30) Antiochos VII. Euergetes, genannt Sidetes (Jos. ant. XIII 271 nennt ihn Σωτήρ), Sohn des Demetrios I. Soter, jüngerer Bruder des Demetrios II. Nikator. Er war geboren im J. 164 (denn 129 starb er im Alter von 35 Jahren, Euseb. chron. I 255). In der pamphylischen Stadt Side war er aufgewachsen (daher sein Beiname Sidetes). Als im J. 138 sein Bruder Demetrios in die Gefangenschaft der Parther geraten war, brach er (16 Jahre alt) von Side auf und ging nach Syrien, um an Stelle des Bruders die Herrschaft zu gewinnen. Zunächst galt es, den Usurpator Tryphon zu beseitigen (vgl. Nr. 29). Nachdem er durch die Vereinigung mit Kleopatra Thea, der Frau seines Bruders, die aus Eifersucht auf die Ehe des Demetrios mit der Partherin Rhodogune (Appian. Syr. 68) ihm von Seleukeia in Pieria aus Hand und Thron angeboten hatte, an Ansehen und Macht gewachsen war, drängte er den Tryphon nach Dora an der phoinikischen Küste zurück und belagerte ihn. Tryphon entkam aber nach Apameia, wurde hier wiederum belagert und verlor dabei sein Leben (I Makk. 15. Jos. ant. XIII 218ff. Strab. XIV 668. Appian. Syr. 68. Iust. XXXVI 1, 8). Aus den nächsten Jahren liegen keine genaueren Nachrichten vor. Nach Iust. XXXVI 1, 9 hat A. sie darauf verwendet, die Länder und Städte, die von seinem Bruder Demetrios abgefallen und zum Tryphon übergegangen waren, wieder mit dem Reiche zu vereinen. Aus Iust. XXXVIII 10, 1 ist zu
[2479] schliessen, dass seine Regierung voll von Kampf und Streit gewesen ist (exercitum quem multis finitimorum bellis induraverat). Im 4. Jahre seines Königtums, dem 1. Jahre des Hohenpriesters Johannes Hyrkanos (= 135 v. Chr.), zog A. gegen Iudaea zu Felde, das in letzter Zeit manche Eroberungen auf Kosten der Seleukiden gemacht hatte. Schon früher, als er noch mit Tryphon in Streit lag (138), hatte er seinen Feldherrn Kendebaios gegen den Makkabaeer Simon ausgesandt. Simon hatte ihm aber eine Niederlage beigebracht (I Makk. 15, 38. 16, 1ff. Jos. ant. XIII 225ff.). Jetzt hatte der König besseren Erfolg. Er schloss Hyrkanos in Jerusalem ein und begann die Stadt zu belagern. Diese Belagerung muss mindestens ein Jahr gewährt haben, da in ihrem Anfang der Untergang der Pleiaden (November), in ihrem Ende das Laubhüttenfest (October) erwähnt wird. Da der Einfall sicher 135 geschah (s. o,), kann die Belagerung frühestens Ausgang 134 ihr Ende gefunden haben (wenn damals, so wäre bei Euseb. a. O. Z. 37 Ol. 161, 3 statt 162, 3 zu schreiben, ebenso Jos. ant. XIII 236 161 statt 162). Doch fehlt es für das absolute Datum an einem festen Anhaltspunkt. Die Juden mussten die Waffen ausliefern, für Ioppe und die anderen auswärtigen Eroberungen Tribut zahlen, Geiseln stellen und 500 Talente bezahlen. Die Mauern Jerusalems wurden geschleift (Diod. XXXIV 1. Jos. ant. XIII 236-248. Iust. XXXVI 1, 10. Euseb. a. O.). Wenn die Juden für die auswärtigen Eroberungen Tribut zahlen sollten, so werden diese selbst in ihren Händen belassen sein, aber die Oberhoheit der Seleukiden über diese Gebiete war damit ausgedrückt. In Ioppe wurde eine makedonische Garnison stationiert (vgl. Jos. ant. XIV 250; anders Viereck Sermo graecus 106). Die Bitte des Hyrkanos an den römischen Senat, dafür zu sorgen, dass diese Besitzungen den Juden zurückerstattet würden, fand zunächst keine Berücksichtigung (Jos. ant. XIII 259-266; vgl. v. Gutschmid Litt. Centralbl. 1874, 1259ff.). Da A. den jüdischen Glauben unangetastet liess, nannten ihn die Juden natürlich Εὐσεβής (Jos. ant. XIII 244; c. Apion. II 82: Pius). Im J. 130 (Orosius V 10, 8. Obseq. 28; vgl. v. Gutschmid Gesch. Irans 77, 1) unternahm A. einen gewaltigen Kriegszug gegen die Parther, aus deren Gefangenschaft sein Bruder Demetrios schon zweimal durch die Flucht zu entrinnen vergeblich versucht hatte. Es war dies der letzte Versuch der Seleukiden, die Parther zurückzuwerfen. Als er mit 80 000 Kriegern, ausserdem 200 000 Mann Tross (nach Diod. XXXIV 17 im ganzen 300 000) nach dem Osten zog, schlossen sich ihm viele orientalische Kleinkönige an, die das drückende Partherjoch abzuschütteln suchten. Durch drei glückliche Schlachten über die Feldherrn des Phraates II. (eine am Lykos, dem oberen Zab, über Indates, Jos. ant. XIII 251) gewann er Babylonien. Der Eindruck dieser Erfolge war so gross, dass alle von den Parthern unterworfenen Völker sich ihm anschlossen, und die Parther auf ihr Stammland zurückgeworfen wurden. A. hat damals den Titel eines Grosskönigs angenommen (Dittenberger Syll. 244. 245: βασιλέως μεγάλου Άντιόχου; ungenau Iust. XXXVIII 10, 6: Magnus haberi coepit). Das Winterquartier wurde in Medien bezogen (vgl. [2480] Athen. X 439 e). Anfang 129 liess ihm Phraates Friedensanerbietungen machen. A. forderte die Auslieferung des Bruders, die Abtretung der eroberten Reiche und Tribut für Parthien selbst (Diod. XXXIV 15). Phraates antwortete, indem er ihm mit 120 000 Mann entgegenzog (hier setzt Euseb. a. O. ein, sein Datum ist also richtig; anders v. Gutschmid a. O.). Zugleich entliess er den Demetrios aus der Haft, damit er in Syrien als Praetendent gegen A. auftrete. Inzwischen hatten sich die syrischen Truppen in ihren weit zerstreuten Quartieren durch ihre Zuchtlosigkeit gründlich verhasst gemacht, so dass mehrere orientalische Bundesgenossen wieder zum Parther übergingen und schliesslich an einem verabredeten Termin gleichzeitig über die syrischen Detachements herfielen. Als A. dem ihm nächsten Truppenteil zu Hülfe kommen wollte, begegnete er dem Phraates (Iust. XXXVIII 10, 8-9). Gegen den Einspruch seiner Freunde nahm A. tollkühn auf ungünstigem Terrain die Schlacht gegen die erdrückende Übermacht an (Diod. XXXI V 16. Euseb. a. O.). A. kämpfte mit hervorragender Tapferkeit, verlor aber Schlacht und Leben (Anfang 129; Diod. XXXIV 17. Jos. ant. XIII 253. Iust. XXXVIII 10, 9-10. Appian. Syr. 68. Euseb. a. O.). Er endete nach neunjähriger Regierung (138-129, Euseb. a. O.). Sein gesamtes Heer, auch das in den Winterquartieren, wurde niedergemacht. Phraates erwies der Leiche königliche Ehren (Iust. a. O. Poseidon. FHG III 259) und schickte sie in einem silbernen Sarge nach Syrien. Die demonstrative Trauer, die Alexandros Zabinas bei ihrer Ankunft daselbst zeigte, diente zur Bestätigung der Legende, dass dieser ein Adoptivsohn des A. sei (Iust. XXXIX 1, 6). A. war ein echter Seleukide gewesen, indem er persönliche Tapferkeit und kriegerischen Sinn mit dem Hang zu Wohlleben und Üppigkeit verband (Poseidon. FHG III 257. 259). A. hatte von der Kleopatra fünf Kinder. Die beiden ersten, zwei Laodiken, und der älteste Sohn, A., starben an einer Krankheit. Der vierte, Seleukos, geriet in Gefangenschaft der Parther. Der fünfte war A. IX. Kyzikenos (Euseb. chron. I 257).
Litteratur : Flathe Gesch. Macedoniens II 660ff. Stark Gaza 339ff. v. Gutschmid Iran 75ff. Babelon Rois de Syrie CXL ff.