Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Erdbohrer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 738742
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Erdbohrer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 738–742. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Erdbohrer (Version vom 18.10.2023)

[738] Erdbohrer, Apparate zur Herstellung von kreisrunden, fast ausnahmslos lotrechten Löchern (Bohrlöchern, Tiefbohrlöchern) in der Erdrinde behufs Erforschung des Erdinnern in geologischer, bergmännischer, agronomischer, hydrologischer oder baulicher Beziehung sowie behufs Förderung von Wasser, Salzsole, Petroleum, Kohle, Erz etc. Die E. haben drei wesentliche Bestandteile: 1) den eigentlichen Bohrer (das Bohrwerkzeug, Bohrstück), welcher [739] in die Erde eindringt; 2) das Kopfstück mit Bewegungsvorrichtung, d. h. denjenigen Teil, von welchem der Bohrer gehandhabt wird, und 3) das Gestänge, ein zwischen Bohr- und Kopfstück eingeschaltetes stangen-, röhren- oder seilförmiges Verbindungsglied, welches entsprechend der sich allmählich vergrößernden Tiefe (Teufe) des Bohrloches verlängert werden kann.

Die mit den Erdbohrern auszuführende Operation, welche Bohren (Erdbohren, Tiefbohren) genannt wird, zerfällt in zwei verschiedene Manipulationen, in das eigentliche Bohren im engern Sinn, d. h. das Loslösen des Erdreichs oder Gesteins in dem Umfang des zu bohrenden Loches, und in das Löffeln, d. h. das Heraufholen der losgelösten Massen (Bohrschmant), welche bei weichem Erdreich (bergmännisch als mildes Gebirge, milde Gebirgsmassen bezeichnet) von einem einzigen Werkzeug zugleich ausgeführt werden können, jedoch bei Felsboden (festes Gebirge, feste Gebirgsmassen) stets jede für sich ein besonderes Werkzeug beanspruchen.

Die Bohrwerkzeuge lassen sich unterscheiden in Bohrer für drehendes und solche für stoßendes Bohren. Beim drehenden Bohren wird der Bohrer unter Einwirkung eines abwärts gerichteten Druckes um seine Längsachse gedreht und schraubt oder schneidet sich dabei ins Gebirge ein. Angewandt wird diese Bohrmethode bei allen Gebirgsarten, vom weichen Lehm u. stark wasserhaltigen Schwimmsand (schwimmendes Gebirge) bis zum härtesten Granit und Quarz; doch sind die Bohrwerkzeuge nach der Festigkeit des Gesteins wesentlich verschieden, indem diejenigen für mildes Gestein (Letten, Sand, Gerölle) nach Art von Messern schneidend, diejenigen für festes Gestein mehr nach Art der Sägen oder Fräsen wirken. Die Haupttypen der Drehbohrer für mildes Gestein sind: 1) Der Löffelbohrer (Schneckenbohrer, die Schappe), ein aufgeschlitzter Cylinder oder schlanker Kegelstumpf von Eisenblech, welcher am untern Ende mit einem kurzen Stück Schraubenfläche (Schnecke) zum Eindringen in die Massen versehen ist. Er findet bei milden, konsistenten Massen, welche ein leichtes Eindringen gestatten, Verwendung und hält das in seiner Höhlung eingeschlossene Bohrmaterial ziemlich fest, so daß er häufig zugleich als Löffelapparat dienen kann. 2) Die Erdschraube, eine um einen dünnen konischen Kern gewundene, von der Spitze nach oben hin sich verbreiternde scharfgängige Schraube (oder Teile derselben), welche sich nach Art der gewöhnlichen Holzbohrer und der Holzschrauben ins Erdreich hineinschraubt und dasselbe beim Aufziehen zwischen den Schraubengängen festhält. Sie eignet sich gleichfalls für leicht durchdringbare Massen. 3) Setzen die Massen dem Eindringen der Bohrer größern Widerstand entgegen, so bedient man sich der Spiralbohrer (Schlangenbohrer, Schraubenbohrer), welche aus mehrfach gewundenem Bandeisen oder Bandstahl bestehen und unten in zwei Schneiden auslaufen, deren Spitzen meist seitlich etwas über den Umfang der Schraube hinausragen. Beim Drehen des Bohrers dringen diese Schneiden in Spirallinien ins Erdreich ein, welches nach der Auflockerung zwischen die Schraubenwindungen gelangt und beim Aufholen des Bohrers darin haften bleibt. 4) Für wenig konsistente Massen, Schwimmsand etc., benutzt man den Ventilbohrer, einen Blechcylinder, der unten durch ein nach innen aufschlagendes Ventil geschlossen ist. Der beim Niedergang des Bohrers von unten eintretende Sand wird beim Aufholen durch das Ventil am Herausfallen verhindert. Der Ventilbohrer ist außerdem unter dem Namen Bohrlöffel (Schlammlöffel, Schmantlöffel) das gewöhnliche Werkzeug zum Aufholen des bei allen Bohrmethoden gewonnenen Bohrschlammes (Bohrmehl, Schmant). 5) Zum Durchbohren von Schwimmsand gebraucht man bei großen Bohrlöchern und Sandschächten den Sackbohrer (s. d.) und die Sandpumpe (s. d.). Alle diese Bohrer sind nur in den dem festen Gestein der Erdrinde auflagernden, mehr oder weniger lockern Schichten und daher auch nur auf verhältnismäßig geringe Tiefen verwendbar. Unter denselben Umständen wird auch häufig die Methode des Bohrens durch Wasserspülung (Spritzbohrverfahren) verwendet und zwar zweckmäßig nur bei Vorhandensein von feinteiligem Moor und Sand, dem auch kleinere Steine beigemischt sein dürfen. Hierbei bedient man sich eines Futterrohrs mit einem innern, konzentrischen, unten nicht ganz so tief reichenden, oben aber vortretenden Druckrohr, in welches mittels einer Druckpumpe ein Wasserstrom hineingetrieben wird. Der unten austretende Strahl wühlt den Erdboden auf und reißt ihn bis auf die gröbsten Teile durch den ringförmigen Zwischenraum zwischen beiden Röhren mit sich hinauf. Das dadurch erfolgende Einsinken des Futterrohrs wird durch Erschütterungen mittels seitlich dagegengeführter Hammerschläge, durch von obenher gegebene leichte Schläge mit einem Rammbär oder durch Hin- und Herdrehen des Rohrs um seine Längsachse bedeutend befördert. Ein ganz ähnliches Verfahren hat neuerdings (z. B. beim Bau

Fig. 1.
Diamantbohrer.

der Spreebrücke der Berliner Stadtbahn bei Moabit, des Justizpalastes in Braunschweig etc.) auch zum Eintreiben von Pfählen (das sogen. Einspritzen) vorteilhafte Verwendung gefunden. Hierbei wird das Druckrohr in einer Nute des Pfahls untergebracht und von einer Aufwärtsförderung des Erdreichs ganz abgesehen. Der Wasserstrom weicht hier nur den Erdboden rings um den Pfahl derartig auf, daß er unter einer angemessenen Belastung einsinken kann.

Für festes Gestein und für größere Tiefen werden an Drehbohrern verwendet: 1) der Kronenbohrer, ein mit sägezahnartigen Vorsprüngen versehener Stahlring, viel häufiger jedoch anstatt dessen 2) der Diamantbohrer (Fig. 1), bei welchem die bald abgenutzten und umständlich zu schärfenden Sägezähne durch Diamanten (sogen. schwarze oder brasilische Diamanten) ersetzt sind. Von diesen sind 6–8 oder noch mehr auf der Stirnfläche eines ungehärteten Stahlringes (Bohrkrone) eingelassen und verstemmt und zwar derart versetzt und der Ring teilweise nach außen, teilweise nach innen ein wenig überragend, daß von ihnen bei der Drehung des Bohrers ein ringförmiges Loch ins Gestein gewissermaßen hineingesägt wird, in dessen Mitte ein massiver Kern stehen bleibt (zuweilen wird auch mit einem vollen Diamantbohrer ohne Kern gebohrt). Der Kern wird, [740] wenn er nicht, wie gewöhnlich der Fall, von selbst abbricht, in 1/2–1 m langen Stücken abgerissen und gibt, zu Tage gefördert, viel zuverlässigern Aufschluß über die Art und die Lagerungsverhältnisse des Gesteins in jeder Tiefe als bei dem gewöhnlichen stoßenden Bohren der Bohrschmant, einer der wesentlichen Vorzüge des Diamantbohrens, gegenüber dem stoßenden Bohren. Das Abreißen der Kerne geschieht häufig mittels der Bohrkrone selbst, indem der bei der Einstellung der Bohrarbeit zu Boden sinkende Bohrschmant sich zwischen Bohrkrone und Kern derart festlagert, daß beim Aufziehen des Bohrers der Kern mitgerissen wird. Der Bohrschlamm wird beim Diamantbohren stets durch einen Wasserstrom (Spülstrom) zu Tage gefördert, welcher durch das röhrenförmige Gestänge eintritt und in dem Ringraum zwischen Gestänge und Bohrlochrand mit dem Schmant wieder aufsteigt. Das Diamantbohren ist dann am Platz, wenn es darauf ankommt, in sehr festem Gestein möglichst schnell vorzugehen; jedoch ist es sehr kostspielig.

Das stoßende Bohren wird nur für festes Gestein verwendet und besteht darin, daß man einen schweren

Fig. 2.
Bohr­meißel.

meißelförmigen Körper in fortwährender Wiederholung zu Boden fallen läßt, indem man ihn zugleich zwischen je zwei Schlägen um einen kleinen Winkel dreht. Bei jedem Schlag dringt der Meißel wie ein Keil ein und bewirkt das Absplittern eines kleinen doppeltsektorförmigen Streifens von der Bohrlochsohle. Das gleichmäßige Drehen zwischen den Schlägen (das sogen. Umsetzen) ist von Wichtigkeit, weil sich ohne dieses der Bohrer, wenn er öfters in denselben Spalt hineinschlägt, leicht festklemmt. Unter den Bohrwerkzeugen für stoßendes Bohren ist das wichtigste 1) der Bohrmeißel oder Meißelbohrer (Fig. 2), der in seiner gewöhnlichen einfachen Form aus dem Spaten a mit der Schneide, dem Schaft b und dem Hals c mit einer Schraube zum Anfügen an das Bohrgestänge besteht. Die Spatenbreite richtet sich nach

Fig. 3.
Schachtbohrer.

dem Durchmesser des Bohrloches, die Schneide wird am besten (wie in der Figur) geradlinig gemacht, ihr Zuschärfungswinkel variiert zwischen 40° für mürbes und 70° für sehr festes Gestein. Früher fertigte man die Meißel aus Schmiedeeisen mit verstählter Schärfe, jetzt macht man sie meist ganz aus Gußstahl. Sehr vielfach gibt man dem Meißel an beiden Enden der Schneide kurze Ansätze von Querschneiden, um das beim einfachen Meißel leicht eintretende Unrundwerden des Bohrloches möglichst zu verhüten, und nennt ihn dann Meißel mit Ohrenschneiden oder Laschenbohrer. Als Erweiterungen des Meißelbohrers sind die Schachtbohrer zu betrachten, mittels welcher man mehrere Meter im Durchmesser haltende Schächte stoßend abbohrt (Fig. 3). Es sind das starke, rahmenartige Gestelle aus Stahlschienen, die unten mit einer ganzen Reihe von Meißeln besetzt sind. 2) Der Kreuzmeißel oder Kreuzbohrer, ein durch zwei sich rechtwinkelig kreuzende Schneiden gebildeter Meißel, ist für das Bohren in stark geneigten und verschieden festen Schichten zu empfehlen. 3) Hat das Bohrloch einmal seine runde Gestalt verloren, so muß mit dem Glockenbohrer (Bohrbüchse), einem an seiner Unterkante angeschärften Stahlcylinder, nachgebohrt (nachgebüchst) werden. 4) Der Bohrlöffel (s. oben 4) muß den Bohrschmant von Zeit zu Zeit (bei Gestein von mittlerer Festigkeit etwa alle 2–3 Stunden) herausbringen, weil einmal bei zu großer Schlammansammlung die Wirkung des Bohrers beeinträchtigt würde und zweitens der Schlamm hier das einzige Mittel zur Erkennung der erbohrten Gesteinsschichten ist. Übrigens wird auch beim stoßenden Bohren häufig statt des Bohrlöffels ein Wasserstrom angewendet. 5) Um auch beim stoßenden Bohren die Beschaffenheit des Gesteins genauer ermitteln zu können, bohrt man zuweilen Steinkerne heraus mittels der Kindschen Bohrbüchsen (gußeiserne, an ihrer Stirnfläche mit vier radialen Meißelschneiden versehene Büchsen).

Die Gestänge und Seile. Handelt es sich um Bohrungen von nur wenigen Metern Tiefe in milden Massen, z. B. bei agronomischen Aufnahmen, bei Untersuchungen von Baugrund, zur Herstellung von Löchern für Zaunpfähle etc., so wendet man Handbohrer, möglichst leichte, daher dünne, häufig aus einer einzigen Stange bestehende E. an, deren unteres Ende, zu einem Löffel oder einer Schraube geformt, das Bohrwerkzeug darstellt, deren oberes Ende einen Griff zum Drehen, auch wohl darüber eine knopfartige Verstärkung (Amboß) zum Einschlagen mittels eines Hammers trägt. Das Zwischenstück bildet hier das Gestänge. Diese aus Einem Stück bestehenden Handbohrer, deren man mehrere von verschiedener Länge nacheinander eintreibt, sind für häufigen Gebrauch vorteilhafter als die aus Bohrwerkzeug, Kopfstück und mehreren Gestängestücken mittels Schrauben oder Bajonettverschlüssen zusammengesetzten, weil bei dem dünnen Gestänge die Verbindungsteile sehr schwach werden müssen und daher fortwährend zu Reparaturen Veranlassung geben.

Für größere Tiefen bedarf man notwendig besonderer zusammensetzbarer Gestänge oder aufwickelbarer Seile, die an einem besondern Gerüst (Bohrgerüst) oder Gebäude (Bohrturm) angebracht sind. a) Die Gestänge bestehen aus Holz, massivem Eisen oder eisernen Röhren und zwar aus einzelnen Stücken von 4–12 m Länge (je nach der Höhe des Bohrgerüstes oder -Turms), welche durch die Stangenschlösser miteinander so verbunden werden, daß die Verbindung möglichst schnell gelöst und wiederhergestellt werden kann, eine Arbeit, die jedesmal zu verrichten ist, wenn der Bohrer stumpf geworden ist oder der Bohrschmant mit dem Bohrlöffel entfernt werden soll, da man das Gestänge wegen seiner Länge nicht in Einem Stück herausziehen kann. Die röhrenförmigen Gestängestücke sind einfach durch Schraubenmuttern miteinander verbunden. Die vorzugsweise verwendeten eisernen (fast immer vierkantigen) Stangen sind behufs Verbindung mit Gabel- oder Schraubenschlössern versehen, d. h. verbolzten Blattzapfen- oder Schraubenverbindungen, [741] unter denen sich ein Bund zum Abfangen der Stangen während des An- und Abschraubens befindet. An den Holzstangen (wegen des geraden Wuchses meist aus Fichten- oder Lärchenholz bestehend) sind beiderseits Eisenbeschläge angebracht, mittels welcher die Stangenverbindung in derselben Weise hergestellt wird wie bei den Eisengestängen. 1) Für drehendes Bohren bedarf man verhältnismäßig starker, speziell für das Diamantbohren röhrenförmiger Gestänge, um die schon erwähnte Wasserspülung zur Schlammentfernung zu ermöglichen. 2) Beim stoßenden Bohren unterscheidet man das Bohren mit steifem Gestänge (englisches Bohrverfahren), bei welchem der Bohrer einfach am untersten Gestängestück befestigt ist, vom Bohren mit Zwischenstücken (neueres Gestängebohren), bei welchem der Bohrer an einem besondern beweglichen Stück befestigt ist. Das steife Gestänge ist zweckmäßig nur bis 100 m Tiefe zu gebrauchen, weil bei größern Tiefen infolge des großen Gestängegewichts beim Auffallen des Bohrers heftige, mit häufigen Gestängebrüchen verbundene Stöße entstehen. Hölzerne Gestänge sind hierbei wegen ihrer ungenügenden Stabilität überhaupt nicht anwendbar.

Beim neuern Gestängebohren ist das Gestänge gegliedert in das Obergestänge (den ganzen bis beinahe zum Bohrer reichenden Teil des Gestänges), die Zwischenstücke und das Untergestänge (Bär, Bohrklotz, Schlaggewicht). Letzteres ist ein schweres Gestängestück, welches, unmittelbar über dem Bohrer angebracht, den Zweck hat, dem Bohrer, der jetzt in gewisser Beziehung vom Gestänge unabhängig ist, die zu einem kräftigen Stoß erforderliche Belastung und zugleich mittels einer am obern Ende angebrachten sogen. Lehre die nötige Führung im Bohrloch zu geben. Die Zwischenstücke haben den Zweck, den Stoß, der beim Auffallen des Bohrers entsteht, zur Verhütung von Brüchen des Obergestänges möglichst auf Bohrer und Untergestänge zu beschränken. Eine wichtige Erfindung in dieser Hinsicht war die Rutsch- oder Wechselschere (von Oynhausen, modifiziert von Kind), bei welcher sich das Untergestänge mittels einer Führung frei in das Obergestänge hineinschieben kann. Beim Anheben des Gestänges wird das Untergestänge, in der Schere hängend, mit hochgenommen. Beim Niedergehen des Gestänges stößt nur der Bohrer mit dem Untergestänge auf, das Obergestänge rutscht mittels der Schere noch ein Stück frei weiter, bis es ohne Stoß zum Stillstand kommt, um beim nächsten Aufgang das Untergestänge wieder mit anzuheben. Die Rutschschere wird jetzt meist nur beim Löffeln verwendet (Löffelschere), während beim Bohren die noch bei weitem vorteilhaftern, von Kind erfundenen Freifallapparate (Freifallinstrumente) gebraucht werden. Diese bestehen im Prinzip aus einer Sperrvorrichtung, welche das Untergestänge beim Aufgang des Obergestänges mitnimmt, jedoch in dem Moment der Bewegungsumkehrung ausgelöst wird und das Untergestänge frei fallen läßt (wovon letzteres hier Abfall- oder Freifallstück heißt); das Obergestänge folgt langsamer nach, bis es in seiner tiefsten Stellung wieder das Abfallstück mittels der Sperrvorrichtung erfaßt hat. Das Fallenlassen oder Abwerfen des Freifallstückes geschieht nach zwei verschiedenen Methoden, entweder selbstthätig durch den Widerstand des im Bohrloch stehenden Wassers oder von der Hand eines Arbeiters (des sogen. Krückelführers) durch ruckweises Drehen des Obergestänges. Nach dem erstern Prinzip wirkt das Kindsche Freifallinstrument (Fig. 4). Beim Senken des Obergestänges gleiten die hakenförmigen Enden der Zange bb über das Köpfchen d des Abfallstückes a fort, um es im ersten Moment des Aufganges zu umfassen, indem der dabei durch den Widerstand des im Bohrloch stehenden Wassers abwärts gedrückte Kolben c mittels der Stange e die Zange zum Schluß bringt. Während des ganzen Aufganges bleibt die Zange geschlossen, nimmt also das Abfallstück mit aufwärts. Sobald aber das Gestänge seinen Niedergang beginnt, drückt das Wasser von unten gegen c und öffnet dadurch die Zange bb, so daß a frei fallen kann. Der

Fig. 4.
Kindsches Freifall­instrument.

neuere, zuverlässiger wirkende Zobelsche Apparat hat statt des Zangenapparats einen sogen. Flügelkeil mit Schieberstück. Der Fabiansche Freifallapparat kommt durch Drehung des Gestänges zur Wirkung, indem dabei ein am Abfallstück angebrachtes System von Vorsprüngen von seinem Sitz abgleitet. b) Statt der Gestänge verwendet man beim stoßenden Bohren auch Seile (Hanf- oder Drahtseile), eine den Chinesen schon seit den ältesten Zeiten bekannte Bohrmethode (chinesisches Seilbohren). Das Umsetzen des Bohrers erfolgt hier zwar selbstthätig infolge der jedesmal beim Anheben des Bohrers entstehenden Aufdrehung des Seils, jedoch sehr unzuverlässig, weshalb das Bohrloch sehr oft unrund wird und nachgebüchst werden muß. Das amerikanische Seilbohren unterscheidet sich vom chinesischen durch Anwendung eines sehr schweren Untergestänges mit Rutschschere und durch einen bedeutend größern Hub des Bohrers. Übrigens werden auch beim Seilbohren Freifallapparate verwendet, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Außer der unzuverlässigen Umsetzung sind beim Seilbohren an Nachteilen im Vergleich zum Gestängebohren noch der unsichere Hub und der geringe Bohreffekt zu nennen; dagegen sind als Vorteile besonders die Schnelligkeit, mit welcher der Meißel aufgeholt und eingehängt werden kann, und das geringe Gewicht des Seils anzusehen.

Kopfstücke mit Bewegungsvorrichtung. Beim drehenden Bohren bedient man sich eines Kopfstückes mit Querstange, an welcher die Arbeiter angreifen. Speziell beim Diamantbohren besteht das Kopfstück aus einer das oberste Gestängestück umfassenden Röhre, welche durch konische Räder in Umdrehung versetzt wird. Beim stoßenden Bohren geschieht die Bewegung durch die sogen. Schlagvorrichtung, einem starken hölzernen, zweiarmigen Hebel (Bohrschwengel), dessen eines Ende von Arbeitern oder einer Dampfmaschine bewegt wird, während am andern Ende das Bohrgestänge mittels des Kopfstückes hängt. Fig. 5 zeigt das Ende eines Bohrschwengels mit dem Kopfstück, das letztere besteht aus der Stellschraube a, deren Mutter den obern Teil der Schere b bildet, und welche dazu dient, das Gestänge allmählich etwas zu senken, und aus dem Wirbel c unter welchem der Krückel d (zum Umsetzen des Bohrers) und die zum Aufschrauben auf das Obergestänge [742] bestimmte Mutter e angebracht sind. Ist die Stellschraube ganz herausgeschraubt, so wird das Gestänge bei e gelöst und nach Einfügung eines kurzen Gestängestückes sowie nach Zurückdrehung der Stellschraube

Fig. 5.
Kopfstück.

wieder angehängt. Beim Seilbohren besteht das ganze Kopfstück nur aus einer lösbaren Seilklemme. Zu jeder Bohranlage gehört, wie schon erwähnt, ein dreibeiniges Bohrgerüst oder ein aus Fachwerk mit Bretterverschalung hergestellter Bohrturm, im Scheitel mit einer Seilscheibe versehen, über welche ein Seil von einer Windevorrichtung herabläuft, um die Gestängestücke aus dem Bohrloch herausnehmen und wieder hineinlassen zu können. Im obersten Teil des Bohrturms befinden sich ferner sogen. Rechen zum Aufhängen der Gestängestücke. In Anbauen am Bohrturm werden die Betriebsmaschinen, eine Schmiede für Reparaturen und das Materialienlager untergebracht.

Von Wichtigkeit sind beim Erdbohren noch eine Reihe von Hilfswerkzeugen (Hilfsgezähe). Bei Gestängebrüchen muß man die im Bohrloch stecken gebliebenen Teile mittels der Fanginstrumente herausschaffen, deren verschiedene Arten (Glückshaken, Geißfuß, Kluppe, Fangfeder, Klappenbüchse, Krätzer, Wolfsrachen, Schraubentute, Löffelhaken, Spinnenbüchse, Zobelscher Eisenfänger) wie Haken, Zangen oder Schrauben wirken.

Vielfach ist es nötig, die Bohrlöcher mit Röhren auszukleiden, teils um das Abbröckeln von Teilen der Bohrlochwand (das sogen. Nachfallen) zu vermeiden, teils um einen wasserdichten Ausbau zu schaffen (wie z. B. bei Salzbohrlöchern). Im erstern Fall verwendet man Absperrungsröhren aus Eisenblech, welche durch Vernietung mittels besonderer Hilfswerkzeuge (Nietamboß) aneinander gefügt werden, im letztern Isolierungsröhren, meist in Form von ausgebohrten Nadelholzstämmen, welche durch kupferne Muffen verbunden werden. Das Herausziehen einer Verrohrung geschieht, wenn man das Bohrloch erweitern oder nach beendeter Bohrarbeit die Röhren wiedergewinnen will, unter Anwendung der Röhrenheber oder Röhrenzieher. Vgl. Beer, Erdbohrkunde (Prag 1858); Degousée und Laurent, Anwendung des Erd- und Bergbohrers (a. d. Franz., Quedlinb. 1862); Fauck, Anleitung zum Gebrauch des Erdbohrers (Leipz. 1877); Derselbe, Fortschritte in der Erdbohrtechnik (das. 1885); Strippelmann, Bohrmethode mit Freifallapparat und die Diamantröhrenbohrung (Klagenfurt 1878); Derselbe, Die Tiefbohrtechnik (2. Aufl., Leipz. 1881); Serlo, Bergbaukunde (4. Aufl., Berl. 1884); Köhler, Bergbaukunde (Leipz. 1884).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 269270
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[269] Erdbohrer. Die Seilbohrmethode hat nur ein beschränktes Wirkungsgebiet, sie arbeitet in gleichartigen Gebirgsformationen vorzüglich, überwindet aber nur unvollkommen die Schwierigkeiten, die hartes, geklüftetes und steil einfallendes Gestein ihr entgegenstellen. Diese Erfahrung bestätigt sich bei der in Teplitz mittels der pennsylvanischen Seilbohrmethode im Betrieb befindlichen Tiefbohrung. Solange die Bohrung durch stark zersetzten Porphyr führte, ging sie befriedigend von statten, als jedoch bei 204 m Tiefe fester Porphyr auftrat, mehrten sich in bedenklicher Weise die Klemmungen, Seilrisse, Meißelabnutzungen, Unfälle, die nur durch zeitraubende Fangarbeiten und Reparaturen zu heben waren. Das Versprechen des amerikanischen Bohrunternehmers, 500 m Tiefe in 100 Tagen zu erreichen, ist nicht erfüllt worden. Die erreichte Maximalleistung war nur 5 m Bohrfortschritt pro Tag.

Über die durch Abteufen tiefer Bohrlöcher verursachten Kosten gibt v. Rziha folgende Zusammenstellung:

Ort Tiefe in Metern Kosten pro Meter
Mark
Gebirgsart
Diedenhofen 180,0 60,0 Kalk
Rohr 302,0 308,1 Buntsandstein
Purmellen 303,2 93,6 Schwimmendes und festes Gebirge
Artern 314,0 158,0 Salzgebirge
Goslar 329,8 70,7 Goslarer Schiefer
Wersen 404,0 154,5 Buntsandstein
Rheinfelden 426,0 356,8 Buntsandstein (Diamantbohrung)
Schöningen I 520,0 87,0 Trias und Salz
Schoningen II 574,0 52,2 Trias und Salz
Kammin 580,0 238,3 Tertiär
Böhmisch-Brod 697,4 318,2 Buntsandstein (Diamantbohrung)
Mondorf 730,0 73,8 Kohlengebirge
Sperenberg 1273,0 136,8 Salz
Schladebach 1748,4 121,4 Salz
Mittelwert: 558,7 148,1  

In neuerer Zeit mehren sich die Vorschläge, Elektrizität als Motor von Tiefbohr- und Gesteinsbohrmaschinen zu verwenden; die Figur S. 270 zeigt den elektrischen Tiefbohr- und Tunnelbohrapparat von R. Richard und R. Landon in Middlesex. Zur Ausführung von Tiefbohrungen wird der Apparat an einem Drahtkabel, das die isolierten Leitungsdrähte enthält, in das Bohrloch eingelassen, an demselben umgibt die äußere Metallhülse [270] a die innere Motorhülse b. Diese ist auf ihrem Deckel mit einem Gestell c versehen, in dem die Schwerstange d beweglich ist. Beim Aufstoßen des Bohrgeräts auf die Bohrlochsohle sinkt diese Stange, durch die äußere Hülse und das Gewicht e beschwert, nieder und preßt die Klingen f in die Bohrlochwände, wodurch die äußere Hülse während der Bohrarbeit vollkommen festgelegt wird. Beim Aufholen des Apparats ziehen sich die Klingen selbstthätig wieder ein. Innerhalb der Motorhülse befindet sich im obern Teil der elektrische Motor g, im untern Teil

Elektrischer Tiefbohr- und Tunnelbohrapparat

das Getriebe h, welches das wagerechte Triebrad i und die Spindel k in Drehung versetzt. Auf letztere ist die hohle Bohrspindel l aufgesetzt, die durch eine Nase der Drehspindel, welche in eine innere Längsnute der Bohrspindel eingreift, mitgenommen wird. Die Bohrspindel behält dabei in senkrechter Richtung freie Beweglichkeit und wird von den lotrechten Triebrädern m aus mittels Knaggen und Nasen auf und ab bewegt. Die Bohrspindel ragt durch die Stopfbüchse n aus dem Boden der Motorhülse heraus und nimmt mittels eines Schraubengewindes das Bohrgerät auf. Dieses kann von jeder beliebigen Form sein und auch zeitweise zur Entfernung des Bohrschmants durch einen Bohrlöffel ersetzt werden. Für den Fall, daß Diamantbohrung erforderlich ist, wird die Bohrspindel durch zwei mit Diamanten besetzte konzentrische Bohrkronen ersetzt, die nach entgegengesetzter Richtung umlaufen. Bei der Verwendung zur Tunnelbohrung wird der Apparat mit horizontal gerichteter Bohrstange in einem metallenen Schutzcylinder auf einem Wagen montiert, dessen Vorschub, dem Eindringen des Bohrers entsprechend, mittels einer Schraube bewirkt wird, deren Mutter sich gegen die Tunnelwandung stützt. Hierbei sind zur Bedienung der Maschine zwei Mann erforderlich, von denen der eine seine Stellung am vordern, der andre am hintern Teil derselben hat.