehrten (Österr. Jahresh. III 1900, 121 Taf. IΙΙff.) für E. in Anspruch genommene Berliner Amphora 2160 hat bereits Furtwängler im Berliner Vasenkatalog II 484f. in den Kreis des Brygos verwiesen. Von den Schalen, die Hartwig der zweiten Periode des E. zuweist, scheinen folgende dem Maler mit dem Lieblingsnamen Panaitios zu gehören: 1) Fragmentierte Schale in Florenz, im Innenbild ein Flötenspieler, Παναίτισς καλός, Hartwig a. O. Taf. 44, 2 S. 453f. Klein Lieblingsinschr. 58 nr. 11. 2) Eine einst bei van Branteghem befindliche Schale mit einer Hetaire als Innenbild, Παναίτιος καλός, Hartwig a. O. Taf. 44, 3 S. 456ff. Klein a. O. 57 nr. 7. 3) Die Schale in Berlin mit palaestrischen Szenen als Außen- und einem sitzenden Kahlkopf als Innenbild, Παναίτιος καλός, Hartwig a. O. Taf. 46 S. 458ff. Klein a. O. 58 nr. 12. Bei den übrigen von Hartwig aufgezählten Gefässen [1225] erscheint die Zuteilung an diesen Maler trotz dem Lieblingsnamen Panaitios und trotz manchen stilistischen Berührungspunkten weniger schlagend. Über die Zuweisungen an Onesimos wird unter diesem zu handeln sein. Eine Aufzählung der mit der Berliner Achilleus- und der athenischen Orpheusschale verwandten Gefässe, von denen das eine oder andere in der Tat demselben Maler gehören mag, bei Hartwig a. O. 491, 1.

Wichtigste Literatur: Klein Euphr.2 1886; Die griechischen Vasen mit Meistersign.2 1887, 137ff. Hartwig Die griechischen Meisterschalen 1ff. 85ff. 444ff. Furtwängler und Reichhold Griech. Vasenmalerei 27ff. 98ff. Walters History of ancient pottery I 430ff.