RE:Enkaustik
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Technik der antiken Malerei mit eingebrannten Wachsfarben | |||
Band V,2 (1905) S. 2570–2578 | |||
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Enkaustik (encaustica = ἐγκαυστική), nämlich τέχνη, erst bei Plin. n. h. XXXV 122, früher ἔγκαυσις) ist die Maltechnik der Altertums, bei welcher Wachsfarben in den Untergrund des Gemäldes der größeren Haltbarkeit wegen eingebrannt wurden. Das zeigt bereits die Erwähnung der E. bei Plat. Tim. 26 c, welcher dem Gedächtnis fest eingeprägte Vorstellungen mit ἐγκαύματα ἀνεκπλύτου γραφῆς vergleicht. Bei der größeren Feuchtigkeit Griechenlands als Ägyptens und Mesopotamiens [2571] verlangten eben polychrome, der Witterung ausgesetzte Kunstdenkmäler eine haltbarere Farbenbehandlung, als sie in Tempera- und Freskotechnik möglich ist. Wenn daher Plinius n. h. XXXV 122 als älteste ihm bekannte Enkausten Polygnot (s. d.), die Parier Nikanor und Mnasilaos, sowie den auf Aigina tätigen Elasippos (s. d. Nr. 3) nennt, so liegt es nahe, die E. für eine griechische Erfindung zu halten. Besonders mußte die Vorliebe der Griechen für buntbemalte Schiffe dazu veranlassen, dem Wasser stärkeren Widerstand leistende Bindemittel der Farben als Leim oder Eiweiß zu wählen. Daß man zu diesem Zwecke im 6. Jhdt. v. Chr. Wachs verwendete, zeigt Hipponax frg. 50 B⁴, welcher von einem Schiffsmaler sagt: ἔπειτα μάλθῃ (von Harpokration als ὁ μεμαλαγμένος κηρός erklärt) τὴν τρόπιν παραχρίσας, während ein von Otf. Müller (Handbuch der Archäol.³ 455) herangezogener Vers des Aischylos (frg. 134 Nauck² στάζεο ληρόθεν τῶν φαρμάκων πολὺς πόνος, κριθέντων G. Hermann, κηροχριθέντων Müller, was aus metrischen Gründen unmöglich ist) nicht in Betracht kommen kann.
Weiter ist aber auch ein Zusammenhang der E. mit der Marmorplastik und Architektur sicher. Denn während auf den in älterer Zeit benützten minderwertigen Steinarten, wie dem attischen Poros, auch ein in anderer Technik ausgeführter Farbenüberzug Bestand hatte, war das nicht der Fall bei dem viel festeren Gefüge der feinkörnigen und kristallinischen Marmorgattungen des griechischen Festlandes, der Inseln und Kleinasiens. Deshalb wurden auf diesem Material die farbigen Verzierungen enkaustisch ausgeführt, ähnlich wie man auch den Bestand der Farben auf den die ältere Holzarchitektur verkleidenden Tonkassetten (Dörpfeld, Gräber u. a. Über Verwendung von Terrakotten, 41. Berliner Winckelmannsprogramm) durch Brennen gesichert hatte. Das steht durch Inschriften fest, wie die über den Bau des Erechtheion vom J. 408 v. Chr. (IG I 324 a 42 ἑνκαυταῖς· τὸ κυμάτιον ἑνκέα[ν]τι τὸ ἐπὶ τῶι ἐπιστυλίω[ι τ]ῶι ἐντός, vgl. 21), sowie die große Bauinschrift von Epidauros (Kabbadias Fouilles d’Epidaure I nr. 241, 59 Πρωτα[γό]ρας εἵλετο ἕνκαυσιν τοῦ ὑποδοκίου κα(ὶ) κ[υ]ματίου. 265 Πασέαι γραμάτων ἐνκολάψιος κ’ ἐνκαύσιος, vgl. 24. 31. 51. 108. 195. 279. 303), urkundliche Angaben, deren Richtigkeit durch die Untersuchung des Tatbestandes an dem ‚Theseion‘, den Propylaeen und dem Erechtheion bestätigt ist (Bötticher Tektonik d. Hellenen² I 65ff., Taf. Ι 8. Semper Stil² I 482ff. Hittorf Restitution du temple d’Empedocle 547. Ο. Rossbach Griech. Antiken in Breslau 4, 2). Ferner zeigte mir eine genaue Betrachtung der reichen Farbreste an dem Gewαnde der einen vorpersischen marmornen Frauenstatue von der Akropolis (abgebildet Antike Denkmäler I Taf. 19, 1. 1 a), daß die Farben stark pastos aufgetragen und mit dem Steine wie verwachsen, also auch wahrscheinlich eingebrannt sind. Die ἀγαλμάτων ἐγκαυσταί erwähnt ausdrücklich Plut. de glor. Athen. 6.
Von dieser enkaustischen Ausführung der Ornamente war dann nur noch ein Schritt zur Herstellung von eigentlichen enkaustischen Gemälden. Daß diese aber in der ersten Hälfte des 5. Jhdts. v. Chr. noch selten zur Ausführung kamen, zeigen [2572] die zwei sich widersprechenden Überlieferungen über die Erfindung der E. bei Plin. n. h. XXXV 122. Die wenigen enkaustischen Bilder des Polygnot und anderer älterer Meister konnten so in Vergessenheit geraten, daß erst Aristeides (s. d. Nr. 30), welcher diese Technik häufiger ausgeübt hatte, für ihren Erfinder galt. Als eine Übergangsstufe von der enkaustischen Ornamentation zu wirklichen Gemälden kann man die enkaustische Behandlung von Türen betrachten (CIG 2297).
Wie die E. ausgeübt wurde, beschreibt Plinius, und es ist kaum anzunehmen, daß sich das eigenartige Verfahren im Laufe seiner Ausübung wesentlich geändert haben sollte. Zunächst gibt er a. a. O. die zwei zeitlich aufeinander folgenden Stufen an mit ceris pingere, d. h. das Auftragen der Wachsfarben auf dem Untergrunde, und picturam inurere, d. h. das Einbrennen der aufgetragenen Farbschichten. Schwieriger und vielfach umstritten ist die zweite Stelle (§ 149) encausto pingendi duo fuere antiquitus genera, cera et in ebore cestro, id est vericulo (uiriculo die Hss. mit einem durch die Aussprache des kurzen e entstandenen Fehler, wie § 147 sinem für senem), donec classes pingi coepere. hoc tertium accessit resolutis igni ceris penicillo utendi, quae pictura navibus nec sole nec sale ventisque corrumpitur. Aus dem Gegensatz der ersten beiden Verfahren zu dem dritten, der Schiffsmalerei (über κηρογραφία am Schiffe des Ptolemaios Philopator s. Kallixeinos bei Athen. V 204 b), ergibt sich mit Sicherheit, daß in dieser im Feuer aufgelöste noch heiße Wachsfarben aufgetragen wurden, während in den beiden andern Techniken kaltes Wachs, aber natürlich auch in erweichtem Zustande, zur Anwendung kam. Ferner muß sich das erste Verfahren auf Tafelbilder aus einem anderen Stoffe als Elfenbein beziehen, also in den meisten Fällen auf den im Altertum gebräuchlichsten und deshalb nicht erwähnten Stoff, auf Holz, womit aber auch Steinplatten u. ä. nicht ausgeschlossen sind. Bilder auf Elfenbein wurden dagegen anders behandelt. Größere Schwierigkeiten macht die Erklärung des von Plinius erwähnten Instrumentes, des cestrum, welches man früher entsprechend der beigefügten Übersetzung vericulum und der sonst erwähnten γραφίς oder ὑπογραφίς (z. B. Poll. VII 128) oder des ῥαβδίον διάπυρον (Plut. de ser. num. vind. 22 extr., vgl. cauterium Digest. XXXIII 7, 17. Tertull. adv. Herm. 1) für einen spitzen Griffel hielt. Jetzt pflegt man es dagegen nach den eingehenden technischen Untersuchungen O. Donners von Richter (bei W. Helbig Wandgemälde der Städte Campaniens XVff.; Technische Mitteilungen für Malerei II [1885] 37ff.; Beilage d. Münchener Allgem. Ztg. 1888 nr. 180) für ein schaufelförmiges, gezahntes Instrument anzusehen, welches unserer Spachtel (Spatel) ähnlich gewesen sei. Donner geht bei dieser Erklärung davon aus, daß Plinius XXV 84 sagt, die Pflanze serratula (die Betonie) werde auf griechisch κέστρος oder ψυχρότροφον genannt. Da nun die Betonie ein schmales, gezahntes Blatt mit langem Stil hat, so entspreche dies der Spachtel am besten. Aber dem steht die Erklärung des Wortes durch Plinius entgegen, bei welchem sonst (XXXIII 107, vgl. Cohausen Annalen f. Nass. Altertumsk. u. Geschichtsforschg. [2573] XV 278ff.) vericulum einen spitzen Metallstab, also ein der γραφίς ähnliches Instrument bedeutet. Auch wird die Übertragung des Namens auf die Pflanze doch in erster Linie durch die ganze Blattform, nicht durch die wenig hervortretende und an vielen anderen Blättern zu beobachtende Zahnung veranlaßt sein, zumal da unter den zahlreichen antiken Malinstrumenten (s. u.) gezahnte κέστρα noch nicht nachgewiesen sind. Ebensowenig erwähnen Polyb. XXVII 9 und Liv. XLII 65, 9 in ihrer Beschreibung der κεστροσφενδόνη einen gezahnten Rand dieses Geschosses. R. Schöner (Beilage zur Augsburger Allg. Zeitg. 1882 nr. 227ff.) hat daher, um Donners Auffassung zu halten, nach dem Cod. vet. Dalechamps id est verriculo schreiben wollen, aber verriculum ist erst ein spätes nur bei Serv. Aen. I 59 nachweisbares Wort, wofür Plinius das früher übliche everriculum gesetzt hätte. Beide bedeuten auch nie ein spachtelartiges Werkzeug, sondern ein Schleppnetz oder einen Besen. Demnach wird man die Stelle des Plinius am ungezwungensten so auffassen, er habe bei dem ersten Verfahren das Instrument, mit welchem gemalt wurde, als etwas damals Allbekanntes ebensowenig erwähnt wie das Material, auf welchem das Gemälde zur Ausführung kam. Donners (Wandgemälde XIII) Interpunktion und Erklärung cera, et in ebore, cestro = ,mit Wachs, auch auf Elfenbein, mit dem Cestrum‘ hat etwas Gekünsteltes und widerspricht dem Sprachgebrauche des Plinius. Bei dem zweiten selteneren Verfahren, der E. auf Elfenbein, konnte dagegen Plinius nicht umhin, das Werkzeug, das κέστρον, welches in diesem Falle besonders dazu gedient haben wird, die Stellen, welche die Farben tragen sollten, rauh und aufnahmefähig zu machen, zu nennen. Vgl. Hesych. κέστρωσος· βαφικὴ μιμουμένη. Verwandt ist die Malerei auf Horn, s. Cestrota. Sie wurde nach Plin. XI 126 auf durchsichtigen Hornplatten ausgeführt, die wahrscheinlich für Transparente, bunte Fenster u. ä. Verwendung fanden. Das dritte Verfahren, das Auftragen des geschmolzenen Wachses mit dem Pinsel, erwähnt Plinius für die ihm besonders gut bekannte Schiffsmalerei (vgl. XXXV 49). Daß es aber auch für sorgfältigen Wandanstrich angewendet wurde, beweist Vitruv. VII 9, 3ff.: si qui .... voluerit expolitionem miniaceam suum colorem retinere, cum paries expolitus et aridus fuerit, ceram Punicam (pumicam die Hss., von V. Rose² nach Theod. Priscian. 501 in Ponticam geändert, aber Plin. XXXIII 122 hat auch cera Punica cum oleo liquefacta) igni liquefactam paulo oleo temperatam saeta inducat, deinde postea carbonibus in ferreo vase compositis eam ceram a proximo cum pariete calfaciundo sudare cogat, fiatque (itaque Rose ¹, atque Rose ²) ut peraequetur, deinde, tum candela linteisque puris subigat, uti signa marmorea nuda curantur. haec autem γάνωσις (gnosis die Hss., verbessert von Welcker nach Plut. quaest. Rom. 98) Graece dicitur. ita obstans cerae Punicae lorica non patitur nec lunae splendorem nec solis radios lambendo eripere ex his politionibus colorem. Diese wichtige Stelle, welche fast wörtlich mit Plin. XXXIII 122 (vgl. Diosk. V 109) übereinstimmt, lehrt auch als wahrscheinliches Material der anderen [2574] enkaustischen Techniken, punisches mit etwas Öl (Nußöl nach Aetios I E a fol. 7 vs., 50 ed. Ven. 1534) versetztes Wachs kennen. Sie zeigt ferner, daß das Einbrennen so lange fortgesetzt wurde, bis das Wachs zu schwitzen begann, und Plinius a. a. O. ergänzt diese Angaben dadurch, daß er das Auftragen glühenden Wachses betont und von der Anwendung der Galläpfelkohlen bei dem nachherigen Einbrennen spricht.
Bei dem Malen von Tafelbildern fand nach dem Auftragen der kalten, aber wegen des Ölbeisatzes weichen Wachsfarben, welche der Künstler in einem großen Fächerkasten vor sich hatte (Varro r. r. III 17, 4 Pausias et ceteri pictores eiusdem generis loculatas magnas habent arculas, ubi discolores sint cerae, vgl. Sen. epist. mor. 121, 5), das langwierige (tarda picturae ratio sagt Plinius XXXV 124 von Pausias), große technische Gewandtheit erfordernde Verfahren des Einbrennens statt, womit das Vertreiben der Farben sowie die Erhöhung und Abschwächung ihrer Töne (χραίνειν ἢ ἀποχραίνειν Plat. leg. VI 769 a, was Timaios lex. Plat. s. v. erklärt: τὸ μὲν χραίνειν τὸ χρώζειν διὰ τοῦ ῥαβδίου, τὸ δὲ ἀποχραίνειν τὸ τὰ χρωσθέντα ἑνοποιεῖν) verbunden war. Da somit diese Technik eine sehr mühsame war, malten die Enkausten meist nur kleine einfigurige Bilder, Kabinettstücke wie die ,Kranzwinderin‘ des Pausias (s. d.) und seine Knaben darstellenden Gemälde, unter denen sich allerdings auch ein in einem Tage vollendetes und deshalb ἡμερήσιος genanntes befand (Plin. XXXV 124). Aber dies ist als eine durch den Tadel seiner Neider veranlaßte Ausnahme anzusehen, wie denn Plinius auch sonst die großen figurenreichen Gemälde der Enkausten besonders hervorhebt, u. a. das ,Stieropfer‘ des Pausias (§ 126) und einige mythologische Bilder des Nikias (132).
Ihre Beliebtheit und die hohe Bewertung ihrer Erzeugnisse verdankte die E., abgesehen von der größeren Haltbarkeit und der überaus sorgfältigen Ausführung, dem tieferen Glαnze und satteren Tone ihrer Farben, welche ganz anders als die stumpferen der Temperatechnik wirkten und Ähnlichkeit mit unserer Ölmalerei gehabt haben müssen, aber bei ihrer Verschmelzung mit dem Untergrunde wohl weniger leicht nachdunkelten als diese. Bei Dichtern namentlich der römischen Kaiserzeit bedeutet κηρός und cera (cerae) oft Farbe und Gemälde, z. B. Philipp. Thessalon. Anth. Plan. 137. Stat. silv. I 1, 100. Straton Anth. Pal. XII 190. Anacreont. 3 (2 b), 7. 16 (15), 8. 34. 17 (16), 25. Auson. Idyll. 7, 33 (p. 117 Peiper); epigr. 26, 9ff. (p. 329 Peiper). Kaibel Epigramm. 722. Agath. Scholast. Anth. Pal. I 34. Daher hielt sich die E. bis in das späte Altertum und Basilius (homil. in Sabell. 805 ξύλα καὶ κηρὸς καὶ ζωγράφου τέχνη τὴν εἰκόνα ποιεῖ φθαρτὴν φθαρτοῦ μίμημα sowie Boethius (arithmet. praef. picturae manibus tabula commissa fabrorum, cerae rustica observatione decerptae, colorum fuci mercatorum sollertia perquisiti) u. a. kennen sie noch. Euseb. vit. Const. I 3. Ioann. Chrysost. V 484 e u. a. bezeichnen sie als κηρόχυτος γραφή.
Zur Ergänzung und Veranschaulichung der literarischen Überlieferung über die E. dienen die Denkmäler. Zunächst kommen zahlreiche Funde von Handwerksgerät alter Maler in Betracht.[2575]
Am bedeutendsten und am sorgfältigsten untersucht (die chemischen Analysen der Farbstoffe von Chevreuil) ist unter diesen der Inhalt eines zu Saint-Médard-des-Près in der Vendée geöffneten Grabes einer Malerin (B. Fillon Description de la villa et du tombeau d’une femme artiste gallo-romaine découverts à St.-M., Fontenay 1849, vgl. O. Jahn Abh. Sächs. Ges. V 302ff. Donner Wandmalerei CVIIff.). Außer dem Frauenskelett in einem Sarge und vielen zum Teil zerbrochenen Ton- und Glasgefässen fanden sich die folgenden Gegenstände: ein brauner Napf und Bruchstücke eines Holzkastens, ein Messerchen, zwei zylindrische Kegel aus Bernstein, ein Alabastermörser mit Ausguß sowie zwei Reibsteinen, ferner in einer eisenbeschlagenen, fast zerstörten Kiste ein eherner Farbenkasten mit vier durch silberne Gitterdeckel verschließbaren Fächern, in denen sich Farbenreste erhalten hatten, eine viereckige Reibeplatte oder Palette (Länge 0,14 m, Breite 0,09 m) aus Basalt, ein kleiner Erzmörser, eine zylindrische Büchse mit zwei ehernen Instrumenten, welche am unteren Ende in einen kleinen Löffel auslaufen, während das obere abgeplattet und scharfkantig ist, zwei Schaufeln aus Bergkrystall, von denen eine zerbrochen war und Goldpulver in einer gummiartigen Substanz enthielt, endlich zwei knöcherne Pinselstiele. Als Inhalt einiger Gefässe stellte Chevreuil Kieferharz fest, dann Wachs, beides auch gemischt, sowie eine Mischung von Rauchschwarz und Wachs mit Spuren von Fettsäuren, die von einem Öl, aber auch von einer Ölseife herrühren konnten. Während man nun nach der Auffindung in allen diesen Gegenständen Werkzeuge der enkaustischen Malerei erkannte, hält Donner den Inhalt des Erzkastens für Gerät zur Aquarelltechnik wegen der Ähnlichkeit mit einem chinesischen Farbenkasten in seinem eigenen Besitz, dagegen die zerbrochenen Glasgefässe zur Aufnahme der angeriebenen nassen Farben bestimmt, welche zu größeren Tempera-und Freskobildern dienten. Besonderes Gewicht legt Donner darauf, daß nach Chevreuil die Wandbilder eines in der Nähe des Grabes aufgedeckten Landhauses reine Kalkmalereien sind. Damit ist er aber nicht dem in anderen Gefässen sicher nachgewiesenen Wachs, Harz und anderen Stoffen gerecht geworden. Ferner ist es doch nur eine Möglichkeit, daß die Wandbilder des Landhauses mit den Werkzeugen ausgeführt sind, welche in dem Grabe lagen. Man wird daher diese für alle die Techniken (die enkaustische mit Wachsfarben arbeitende Malerei nicht ausgeschlossen) bestimmt denken müssen, welche sich mit den zugleich gefundenen Farben ausführen lassen. Dagegen ist schwer zu sagen, wie die Instrumente auf die einzelnen Verfahren zu verteilen sind. Auch braucht ihre Anwendung nicht ausschließlich auf die eine oder die andere Technik beschränkt gewesen zu sein. So können die löffelähnlichen Werkzeuge ebenso nach Donners Ansicht zum Wegschöpfen der geriebenen Farben von der Reibeplatte und zum Zusetzen der Bindemittel zu den Farben gedient haben, wie nach H. Cros und Ch. Henry (L’encaustique et les autres procédés de peinture chez les anciens, Paris 1884, 28) eine Abart des Kestron gewesen sein. Denn mit dem oberen flachen und scharfen Ende [2576] läßt sich ebenso radieren wie können Wachsfarben aufgesetzt werden. Von zwei ähnlichen bei Jort (Arrondissement de Falaise) gefundenen Instrumenten (ebd. 31ff. Fig. 12) hat das eine auch am unteren Ende eine etwa der Größe der Löftel entsprechende Platte mit stumpfen Kanten, die man sich in glühendem Zustande gut zum Einbrennen der Wachsfarben verwendet denken kann. Es wird also zugleich als κέστρον und καυτήριον gedient haben. Andere meist oben spitze und unten flache Werkzeuge, von denen einige auch durch ihre gebogene Gestalt an die heute übliche Spachtelform erinnern, befinden sich in verschiedenen Museen (ebd. 32 Fig. 13-16).
Dann sind die bildlichen Darstellungen des Malens heranzuziehen. Sie werden aufgezählt von H. Blümner (Technologie u. Terminologie IV 459ff.) und zeigen die Maler und Malerinnen bei der Arbeit meist in sitzender Stellung. Ihre linke Hand hält die schalenförmig oder unregelmäßig gestaltete Palette, welche nicht wie die heutige mit einem Loche zum Durchstecken des Daumens versehen ist, die rechte den Griffel oder Pinsel, dessen Haare aber nie erkennbar sind. Auf den Paletten sieht man in zwei Fällen deutlich kleine Farbenhäufchen, während weitere Farbenvorräte neben dem Künstler entweder in einem Kasten in Näpfchen oder auf Brettern mit niedrigen Füßen in größeren Häufchen bereitstehen. Sichere Hinweise auf E. fehlen, doch steht auf einem jetzt zerstörten pompeianischen Pygmäenbilde bei Mazois (Maison de Scaurus 118 Taf. 7; Ruines de Pomp=εi II 68) neben einem bei der Arbeit sitzenden Porträtmaler ein niedriges Kohlenbecken, über welches ein jüngerer Pygmäe vorsichtig seinen Arm hält, wie um die Hitze zu prüfen. Helbig (Wandgem. nr. 1537, welcher richtig hervorgehoben hat, daß die Abbildung bei Zahn Die schönsten Ornamente I Taf. 86 unzuverlässig ist, beide Abbildungen bei O. Jahn Abhandl. sächs. Ges. V Taf. IV 6. 6 a.) vermutet dagegen, daß er Farben reibe, aber dem entspricht nicht seine Haltung und Bewegung. Das Kohlenbecken wird vielmehr denselben Zweck gehabt haben, für welchen es noch heute die römischen Marmorarbeiter bei der Politur verwenden. Es werden darin Metallstäbe glühend gemacht, um das aufgetragene Wachs einzuschmelzen.
Endlich hat es immer nahe gelegen, unter den erhaltenen Gemälden nach enkaustischen zu suchen. Die Wandbilder auf Stuck können nicht in Betracht kommen, nachdem durch Donners Untersuchungen festgestellt ist, daß sie größtenteils der Freskotechnik angehören und die Leimfarben- und Temperamalerei sich nur nebenbei und mehr aushülfsweise als selbständig angewendet findet. Auch zwei auf Schiefer gemalte Tafelbilder, die ,Muse von Cortona, (abgeb. Gaz. arch. III 41 Taf. 7. Cros et Henry Fig. 5 S. 19) und die ,Kleopatra mit der Schlange‘ in Privatbesitz in Sorrent (vgl. Blümner a. a. O. 445, 2) sind als höchst wahrscheinlich moderne Arbeiten auszuschließen. Sicher antik sind mehrere Männer- und Frauenbildnisse des Britischen Museums und des Louvre, welche in Ägypten gefunden sind und von Mumien der späteren römischen Kaiserzeit herrühren. Cros [2577] und Henry (21ff. Fig. 6—9, vgl. Chabouillet Catalogue des camées etc. nr. 2741ff.) bezeichnen sie als enkaustische Arbeiten, wogegen Donner (Technische Mitteilungen für Malerei II 26) Einspruch erhebt. Nach diesem sind es teils Temperamalereien, teils sind sie nach der Auffindung mit einem dicken, gelbgewordenen Firniß überzogen, und nur dieser habe die Meinung erweckt, daß sie enkaustisch hergestellt seien. Dagegen erkennt auch Donner (Beilage d. Münchner Allgem. Ztg. 1888 nr. 180) unter den von Th. Graf in Wien gesammelten Mumienbildern aus Rubajjât in Ägypten (G. Ebers Eine Gallerie antiker Porträts, München 1888) neben einem Temperagemälde enkaustische Malereien an. Er hat Bruchstücke von einigen dieser auf dünnen Tafeln von Sykomorenholz ausgeführten Bildnissen genau untersucht und dabei festgestellt, daß vor einem heißen Eisen meist die mosaikartig neben einander gesetzten Wachsfarben zerschmolzen. In anderen Fällen trat kaum eine Schmelzung der Farben, wohl aber eine starke Bräunung ein. Dann war, wie Donner durch eigene Versuche festgestellt hat, dem Wachs das übliche Temperabindemittel, Eigelb, beigemischt gewesen. Für die Ausführung der Gewänder gibt Donner die Anwendung des Pinsels zu, während er in den Fleischteilen und Haaren, namentlich auch dem Hintergrunde die Spuren des von ihm angenommenen, aber unter den vielen antiken Instrumenten noch nicht nachgewiesenen gezahnten Kestron erkennt. Er sagt: ,Namentlich in dem letzteren (dem Hintergrunde) sieht man die langgezogenen Furchen des gezahnten Cestrums sehr deutlich und lernt sie in der Praxis bald von den Spuren der Pinselhaare unterscheiden‘. Demnach steht jetzt die Anwendung des Pinsels für enkaustische Tafelbilder aus Holz mindestens neben dem Kestron fest. Außerdem lassen die in Ägypten gefundenen Mumienbilder des Berliner Museums eine durch den verschiedenen Untergrund bedingte Technik erkennen. Die auf Leinwand ausgeführten, wie das Bildnis der Aline (Antike Denk. II 13), zeigen nur eine dünne Farbschicht, während die der auf Holz gemalten viel dicker ist (an dem Ohr eines noch in der Mumie befindlichen jugendlichen Männerkopfes mit weitgeöffneten Augen fast reliefartig erhöht). — Älter als die Mumienporträts, welche größtenteils aus dem 2. und 3. Jhdt. n. Chr. stammen, sind verschiedene, besonders auf attischen Grabmälern aus Marmor erhaltene Bilder und Verzierungen. Da die Schmückung der Marmorbauten des 5. Jhdts. v. Chr. durch eingebrannte farbige Ornamente inschriftlich bezeugt ist, so liegt es nahe, die ganz in Malerei ausgeführten alten Stelen, wie die des Lyseas und die den Arzt Aineios darstellende Marmorscheibe (Arch. Jahrb. 1897 Taf. 1). ferner die bemalten Teile von Reliefs, wie der Stele des Aristion, für enkaustisch zu halten. Vielleicht sind auch die einst in Stuckwände eingelassenen (vgl. Plin. XXXV 27, welcher von dem sicher eingebrannten Bilde des Nikias, der Nemea auf einem Löwen, sagt divus Augustus in curia ... inpressit parieti) pompeianischen und herculaneischen ‚Monochrome‘ auf Marmorplatten (s. Alexandros Nr. 107. C. Robert Hallische Winckelmannsprogramme 1895. 1897-1899. 1903) und die besser erhaltenen Farben [2578] an den Sarkophagen von Sidon in derselben Technik ausgeführt, aber technisch und chemisch hat man sie daraufhin noch nicht untersucht. Auch wird sich derartigen Untersuchungen namentlich die Schwierigkeit entgegenstellen, daß gerade auf Marmor von Farben häufig nur ganz schwache, schattenhafte Reste geblieben sind.
Über die wenigen erhaltenen Reste von Malerei auf Elfenbein s. Donner bei Helbig XXVff. und in den Technischen Mitteilungen II 46. Da die Platten aus Elfenbein von Kul-Oba (Antiquités du Bosphore Cimmérien Taf. 79. C. Robert Votivgemälde eines Apobaten, Textvignette, 19) aus der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. v. Chr. nur noch Spuren von Farben zeigen und deshalb nur als ein Denkmal der zeichnenden Kunst in Betracht kommen können, so ist das umfangreichste und am besten bekannte Stück fünf ehemals an einem Kästchen angebrachte Platten im Britischen Museum (Revue archéol. II Taf. XXXII. Cros et Henry 43ff. Fig. 17), welche Aphrodite, Eros, eine Reihe Enten u. a. darstellen. Es zeigt allerdings einen recht späten Stil, gibt aber von dem hier zur Anwendung gekommenen Verfahren, dem Einritzen des Bildes in den Untergrund und dem Ausfüllen der Vertiefungen mit Farben (cloisonné), eine deutliche Vorstellung. Wenn übrigens Plinius (XXXV 147) als Elfenbeinmalerin nur die Iaia von Kyzikos erwähnt, welche im Mannesalter des Varro zu Rom tätig war, so läßt die sehr starke Nachfrage nach Elfenbein gerade in seiner eigenen Zeit und der hohe Preis (VIII 7. 31) darauf schließen, daß die aus ihm hergestellten dünnen Platten (laminae ebd.) mit Vorliebe für kleine, kostbare Tafelbilder verwendet wurden. Die Anfänge der enkaustischen Malerei auf diesem Stoffe werden spätestens bis in die Zeit der polychromen Monumentalplastik in Gold und Elfenbein zurückgehen, während das Färben von elfenbeinernem Pferdeschmuck schon die Ilias (IV 141ff.) als eine kleinasiatische Technik kennt.
Literatur (außer der bereits erwähnten): Caylus Mém. Acad. des inscr. XXVIII 179ff. Welcker Kleine Schriften III 412ff. und in Otfr. Müllers Handbuch³ 453ff. C. Leemanns Mededeeling omtrent de Schilderkunst der Ouden, Amsterdam 1850. Cartier Revue archéol. II 278ff. 365ff. 437ff. F. Winter Arch. Anzeig. 1897, 132ff.