MKL1888:Aberration des Lichts

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Aberration des Lichts“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 33
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Aberration des Lichts. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 33. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Aberration_des_Lichts (Version vom 01.05.2021)

[33] Aberration des Lichts (Abirrung des Lichts). Die Achse mos eines Fernrohrs AB (s. Figur) sei nach irgend einem Himmelskörper, z. B. einem Fixstern,

Aberration des Lichts.

gerichtet, so werden sich die von dem Stern kommenden Lichtstrahlen in dem Punkt m zu einem Bilde des Sterns vereinigen. Bewegt sich nun das Fernrohr parallel mit sich selbst in einer zu den einfallenden Lichtstrahlen senkrechten Richtung m′m und zwar so, daß es den Weg m′m zurücklegt in der Zeit, in welcher das Licht die Strecke om durchläuft, so werden sich die am Anfang dieser Zeit bei o eingedrungenen Lichtstrahlen, unbekümmert um die Bewegung des Fernrohrs, zwar immer noch in dem nämlichen Punkt m des Raums vereinigen; aber an diese Stelle, welche am Anfang jener Zeit von dem Mittelpunkt des Gesichtsfelds eingenommen war, wird im Augenblick der Vereinigung der Strahlen der seitlich gelegene Punkt m′ des Gesichtsfelds getreten sein. Das Bild des Sterns wird demnach infolge der Bewegung des Fernrohrs an einer Stelle des Gesichtsfelds gesehen, an welcher bei ruhendem Fernrohr Strahlen, die in der Richtung s′om′ einfallen, sich vereinigen würden. Der Stern wird mithin vermöge dieser sogen. A., statt an seinem wahren Ort, in der Richtung m′os′ gesehen, und man muß, um sein Bild in die Mitte des Gesichtsfelds zu bringen, die Achse des Fernrohrs, indem man dasselbe um den Winkel mom′ dreht, in diese Richtung einstellen. Jedes Fernrohr ist aber thatsächlich in Bewegung, indem es ja von der Erde bei ihrer Bewegung um die Sonne mitgenommen wird. Es muß daher jeder Stern, dessen Strahlen die Erdbahn senkrecht treffen, in der Richtung der jeweiligen Bewegung der Erde verschoben erscheinen, um einen Winkel mom′, dessen Größe bedingt ist durch das Verhältnis der Strecken m′m und om, welche die Erde einerseits und das Licht anderseits in der gleichen Zeit durchlaufen, d. h. durch das Verhältnis der Geschwindigkeit der Erde zur Geschwindigkeit des Lichts. Dieser für alle Gestirne gleiche Aberrationswinkel ist mit großer Sorgfalt gemessen worden und wird bei astronomischen Berechnungen jetzt gewöhnlich zu 20,445 Sek. angenommen. Nach Nyrens neuesten Beobachtungen beträgt der Winkel [34] aber 20,492 Sek., und dieser Weg dürfte nicht um eine Hundertstelsekunde von dem wahren Wert abweichen. Nun ist aber in einem rechtwinkeligen Dreieck mom′, dessen Winkel bei o 20½ Sek. beträgt, die Seite om 10,000mal so groß als die Seite mm′; folglich muß auch die Geschwindigkeit des Lichts 10,000mal so groß sein als die Geschwindigkeit der Erde in ihrer Bahn. Die Erde legt aber in jeder Sekunde 30 km zurück, folglich durcheilt das Licht in derselben Zeit 300,000 km. Die Aberration der Fixsterne wurde zuerst von Bradley in den Jahren 1725–27 wahrgenommen, und derselbe Astronom gab auch die richtige Erklärung der Erscheinung. Die Entdeckung der A. lieferte den ersten direkten Beweis der Bewegung der Erde um die Sonne und bestätigte die von Römer ermittelte Geschwindigkeit des Lichts. Vgl. Ketteler, Astronomische Undulationstheorie oder die Lehre von der A. (Bonn 1873). – Sphärische Aberration, s. Linse; chromatische Aberration, s. Achromatismus.