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bisweilen auch zusammenfassende Referate ohne selbständige Forschung erscheinen? Ist es nicht sehr wesentlich für uns Lehrer, die wir unmöglich in allen Sätteln festsitzen können, Aufsätze zu erhalten, die in einzelnen Teilen womöglich zum Vorlesen in Oberklassen geeignet sind? Ich habe mich gelegentlich durch ein solches Referat über die Hrotsvitforschung so eingehend unterrichtet, wie ich es sonst niemals vermocht hätte! Was aber für germanistische, jedem Akademiker naheliegende Gegenstände gilt, das gilt in erhöhtem Maße von der Volkskunde. Helft nur, ihr Kundigen, und ihr öffnet das Gymnasium eurer Wissenschaft! Wohlgemerkt, eine Belastung bedeutet die immer nur gelegentliche Unterweisung in der Volkskunde nicht, wohl aber eine erfreuliche Abwechslung in dem Einerlei des Unterrichtsbetriebes[WS 1]. Welchen Wert sie für die Kräftigung des Nationalgefühls haben müßte, braucht nicht gesagt zu werden. Jenen ehrlichen Ausruf, den E. H. Meyer einmal von einem Zuhörer vernahm, „daß ihm durch die Volkskunde erst die Augen geöffnet seien über die Heimat und das eigne Leben,“ möchte man so gern auch aus dem Munde eines Schülers hören!

Und noch eins! Wir leben im Zeitalter der Dilettantenphotographie. Kein Schüler, der nicht Lust hätte, mit dem Apparat hinauszuwandern und seine Heimat künstlerisch sehen zu lernen. Wohlan! Lehrt ihn, sie auch volkskundlich zu sehen, und ihr gebt ihm das Köstlichste, was ihr in nationaler und historischer Hinsicht geben könnt. Habt ihr ein Skioptikon in der Schule, so verwendet die Bilder eurer Schüler für Vorträge, die natürlich vor dem Gesamtcötus in der Aula zu halten sind. Der Nutzen lohnt die Mühe reichlich.

Wenn nun in dem obigen Aufruf zur Gründung des internationalen Bundes Professuren für Volkskunde gefordert werden, so scheint mir diese Forderung, wenigstens in Deutschland, erst dann Aussicht auf Erfolg zu haben, wenn das volkskundliche Studium schon auf der Schule vorbereitet und das Interesse für dieses Fach geweckt worden ist. So nur wird die Frage, was sie werden muß: eine Bedürfnisfrage. Was ist heutzutage dem Studenten die Volkskunde! Durchschnittsstudenten kümmern sich um das, wovon sie nie etwas Bestimmtes erfahren haben, in der Regel nicht viel. Gäbe man aber auf der Schule genügende volkskundliche Anregung, so würde manch einer auch auf der Universität und später im Amt ein Herz für diese einzigartige Wissenschaft haben, die ihn das Wort Felix Dahns verstehen lehrt: Das höchste Gut des Mannes ist sein Volk!

Es dürfte somit eine notwendige Pflicht des Verbandes sein, eine Bewegung einzuleiten, die den Endzweck hat, auf Erweiterung der Lehrpläne im volkskundlichen Sinne einzuwirken und auf Einführung eines geeigneten durch Handbücher zu beschaffenden Lehrstoffes zu dringen! Die Verbindung eines Kongresses für Volkskunde mit einer Pilologenversammlung, wie sie in Graz für 1909 geplant ist, erscheint mir als außerordentlich geeignet, die Idee des volkskundlichen Unterrichts zu fördern.

Dr. Oskar Dähnhardt, Leipzig.

Aufforderung.

Diejenigen Verbandsmitglieder, deren Jahresbeitrag noch nicht eingesandt ist, werden gebeten, ihn möglichst sofort an Herrn Dr. Pantenius (Voigtländers Verlag), Leipzig, Hospitalstraße 10, zu entrichten.


Schriftleitung: Dr. Dähnhardt, Leipzig-Gohlis, Marbachstraße 9.
Buchdruckerei Richard Hahn (H. Otto), Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Unterrrichtsbetriebes