Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 5 (1886), Seite 742748
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Erde. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 742–748. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Erde (Version vom 14.04.2022)

[742] Erde (lat. Terra, hierzu die „Erdkarte“), der von uns bewohnte Weltkörper, welcher ein Planet im Sonnensystem ist. Die E. kann im allgemeinen unter einem doppelten Gesichtspunkt betrachtet werden, je nachdem wir sie nämlich als Glied des Sonnensystems ins Auge fassen oder uns auf sie als besondern Weltkörper beschränken. Im erstern Fall ist das Ergebnis dieser Betrachtung, die Erdkunde, ein Teil der Astronomie: sie belehrt uns über die Stellung der E. zu der Sonne und den übrigen Gliedern des Sonnensystems, über ihre Bewegung etc. Im zweiten Fall kommt die E. zunächst als mathematische Größe in Betracht: wir bestimmen nicht bloß Gestalt, Umfang, körperlichen Inhalt unsers Planeten, sondern suchen auch die Lage der einzelnen Punkte auf ihm durch astronomische Methoden festzustellen. Beide Disziplinen werden gewöhnlich unter dem Namen astronomische (auch mathematische) Geographie zusammengefaßt. Wie aber der Astronom die E. mißt, so wägt sie der Physiker und bestimmt ihre Dichtigkeit; er untersucht die Temperatur, die magnetischen Eigenschaften der E., die Verteilung von Festem, Flüssigem und Luftförmigem auf ihr, die verschiedene Oberflächengestaltung und geognostische Zusammensetzung des Festen, Klima, Verteilung von Pflanzen und Tieren auf der Oberfläche der E.; dies alles sind die Gegenstände der physikalischen Geographie, hinsichtlich deren wir auf die betreffenden Spezialartikel verweisen.

I. Gestalt und Bewegung der Erde.

Eine sicher begründete Ansicht über die Gestalt der E. verdanken wir erst der neuern Zeit. Die Völker des Altertums hatten die verschiedenartigsten Vorstellungen davon. Die Griechen der ältesten Zeit hielten die E. für eine platte, kreisförmige Scheibe, umflossen vom Ozean und überwölbt von dem auf Säulen ruhenden Himmelsgewölbe, als dessen westlichste Stütze der Atlas galt. Doch lehrten schon Anaximander und Pythagoras die Kugelgestalt der E., und unter den spätern Philosophen, z. B. bei Parmenides, Epikur, Platon, ist diese Vorstellung die herrschende. Mit besonderm Nachdruck wies Eudoxos (350 v. Chr.) auf dieselbe hin, Aristoteles aber versuchte schon einen aprioristischen Beweis dafür zu geben. Das Wasser, sagt er, nimmt immer die tiefste Stelle ein, folglich

[Ξ]

ORO-HYDROGRAPHISCHE
ERDKARTE
IN MERCATORS PROJEKTION.
Äquatorial Maßstab = 1 : 150 000 000.

[743] müssen alle Punkte des Meers gleich tief stehen und mithin gleich weit von einem gemeinsamen Mittelpunkt entfernt sein; da aber diese Eigenschaft nur der Kugel zukommt, so muß der Ozean und folglich die ganze E. Kugelgestalt haben. In den spätern Zeiten des Altertums herrschte unter den Gebildeten über die Kugelgestalt der E. kein Zweifel mehr, so bei Cicero, Plutarch u. a. Diese Erkenntnis wurde gefährdet durch den alexandrinischen Kaufmann Kosmas, der im 6. Jahrh. Malabar besucht haben wollte und ein mit indischen Fabeln durchwebtes Buch über den Bau der Welt hinterließ, in welchem er der E. wieder eine tafelförmige Gestalt zuschrieb. Auch die Kirchenväter waren Gegner der Lehre von der Kugelgestalt der E., und noch im 8. Jahrh. bestrafte der heil. Bonifacius im Auftrag des Papstes den Bischof Vergilius von Salzburg, welcher die Existenz von Antipoden behauptete. Ja, selbst bis zum 15. Jahrh. wurde auf Grund gewaltsamer Deutung einzelner Bibelstellen die Kugelgestalt der E. bestritten, obwohl die Mehrheit der Gebildeten daran glaubte. Die wichtigsten populären Gründe, welche dafür sprechen, sind folgende: die kreisförmige Gestalt des Horizonts, die wir überall wahrnehmen, wo die Aussicht frei und ungehindert ist, und die Erweiterung des kreisförmig bleibenden Horizonts mit der Erhebung des Standpunktes des Beobachters in Verbindung mit dem Umstand, daß man von hohen Gegenständen (Kirchtürmen, Bergen), denen man sich nähert, insbesondere von der See aus, die Spitzen zuerst sieht und diese bei der Entfernung von ihnen zuletzt verschwinden; die Reisen um die E., welche freilich nur darthun, daß die E. von O. nach W. eine in sich zurückkehrende Oberfläche hat; die Analogie mit den übrigen Himmelskörpern, welche, soweit wir sie genauer beobachtet haben, sämtlich die Kugelgestalt besitzen; die Mondfinsternisse, welche ein Stück des Erdschattens auf der Mondscheibe immer als einen Kreisabschnitt zeigen; die verschiedene Höhe der Gestirne an verschiedenen Orten in Verbindung mit dem Umstand, daß bei einer Wanderung von N. nach S. im N. allmählich Sterne unter dem Horizont verschwinden, im S. dagegen neue aufgehen, was nur dadurch möglich wird, daß die E. in der Richtung von N. nach S. gekrümmt ist. Auf ähnliche Weise belehrt uns der Umstand, daß die Sonne an einem weiter nach O. gelegenen Ort früher aufgeht als an einem westlicher gelegenen, über eine der vorigen analoge Krümmung der Erdoberfläche von O. nach W. Fügen wir zu dem Gesagten noch den schon von Aristoteles aufgestellten Grund hinzu, welcher sich aus den Gesetzen der Attraktion und dem Verhalten der Flüssigkeiten ergibt, indem letztere überall, wo sie durch keine Kraft daran gehindert werden, die Kugelgestalt der Wassertropfen annehmen, so haben wir außer dem obigen, aus unmittelbaren Beobachtungen abgeleiteten auch noch einen rein aprioristischen Beweis, der, mit der Theorie von der Achsendrehung in Verbindung gesetzt und wissenschaftlich durchgeführt, nicht bloß die Kugelgestalt der E. im allgemeinen, sondern die Modifikation derselben, die Abplattung (s. unten), nachweist.

Schon Aristoteles sah die E. als eine inmitten des Weltraums ruhend schwebende Kugel an, um welche Sonne, Mond und das Heer der andern Gestirne ihre tägliche Bewegung machen; nur der Polarstern erschien als der feste, unverrückbare Punkt, nach welchem daher der Schiffer des Nachts den Lauf seines Schiffs richtete. Wir wissen seit Kopernikus, daß diese tägliche Bewegung der Gestirne um die E. nur scheinbar ist, und daß vielmehr die E. sich in 24 Stunden Sternzeit (23 Stunden 56 Minuten 4,1 Sekunden mittlerer Zeit) einmal in der Richtung von W. nach O. um ihre Achse dreht. Diese Rotationszeit, der Sterntag, ist so gut wie vollständig unveränderlich (vgl. Tag). Als Kopernikus die Lehre von der Achsendrehung der E. aufstellte, hatte er keinen direkten Beweis für dieselbe; im Lauf der Zeit aber sind deren mehrere gefunden worden. Den ersten lieferte die Beobachtung von Richer in Cayenne 1672, daß seine in Paris regulierte Uhr täglich um ungefähr 2½ Minuten nachging, und daß eine Verkürzung des Sekundenpendels um 1¼ Pariser Linie notwendig war, um einen richtigen Gang der Uhr herzustellen. Als dann dieselbe Uhr nach der Rückkehr nach Paris täglich um 148 Sekunden voreilte und wieder eine Verlängerung des Pendels notwendig wurde, erklärte Newton die Erscheinung durch eine Verminderung der Schwere am Äquator, hervorgerufen durch die bei der Drehung der E. um ihre Achse entwickelte Zentrifugalkraft, die dort an sich größer ist als in höhern Breiten, weil jeder Punkt am Äquator im Laufe von 24 Stunden einen größern Kreis beschreibt als weiter nördlich oder südlich, und die außerdem am Äquator mit ihrem ganzen Betrag der Schwere entgegenwirkt, während in höhern die in der Ebene des Parallelkreises wirkende Zentrifugalkraft mit der Schwere einen Winkel bildet, welcher der geographischen Breite gleich ist. Newton wurde dadurch zugleich zu der Überzeugung von einer elliptischen Krümmung des Erdmeridians und einer an den Polen abgeplatteten Form unsers Planeten geführt, welche Ansicht auch im folgenden Jahrhundert durch die Gradmessungen in Lappland und Peru bestätigt wurde (vgl. Gradmessungen). Ein Haupteinwand, der gegen die Rotation der E. erhoben wurde, namentlich von Tycho Brahe und Riccioli, war der, daß bei einer Drehung der E. um ihre Achse ein frei fallender Körper nicht senkrecht unter seinem Ausgangspunkt, sondern westlich von demselben auf die E. kommen müßte, weil die letztere während des Falles sich ein Stück nach O. drehe. Bei Fallversuchen, die Riccioli 1640 an einem Turm zu Bologna anstellte, hatte er von einer solchen Abweichung nichts wahrnehmen können. Auch Mersenne und Moutier stellten darauf bezügliche Versuche an, indem sie aus senkrecht in die E. gegrabenen Kanonen Kugeln abschossen, die aber, wie nicht anders zu erwarten, keinerlei Entscheidung lieferten. Der ganze Einwand ist indessen falsch, wie zuerst Newton zeigte. Denn wenn aus dem höher liegenden Punkt ein Körper herabfällt, so behält er die seinem Ausgangspunkt entsprechende größere Geschwindigkeit während des Falles bei, er eilt daher dem senkrecht unter dem Ausgangspunkt liegenden Punkte der E. in der Richtung nach O. voraus, und er muß also nicht westlich, sondern weiter östlich auf die E. fallen. Die zur Prüfung dieser Theorie von Hooke angestellten Versuche blieben freilich erfolglos, weil die gewählte Fallhöhe von 27 Fuß zu klein war, und ebensowenig Erfolg hatten die 1791 von Gulielmini in einem Turm zu Bologna angestellten Versuche. Aber 1802 wiederholte Benzenberg diese Versuche am Michaelisturm zu Hamburg bei 235 Fuß und 1804 in einem Kohlenschacht bei Schlebusch in der Grafschaft Mark bei 262 Fuß Fallhöhe. Am erstern Ort erhielt er 4,3, am letztern 5,1 Linien Abweichung, während Gauß 4,0 und 4,6 berechnete. Versuche endlich, welche Reich 1831 im Dreibrüderschacht bei Freiberg bei 488 Fuß Fallhöhe ausführte, ergaben 12,6 Linien Abweichung nach O. Die Theorie verlangt übrigens auch eine äußerst unbedeutende Abweichung nach S. Einen viel mehr in die Augen [744] fallenden Beweis für die Achsendrehung der E. hat endlich 1851 der französische Physiker Foucault mit seinem Pendelversuch geliefert; vgl. Foucaults Pendelversuch. Einen andern Beweis liefern die Erscheinungen der Passatwinde (s. d.) und Monsune, die darauf beruhen, daß ein von N. nach S. vorrückender Luftstrom aus den nördlichen Gegenden eine geringere Geschwindigkeit nach O. mitbringt, als den Gegenden zukommt, in welche er strömt, daher er mehr und mehr als Ostwind erscheint, während umgekehrt ein von S. nach N. strömender Wind mehr und mehr eine westliche Richtung annimmt. Auf demselben Prinzip beruht es, daß auf einer in der Richtung des Meridians liegenden Eisenbahn eine von S. nach N. laufende Lokomotive mit dem Spurkranz ihres rechten Rades die rechts (östlich) liegende Schiene nach O. zu verschieben sucht, während eine von N. nach S. laufende Lokomotive umgekehrt die westliche Schiene weiter nach W. zu schieben sucht. Wird ein Geleise nur in der einen Richtung befahren, so muß die Entfernung beider Schienen allmählich zunehmen, wie man beispielsweise an der Hamburg-Harburger Eisenbahn bemerkt hat, wo diese Zunahme 8 cm in einem Vierteljahr beträgt. Nach Angabe des russischen Akademikers v. Baer haben auch die von N. nach S. oder umgekehrt fließenden Ströme die Tendenz, ihr rechtes Ufer im erstern Fall weiter nach W., im letztern weiter nach O. zu rücken.

Die beiden Punkte, in denen die Rotationsachse der E., die Erdachse, die Oberfläche der E. schneidet, heißen Pole und zwar der uns zunächst liegende der Nord-, der andre der Südpol. Jede durch die Pole gehende Ebene schneidet die E. in einem Meridian. Denkt man sich aber eine Ebene senkrecht zur Achse durch den Erdmittelpunkt gelegt, so schneidet diese die Oberfläche in einem größten Kreis, der alle Meridiane halbiert und Äquator (Gleicher), bei den Seeleuten Linie genannt wird. Ebenen, welche nicht durch den Mittelpunkt der E. gehen, aber auf der Achse senkrecht stehen, schneiden die Oberfläche in Parallelkreise. Mittels dieser Kreise kann man die Lage eines Punktes der Erdoberfläche durch Länge und Breite bestimmen; vgl. Länge und Breite.

Nachdem man die Ansicht gewonnen hatte, daß die E. eine Kugel sei, ging man daran, ihre Größe zu bestimmen. Es wurden zu dem Zweck Messungen einzelner Meridianbogen ausgeführt (vgl. Gradmessungen). Diese Messungen haben aber im 18. Jahrh. dargethan, daß die E. nicht eigentlich kugelförmig ist, sondern daß sie angenähert die Gestalt eines an den Polen abgeplatteten Rotationsellipsoids besitzt. Fortan handelte es sich nicht mehr bloß um die Bestimmung der absoluten Größe, sondern auch um die der Abplattung, d. h. des Unterschieds zwischen Äquatorial- und Polarhalbmesser, ausgedrückt in Teilen des erstern. Dreierlei Methoden sind zu diesem Zweck in Anwendung gebracht worden: zunächst Gradmessungen, und zwar teils auf Meridianen, teils auf Parallelkreisen ausgeführt, sodann Pendelbeobachtungen, endlich aber hat man diese Größe auch aus gewissen Ungleichheiten der Mondbewegung bestimmt. Bessel hat 1842 aus zehn Gradmessungen (s. d.) folgende Werte berechnet:

Äquatorhalbmesser a = 6377397,16 m = 859,44 geogr. Meilen
Polarhalbmesser b = 6356078,96 m = 856,56
Unterschied a − b = 21318,20 m = 2,88
Abplattung a − ba = 1299,153.        

Die Länge einer geographischen Meile als des 15. Teils eines Äquatorgrades ist hiernach M = 7420,44 m. Die Oberfläche der E. beträgt 509,950,714,3 qkm und ihr Volumen 1,082,841,322,500 ckm. Wenn nun auch dieses Besselsche Ellipsoid zur Zeit noch am allgemeinsten als Form der E. angenommen wird, so ist doch daran zu erinnern, daß neuere Gradmessungen, besonders die russische, skandinavische und die ostindische, andre als die Besselschen Werte ergeben haben. Da im allgemeinen jede Gradmessung einen andern Wert der Abplattung gibt, so hat man sogar versucht, die Ansicht, daß die E. ein Rotationsellipsoid sei, ganz fallen zu lassen und ein dreiachsiges Ellipsoid als ihre Form anzunehmen. Zur Bestimmung desselben sind indessen die Messungen zur Zeit noch nicht genügend; vgl. Gradmessungen.

Eine beträchtlich stärkere Abplattung, nämlich 1/280, ist aus den Pendelbeobachtungen abgeleitet worden, die man an zahlreichen Punkten der Erdoberfläche angestellt hat. Die Pendelschwingungen geben uns zunächst ein Maß für die Schwerkraft; diese aber ist an verschiedenen Punkten der Erdoberfläche verschieden, einmal, weil die mit der Breite veränderliche Zentrifugalkraft dieselbe vermindert, dann aber auch infolge des verschiedenen Abstandes vom Erdmittelpunkt. Aus den Pendelbeobachtungen läßt sich nun das Gesetz der Änderung der Schwere mit der geographischen Breite ableiten, und aus ihm ergibt sich die Abplattung nach einem von Clairaut herrührenden Satz: die Differenz der Schwere am Pol und am Äquator, dividiert durch letztere, und dazu die Abplattung ist 21/2mal so groß als die Zentrifugalkraft am Äquator, dividiert durch die Schwere daselbst. Mit Berücksichtigung der Größe der Schwerkraft an verschiedenen Punkten der E. hat Listing 1877 aus den bis dahin berechneten Gradmessungen folgende Werte für die Dimensionen des Erdkörpers ermittelt:

Äquatorhalbmesser a = 6377377 m
Polarhalbmesser b = 6355270 m
Abplattung   = 1288,48
1 geogr. Meile   = 7420,415 m

Je genauere Messungen man aber in der Neuzeit ausführt, desto mehr stellt sich heraus, daß keine geometrisch gesetzmäßige Fläche genau übereinstimmt mit der wahren Gestalt der E., für welche Listing den Namen Geoid (s. d.) eingeführt hat.

Da die Gestalt der E. auf die Bewegungen des Mondes einen Einfluß übt, so läßt die vervollkommte Kenntnis der letztern uns auch wiederum auf die Gestalt der E. zurückschließen, und zwar erhalten wir auf solche Weise einen mittlern Wert der Abplattung, welcher unabhängig ist sowohl von den vorhandenen Unregelmäßigkeiten der Oberfläche als von der verschiedenen Dichtigkeit der Gesteine. Die Mondgleichungen (Störungen in der Länge und Breite des Mondes) geben nun nach Laplace fast dasselbe Resultat der Abplattung wie die Gradmessungen, nämlich 1/299. Infolge dieser Fortschritte der rechnenden Astronomie durfte sich wohl Laplace zu dem Ausspruch berechtigt halten, daß „ein Astronom, ohne seine Sternwarte zu verlassen, durch Vergleichung der Mondtheorie mit den wirklichen Beobachtungen nicht nur die Gestalt der E., sondern auch ihre Entfernung von der Sonne und vom Mond bestimmen könne“.

Die E. nimmt in der Reihe der Planeten des Sonnensystems die dritte Stelle ein (s. Tafel „Planetensystem“), übertrifft an Größe die zwei vor ihr der Sonne näher gestellten Planeten (Merkur und Venus), ebenso den nächstfolgenden (Mars) und die zahllose Schar der Asteroiden, wird aber selbst von den weiter entfernten (Jupiter, Saturnus, Uranus, [745] Neptun) bedeutend übertroffen. Ihre Entfernung von der Sonne ist nicht immer gleich groß; im Durchschnitt beträgt sie 1482/3 Mill. km oder 20,036 Mill. Meilen (s. Sonne), und da die Exzentrizität der Bahn e = 0,01677 ist, so kann die Entfernung um höchstens 1/60 größer oder kleiner werden als der Mittelwert. Die Umlaufszeit beträgt siderisch 365,25673 Tage oder 365 Tage 6 Stunden 9 Minuten 10,75 Sekunden, tropisch 365,24222 Tage oder 365 Tage 5 Stunden 48 Minuten 46 Sekunden; vgl. Jahr.

Als Kopernikus mit der Lehre von der jährlichen Bewegung der E. um die Sonne auftrat, erhoben seine wissenschaftlichen Gegner den Einwand, daß sich diese Bewegung in scheinbaren jährlichen Ortsveränderungen der Fixsterne abspiegeln, daß man eine jährliche Parallaxe (s. d.) bei den letztern wahrnehmen müsse. Kopernikus selbst hatte diesen Punkt bereits erwähnt und ganz richtig vermutet, daß die Kleinheit dieser Parallaxe sie der Beobachtung entziehe. In der That ist auch die Bestimmung einer Anzahl Fixsternparallaxen in unserm Jahrhundert gelungen und damit nicht nur der Abstand der betreffenden Sterne von uns gefunden, sondern auch ein direkter Beweis für die Bewegung der E. um die Sonne geliefert worden. Beim Suchen nach der Fixsternparallaxe wurde aber auch noch und zwar lange, bevor man diese fand, eine andre Erscheinung entdeckt, die für sich allein einen Beweis für die Bewegung der E. um die Sonne liefert: die Aberration (s. d.).

So wie die tägliche Umdrehung der E. um ihre Achse zur Folge hat, daß die Sonne scheinbar im Lauf eines Tags in der Richtung von O. nach W. einen Kreis am Himmel beschreibt, dessen Ebene senkrecht auf der Weltachse steht, so bewirkt die Bewegung der E. um die Sonne, daß die letztere im Lauf eines Jahrs unter den Fixsternen der scheinbaren Himmelskugel einen größten Kreis beschreibt, in welchem sie täglich um ungefähr 59 Bogenminuten in der Richtung von W. nach O. vorrückt. Dieser größte Kreis, die Ekliptik oder scheinbare Sonnenbahn, bildet mit dem Äquator einen Winkel von ungefähr 231/2°, die Schiefe der Ekliptik genannt. Diese jährliche Bewegung der Sonne bewirkt einesteils, daß die Zeit von einer Kulmination der Sonne bis zur nächsten oder der wahre Sonnentag etwas länger ist als der Sterntag, und daß die Dauer des Sonnentags nicht ganz unveränderlich ist (vgl. Sonnenzeit); andernteils aber ist sie auch die Ursache von der täglichen Änderung der Deklination der Sonne, womit wieder die Änderung der Punkte des Auf- und Unterganges und der Tageslänge, gerechnet vom Auf- bis zum Untergang, zusammenhängt. Nur an zwei Tagen im Jahr, 21. März und 23. Sept., geht die Sonne genau im O. auf und im W. unter; es ist dies die Zeit, wenn Tag und Nacht gleich sind, die Zeit der Frühlings- und Herbstnachtgleichen oder Äquinoktien; vom 21. März dagegen bis zum 21. Juni rückt die Sonne beim Auf- und Untergang weiter nach N. vor und beschreibt einen täglich höher steigenden Bogen am Himmel; die Tage werden länger, die Nächte kürzer, die Strahlen der Sonne fallen unter steilerm Winkel auf und erwärmen daher mehr, bis endlich 21. Juni die Sonne am weitesten nach N. vorgerückt ist und ihren höchsten Bogen beschreibt. Von da an rückt sie beim Auf- und Niedergang wieder dem Ost- und Westpunkt näher und kulminiert täglich minder hoch; die Tage werden kürzer, bis 23. Sept. wieder Tag und Nacht gleich sind. Von nun an geht die Sonne täglich südlicher auf und unter, die Nächte werden länger als 12 Stunden, bis jene endlich 21. Dez. ihren niedrigsten Stand hat, ihre Strahlen am schiefsten auffallen und am wenigsten erwärmen und sie nun wieder von da zurückzukehren beginnt. Die beiden äußersten Punkte, zu denen die Sonne scheinbar nach N. und S. vorrückt, um von ihnen wieder zurückzukehren, nennt man die Solstitien, auch Sonnenwenden: den höchsten oder nördlichsten, den sie 21. Juni erreicht, das Sommer-, den tiefsten oder südlichsten, 21. Dez., das Wintersolstitium. Sie liegen beide um 231/2° vom Äquator des Himmels entfernt, und die durch sie gehenden Parallelkreise, welche die Sonne 21. Juni und 21. Dez. beschreibt, heißen Wendekreise, jener der des Krebses, dieser der des Steinbocks. Dieser täglich wechselnde Stand der Sonne ist Grund der verschiedenen Tages- und Nachtlängen und der Jahreszeiten. Für alle Orte des Äquators sind Tag und Nacht stets einander an Länge gleich; entfernt man sich aber gegen die Pole hin, so wird der Unterschied zwischen dem längsten und kürzesten Tag immer größer, ja innerhalb der beiden Polarkreise, d. h. der Parallelkreise von 661/2° nördl. und südl. Br., herrscht während einer gewissen Jahreszeit beständig Tag, während der entgegengesetzten beständig Nacht. Über die Dauer des längsten Tags vgl. Tag. Mit der wechselnden Tageslänge stehen ferner die Jahreszeiten (im astronomischen Sinn) im Zusammenhang. Mit der Frühlingsnachtgleiche, 21. März, beginnt auf der nördlichen Erdhälfte der Frühling (auf der südlichen der Herbst) und dauert bis zur Sommersonnenwende, d. h. bis zum längsten Tag, an welchem die Sonne mittags senkrecht steht über den Punkten des Parallelkreises von 231/2° nördl. Br. auf der E., den man gleich dem entsprechenden Parallelkreis am Himmel den Wendekreis des Krebses nennt. Von da an beginnt mit abnehmender Tageslänge unser Sommer (auf der Südhemisphäre der Winter), der bis zum Tag des Herbstäquinoktiums, 23. Sept., dauert. Mit diesem nimmt unser Herbst (auf der Südhalbkugel der Frühling) seinen Anfang und dauert bis zum kürzesten Tag, 21. Dez., an welchem die Sonne senkrecht über dem Parallel von 231/2° südl. Br., dem Wendekreis des Steinbocks, steht. Von da bis zum Frühlingsäquinoktium haben wir Winter (auf der Südhemisphäre herrscht Sommer). Infolge der ungleichförmigen Bewegung der E. in ihrer Bahn sind auch die Jahreszeiten nicht von gleicher Länge, es hat vielmehr der Frühling 91 Tage 21 Stunden, der Sommer 93 Tage 14 Stunden, der Herbst 89 Tage 18 Stunden und der Winter 89 Tage 1 Stunde, so daß unser Sommerhalbjahr 6 Tage 16 Stunden länger ist als das Winterhalbjahr.

Mit der Schiefe der Ekliptik hängt endlich noch zusammen die schon von Parmenides (5. Jahrh. v. Chr.) herrührende Einteilung der Erdoberfläche in fünf Zonen: die heiße zwischen beiden Wendekreisen, zwei gemäßigte zwischen dem Wende- und dem Polarkreis jeder Hemisphäre und die beiden kalten innerhalb der Polarkreise.

II. Physikalische Verhältnisse der Erde.

Wenden wir uns von den mathematischen zu den physikalischen Verhältnissen, welche zum Teil mit den vorigen in innigem Verband stehen. Die E. ist aus drei einander konzentrisch umschließenden Gliedern zusammengesetzt: der Erdfeste, aus dem die Vertiefungen derselben ausfüllenden Ozean und aus der alles umfassenden Atmosphäre. Daß die E. im Innern, wie man wohl früher auch geglaubt hat, nicht hohl sei, beweist die Größe ihrer Dichtigkeit. Denn obgleich die von verschiedenen Gelehrten und nach abweichenden [746] Methoden erhaltenen Werte des spezifischen Gewichts des Gesamterdkörpers bedeutende Differenzen zeigen (Maximum, von Airy gefunden, 6,623; Minimum nach Maskelyne 4,713; neueste Bestimmung nach Jolly 5,692), so stimmen doch alle Untersuchungen darin überein, daß sich für die gesamte E. eine viel bedeutendere Dichtigkeit als für die direkter Untersuchung zugängliche Erdkruste ergibt, für welche nach den in derselben vorherrschenden Materialien höchstens drei angenommen werden kann. Man muß daraus schließen, daß der Erdkern aus viel dichtern Stoffen besteht als die Kruste, wobei es freilich eine offene Frage bleibt, ob sich zwischen Kern und Kruste bloß physikalische od. chemisch-mineralogische Unterschiede abspielen.

Die äußere Erdkruste ist aus einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Mineralien zusammengesetzt, welche teils die fossilfreien, kristallinischen Massengesteine, teils die petrefaktenführenden Sedimentgesteine zusammensetzen. Die ältesten Bildungen, welche wir kennen, sind kristallinische Gesteine, Gneis, Glimmerschiefer, Granit etc. Da diese Gesteine die Basis der ältesten Formationen zweifellos sedimentären Ursprungs bilden, so werden sie oft als die ursprüngliche Erstarrungsrinde des Planeten, als das sogen. Urgebirge, betrachtet. Die Sedimentbildungen, aus Zertrümmerungs- und Zersetzungsprodukten kristallinischer Gesteine (Konglomeraten, Sandsteinen, Thonen etc.) oder aus Niederschlägen (Kalk, Gips), häufig auch größtenteils aus Petrefakten oder organischen Resten (Korallen, Muscheln, Kalken, Kohlen) bestehend, sind durchweg geschichtet, d. h. die Massen zeigen, soweit sie derselben Bildungsperiode angehören und der Zusammenhang nicht gestört ist, parallele Begrenzungsflächen, denen mitunter auch die innere Struktur, die Schieferung, entspricht. Die Sedimentgesteine wie auch die ältern kristallinischen Gesteine sind dann wieder an vielen Orten von jüngern Eruptivgesteinen (Porphyren, Trachyten, Basalten) durchbrochen worden. Auch sind die Massen vielfach aus ihrer ursprünglichen Lage gebracht, aufgerichtet, verschoben und zusammengefaltet; gleichzeitig wurde die Oberfläche erodiert, von Thalbildungen durchschnitten, und auf diese Weise sind uns von der äußersten Erdrinde sehr mannigfache Profile bloßgelegt, die uns im Zusammenhang aber immer nur eine sehr dünne Schale unsers Planeten vor Augen führen. Die Zahlen, welche man für die Mächtigkeit der Sedimentformationen angeben kann, sind naturgemäß ungleich und meistens ziemlich unsicher; wenn wir das sogen. Grundgebirge hinzurechnen, soweit es uns erschlossen ist, so dürfen wir die Gesamtmächtigkeit, senkrecht zur Schichtung gemessen, höchstens auf 15 bis 25 km veranschlagen. Läge also die ganze Reihe aller Formationen, die wir kennen, an einer Stelle horizontal übereinander, so würde ihre Gesamtmächtigkeit ungefähr dem 300. Teil des Erdhalbmessers gleichkommen.

Weitgehende hypothetische Folgerungen sind an die Temperaturverhältnisse des zugänglichen Teils des Erdinnern angeknüpft worden. Die Erdoberfläche wird durch die Sonnenstrahlen nicht gleichmäßig erwärmt; vielmehr können wir für jeden Ort je nach seiner Lage zur Sonne zweifach periodische, nämlich tägliche und jährliche, Variationen der Erwärmung unterscheiden. Beide reichen nur bis zu gewissen Tiefen; die täglichen Variationen verschwinden in unsern Breiten etwa in 1–2 m, die jährlichen erst in etwa 20 m Tiefe. Die Grenzen liegen der Oberfläche um so näher, je geringer für den betreffenden Ort die Schwankungen in den Temperaturverhältnissen sind; sie liegen daher in den gemäßigten Zonen am tiefsten, in der Nähe des Äquators und der Pole am höchsten. An der Grenze der jährlichen Schwankungen ist die Temperatur etwa gleich der mittlern Temperatur des Oberflächenortes. Nun nimmt aber, soweit bis jetzt die Beobachtungen reichen, die Temperatur von diesem Punkt an nach dem Innern zu. Beobachtungen über das Verhältnis der Temperatur zur Tiefe sind zunächst bei Bohrlöchern, wie solche namentlich für die sogen. artesischen Brunnen hergestellt werden, gut anzustellen. Aus dem Verhältnis der mittlern Temperatur der Oberfläche zur Temperatur und Tiefe eines Bohrloches ergibt sich die sogen. geothermische Tiefenstufe, d. h. diejenige Tiefendifferenz, bei welcher unter Voraussetzung einer gleichmäßigen Zunahme die Temperatur um 1° C. steigt. Diese Tiefenstufe liegt nach den meisten Beobachtungen in artesischen Brunnen zwischen 25 und 30 m. Sie beträgt z. B. bei dem Bohrloch von La Rochelle 19,7 m, zu Burg bei Magdeburg 26,0 m, zu Rouen 29,1 m, zu Mondorff in Luxemburg 29,6 m, Bad Oeynhausen 30,0 m, Grenelle (Paris) 30,8 m, zu Artern in Thüringen aber 39,9 m. Die größten Tiefen und höchsten Temperaturen erreichte man in dem Bohrloch bei Sperenberg bei Berlin (1313 m mit 48,1° C.) und Schladebach bei Merseburg (1392 m mit 49°). Als weiteres allgemeines Gesetz ergab sich, daß die Intensität der Zunahme der Temperatur nach dem Erdinnern zu abnimmt, d. h., daß die Wärme der geothermischen Tiefenstufe mit der Tiefe wechselt. Die Angabe eines Zahlenwerts aber für diese Zunahme der geothermischen Tiefenstufe ist nicht zulässig wegen zu großer Differenz der Beobachtungswerte. Übereinstimmend damit sind die ebenfalls für die Bestimmung der Wärmezunahme sehr geeigneten Beobachtungen über die Temperatur der Gesteine in verschiedenen Tiefen der Bergwerke. Schon 1740 wurden von Gensanne zu Giromagny in den Vogesen derartige Versuche angestellt; später haben sich vorzüglich Saussure, d’Aubusson, Trebra, Reich u. a. mit diesem Gegenstand beschäftigt. Am vollständigsten sind die Untersuchungen, welche auf Veranlassung der preußischen und sächsischen Bergbehörden in verschiedenen Bergwerken dieser Länder angestellt wurden. Sie bestätigten zunächst das allgemeine Resultat, daß an jedem Ort eine Zunahme der Temperatur nach der Tiefe zu stattfindet. In jeder Tiefenstation bleibt die Temperatur konstant; die Größe der thermischen Tiefenstufe ist jedoch sehr verschieden, zwischen 15 und 100 m wechselnd, befunden worden, und ein allgemeines Gesetz über den Modus der Wärmezunahme läßt sich auch aus diesen Untersuchungen nur insoweit ableiten, als in großen Tiefen die Intensität nachläßt. Es zeigte sich der bemerkenswerte Unterschied, daß in Steinkohlengruben die Zunahme der Temperatur viel bedeutender, in der Regel fast doppelt so groß ist als in Erzgruben. Dieser Unterschied ist wohl ohne Zweifel auf die intensive chemische Zersetzung zurückzuführen, welche innerhalb der Kohlenflöze stattfindet. Von andern hierher gehörigen Beobachtungen sind noch die in den großen, neuerdings gebohrten Alpentunnels zu erwähnen. Schon bei Durchbohrung des Mont Cenis, besonders aber in vorzüglicher Weise (durch Stapff) bei Herstellung des Gotthardtunnels, wurden geothermische Untersuchungen angestellt, welche übrigens schon früher theoretisch gezogene Schlüsse bestätigten. Verbindet man gleich temperierte Punkte des Erdinnern durch Linien (Chthonisothermen), so liegen dieselben unter ebenen Gegenden ungefähr parallel zu einander und zu der Erdoberfläche (A der [747] Figur); unter Gebirgsstöcken erheben sie sich, doch so, daß die höher gelegenen stärker ausbauchen als die tiefern, ohne daß die obersten einen ebenso starken Elevationswinkel hätten wie die Berglinie (B). Daraus ergibt sich, daß die geothermische Tiefenstufe, vom Gipfel nach dem Tunnel zu gemessen, zwar größer als gewöhnlich ist (im Mont Cenis 50, im Gotthard 55 m), der Stollen aber doch bei bedeutendem Einschneiden

Chthonisothermen.

in Bergmassive sehr tief gelegene Chthonisothermen berühren kann. Im Mont Cenis herrschte an der innersten Stelle, über welcher 1600 m Gebirge lagen, eine Temperatur von 29,5° C., im St. Gotthard bei 1700 m Gesteinsüberlagerung 31° C. Für die Herstellung derjenigen Tunnels, deren Trace noch tiefer unter dem höchsten Gipfel des Massivs geplant ist (Simplon, Montblanc), wird diese Temperaturerhöhung große, vielleicht unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten.

Für die Beschaffenheit des Erdinnern leiten die meisten Geologen aus den berichteten Resultaten geothermischer Untersuchungen in Übereinstimmung mit der Kant-Laplaceschen Theorie über die Bildung der Planeten einen hoch temperierten, feurig-flüssigen Zustand ab, einige sogar einen gasförmigen. Nach andern befinden sich die zentralsten Teile der E. zwar unter hoher Temperatur, aber trotzdem durch Druck verfestigt. Bei dem geringen Umfang der Beobachtungsreihe, bei der Schwierigkeit, unter der Annahme eines glutflüssigen Erdinnern das Wachsen der geothermischen Tiefenstufe zu erklären, ist solchen hypothetischen Verallgemeinerungen sehr beschränkter Beobachtungen kein allzu großer Wert beizulegen.

Einst überflutete wohl der Ozean die ganze E., alles Feste war einst Meeresgrund; aber schon früh, vor Entstehung der organischen Welt, stiegen einzelne Teile über seinen Spiegel empor. In langem Lauf der Erdgeschichte, unter vielfachem Wechsel von Hebung und Senkung und dadurch bedingtem Wechsel der Konturen haben sich die gegenwärtigen großen Landmassen, die Kontinente, und zahllose Inseln aus dem Schoß des Ozeans erhoben und ihre gegenwärtige Gestalt erlangt. Wie der Umfang, so hat sich auch die Erhebung der Erdfeste über dem Spiegel des Ozeans im Lauf der Zeit geändert, und die höchsten Erhebungen, wie Alpen, Andes, Himalaja, sind von verhältnismäßig jungem Datum; umgekehrt müssen der Erhebung der Festländer größere Vertiefungen des Meeresgrundes zur Seite gegangen sein. Die gegenwärtige Verteilung von Festland und Wasser auf der E. ist eine sehr ungleiche; während am Nordpol ein ringsum von Land umlagertes Meer, ist vielleicht um den Südpol ein Erdteil unter ewigem Schnee begraben. Während der Kontinent der Alten Welt mit einer Länge von 17,000 km quer über der östlichen Halbkugel lagert und nur mit seiner östlichen Spitze auf die westliche hinüberreicht, bei einer 12,600 km betragenden Breite von N. nach S., erstreckt sich der Kontinent der Neuen Welt, Amerika, auf der westlichen Halbkugel 14,800 km lang von N. nach S. bei einer Breite, die 4450 km nicht übersteigt. Der kleinste Kontinent, der von Australien, gehört ganz der Südhälfte der östlichen Halbkugel an. Man kann annehmen, daß 26/100 der Erdoberfläche von Land und 74/100 von Wasser gebildet werden. Vom Festland entfallen nach den neuesten Bestimmungen auf:

Europa 9730576 qkm
Asien 44580850 qkm
Afrika 29823253 qkm
Amerika 38473138 qkm
Australien 8952855 qkm
Polargebiete 4478200 qkm

Das gesamte Festland nebst den Inseln umfaßt also 136,038,872 qkm. Die größte Ländermasse kommt auf den nordöstlichen Teil der E.; die größte Wasseransammlung gehört dagegen dem Südwesten zu, wo sich der Große oder Pazifische Ozean ausbreitet.

Von großer Wichtigkeit für die ganze Kulturentwickelung der Länder ist die horizontale Gliederung der Landmassen. Durch die größere Berührung mit dem Meer wird ein größerer Teil des Landes aufgeschlossen, dem Weltverkehr zugänglicher gemacht, am meisten freilich, wenn große schiffbare Flüsse den Zugang von der Küste ins Innere fördern. Den einfachsten Ausdruck hierfür findet man nach Humboldt in dem Verhältnis der Küstenlänge eines Landes zu seinem Flächeninhalt. Dies Verhältnis ergibt sich (die Küstenlänge = 1 gesetzt) für:

Europa 1:37
Asien 1:105
Afrika 1:152
Nordamerika 1:56
Südamerika 1:94
Australien 1:73

Nicht minder einflußreich für die ganze physische wie historische Entwickelung der Länder ist die vertikale Gliederung derselben, die Gestaltung ihres Reliefs, bestimmt durch die Gegensätze der Ruhe und Bewegung in ihrem Niveau, von Ebenen einerseits und Hügel-, Berg- und Gebirgslandschaften anderseits, und durch deren geringere oder bedeutendere Erhebung über den Spiegel des Meers. Letztere steigt im Mount Everest (Gaurisankar) in Bhutan, dem höchsten bekannten Gipfel der E., bis 8839 m. Horizontale Ebenen im strengsten Sinn des Wortes finden sich im ganzen nicht so häufig; viele der sogen. Tiefländer sind Hügellandschaften mit schwächer oder stärker undulierender Oberfläche oder ihnen annähernden Formen; teilweise treten auch wirkliche Ebenen in den verschiedensten Höhen über dem Meeresspiegel auf, es sind dies teils Niederungs- oder Tiefebenen, teils hoch über dem Spiegel des Meers erhabene Hochebenen (Tafelländer, Plateaus).

Was die Erhebung betrifft, so ist die absolute Erhebung über den Meeresspiegel von der relativen über das benachbarte Land zu unterscheiden. Letztere ist es vor allem, die den Eindruck der Erhabenheit steigern oder schwächen kann. Zwischen Hochebenen und Tiefland gestellte Gebirge hat man Randgebirge genannt, Scheitelgebirge dagegen beiderseits auf Hochebenen fußende. Gebirge bis zu 1600 m Erhebung nennt man Mittelgebirge, solche von bedeutenderer Höhe Hochgebirge, doch sind dies relative Begriffe; die Alpen, vor den Himalaja gestellt, würden diesem gegenüber nur den Namen Mittelgebirge verdienen. Übrigens ist die absolute Erhebung von größtem Einfluß auf die physikalischen Verhältnisse des Landes sowie die Höhe der niedrigsten Einsenkungen der Gebirgskämme, die sogen. Paßhöhe, von höchster Bedeutung für den Verkehr der Menschen. Von wesentlichstem Einfluß auf erstere Verhältnisse ist ferner, ob die Hauptrichtung der Gebirge mehr den Parallelkreisen, vorherrschend aus SO. nach NW., oder den Meridianen folgt. Wie man aus der Vergleichung vieler Einzelhöhen die mittlere Höhe der Gebirge bestimmt, so hat zuerst A. v. Humboldt auch die mittlere Höhe der Kontinente zu bestimmen gesucht, [748] indem er den Kubikinhalt ihrer Gebirge auf die mittlere Höhe ihrer Tiefländer gleichmäßig verteilt dachte. Er fand für Europa eine mittlere Erhebung von 204 m, für Asien von 350, für Nordamerika von 228, für Südamerika von 345 m; doch werden neuerdings (Leipoldt, Krümmel) andre Werte angegeben, für Europa 297 m, für die übrigen Erdteile im Durchschnitt um 45 Proz. höher als Humboldts Zahlen. Daß diese Höhenzahlen für die relative Erhebung der Kontinente über dem Meer keine konstanten sind, ergibt sich aus den säkularen Hebungen und Senkungen, denen die Kontinente unterworfen sind (vgl. Hebung).

Der Gebirgsbau eines Landes bestimmt nicht allein sein Relief, sondern bedingt auch seine Küstenlinien, seine Flußläufe. Von der Verteilung des Landes sind die Strömungen der Ozeane bedingt, von ihr und der Erhebung des Landes die Richtung der Winde, die Abweichungen des wirklichen Klimas vom astronomischen, die mannigfachen Biegungen der Jahres- und Monatsisothermen; das Klima bedingt aber auch die Verteilung der Pflanzen- und Tierwelt (s. Meeresströmungen, Klima, Pflanzen- und Tiergeographie), selbst des von den Naturgewalten unabhängigsten aller Geschöpfe, des Menschen. S. die betreffenden Artikel.

Die menschliche Bevölkerung der gesamten E. beträgt nach den neuesten Zusammenstellungen 1434 Mill. Davon kommen auf Europa 328 Mill., auf Asien 796 Mill., auf Afrika 206 Mill., auf Amerika 100 Mill., auf Australien 4 Mill. Am dichtesten ist Europa bevölkert, nämlich mit durchschnittlich 33 auf 1 qkm; hierauf folgt Asien mit 18, Afrika mit 7, Amerika mit 2,5, Australien mit 0,7. Ausführlichere Angaben gibt die Tabelle zum Artikel Bevölkerung, mit Karte. Litteratur s. Erdkunde.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 303305
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[303] Erde. Über Dichte, Aggregatzustand und Temperatur des Erdinnern sowie über die wahrscheinliche Dicke der Erdrinde gehen die Ansichten der Physiker und Geologen weit auseinander. In anbetracht des hohen Starrheitgrades der E. und des scheinbaren Fehlens der körperlichen Gezeiten schreiben die erstern der Erdkruste eine große Dicke und der ganzen Erdmasse eine hohe Festigkeit zu; die vulkanische Thätigkeit, Faltung der Schichten in den Gebirgen, die Beispiele einer allgemeinen Biegsamkeit noch in den jüngsten geologischen Zeiten, das Ansteigen der Temperatur in der Erdkruste mit zunehmender Tiefe sind für die Geologen ebenso viele Beweise für eine geringe Dicke der Erdrinde und ein darunter befindliches, dem Druck dieser letztern nachgebendes Substrat. Direkter Beobachtung ist nur ein kleiner Bruchteil der Dicke der Erdrinde zugänglich; die größte Tiefe, bis zu welcher man in Bergwerken und Bohrlöchern das Thermometer versenkt hat, beträgt etwa 1300 m (1/5000 des Erdradius). Die längs einer so kleinen Strecke über die Tiefentemperatur gemachten Beobachtungen sind überdies, wie sich aus der Natur der Sache ergibt, mit so vielen Fehlern behaftet, daß ein ganz sicheres Resultat sich daraus kaum entnehmen läßt. Die großen Unterschiede in den beobachteten Temperaturen haben dazu geführt, die letztern zu klassifizieren, da je nach den geologischen Verhältnissen

Fig. 1. Verlauf der Isogeothermen.

auch die störenden Einflüsse verschiedener Art sind: 1) Kohlenbergwerke, 2) Erzbergwerke, 3) artesische Brunnen und Bohrlöcher, 4) Tunnels. Von allgemeinstem Einfluß auf den Verlauf der Isogeothermen sind nicht nur Bergmassive, sondern selbst kleinere Unebenheiten der Erdoberfläche, wie Fig. 1 veranschaulicht.

Der Eingang zum Schacht liegt 120 m ü. M., die Tiefe beträgt 108 m. Das Kohlenlager ist auf eine Entfernung von 2129 m verfolgt, wo dasselbe 57 m tiefer liegt im Verhältnis zum Meeresspiegel als am Anfang. Dieser Tiefendifferenz würde eine Temperaturzunahme von fast 2° entsprechen, in der That beträgt sie aber 8° infolge des Umstandes, daß hier die Erdoberfläche um beinahe 400 m gestiegen ist. In den Kohlenbergwerken speziell üben die zum Zweck der Ventilation eingerichteten Luftströmungen auf das Gestein einen abkühlenden Einfluß aus; je größer die Wärmemenge, welche ausströmt, und je mehr Gas in der Kohle enthalten ist, um so stärker sind die Konvektionsströme. Während Kohlenbergwerke infolge der abwechselnden durchlässigen und undurchlässigen Schichten meist trocken sind, liegen Erzbergwerke gewöhnlich in kristallinischem und schieferigem Gestein und leiden mehr oder weniger an Überfluß von Wasser; heiße Quellen entstehen durch chemische Zersetzung oder kommen aus größerer Tiefe. Viel gleichmäßigere Resultate liefern die Beobachtungen in Brunnen und Bohrlöchern, bei denen die Temperaturen nur durch den Druck auf die Instrumente [304] und Konvektionsströmungen beeinflußt werden. Manche Unregelmäßigkeiten der geothermischen Tiefenstufe finden hierdurch ihre Erklärung, andre sind auf verschiedene thermische Leitungsfähigkeit des betreffenden Gesteins zurückzuführen. Den Unterschied zwischen der Leitungsfähigkeit von metamorphischen und paläozoischen Gesteinen, in denen die Bergwerke meistens liegen, und derjenigen von Kreide-, Jura- und Triasschichten, in welche artesische Brunnen gewöhnlich eingelassen sind, zeigt folgende Tabelle:

  mittlere thermometr. Leitungsfähigkeit
1) Kohlenbergwerke (Karbonschichten) 0,00433
2) Erzbergwerke (metamorphische und kristallinische Gesteine) 0,00473
3) Artesische Brunnen (mesozoische und tertiäre Schichten) 0,80300

Die Leitungsfähigkeit ist ferner für dasselbe Gestein je nach dem Grade der Imbibition eine verschiedene:

  trocken feucht
Sandstein 0,00250 0,00600
Quarzsand 0,00105 0,00820
Thon 0,00250 0,00350
Mittel: 0,00202 0,00590

Nimmt man für die genannten drei Klassen das Mittel aus allen Beobachtungen, so erhält man folgende Werte für den entsprechenden thermometrischen Gradienten auf 1° C.:

Kohlenbergwerke 27,5 m
Erzbergwerke 23,6
Artesische Brunnen 28,1

Das Mittel aus diesen drei Gruppen gibt als allgemeinen thermometrischen Gradienten 26,4 m auf 1° C. Diese geothermische Tiefenstufe ist aber jedenfalls nur innerhalb eines sehr kleinen Teils der Erdrinde als zutreffend anzunehmen. Die von den Vulkanen ausgeworfenen Laven beweisen zwar, daß die Temperatur bis zum Schmelzpunkt der Gesteine steigt; aus dem zähflüssigen Zustand, in dem sie an die Oberfläche gelangen, kann man aber noch keinen Schluß auf die Beschaffenheit des Magmas bei einem viel größern Druck und höherer Temperatur ziehen. Über den Zustand des Erdinnern kann man daher nur auf indirektem Weg sich Aufschluß verschaffen. Unsre Kenntnis der mittlern Dichte der E. gestattet zunächst einen sichern Schluß auf die Massenverteilung im Innern derselben. Die mittlere Erddichte ist zu 5,6 berechnet worden, während das spezifische Gewicht derjenigen Gesteine, aus welchen sich die äußere Rinde zusammensetzt, zwischen 2,5 und 2,7 schwankt. Aus diesen Thatsachen muß gefolgert werden, daß die E. in ihrem Innern eine bedeutend größere Dichte besitzt als an der uns zugänglichen Oberfläche, und es liegt nahe, anzunehmen, daß die Dichte des innern Erdkörpers von der Oberfläche nach innen bis zum Zentrum mit dem wachsenden Druck der darüberliegenden Massen stetig zunehme. Die wichtigste Frage ist nun, welchen Aggregatzustand die E. in ihrem Innern besitzt. Hopkins meinte seiner Zeit, aus den Präzessionserscheinungen schließen zu müssen, daß die Dicke der absolut starren Rinde mindestens 1/5 bei 1/4 des Erdradius betrage, da ein flüssiges Erdinnere eine andre Präzession zeigen müsse als ein festes und seiner festen Kruste auch eine andre Präzessionsbewegung mitteilen würde. Indessen ist nachgewiesen worden, daß die Präzession in keinem Fall sich ändern würde, wohl aber die Nutation, d. h. jene kleinen Oszillationen, welche der Erdpol auf seinem Kreislauf um den Pol der Ekliptik ausführt, einen andern Wert haben würde, falls die Erdkruste absolut starr wäre. Selbst wenn die E. als starrer Körper betrachtet wird, ergibt sich der Wert von fast einer Bogensekunde, bei flüssigem Erdinnern würde derselbe größer ausfallen.

Die durch sorgfältige Beobachtungen gemachte Entdeckung einer täglichen Nutation ist für die Frage nach dem Aggregatzustand des Erdinnern nun von höchster Bedeutung. Die Flüssigkeit des Erdinnern wäre damit bewiesen, und die Erdrinde dürfte nicht als starr, sondern müßte wie eine elastische Haut betrachtet werden, welche von dem flüssigen Erdkern getragen wird und alle Deformationen, denen dieser unterworfen ist, mitmacht. Zu demselben Ergebnis gelangt man auch noch auf einem andern Weg, durch Beobachtung derjenigen Erscheinungen, welche durch die anziehende Kraft von Sonne und Mond hervorgerufen werden. Wäre die Erdmasse flüssig, so würden Ebbe und Flut eines die Kruste ganz bedeckenden Ozeans vollkommen unbemerkbar sein, da Rinde und Ozean sich gleichzeitig auf und ab bewegen würden; gibt der Meeresboden der Anziehungskraft der Gestirne nicht nach, so muß das Erdinnere starrer als Glas oder Stahl sein; ist endlich die E. eine fast homogene elastische Masse, so würde für einen Beobachter am Strande, der sich mit seiner Unterlage hebt und senkt, die Differenz zwischen Hoch- und Niedrigwasser geringer erscheinen, als wenn er auf einem starren Erdboden stände, er würde also nur die relative Bewegung des Meers, d. h. Differentialfluten, wahrnehmen. Die Amplitude und Epoche der Gezeiten wird nun aber durch die Küstengestaltung wesentlich modifiziert. Ein solcher Einfluß der Gestalt der Meeresbecken macht sich am stärksten bei den kurzperiodischen Fluten bemerkbar. Die 14tägige Mondflutwelle und die halbjährige Sonnendeklinationsflut haben aber länger Zeit zu ihrer Ausbildung, so daß die zeitliche Verzögerung sowie die Höhendifferenz nur kleine Bruchteile der ganzen Periode, bez. der ganzen Fluthöhe sein können. Falls also die Voraussetzung, daß die Erdkugel eine starre ist, thatsächlich erfüllt wäre, müßte man Gezeiten von langer Periode beobachten, zumal die halbmonatliche Ungleichheit so bedeutend ist, daß, wenn sie vorhanden wäre, dieselbe der Beobachtung nicht entgehen könnte. Nun ist es auffallend, daß Fluten von langer Periode sich noch nirgends mit Bestimmtheit haben nachweisen lassen. Das Ausbleiben derartiger Fluten ist nur durch die Annahme erklärlich, daß der Meeresboden an der Auf- und Abwärtsbewegung des Ozeans teilnimmt, daß also die E. körperliche Gezeiten besitzt. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht also dafür, daß die E. ihrem weitaus größten Teil nach nicht starr ist, sondern nur eine feste Rinde besitzt, der aber noch eine gewisse Elastizität eigen ist. Für die Hauptmasse der E. ist aber weder ein fester noch ein flüssiger Zustand anzunehmen, sondern man wird sich dieselbe als in gasähnlichem Zustand befindlich vorstellen müssen. Darauf führt vor allem die kosmogonische Hypothese, die Nebularhypothese, nach welcher die E. wie alle Himmelskörper aus dem Zustand eines äußerst verdünnten Gases durch allmähliche Verdichtung in den heutigen übergegangen ist. Die Beziehungen, welche für gasförmige Körper zwischen Dichte, Druck und Temperatur bestehen, lehrt das Gesetz von Mariotte und Gay-Lussac, wenn es auch in anbetracht der hohen Temperaturgrade, die in der gasförmigen Erdkugel herrschten, nur als annähernd nchtig bezeichnet werden darf. Eine solche Gaskugel befindet sich im Zustand indifferenten Gleichgewichts, d. h. [305] die Gasmassen ordnen sich in konzentrischen Kugelschalen von je gleicher Dichte an. Wird durch Ausstrahlung von ihrer Oberfläche Wärme abgegeben, so ist damit gleichzeitig eine Kontraktion verknüpft, die ihrerseits wieder Ursache einer Temperaturerhöhung im Innern der Kugel ist, und zwar wird fast fünfmal soviel Wärme erzeugt, als nach außen abgegeben wird. Nach dieser Voraussetzung würde im Mittelpunkt der E. die Temperatur 100,000°, der Druck 3 Mill. Atmosphären betragen und die Dichte den Wert 143 erreichen. Wenn auch der wirkliche Wert dem berechneten bedeutend nachsteht, so darf man immerhin annehmen, daß die Temperatur im Erdmittelpunkt 2000° übersteigt. Verdichtungen zum festen oder flüssigen Zustand durch den im Erdinnern herrschenden Druck können deswegen nicht eintreten, weil alle uns bisher bekannten Körper, die sogen. permanenten Gase so gut wie Alkohol und Wasser, über einem für jeden Körper bestimmten Temperaturgrad, dem sogen. kritischen Punkt, nur als Gase existieren können. Bei den hohen Hitzegraden, welche sich bei der Verdichtung einer Gasmasse zur Festigkeit der Erdkugel ergeben, befindet sich der bei weitem größte Teil der Erdmasse in einem über dem kritischen Punkt liegenden gasartigen Zustand. Auf dem Weg von dem Erdzentrum nach der Oberfläche muß man Massen in verschiedenen Übergangsstadien zwischen jenem gasartigen, dem tropfbarflüssigen und dem festen Aggregatzustand begegnen, deren Beschaffenheit jedesmal durch die örtlich herrschenden Druck- und

Fig. 2. Schematische Darstellung der Schichten und Zustandsänderungen innerhalb der Erde.
Feste Erdrinde, Magma, Übergangsschicht vom gasförmigen zum flüssigen Zustand, dissoziierte Gase.

Temperaturverhältnisse bedingt ist. Fig. 2 liefert ein schematisches Bild von den aufeinander folgenden Schichten und Zustandsänderungen innerhalb der Erde. Vgl. Prestwich, On underground temperature („Proceedings of the Royal Society of London“, Bd. 41, 1886); Zöppritz, Über Mittel und Wege, zu besserer Kenntnis vom innern Zustand der E. zu gelangen („Verhandlungen des ersten deutschen Geographentags“, Berl. 1882); Günther, Geophysik (1. Bd., Stuttg. 1884).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 253255
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[253] Erde. Gestalt und Größe. Seitdem die im vorigen Jahrhundert ausgeführten Gradmessungen, welche den Zweck verfolgten, die Größe des Erdradius zu ermitteln, zugleich zu dem Resultat geführt hatten, daß die E. keine genaue Kugel sei, sondern daß die Oberfläche der E. im wesentlichen die Form eines abgeplatteten Rotationsellipsoids habe, suchte man die Dimensionen dieses Sphäroids zu bestimmen. Dabei wurden bis vor kurzem stets zwei voneinander ganz verschiedene Methoden angewandt, um zu einer genauern Kenntnis von der Gestalt und Größe unsers Planeten zu gelangen: eine physikalische und eine geometrische. Die geometrische Methode der Gestaltbestimmung der E. führt scheinbar schneller zum Ziele. Der Meridian eines abgeplatteten Rotationsellipsoids ist eine Ellipse, deren kleine Achse die Polarachse ist. Ihre Krümmung ist am Ende der langen Achse, d. h. am Äquator, stärker als am Pole, und die Krümmung nimmt vom Pole zum Äquator stetig zu. Das Stück derselben, welches zwischen zwei um 1° gegeneinander geneigten Normalen der Kurve eingeschlossen ist, ist also in höhern Breiten größer als näher am Äquator. Die Vergleichung zweier in der einen und in der andern Lage gemessenen Meridiangrade muß also Aufschluß über die Gestalt der Meridiankurve geben; hat man alsdann nach einer geometrischen Formel die Länge jedes beliebig gelegenen Stückes derselben berechnet, so kann man durch Vergleich mit der gemessenen Länge die Abplattung bestimmen. Der einfache Grundgedanke dieser Methode und die große Genauigkeit, welche man den zur Gradmessung nötigen Längen- und Winkelmessungen geben kann, haben dahin geführt, daß man im vorigen Jahrhundert und in den ersten beiden Dritteln des laufenden annahm, durch Gradmessungen einen zuverlässigern Wert der Abplattung zu erhalten als auf jedem andern Wege, und diese Meinung wurde durch die nahe Übereinstimmung zwischen den Resultaten der frühern Gradmessungen bestärkt. Auf Grund von zehn Messungen einzelner Meridiangrade hat Bessel die Bestimmung der für Große und Form des Erdellipsoids maßgebenden Bestimmungsstücke durchgeführt. Die von Clarke gefundenen Werte (II) unterscheiden sich etwas von den Besselschen (I); wir stellen beide zusammen und vergleichen sie mit den von Listing für sein typisches Sphäroid ermittelten Zahlen (III):

  I II III
Abplattung
1299,1528 1294,979 1289,000
Große Halbachse 6377397,16 m 6378206,51 m 6377365 m
Kleine Halbachse 6356078,96 6356583,88 6355298
Äquatorial­quadrant 10017596 10018862 10017542
1° desselben 111306,6 111320,7 111194,9
1 geogr. Meile 7420,44 7421,38 7420,40
Meridian­quadrant 10000855,76 10001887,00 10000218,00

Die physikalische Methode der Gestaltbestimmung der E. stützt sich auf folgende Sätze der Hydrostatik: Eine homogene, flüssige, um eine Achse rotierende Masse, deren Teile nur der gegenseitigen Anziehung unterworfen sind, nimmt die Gestalt eines Rotationsellipsoids um die Drehungsachse an. Eine Schicht einer homogenen Masse, die einen nur wenig von der Kugelgestalt abweichenden rotierenden Kern von annähernd konzentrischer Masseverteilung bedeckt, nimmt gleichfalls eine Gestalt an, die von derjenigen eines Rotationsellipsoids nur um sehr kleine Größen abweicht. Eine rotierende heterogene Flüssigkeitsmasse nimmt, falls ihre Gestalt und Massenanordnung von derjenigen auf konzentrischen Kugelflächen nur um sehr kleine Beträge abweicht, ebenfalls eine Gleichgewichtsfigur an, die mit einem Rotationsellipsoid sehr nahe identisch ist. Von der E. wissen wir nun durch vielfache Erfahrungen, daß sie von der Kugelgestalt nur sehr wenig abweicht, und daß die Verteilung der Massen in ihr eine nahezu konzentrische sein muß. Darauf weist vor allem die nur sehr wenig und sehr gleichmäßig sich ändernde Größe der Schwerkraft an allen besuchten Punkten der Erdoberfläche hin, ebensowohl aber auch jede Vorstellung, die wir uns von der Entstehung der E. aus dem feurigflüssigen oder gasförmigen Zustand machen können. Es kann deshalb keinem Zweifel unterliegen, daß die E. der Gestalt eines Rotationsellipsoids sehr nahe kommt. Die Attraktionstheorie lehrt nun die Anziehung homogener oder aus homogenen konzentrischen Schalen bestehender rotierender Ellipsoide für beliebige Punkte der Oberfläche durch eine einfache Formel ausdrücken. In dieser Formel kommt außer der geographischen Breite des Punktes das Achsenverhältnis des Ellipsoids, die Masse und die Umdrehungsgeschwindigkeit der E. vor. Diese Anziehung ist aber die Schwerkraft, die man an jedem Punkte der E. mittels des Pendels bestimmen kann, da dieselbe überall der Lange des einfachen Sekundenpendels proportional ist. Setzt man nun die gemessene Größe der Beschleunigung der Schwerkraft dem theoretischen Ausdruck gleich, so erhält man eine Gleichung, woraus das Achsenverhältnis oder die Abplattung bestimmt werden kann, falls die Erdmasse bekannt ist. Das Verhältnis der Schwere an zwei verschiedenen Punkten wird aber von der Erdmasse unabhängig, und man kann daher durch Zusammenbenutzung je zweier beliebiger Messungen der Schwerkraft einen Wert für die Abplattung der E. ableiten. Durch Benutzung zahlreicher, möglichst gleichförmig über die E. verteilter Schweremessungen, d. h. also Bestimmungen der Länge des einfachen Sekundenpendels, kann man dann die Abplattung mit großer Sicherheit herleiten. Der aus den Schweremessungen abgeleitete Wert der Abplattung 1289 ist nun aber von dem aus Gradmessungen allein gefundenen Werte 1299 wesentlich verschieden. Der Grund hiervon liegt in einer früher nicht hinlänglich gewürdigten Fehlerquelle, den Lotstörungen. Zunächst wird die Richtung und Intensität der Schwerkraft an der Erdoberfläche durch die unregelmäßige Massenverteilung auf derselben, namentlich durch den Gegensatz von Meer und Festland in auffallender Weise beeinflußt. Abgesehen von der Thatsache, daß Meeresstationen dem Erdmittelpunkt näher liegen als Festlandstationen, bedingt die unregelmäßige Massenverteilung am Rande und im Innern eines Festlandes eine Veränderung in der Verteilung der Schwere in der Weise, daß die Schwere, wie sie das Pendel mißt, für einen Festlandspunkt im allgemeinen geringer ausfallen muß als für einen Küstenpunkt und für letztern wieder geringer als für einen Punkt auf dem Ozean. Die Erklärung dieser Thatsache ist wahrscheinlich in dem Umstand zu suchen, daß unterhalb der Ozeane die Abkühlung der E. schneller vor sich geht als unterhalb des Festlandes; deshalb ist die Erdrinde unter den Ozeanen dicker und übt auf das Pendel eine größere Anziehungskraft aus. Wenn [254] ferner die Masse auf der E. so verteilt ist, daß die Schwererichtung nicht mehr durch den Schwerpunkt als den Anziehungsmittelpunkt der annähernd kugelförmigen E. hindurchgeht, so zeigt sich diese Unregelmäßigkeit äußerlich darin, daß das Bleilot seitlich von seiner normalen Richtung abgelenkt wird. Das Lot erfährt Ablenkungen von der Richtung, die es über einer vollkommnen Ellipsoidoberfläche haben würde und zwar in dem Sinne, daß es nach der Richtung hin gezogen wird, in welcher sich überwiegende Kontinental- oder Gebirgsmassen in der Nähe befinden. Indessen nicht bloß eine anziehende, sondern auch eine abstoßende Wirkung erfährt das Lot, die in manchen Fällen durch Annahme eines unterirdischen Hohlraums ihre Erklärung findet. Unter solchen Umständen erwies es sich als unmöglich, durch Gradmessungen und durch Beobachtungen am Sekundenpendel übereinstimmende Werte für die Größe der Abplattung zu erhalten, denn die Resultate der Gradmessungen waren durch den Einfluß der Lotablenkungen mit einem konstanten Fehler behaftet. Durch fortgesetzte Beobachtungen hat sich nun herausgestellt, daß die Annahme eines Sphäroids für die Erdgestalt eine irrige war, daß vielmehr die Fläche, welche unsern Erdkörper umschließt und die wir uns durch die Meeresfläche oder deren kanalartige Fortsetzung unterhalb der Kontinente vertreten denken können, überhaupt keine geometrisch regelmäßige Gestalt besitzt; die einerseits durch geodätische, anderseits durch physikalische Messung ermittelten Ellipsoide können nur als Annäherungen an die wirkliche Erdgestalt betrachtet werden, welch letztere überhaupt nicht ein für allemal, sondern gewissermaßen nur von Punkt zu Punkt sich bestimmen läßt, da der Erdoberfläche keine exakt geometrische Fläche entspricht. Nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz ziehen sich irgend zwei materielle, bezüglich mit den Massen und begabte Punkte, deren Entfernung gleich ist, gegenseitig an mit der Kraft , wo eine gewisse Konstante bedeutet. Die Anziehung selbst erfolgt längs der beide Massenpunkte verbindenden geraden Linie. Mit Hilfe dieses Gesetzes läßt sich das allgemeine Anziehungsproblem lösen: Ein Körper, durch dessen Volumen die Masse nach einem bestimmten Gesetz verteilt ist, wirkt in dem Sinne auf einen irgendwo gelegenen Massenpunkt, daß zwischen diesem und jedem der in endlicher oder unendlicher Anzahl vorhandenen Körperpunkte (Massenteilchen) eine vom Newtonschen Gesetz geregelte Anziehung stattfindet. Will man die Größe der gegenseitigen Anziehung zwischen Körper und Massenpunkt finden und ebenso die Richtung, längs welcher diese Kraft wirksam ist, so bedient man sich des Potenzials, das sich folgendermaßen definieren läßt: Wenn ein ursprünglich in unendlicher Entfernung befindliches Massenteilchen durch die Anziehung eines Massenteilchens so weit herangebracht worden ist, daß zwischen und statt der unendlichen nur mehr die endliche Entfernung besteht, so bezeichnet man die zur Überwindung des Weges aufgewendete mechanische Arbeit als das von auf in der Distanz ausgeübte Potenzial, und es ist dasselbe seinem Werte nach gleich . Sieht man nun vorläufig von der Umdrehung der E. um ihre Achse ab, so wird ein der Erdoberfläche angehöriger Massenpunkt durch keine andre Kraft als durch die Schwerkraft beeinflußt. Offenbar gibt es zweifach unendlich viele Punkte, für welche das Schwerepotenzial einen bestimmten Wert besitzt. Alle diese Punkte erfüllen eine gewisse Fläche; diese Ortsfläche gleichen Schwerepotenzials nennt man Niveau- oder Gleichgewichtsfläche. Die Schwererichtung fällt allenthalben mit einer Normalen dieser Niveaufläche zusammen, auf welcher der Punkt, zu dem das Lot gezogen werden soll, gelegen ist. Da die Schwererichtung aber mannigfach variiert, so sind Niveauflächen im allgemeinen keine Parallelflächen. Die Schwerkraft hat in jedem Punkte eine bestimmte, von Punkt zu Punkt wechselnde Richtung; ein Gleiches muß demnach für das Flächenelement gelten, auf welchem die Schwererichtung normal steht, und es folgt daraus die Eigenschaft, daß eine Gleichgewichtsfläche im allgemeinen stetig gebogen ist, keine Spitzen, Rückkehrspunkte, Kanten besitzt, sie kann folglich auch nur entweder geschlossen oder unendlich ausgedehnt sein. Außer der Schwerkraft beeinflußt einen der E. angehörigen Punkt auch noch die Schwung- oder Zentrifugalkraft. Die Resultante aus beiden steht auf einer in absoluter Ruhe befindlichen Wasserfläche immer senkrecht; eine vollkommen ruhige Wasserfläche stellt also eine Niveaufläche der vereinigten Schwere und Schwungkraft dar und ist identisch mit dem, was man Erdgestalt nennt. Irgend eine der unendlich vielen Niveauflächen, welche wir als im Innern unsrer Erdrinde verlaufend anzunehmen haben, und deren jede mit gleichem Rechte die Bezeichnung als Geoid in Anspruch nehmen kann, ist der wahre Repräsentant der Erdgestalt. Nach unsrer bisherigen Kenntnis von der Verteilung der Dichte im Innern der E. ist nicht anzunehmen, daß plötzliche Änderungen in der Dichte vorkommen. Den Verlauf der Gleichgewichtsflächen im Erdinnern kann man sich mithin derart vorstellen, daß jede Niveaufläche von allen denjenigen, die der Außenseite näher liegen, schalenförmig umschlossen wird; dieselbe umschließt ihrerseits wieder unendlich viele andre Niveauflächen. Die innerste Niveaufläche degeneriert in einen einzigen Punkt. Man kann sonach von einem Mittelpunkt des Geoids sprechen und das Wesen des Geoids folgendermaßen definieren: jede Geoidfläche hat die Eigenschaft, daß ein gleiches Maß von mechanischer Arbeit aufgewandt werden muß, um einen schweren Körper vom Mittelpunkt der E. aus bis zu irgend einem der unendlich vielen Punkte jener Fläche heranzubringen. Unter Niveausphäroid versteht man ferner eine geschlossene, sphäroidisch gekrümmte Fläche, die sich einerseits dem Geoid sehr nahe anschließt, anderseits mit einem Rotationsellipsoid sehr nahe übereinstimmt. Die Abweichung irgend eines Niveausphäroids von einem Rotationsellipsoid gleicher Abplattung ist eine so unbedeutende, daß für die Praxis der Geodäsie es ganz gerechtfertigt ist, das Geoid mit einem zweiachsigen abgeplatteten Ellipsoid wo nicht zu identifizieren, so doch in nahe Beziehung zu bringen. Das Ellipsoid, welches an Stelle der mathematischen Erdoberfläche als Projektionsfläche dient, bezeichnet man als Referenzellipsoid. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, die wirklich vorhandenen geometrischen Beziehungen des Geoids zu dem seine Stelle vertretenden Referenzellipsoid für den ganzen Umkreis der E. zu ermitteln. Am zuverlässigsten läßt sich die wahre Gestalt der E. bestimmen durch Verbindung mehrerer Methoden, nämlich astronomisch-trigonometrischer Messungen, geometrischer Nivellements und Schweremessungen. Weil diese Methode, wenn auch theoretisch die beste, praktisch mit großen Schwierigkeiten verknüpft wäre, so hat man ein kürzeres Verfahren [255] vorgezogen, das wesentlich auf dem Studium der Lotabweichungen beruht. Hat man ein bestimmtes Referenzellipsoid zu Grunde gelegt, so kann man ganz allein durch geodätische Operationen für jeden Punkt die Lotrichtung bestimmen. Stimmt dieselbe mit der astronomisch beobachteten wirklichen überein, so herrscht an dem betreffenden Punkte keine Lotabweichung, die Krümmung der Erdoberfläche ist dieselbe wie die des Referenzellipsoids. Die Differenz zwischen der astronomisch bestimmten und geodätisch ermittelten ergibt die Lotabweichung. Man zerlegt die Lotabweichung in solche nach der Breite und solche nach der Länge. Ist die Lotabweichung nach der Breite positiv, so zeigt dies im allgemeinen ein Ansteigen der Geoidfläche im Vergleich mit dem Referenzellipsoid nach S. zu an, ein negativer Wert ergibt ein Ansteigen nach N. Ein ähnliches Verhalten, nur nach O. und W., kann man aus den Lotabweichungen nach der Länge schließen. Aus der nach solcher Methode angestellten Untersuchung haben sich folgende Resultate ergeben: lokale Abweichungen treten auch in ebenen Gegenden häufig auf, sowohl in Europa als in Amerika. Nicht nur an Gebirgen und Meeresküsten zeigen sich systematische Lotabweichungen, sondern es treten auch in ebenen Regionen Gruppen von Lotabweichungen mit gleichem Vorzeichen auf, die man als regionale Lotabweichungen bezeichnen kann. Eine solche regionale und zwar positive Lotabweichung besteht in Deutschland zwischen dem 51. und 53. Parallel. Nicht minder bemerkenswert ist, daß nördlich von den Alpen München, südlich Nizza und Genua Lotabweichungen von absolut kleinerm Betrag zeigen, als nach der äußern Figur der E. zu erwarten ist. Ebenso liegen die Verhältnisse bei den Apenninen. Diese Anomalien deuten auf ausgedehnte unterirdische Anomalien der Massenlagerung, deren Sitz aber eher im Festland als im Meeresboden zu suchen ist. Vgl. S. Günther, Mathematische Geographie (Stuttg. 1890).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 270272
korrigiert
Indexseite

[270] Erde. An der internationalen Erdmessung sind nunmehr folgende 27 Staaten beteiligt: Bayern, Belgien, Brasilien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Hamburg, Hessen-Darmstadt, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich-Ungarn, Portugal, Preußen, Rumänien, Rußland, Sachsen, Schweden, Schweiz, Serbien, Spanien, Württemberg, Argentinische Republik, Chile, Mexiko, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Japan. Hervorgegangen ist dieses Unternehmen aus der europäischen Gradmessung, die ihrerseits wieder aus der mitteleuropäischen entstand. Durch die eifrigen Bestrebungen des preußischen Generals J. J. Baeyer hervorgerufen, nahm das ursprünglich lokal beschränkte Unternehmen im Laufe der Zeit durch seine Resultate selbst immer größere Dimensionen an. Die ersten sieben Versammlungen der Vertreter der einzelnen zu dem Unternehmen vereinigten Staaten hatten stattgefunden 1864 und 1867 in Berlin, 1871 in Wien, 1874 in Dresden, 1877 in Stuttgart, 1880 in München, 1883 in Rom. Nach dem 1885 erfolgten Tode des Generals Baeyer berief die preußische Regierung 1886 abermals die Vertreter nach Berlin, wo auf Grundlage der alten Bestimmungen eine Neubefestigung des internationalen Unternehmens herbeigeführt wurde. Zweck der allgemeinen Konferenzen und Aufgabe der permanenten Kommission ist fortan die internationale Erdmessung. Die an den frühern Statuten vorgenommenen Änderungen bezwecken hauptsächlich, einen wirksamen Mittelpunkt für die Arbeiten der internationalen Erdmessung zu schaffen. Dies wird dadurch erreicht, daß der permanenten Kommission laufende Geldmittel bewilligt werden, die von den beteiligten Staaten aufgebracht werden, ferner dadurch, daß das Zentralbüreau der internationalen Erdmessung mit dem geodätischen Institut in Berlin (s. d., Bd. 17) in der Weise verbunden ist, daß der Direktor des letztern gleichzeitig Direktor des Zentralbüreaus der Erdmessung ist. Der Direktor ist ferner ständiges Mitglied der permanenten Kommission und hat alljährlich Bericht über die Thätigkeit des Zentralbüreaus zu erstatten und den Arbeitsplan desselben für das folgende Jahr der permanenten Kommission zur Genehmigung vorzulegen. Im Herbst 1887 tagte die permanente Kommission in Nizza, 1888 in Salzburg, und 1889 trat die neunte allgemeine Konferenz der internationalen Erdmessung in Paris zusammen, auf welcher die Vertreter der einzelnen Staaten Bericht über den Fortgang der Arbeiten erstatteten. Diese Arbeiten umfassen Längen- und Breitenbestimmungen, Messungen von Dreiecken und Grundlinien, Vergleiche zwischen den astronomischen und geodätischen Koordinaten, Schweremessungen mit dem Pendel, endlich theoretische Untersuchungen der gewonnenen Resultate zu dem Zwecke, die Gestalt und Konstitution der E. immer genauer zu ermitteln.

In Bezug auf die Messungen der Dreiecke und Grundlinien sowie der astronomischen Bestimmungen ist zu bemerken, daß in Schweden der Anschluß an die russisch-skandinavische Gradmessung bei Torneå erreicht ist. Für Mitteleuropa wird sich durch die Bestimmungen in Dänemark, Deutschland und Böhmen bald eine genaue Kenntnis des Geoïds (s. Bd. 18, S. 254) ergeben. In Frankreich arbeitet man an einer neuen Parallel- und Meridiankette in Algerien und Tunis; erstere wird sich von der marokkanischen Grenze bis Gabes am Mittelmeer in etwa 37 bis 38° Breite über 13 Längengrade erstrecken; von Gabes wird eine Meridiankette nach Tunis laufen. Großartig sind die Erdmessungsarbeiten in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die Summe der gemessenen Meridian- und Parallelketten erstreckt sich auf mehrere tausend Kilometer. Von der großen Parallelkette in 39° Breite, die, 48 Längengrade überschreitend, den Kontinent durchquert, sind die schwierigsten 34 Grade fertig, und der Rest kann in etwa 7 Jahren vollendet sein. In Japan ist für Zwecke der Landesaufnahme eine Triangulation in Angriff genommen. Die englischen Messungen am Kap der Guten Hoffnung sind für die Meridiankette bis zur Nordspitze von Natal auf 8° Breite ausgedehnt. Was die Grundlinien betrifft, so sind deren in Europa, Afrika und den Vereinigten Staaten von Nordamerika jetzt 130 gemessen. Die Länge der nivellierten Linien in Europa hat sich seit 1883 von ca. 78,000 km auf 112,000 km erhöht. In [272] Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden sind die bezüglichen Arbeiten entweder ganz oder fast ganz abgeschlossen.

Die Arbeiten des Zentralbüreaus waren hauptsächlich nach vier Richtungen gerichtet. Erstens wurde die Bibliographie der Geodäsie abgefaßt. Zweitens wurde mit der Bearbeitung der Dreiecke für die Struvesche Längengradmessung von Warschau bis Belgien einschließlich begonnen. Eine dritte Arbeit betrifft die Verbindung der russisch-skandinavischen Breitengradmessung mit der englisch-französischen durch Dreiecksketten von Greenwich-Paris bis Nemesch-Jacobstadt. Das Ergebnis ist folgendes: Legt man ein Rotationsellipsoid zu Grunde, welches die 1880 von Clarke bestimmten Dimensionen hat und sich dem englisch-französischen Meridianbogen nach Maßgabe der von Clarke ermittelten Lotabweichungen anschmiegt, so werden mit Benutzung der verbindenden Dreiecksketten alle Lotabweichungen im russisch-skandinavischen Meridianbogen um 4,1″ größer, als Clarke sie fand. Dieser Umstand zeigt, daß zwei Meridianbogen einzeln sehr gut einer und derselben Meridianellipse sich anpassen können, ohne in Wirklichkeit demselben Rotationsellipsoid anzugehören, indem Rotationsachse und Mittelpunkt der gleichgeformten Ellipsen für die verschiedenen Meridianbogen nicht zusammenfallen. Eine vierte Arbeit bilden die Breitenbestimmungen für Berlin, Potsdam und Prag (s. Polhöhe, Bd. 18). Man fand auf allen drei Stationen Schwankungen von etwa 0,5″, wobei das Maximum der Breitenänderung in die Monate Juli und August 1889 fiel, das Minimum in den Februar 1890. Die überraschende Übereinstimmung zwischen den drei Beobachtungsreihen thut unzweifelhaft dar, daß es sich hierbei um eine periodische jährliche Breitenänderung handelt, die nicht etwa durch atmosphärische oder meteorologische Verhältnisse bedingt ist. Als neue Arbeit ist dem Zentralbüreau die Ausarbeitung einer Denkschrift übertragen, welche das zur Entscheidung der Wahl eines Nullpunktes der Meereshöhen erforderliche Material enthält. Die Höhenunterschiede der Mittelwasser an der deutschen Ost- und Nordseeküste über Amsterdamer Mittelwasser sind folgende: Von Amsterdam ausgehend hat Cuxhaven 2 cm, Travemünde 8, Warnemünde 3, Swinemünde 1 cm Depression. Die angeführten Niveauunterschiede sind aber noch mehr oder weniger unsicher, teils wegen der verbindenden Nivellements, teils wegen der Bestimmung der Mittelwasser. Immerhin kann man annehmen, daß an der deutschen Küste Nord- und Ostsee keine mittlere Niveaudifferenz besitzen, die 1 dcm erreicht, während das Mittelländische Meer gegen das Mittelwasser des Ozeans an der spanisch-französischen Westküste ca. 2–3 dcm Depression hat. Zur Bestimmung der Intensität der Schwerkraft an irgend einem Punkte der E. bedient man sich des Pendels; will man aber die Veränderungen der Schwerkraft über größere Gebiete hin erforschen, so müssen Nivellement und Schwerebeobachtung Hand in Hand gehen. Derartige Beobachtungen hat der österreichische Oberstleutnant R. von Sterneck in den Jahren 1887 und 1888 in den Tiroler Alpen auf 40 Stationen zwischen Innsbruck und Bozen angestellt, deren Ergebnisse in geophysikalischer Hinsicht von großem Interesse sind. Es ergibt sich nämlich, daß nach Abzug der Anziehung der über dem Meeresniveau liegenden Massen des Beobachtungsgebiets zwischen Innsbruck-Landeck im N. und Bozen-Stilfser Joch im S. ein gleichmäßiger Defekt in der Schwerkraft vorhanden ist, der auf einen Massendefekt in den obern Schichten der Erdrinde hinweist. Dieser Defekt wirkt nach außen so, als ob eine vom Meeresniveau bis zu 1200 m Tiefe reichende Schicht von der Dichte 2,4 aus ihrer ursprünglichen Lage auf das Meeresniveau kondensiert worden wäre. Bemerkenswert ist nun, daß der Massendefekt unterhalb des Meeresniveaus die über demselben liegenden Gebirgsmassen nicht immer völlig kompensiert. Die gleiche Erscheinung zeigt sich auch im Himalaja, und ebenso hat man im Kaukasus gefunden, daß unter dem Gebirge Defekte existieren, welche mehr oder minder die sichtbaren Massen kompensieren. Diese Erscheinung läßt nun den Schluß zu, daß auch die großen Festlandsmassen durch unter denselben vorhandene Defekte kompensiert werden. Darauf deuten auch die Schwerebeobachtungen auf kleinen ozeanischen Inseln, bei denen stets ein Überschuß von Schwerkraft konstatiert wurde, der nur daher rühren kann, daß in der subozeanischen Erdrinde eins Massenanhäufung relativ zu den Festlandsmassen vorhanden ist. Die Massendefekte braucht man sich nicht immer als Hohlräume zu denken, sondern als Gebiete von geringerm spezifischen Gewicht. Der Umstand, daß die Kompensation der Hochgebirgsmassen durch die Defekte unter ihnen teilweise keine vollständige ist, sogar in einzelnen Fällen fehlt, weist darauf hin, daß der Erdkörper unterhalb der Kontinente ausreichende Widerstandskraft hat gegen die Spannungen, die zweifellos durch das Übergewicht der unkompensierten obern Massen entstehen. In geodätischer Beziehung ist wichtig, daß die Abstände der thatsächlichen Erdoberfläche, des Geoïds, vom Referenzellipsoid 200 m nicht übersteigen, ein Betrag, der hinreicht, um die Unterschiede in den Ergebnissen für die Abplattung, wie sie aus Pendelbeobachtungen und Gradmessungen folgten, zu erklären.

[Innere Erdwärme.] Durch die Fortschritte, welche die Technik der Tiefbohrung in letzter Zeit gemacht hat, ist es ermöglicht worden, in viel größerer Tiefe, als es früher möglich war, und in zuverlässigerer Weise Temperaturbeobachtungen in Bohrlöchern anzustellen. Man bohrt nämlich jetzt ringförmig, bricht dann den vom Hohlring umgebenen cylinderförmigen Gesteinszapfen unten ab und zieht ihn herauf. Das beim Bohren des Ringes entstehende Bohrmehl wird dadurch herausgeschafft, daß man in das Bohrloch mit Maschinenkraft Wasser hineintreibt, welches unten ausspült und als kräftiger Strahl mit dem Bohrschmant wieder aufsteigt. Zu diesem Zweck ist das eiserne Bohrgestänge hohl, d. h. nicht wie früher aus massiven Stangen zusammengesetzt, sondern aus Röhren, welche wie jene zusammengeschraubt werden. Da bei jedem neuen Röhreneinsatz, der ja durch die bereits in oberer Tiefe angebrachten Röhrensätze hindurchgeschoben werden muß, eine Verengung des Bohrlochs erfolgt, so ist man genötigt, den Bohrlöchern zu Anfang eine grobe Weite, ca. 1/3 m, zu geben. Die aus den Bohrlöchern herausgeholten Gesteinscylinder oder sogen. Rohrkerne stellen mithin recht ansehnliche Körper dar, welche eine genaue mineralogische, paläontologische und chemische Untersuchung zulassen. Nach der Tiefe zu werden die Bohrkerne freilich dünner, doch hat man noch aus 1748 m Tiefe Kerne von der Dicke eines Daumens und der Länge von Spazierstöcken heraufgezogen. Der tiefste Schacht, derjenige zu Přibram in Böhmen, welcher im J. 1883 eine Tiefe von 1070,2 m erreichte, wird von folgenden Bohrlöchern übertroffen:

[273]

Friedrichsaue bei Aschersleben 1080,22 Meter tief
Inowrazlaw 1104,65
Lennewitz bei Halle a. S. 1111,45
Lübtheen in Mecklenburg 1203,70
Sperenberg, südlich von Berlin 1273,01
Eu zu Üseburg bei Staßfurt 1293,40
Lieth, unweit Altona 1338,00
Schladebach, zw. Merseburg u. Leipzig 1748,40

In diesem letzten Bohrloch ist in einer Tiefe von 1716 m die größte Temperatur gefunden worden, welche überhaupt bis jetzt im Innern der E. beobachtet wurde, nämlich 56,5° C. Die angestellten Beobachtungen haben eine zwar stetige, aber bisweilen ungleiche Zunahme der Wärme nach dem Erdinnern zu ergeben. Nach den in den Bohrlöchern zu Sperenberg vorgenommenen Temperaturmessungen hatte Dunker eine mathematische Formel für die Wärmezunahme aufgestellt und nach derselben die Wärmegrade für größere Tiefen berechnet. Bekanntlich war Dunker zu dem Resultat gekommen, daß die allmähliche Steigerung der Wärme nach unten hin abnehme, endlich ganz aufhöre und in eine Verminderung übergehe, so daß man sich das Erdinnere als kalt vorstellen sollte. Indessen ist Dunker von seiner Ansicht zurückgekommen. Einen störenden Einfluß auf die Wärmezunahme übt vor allem das Wärmeleitungsvermögen der verschiedenen Gesteinsarten und zwar nicht nur derjenigen, in welchen gebohrt worden ist, sondern auch aller darunter liegenden Gebirgsarten. Nähert man sich einer Schicht von starkem Leitungsvermögen, so wird die Temperatur rasch zunehmen, ist sie aber erreicht, so kann die Zunahme nur eine langsame sein, weil schon die obere Zone dieser Schicht eine höhere als die ihrer Tiefenlage zukommende Wärme angenommen hat. In einer Schicht von geringem Wärmeleitungsvermögen wird umgekehrt die Temperaturzunahme nur gering sein, innerhalb derselben aber nach unten hin schneller wachsen, weil in einer solchen die Wärme nur in geringem Maße sich von unten herauf gleichmäßig verbreiten kann. Von großem Einfluß auf den Wärmegrad ist ferner das Wasser, das entweder von oben her in das Bohrloch eindringt oder erbohrt wird; je nachdem es in letzterm Falle warme oder kalte Quellen sind, wird eine Steigerung oder Erniedrigung der Temperatur dadurch bedingt. Neben diesen natürlichen Einflüssen treten noch künstliche störend ein, welche durch die Bohrarbeit selber veranlaßt werden. Als solche sind zuerst das Rohrspülwasser zu erwähnen, welches in das Bohrloch hineingepumpt wird, um den Bohrschlamm aus demselben zu entfernen. Ferner ist die eiserne Verrohrung wichtig, welche überall, wo die Bohrwände zu schwach sind, angebracht werden muß. Unbedeutend ist dagegen der Einfluß der Bohrarbeit selber. Ein allgemeines Gesetz über die Temperaturzunahme im Erdinnern läßt sich nicht aufstellen, nur so viel kann man sagen, daß die geothermische Tiefenstufe größer ist, als bisher allgemein angenommen wurde.