Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde Nr. 7

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Autor: Oskar Dähnhardt, Kaarle Krohn, Bruno Markgraf
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Titel: Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde Nr. 7
Untertitel: Korrespondenzblatt
aus: Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde
Herausgeber: Oskar Dähnhardt
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: Juli 1908
Verlag: Richard Hahn (H. Otto)
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: d-g-v.org, Commons
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[1]
Mitteilungen
des Verbandes deutscher Vereine
für Volkskunde
Nr. 7. (Korrespondenzblatt) Juli 1908.
Programm
der zweiten Tagung des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde

Die zweite Tagung des Verbandes wird am

2. und 3. Oktober 1908 in Berlin

mit folgendem Programm stattfinden:


Freitag, am 2. Oktober, abends 7½ Uhr:

Begrüßung mit Vorführungen volkskundlicher Art in der Ressource zur Unterhaltung, Oranienburger Str. 18, nahe dem Monbijouplatz und dem Stadtbahnhof Börse.


Sonnabend, am 3. Oktober, vormittags 10 Uhr:

Geschäftliche Beratung der Abgeordneten in der Ressource:

  1. Geschäfts- und Rechnungsbericht des Ausschusses.
  2. Bericht über die Aufzeichnung der deutschen Volkslieder.
  3. Bericht über die geplante Sammlung von Zauberformeln.
  4. Frage der Zeitschriftenschau.
  5. Denkschrift und Petition an den Reichskanzler.
  6. Frage der Angliederung an den „Internationalen Bund folkloristischer Forscher FF.“
  7. Wünsche und Anträge.
  8. Zu 1 und 2 beantragt der Ausschuß: Die eingesetzten Ausschüsse bleiben bestehen. Bis zur Errichtung einer Zentralstelle für Volkskunde sind die Manuskripte an die betreffenden Vorsitzenden einzusenden.
  9. Nächster Verbandstag. Vorschlag des Ausschusses: 1909 in Graz, im Anschluß an den dort stattfindenden Ersten Kongreß für sachliche Volkskunde.
  10. Neuwahl des Ausschusses.

[2] An diesen Verhandlungen können nach § 8 der Satzungen auch nicht abgeordnete Mitglieder der Einzelvereine und Anstalten mit beratender Stimme teilnehmen.


Um 12 Uhr: Kleine Vorträge.
  1. Vortrag des Herrn Professor Dr. Hauffen aus Prag: Über das Volkslied in Österreich und seine vorbereitete Herausgabe.
  2. Vortrag des Herrn Pfarrer Dr. Schullerus aus Hermannstadt.


Um 5½ Uhr: Öffentliche Versammlung in der Ressource:
  1. Einleitende Ansprache des Herrn Professor Dr. Mogk.
  2. Vortrag des Herrn Professor Dr. Siebs-Breslau.


Nach den Vorträgen Festmahl und darauf volkskundliche Aufführungen.

Anmeldungen zur Teilnahme werden bis zum 12. September bei der Verlagshandlung Behrend & Co., Berlin W. 64, Unter den Linden 16, erbeten, und zwar unter Beifügung von 4 Mk. für die Person, wofür das trockene Gedeck beim Festessen und die volkskundlichen Vorstellungen geboten werden. Genaue Angabe der Adresse ist wegen Übersendung der Festkarte notwendig. An die Firma Behrend & Co. bitten wir auch alle etwaigen Anfragen zu richten.

Die Teilnahme am Verbandstage steht Herren und Damen frei. Für die Führung durch Museen und zu sonstigen Sehenswürdigkeiten wird gesorgt sein. Wie der Verein für Volkskunde in Berlin mitteilt, hat Seine Exzellenz der Herr Minister des Unterrichts gern in Aussicht genommen, einen Vertreter zum Verbandstage zu entsenden. Der genannte Verein wird später noch ein genaueres Programm an die Verbandsvereine senden und ihnen auf Wunsch jede erforderliche Zahl von Exemplaren zuschicken.

Der geschäftsführende Ausschuß
des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde
.


Alterthümliche rechtssymbolische Handlung bei Vollzug der Strafe für Rechtsverweigerung.

[Der Beitrag von Bruno Markgraf (1869–1952) ist erst ab dem 1. Januar 2023 gemeinfrei und kann deshalb hier nicht wiedergegeben werden.]

[5]
Lic. Dr. Markgraf-Leipzig.

Erster Kongreß für sachliche Volkskunde
September 1909 in Graz.

Aus einem Aufruf, den Herr Hofrat Dr. Schuchardt und Herr Professor Dr. Meringer von Graz aus im Januar dieses Jahres versandt haben, teilen wir folgendes mit:

„Im September 1909 findet in Graz die 50. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner statt. Dieser wichtige Gedenktag gibt Veranlassung, den Blick auf Vergangenheit und Zukunft zu lenken.
Schon Jakob Grimm hat „Wörter“ und „Sachen“ in einem Atem genannt, aber erst die letzten Jahre haben zur klaren Erkenntnis geführt, daß die Sprachforschung der Sachforschung als notwendiger Ergänzung bedarf, daß die Etymologie der Kenntnis der „Sachen“ nicht entraten kann, daß das, was die Archäologie für die klassische Philologie bedeutet, in entsprechender Weise auch für die anderen philologischen Disziplinen geschaffen werden muß.
Die sachliche Volkskunde bietet dazu die Mittel. Deshalb wollen die Unterzeichneten als Ergänzung des Arbeitsplanes der 50. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner die Bildung einer Sektion beantragen, welche die Forschungen über die „Urbeschäftigungen“ (Ackerbau, Fischerei, Hirtenwesen), über das Haus und seine Geräte sowie über die im Hause geübten Techniken (Nähen, Spinnen, Flechten, Weben usw.) zum Gegenstande ihrer Verhandlungen machen soll.
Die Beschränkung auf diese Teile der allgemeinen Volkskunde ist darin begründet, daß die berührten Fragen zurzeit im Mittelpunkte des Interesses – auch für die Schule – stehen, sowie ferner darin, daß es unmöglich ist, der ganzen ungeheuren Reichhaltigkeit der Volkskunde in dem gegebenen Rahmen gerecht zu werden. Die Bildung einer eigenen Sektion für die sachliche Volkskunde empfiehlt sich auch deswegen, weil ihre Gegenstände nicht wie die geistigen Erzeugnisse der Volksseele (Sagen, Märchen, Bräuche usw.) in den anderen Sektionen zur Besprechung gelangen können.“

Wie wir hören, ist inzwischen eine genügende Anzahl Zustimmungserklärungen bei den Herren Verfassern dieses Aufrufes eingelaufen, so daß die Bildung einer besonderen Sektion gesichert erscheint. Wir begrüßen den außerordentlich dankenswerten Plan als einen neuen Schritt vorwärts und bitten die Mitglieder des Verbandes, die Sache der Grazer durch zahlreiche Beteiligung zu unterstützen.


[6] Wie im letzten Hefte unserer Mitteilungen bekannt gegeben wurde, ist der Plan einer internationalen Vereinigung aller Vereine für Volkskunde im Werke. Dieser Plan ist durch unsere finnischen und skandinavischen Fachgenossen zur Tat geworden. Die folgenden Abschnitte bringen die Aufgaben und Ziele der Vereinigung.

Erste Mitteilung des folkloristischen Forscherbundes „FF“.

Die Sammeltätigkeit auf dem volkskundlichen (folkloristischen) Gebiete während der letzten Jahrzehnte hat eine unübersehbare Masse wissenschaftlichen Materiales zusammengebracht. Nicht nur die intensive Arbeit organisierter Gesellschaften, sondern auch die Leistungen einzelner Personen weisen staunenswerte Resultate auf. Brauche ich den Namen des größten Sammlers deutscher Volkskunde, Dr. Richard Wossidlos, zu nennen, welcher in der anspruchlosen Stellung eines Gymnasiallehrers in der kleinen Stadt Waren über 700 Landsleute zur Aufzeichnung mecklenburgischer Überlieferungen angefeuert hat? Oder soll ich des verstorbenen estnischen Pastors Dr. Jacob Hurts erwähnen, welcher über 100 000 Seiten Manuskript von zirka 1000 helfenden Händen hinterließ?

Daß dieser fast unendliche Reichtum von Dokumenten eine breite und feste Grundlage für die vergleichende Volkskunde bilden wird, ist eine augenscheinliche und erfreuliche Tatsache. Andererseits aber wirkt derselbe auf den gewissenhaften Forscher beinahe erdrückend. Kaum vermag er die angehäuften Materialien seines eigenen Volkes zu bewältigen. Wie soll er da hoffen, den rastlosen Fortschritten der Sammeltätigkeit in den verschiedensten Ländern und Sprachen gebührend folgen zu können? Schon die Anschaffung der zerstreuten Drucksachen ist heutzutage ein schwieriges Unternehmen. Aber der bei weitem größte Teil des Stoffes ist bloß handschriftlich in einem Exemplare an einem Orte vorhanden, und es werden gewiß mehrere Menschenalter vergehen, ehe die Kräfte und Kosten zur Herausgabe der immer wachsenden Masse beschafft worden sind. Einem Volkskunder (Folkloristen), welcher nicht über unbegrenzte Mittel und Zeit verfügt und ein ungewöhnliches Sprachtalent besitzt, bleibt somit nur ein Ausweg übrig: der Beistand seiner Mitforscher.

Wie ist aber dieser Beistand zu erlangen? An wen darf man sich wenden? Wie weit darf man es wagen einen anderen zu belästigen? Wie soll man seine Mühe und Unkosten vergüten? Diese Bedenken haben wohl manchen feinfühligen Forscher abgeschreckt, und nicht ohne Ursache. Schwerlich kann man einem stark beschäftigen Wissenschaftsmann zumuten, daß er jederzeit bereit sei, für fremden Bedarf eine Menge Handschriften durchzustöbern und außerdem für Abschreiber und Übersetzer zu sorgen. Aber ohne diese Voraussetzung ist eine wirkliche und rechtzeitige Hilfe bei einer wissenschaftlichen Arbeit kaum denkbar.

Als ich im vergangenen Juni mit dem ausgezeichneten Forscher und Lehrer der Volkskunde an der Universität zu Kopenhagen, Dr. Axel Olrik, die Besorgnisse unserer Wissenschaft besprach, kamen wir zu dem Resultate, daß ein internationaler Verein zu gegenseitigem Beistand gegründet werden müßte. In erster Linie galt es uns, die Vermittlung von Abschriften, Auszügen und Übersetzungen von Handschriften und schwer zugänglichen Druckwerken zu ordnen. Diese wäre möglich durch einen Lokalverein in jedem Lande, welcher über [7] Studierende oder andere nicht allzuteure Arbeitskräfte verfügte, um aus den ihm zugänglichen Sammlungen das gewünschte aussuchen, abschreiben, eventuell auch übersetzen zu lassen, welcher außerdem bereit wäre, die Bestellungen seiner eigenen Mitglieder an andere Lokalvereine zu vermitteln und nötigenfalls für dieselben zu bürgen. Schon wegen des letzterwähnten Risikos, aber auch um leichtfertige Bestellungen zu verhindern, müßte von jedem Mitgliede des Lokalvereins eine mäßige Eintrittsabgabe ein für allemal entrichtet werden. Einige Bestimmungen gegen Mißbrauch des für wissenschaftliche Forschungen anvertrauten Materiales sollten auch festgestellt werden, vor allem, um Gesamtpublikationen aus fremden Sammlungen ohne besondere Bewilligung vorzubeugen.

Vorläufig wäre es nicht nötig, von einem Lokalvereine und seiner Verwaltung, um die Gründung derselben bei weniger günstigen Verhältnissen nicht zu erschweren, mehr als diese Vermittlung des Austausches von Materialien zu fordern. Ihr eigenes Interesse für die Sache würde sie allmählich schon dazu führen, die Sammlungen eines Landes soweit wie möglich an einem Aufbewahrungsorte zusammenzubringen und dieselben inhaltlich zu ordnen, damit nicht ein jeder Besteller immer von neuem die Durchsuchung des gesamten zerstreuten und chaotischen Materiales zu bestreiten brauchte. Die Kataloge könnten zu allererst die verschiedenen Arten der an einem Orte aufbewahrten Volksüberlieferungen angeben mit Verweisen auf Nummern oder Seiten. Nach und nach müßten aber noch Verzeichnisse der verschiedenen Themata ausgearbeitet werden. Das Bedürfnis gegenseitigen Beistandes würde der beste Ansporn zum Wetteifern in systematischem Ordnen sein.

Ein Bund der Lokalvereine könnte ferner auf die wissenschaftlichen Ausgaben der volkskundlichen Materialien Einfluß haben, sowohl in der Beförderung einheitlicher Pläne als in der Überwindung sprachlicher Schwierigkeiten. Daß auf die Früchte der Sammeltätigkeit die Landsleute, die sich an der Arbeit beteiligt haben, das nächste Anrecht haben, ist natürlich und unbestreitbar, denn ohne Publikationen in der heimischen Sprache wird das Interesse für die Volkskunde nicht aufrechterhalten. Auch gibt es Überlieferungen, besonders die metrischen, welche jedenfalls in der Originalsprache veröffentlicht werden müssen. Aber es könnte sogar im letzteren Falle ein Referat in einer Weltsprache beigefügt werden, wie z. B. in den drei Bänden der setukesischen Lieder von Dr. J. Hurt, in welchen den 736+710+474 Seiten estnischer Dialekttexte eine ausführliche Inhaltsangabe von 88+168+137 Seiten in deutscher Sprache folgt. Jetzt erwägt man ernstlich in Hinsicht auf die zirka 20 000 finnischen und 10 000 estnischen Märchenvarianten, ob es nicht am zweckmäßigsten wäre, dieselben, wie auch alle übrigen Märchen der Welt, in einer den Fachmännern allgemein zugänglichen Sprache möglichst kurz referiert herauszugeben und in der Originalsprache bloß eine Auswahl der besten Aufzeichnungen in extenso zu drucken. Ohne über Geldmittel zu verfügen, könnte der Bund in dieser Richtung manches wirken, indem er durch Erteilung seiner Signatur die Aufmerksamkeit der Forscher auf Publikationen lenkte, die dem Zwecke des Bundes entsprechen, und somit den Absatz derselben erleichterte.

Schließlich müßte der Bund für die Hebung der Volkskunde auf das Niveau einer streng geschulten Disziplin und für die Einführung dieser Wissenschaft als Studienfach an den Universitäten arbeiten. In Kristiania bekleidet Moltke Moe mit Ehren eine Professur der „Volkstradition und mittelalterlichen Literatur“. An der Universität zu Helsingfors sind während der letzten Jahre nicht wenige Kandidaten- und Lizentiatenexamina in der durch eine e. o. [8] Professur vertretenen „finnischen und vergleichenden Volksdichtungsforschung“ besonders von Lehrern der Muttersprache und der Landesgeschichte abgelegt worden. In Kopenhagen hat Dr. Olrik als Vertreter der „nordischen Volkskunde“ ein sichtbares Interesse unter den Studenten erweckt; es bedarf bloß des Examensrechtes, um die hohe Stellung dieser Wissenschaft seit Sv. Grundtvig auch in der Zukunft für Dänemark zu sichern. Ebenso würde die deutsche Volkskunde, welche auf die Initiative der Gebrüder Grimm und die Vorarbeiten Reinhold Köhlers hinweisen kann, sich noch kräftiger entwickeln, wenn ihre hervorragenden Vertreter mehr Gelegenheit hätten, die studierende Jugend an den Universitäten anzuregen und anzuleiten.

An der Ausarbeitung der folgenden Statuten hat ein junger, für die Volkskunde energisch arbeitender Schwede, C. W. von Sydow, teilgenommen. Einige Verbesserungen verdanken wir den gütigen Bemerkungen des Herausgebers der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde in Berlin, Dr. J. Boltes. Vorschläge zu Änderungen und Anmeldungen gegründeter Lokalvereine können vorläufig an einen der Unterzeichner der Statuten des Bundes gesandt werden.

Helsingfors, den 23. Nov. 1907. Kaarle Krohn.

Statuten des Bundes „FF“.

§ 1. Der Name des Bundes wird bezeichnet durch „FF“ (Folklore Fellows, Folkeminde-Forskere, Fédération des Folkloristes, Folkloristischer Forscherbund).

§ 2. Der Bund verfolgt den Zweck:

a) den Forschern volkskundliches (folkloristisches) Material aus den verschiedenen Ländern zugänglich zu machen und Kataloge derartiger Sammlungen herauszugeben;

b) die Herausgabe wissenschaftlich befriedigender Veröffentlichungen volkskundlicher (folkloristischer) Materialien in einer leicht zugänglichen Sprache oder mit Referaten in einer solchen zu fördern.

§ 3. Durch Vermittlung des Bundes können Abschriften, Auszüge und Übersetzungen von Handschriften und schwer zugänglichen Druckwerken aus öffentlichen und, soweit wie möglich, auch aus privaten Sammlungen beschafft werden.

§ 4. Das von dem Bunde besorgte Material darf ohne besondere Erlaubnis nicht zu anderen Zwecken als wissenschaftlicher Forschung benutzt werden (NB. nicht für Gesamtpublikationen). Wird Material verlangt, das gelegentlich zu einer wissenschaftlichen Arbeit im eigenen Lande verwendet werden soll, ist der Vermittler berechtigt, dasselbe während einer bestimmten Zeit zurückzuhalten.

§ 5. Für jedes Land, das im Bunde durch Mitglieder vertreten ist, soll eine Lokalverwaltung oder ein Vertreter eingesetzt werden, der die Bestellungen des Materials vermittelt.

§ 6. Beim Beitritt zu dem Bunde sind als Beitrag zur Bestreitung der laufenden Ausgaben des Bundes und zur Deckung des Risikos, das die Lokalverwaltung oder der Vertreter bei Bestellungen übernimmt, an diese ein für allemal 10 Franks zu entrichten.

§ 7. Die Mitteilungen des Bundes werden allen Mitgliedern unentgeltlich zugestellt. Bei Abschrift leicht leserlicher Originale wird für 1000 Buchstaben zirka 0,35 frk. oder zirka 1 frk. für die Arbeitsstunde bezahlt. Das [9] Kollationieren und Aufsuchen wird mit höchstens 1½ frks. für die Stunde honoriert. Dasselbe gilt von Kopien schwer lesbarer Originale und übersetzungen (NB. literarisch verwendbare Übersetzungen nach Übereinkunft). In größeren Städten kann bei weiter Entfernung und beschränkter Zugänglichkeit der Abschreibestellen eine entsprechende Vergütung des Zeitverlustes festgesetzt werden.

§ 8. Ein Redaktionsausschuß von drei Personen veröffentlicht Mitteilungen über die handschriftlichen Sammlungen und den Stand ihrer Benutzung.

§ 9. Dieser Ausschuß ist befugt, Publikationen, die dem Zwecke des Bundes entsprechen, die Signatur des Bundes zu erteilen. Fürs erste werden „International series“ und „Northern series“ der „FF publications“ herausgegeben, letztere Serie umfaßt das skandinavische und finnisch-estnische Material. Neue Serien können mit Hilfe der Lokalverwaltungen von dem Redaktionsausschuß veranstaltet werden.

§ 10. Der Redaktionsausschuß wird alle drei Jahre auf einem allgemeinen Kongreß oder durch schriftliche Abstimmung mit einer Stimme für jede Lokalverwaltung bezw. jeden Vertreter gewählt. Auf ähnliche Weise wird über Änderung der Satzungen des Bundes abgestimmt, zu welcher stets eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich ist.

Axel Olrik.
Dansk Folkemindesamling,
Kopenhagen.
C. W. von Sydow.
Ronneby,
Schweden.
Kaarle Krohn.
Helsingfors,
Finland.

„FF“ publications Northern series 1.

Die Signatur des Bundes hat der interimistische Redaktionsausschuß den erwähnten drei Bänden estnischer Lieder von J. Hurt erteilt. Ihr vollständiger Titel lautet lateinisch:

Monumenta Estoniae antiquae vel Thesaurus antiquus, carmina, sermones, opiniones aliasque antiquioris aevi commemorationes Estonorum continens. Permultis sociis adjuvantibus collegit et edidit Dr. Jacobus Hurt. Pars prima: Carmina popularia. Volumen primum, secundum, tertium. Helsingforsiae, sumptibus et typis Societatis Litterarum Fennicae 1904–7. Im ganzen LXXVIII+1920 (estnisch)+393 (deutsch)=2401 Seiten Großoktav. Preis 16+16+10=42 franks.

Zu dem ermäßigten Preis von bloß 30 franks (inklusive des bedeutenden Postportos) wird dieses alle Lieder der s. g. Setukesen umfassende Werk den Mitgliedern des Bundes „FF“ durch die finnische Lokalverwaltung unter Kreuzband zugesandt.

„FF“ publications Northern series 2.

Hjalmar Thuren, Folkesangen paa Færøerne (The folksong in the Faeroe Islands, with an excerpt in german) Kopenhagen 1907.

Wird den Mitgliedern des Bundes „FF“ ebenfalls zu ermäßigtem Preis von der dänischen Lokalverwaltung zugesandt.


[10]

Zur Förderung der Volkskunde.

Zweierlei fruchtbare Gedanken sind es, die in der vorliegenden Nummer unseres Korrespondenzblattes zum Ausdruck gebracht sind, der eine vom Norden her, der andere vom Süden, beide in gleicher Weise geeignet, dem jugendlichen Tatendrang der Volkskunde mächtig Vorschub zu leisten: der Länder-Zusammenschluß wissenschaftlicher Arbeit und die Förderung der sachlichen Volkskunde.

Wenn es mir erlaubt ist, ein paar Worte aus dem Stegreif dazu zu sagen, so kann ich den Plan des internationalen Bundes aus eigener Erfahrung nicht anders bezeichnen als eine erlösende Tat. Nichts ist für den Volksforscher so schwierig, wie die Beschaffung ausländischer Materialien. Hätte ich nicht das wirklich seltene Glück gehabt, für meine Natursagen freundliche Helfer zu finden, das Werk wäre kläglich gescheitert. Zwar ist mir die Enttäuschung, im Stich gelassen zu werden, nicht erspart geblieben, und die oben berührte Frage, inwieweit es zulässig ist, andern mit seinen Wünschen zur Last zu fallen, hat mich oft in ihrer ganzen peinlichen Schwere bedrückt; aber andererseits entschädigte die Hilfsbereitschaft williger Freunde in reichlichem Maße. Wieviel mehr jedoch kann ein Bund zu gegenseitiger Unterstützung leisten! Wie manchem mitstrebenden Forscher mag er den Weg zu vergleichenden Studien ebenen, wie manchen noch abseits stehenden gewinnen! Und welchen Aufschwung unserer Wissenschaft darf man erwarten, – nicht nur von der erhöhten Teilnahme der Fachgenossen, sondern vor allem auch von der Erschließung unentbehrlicher Quellen! Das läßt sich vorläufig nur ahnen.

Näher liegen die Ziele, die sich aus der Förderung der sachlichen Volkskunde ergeben. Ich knüpfe an den Grazer Kongreß sehr weitgehende Hoffnungen und wünsche von Herzen, daß diesem vielverheißenden Anfang eine ununterbrochene Reihe erfolgreicher Tagungen folgen möge.

Aber höher noch, als der wissenschaftliche Wert dieses ersten Kongresses, steht mir seine pädagogische Bedeutung, insofern er seine Tätigkeit dem Arbeitsplan der 50. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner angliedert und über Fragen verhandelt, die „im Mittelpunkt des Interesses – auch für die Schule – stehen“. Mit dieser Rücksicht auf die Schule wird eine Forderung erfüllt, die seit Jahren – je öfter, je überzeugender – erhoben worden ist: die Volkskunde für den Unterricht nutzbar zu machen. Als ich im Jahre 1899 in der „Zeitschrift für den deutschen Unterricht“ ein paar Anregungen in dieser Richtung gab und dann in der Bearbeitung des Hieckeschen Lesebuchs für höhere Schulen im Verein mit Rudolf Hildebrandts gleichgesinntem Freunde Georg Berlit für volkskundlichen Lesestoff sorgte, da hieß es wohl hier und da: die Zeit ist noch nicht gekommen, die Wissenschaft zu jung. Seitdem ist eine Periode angestrengter Arbeit verstrichen, die Volkskunde hat sich in raschem Aufschwung entwickelt, und eine Anzahl prächtiger, auch den Fernerstehenden fesselnder Werke ist erschienen. Kein Wunder, daß die Losung: mehr Volkskunde in der Schule! jetzt lauter ertönt denn je, und daß z. B. der Verein für Sächsische Volkskunde für den nächsten Winter eine Reihe von Vorträgen über Volkskundliches in der Schule plant. Ein höchst dankenswertes Unternehmen! Denn wer die Jugend hat, dem gehört die Zukunft. Und ich bin fest überzeugt, daß das Heil der Volkskunde vorzugsweise auf der Schule beruht. Aber andererseits meine ich, daß es mit Kongressen und Vorträgen nicht getan ist. Anregungen, die man durch [11] solche empfängt, verflüchtigen sich allzu leicht; die Zahl der Hörer ist verhältnismäßig klein; und gerade die, die man gewinnen möchte, sind ausgeblieben.

Was wir brauchen, sind literarische Hilfsmittel, die ausschließlich für das Bedürfnis der Schule zugeschnitten sind.

Ich selbst beschäftige mich seit Jahren mit den Vorarbeiten zu einem umfangreichen illustrierten Werke „Bilder aus der deutschen Volkskunde“, das ich nach Vollendung des Manuskriptes von Band 3 und 4 meiner Natursagen, vermutlich im Laufe des nächsten Jahres, energisch in Angriff nehmen werde. Es soll nach Art der Grubeschen Charakterbilder abgerundete, dem jugendlichen Geschmack und Verständnis angepaßte Darstellungen aus dem Gesamtgebiete der Volkskunde darbieten. Eine Monographie über das Märchen in Teubners Sammlung „Aus Natur und Geisteswelt“ soll als selbständige Ergänzung erscheinen. Solche Bücher müßten, denk ich, recht nach dem Herzen der Schüler sein. Wie wenig dazu gehört, deren Interesse für Volkskunde zu wecken, das hat mich ein kleines Erlebnis gelehrt. Es war in Obersekunda, wo ich für Schülervorträge nur geringe selbständige Arbeit verlange. Ich bot unter verschiedenen Auswahlthemata auch ein sehr einfaches an: ein Referat über Höflers in der „Zschr. f. Vk.“ erschienenen Aufsätze über Festgebäcke. Allgemeines Schütteln des Kopfes, verdutzt lächelnde Gesichter, leises Schaudern! Man wußte offenbar nicht, was man damit anfangen sollte. Endlich erbot sich ein armer Schlucker, der wohl nichts weiter fühlte, als daß seine schwache Kraft für ein solches Referat ausreichte. Und siehe da! Der Versuch glückte. Selten sind meine großstädtischen jungen Herren so aufmerksam gewesen, wie damals, als sie zum erstenmal von Speiseopfern und Gebildbroten hörten. Ähnlich ist es mir oft gegangen, wenn ich mich auf Lieblingsgebiete meiner Spezialstudien verirrte oder – wie der Schüler sagt – ins Kohlen kam. Man darf für gewiß annehmen, daß auf jeder Altersstufe des Gymnasiums eine sehr lebhafte Auffassung für alles, was Volkstum heißt, vorhanden ist. Es fehlt nur an geeigneten Büchern, die die Jugend in dieses Gebiet einführen könnten.

Aber auch der Lehrer bedarf der Hilfsmittel, um jederzeit das nötige Material zur Hand zu haben.

Wenn ich an die Lektüre der höheren Schulen denke, – wie oft und wie ungezwungen lassen sich da Ausblicke auf volkskundliche Themata geben! Und wie wenige wissen in diesen Dingen Bescheid! Es ist ja das Unglück der Volkskunde, daß ihre Literatur über alle Beschreibung mühselig zusammenzuholen ist! Wer hätte Zeit und Lust dazu! Wenn schon in einer großen Bibliothek wie in Leipzig eine so reichhaltige Zeitschrift wie die „Revue des traditions populaires“ fehlt, vieler Einzelwerke nicht zu gedenken, – was soll man gar von den Kollegen in kleinen Städten erwarten, wo weniger als nichts zu haben ist? Und wieviel Material aus älterer Zeit ruht versteckt in Zeitschriften, wie dem „Globus!“ Wer will die Bände alle durchsehen, wer sich Zettelkästen anlegen, die sich nur langsam und spärlich füllen werden?

Ich halte es daher für eine der dringendsten Aufgaben der kommenden Jahre, daß uns außer einem methodischen Handbuch über „Volkskunde und Gymnasialunterricht“ volkskundliche Kommentare nicht nur zu deutschen Lesebüchern, sondern auch zu den wichtigsten Schriftstellern geliefert werden. Vorarbeiten, z. B. über Volkskunde bei Horaz (italienisch), liegen zwar vor, aber doch spärlich. Über Virgil im Mittelalter erfährt der Schüler kaum je etwas. Wozu gibt es Teubners Jahrbücher, in denen [12] bisweilen auch zusammenfassende Referate ohne selbständige Forschung erscheinen? Ist es nicht sehr wesentlich für uns Lehrer, die wir unmöglich in allen Sätteln festsitzen können, Aufsätze zu erhalten, die in einzelnen Teilen womöglich zum Vorlesen in Oberklassen geeignet sind? Ich habe mich gelegentlich durch ein solches Referat über die Hrotsvitforschung so eingehend unterrichtet, wie ich es sonst niemals vermocht hätte! Was aber für germanistische, jedem Akademiker naheliegende Gegenstände gilt, das gilt in erhöhtem Maße von der Volkskunde. Helft nur, ihr Kundigen, und ihr öffnet das Gymnasium eurer Wissenschaft! Wohlgemerkt, eine Belastung bedeutet die immer nur gelegentliche Unterweisung in der Volkskunde nicht, wohl aber eine erfreuliche Abwechslung in dem Einerlei des Unterrichtsbetriebes[WS 1]. Welchen Wert sie für die Kräftigung des Nationalgefühls haben müßte, braucht nicht gesagt zu werden. Jenen ehrlichen Ausruf, den E. H. Meyer einmal von einem Zuhörer vernahm, „daß ihm durch die Volkskunde erst die Augen geöffnet seien über die Heimat und das eigne Leben,“ möchte man so gern auch aus dem Munde eines Schülers hören!

Und noch eins! Wir leben im Zeitalter der Dilettantenphotographie. Kein Schüler, der nicht Lust hätte, mit dem Apparat hinauszuwandern und seine Heimat künstlerisch sehen zu lernen. Wohlan! Lehrt ihn, sie auch volkskundlich zu sehen, und ihr gebt ihm das Köstlichste, was ihr in nationaler und historischer Hinsicht geben könnt. Habt ihr ein Skioptikon in der Schule, so verwendet die Bilder eurer Schüler für Vorträge, die natürlich vor dem Gesamtcötus in der Aula zu halten sind. Der Nutzen lohnt die Mühe reichlich.

Wenn nun in dem obigen Aufruf zur Gründung des internationalen Bundes Professuren für Volkskunde gefordert werden, so scheint mir diese Forderung, wenigstens in Deutschland, erst dann Aussicht auf Erfolg zu haben, wenn das volkskundliche Studium schon auf der Schule vorbereitet und das Interesse für dieses Fach geweckt worden ist. So nur wird die Frage, was sie werden muß: eine Bedürfnisfrage. Was ist heutzutage dem Studenten die Volkskunde! Durchschnittsstudenten kümmern sich um das, wovon sie nie etwas Bestimmtes erfahren haben, in der Regel nicht viel. Gäbe man aber auf der Schule genügende volkskundliche Anregung, so würde manch einer auch auf der Universität und später im Amt ein Herz für diese einzigartige Wissenschaft haben, die ihn das Wort Felix Dahns verstehen lehrt: Das höchste Gut des Mannes ist sein Volk!

Es dürfte somit eine notwendige Pflicht des Verbandes sein, eine Bewegung einzuleiten, die den Endzweck hat, auf Erweiterung der Lehrpläne im volkskundlichen Sinne einzuwirken und auf Einführung eines geeigneten durch Handbücher zu beschaffenden Lehrstoffes zu dringen! Die Verbindung eines Kongresses für Volkskunde mit einer Pilologenversammlung, wie sie in Graz für 1909 geplant ist, erscheint mir als außerordentlich geeignet, die Idee des volkskundlichen Unterrichts zu fördern.

Dr. Oskar Dähnhardt, Leipzig.

Aufforderung.

Diejenigen Verbandsmitglieder, deren Jahresbeitrag noch nicht eingesandt ist, werden gebeten, ihn möglichst sofort an Herrn Dr. Pantenius (Voigtländers Verlag), Leipzig, Hospitalstraße 10, zu entrichten.


Schriftleitung: Dr. Dähnhardt, Leipzig-Gohlis, Marbachstraße 9.
Buchdruckerei Richard Hahn (H. Otto), Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Unterrrichtsbetriebes