Handel (Handbuch der Politik 1914)

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Autor: Bernhard Harms
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Titel: Handel
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aus: Handbuch der Politik Zweiter Band: Die Aufgaben der Politik, Elftes Hauptstück: Handel, Geld und Kredit, 51. Abschnitt, S. 299−315
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[299]
Elftes Hauptstück.


Handel, Geld und Kredit.




51. Abschnitt.


Handel.
Von
Dr. Bernhard Harms,
o. Professor der Staatswissenschaften an der Universität Kiel.


Literatur:

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Reichsgesetzblatt;
Gewerbeordnung für das deutsche Reich;
Gesetzsammlungen der Bundesstaaten;
Joseph Grunzel, System der Handelspolitik, Leipzig 1906;
Wilh. Lexis, das Handelswesen, 2 Bde. (Sammlung Göschen);
Artikel Handel im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ und in
Ludwig Elsters „Wörterbuch der Volkswirtschaft“ (beide in 3. Aufl., Jena 1911).
Arthur Blaustein, Der Handel (Separatabdruck aus: „Das Grossherzogtum Baden“), Karlsruhe 1912.
Fast alle national-ökonomischen Lehrbücher enthalten Darlegungen über den Handel und das Handelsgewerbe.

I. Wesen und Begriff.

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Betrachten wir die Summe aller in der Volkswirtschaft geleisteten wirtschaftlichen Arbeit, so fällt vor allem deren bunte Differenzierung ins Auge. Man hat im Laufe des 19. Jahrh. eifrig darüber gestritten, von welchem Standpunkt diese Arbeitsarten zweckmässig gruppiert würden, ein Streit, bei dem im ganzen wenig herausgekommen ist. Eine brauchbare Differenzierung wirtschaftlicher Arbeit dürfte die folgende sein: 1. Hervorbringung der Rohstoffe (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gärtnerei, Fischerei und Bergbau). 2. Formung der Rohstoffe (Gewerbe i. e. S., das sich differenziert nach der Art der Stoffe und den Formen, die ihnen verliehen werden). 3. Räumliche und zeitliche Bereitstellung der rohen und geformten Stoffe. (Handel, der sich differenziert, nach den Waren, die er vertreibt). 4. Transport von Menschen und Gütern (öffentliches und privates Verkehrswesen zu Wasser und zu Lande). 5. Versicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen des Verlustes von Leben, Gesundheit und Gütern (Versicherungsgewerbe). 6. Persönliche Dienstleistungen.

Wie über die Differenzierung, so ist auch über die Bedeutung dieser Kategorien wirtschaftlicher Arbeit eifrig debattiert worden. Dabei ist es oft zu grossen Einseitigkeiten gekommen, indem beispielsweise behauptet wurde, dass ausser der Landwirtschaft alle Berufsarten steril seien (Physiokraten), oder von einer anderen Richtung (Merkantilisten), dass vorzüglich Gewerbe und Handel den Reichtum eines Landes bedingten. Heute sind derlei Fragen mehr in den [300] Hintergrund getreten; immerhin behaupten sie auch in neuerer Zeit ihren Platz, so dass noch ausführlicher davon gesprochen werden soll.

Die Aufgabe der vorliegenden Abhandlung ist es, aus der Fülle wirtschaftlicher Tätigkeit einen Zweig herauszuheben und auf sein Wesen, seine Bedeutung und Organisation hin näher zu untersuchen: den Handel.

Die Zahl der Definitionen des Handels ist Legion. Wenn wir in der obigen Differenzierung vom Handel als der räumlichen und zeitlichen Bereitstellung von Rohstoffen und gewerblichen Erzeugnissen gesprochen haben, so ist darunter Handel in volkswirtschaftlichem Sinne verstanden, d. h. Handel als blosse wirtschaftliche Tätigkeit an sich. Daneben lässt sich der Handel aber auch vom Standpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit eines bestimmten Subjekts, des Kaufmanns, abgrenzen und als die zum Zwecke des Erwerbs betriebene Anschaffung und Wiederveräusserung von Waren bezeichnen. In weiterem Sinne gehört hierher auch der Handel mit Wertpapieren.

Wesentlich weiter geht in der Regel die juristische Begriffsbestimmung des Handels bezw. Handelsgewerbes, die in den Handelsgesetzbüchern der verschiedenen Länder ihren Niederschlag findet. In Deutschland sagt § 1 des HGB. das folgende:

Als Handelsgewerbe gilt jeder Gewerbebetrieb, der eine der nachstehend bezeichneten Arten von Geschäften zum Gegenstand hat:
1. Die Anschaffung und Weiterveräusserung von beweglichen Sachen (Waren) oder Wertpapieren, ohne Unterschied, ob die Waren unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiter veräussert werden.
2. Die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für andere, sofern der Betrieb über den Umfang des Handwerks hinaus geht.
3. Die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie.
4. Die Bankier- und Wechslergeschäfte.
5. Die Übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See, die Geschäfte der Frachtführer oder der zur Beförderung von Personen zu Lande oder auf Binnengewässern bestimmten Anstalten sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmer.
6. Die Geschäfte der Kommissionäre, der Spediteure oder der Lagerhalter.
7. Die Geschäfte der Handelsagenten oder der Hausmakler.
8. Die Verlagsgeschäfte sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- oder Kunsthandels.
9. Die Geschäfte der Druckereien, sofern ihr Betrieb über den Umfang des Handwerkes hinausgeht.

Im § 2 des HGB. wird ausserdem noch bestimmt, dass ein gewerbliches Unternehmen, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, auch dann, wenn es die Voraussetzungen des § 1 nicht erfüllt, als Handelsgewerbe anzusprechen ist, wenn die Firma des Unternehmers in das Handelsregister eingetragen worden ist. Der Unternehmer ist verpflichtet, die Eintragung nach den für die Eintragung kaufmännischer Firmen geltenden Vorschriften herbeizuführen.

Eine besondere Stellung nehmen im deutschen HGB. die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft ein. Die genannten Bestimmungen finden auf sie keine Anwendung. Auch wenn mit dem Betriebe der Land- und Forstwirtschaft eine Unternehmung verbunden ist, die nur ein Nebengewerbe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes darstellt, finden auf dieses die Bestimmungen des § 2 mit der Massgabe Anwendung, dass der Unternehmer berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, die Eintragung in das Handelsregister herbeizuführen. Auch wenn in dem Nebenbetriebe Geschäfte der im § 1 bezeichneten Art geschlossen werden, gilt der Betrieb doch nur dann als Handelsgewerbe, wenn der Unternehmer von der Befugnis, seine Firma in das Handelsregister eintragen zu lassen, Gebrauch gemacht hat.

Die vorliegende Abhandlung wird sich im wesentlichen mit dem Handel vom Standpunkt des ihn betreibenden Subjekts (des Kaufmannes), also mit dem Handelsgewerbe befassen, während in einem Schlusskapitel die volkswirtschaftliche Seite erörtert werden soll.

II. Gliederung des Handelsgewerbes.

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Das Handelsgewerbe gliedert sich zunächst nach der Art der Waren, die von den einzelnen Unternehmungen vertrieben werden: Kolonialwaren, Materialwaren, Bücher, Wertpapiere, Geld, Manufakturwaren, Antiquitäten, Vegetabilien usw. Sämtliche Gattungen von Handelsbetrieben können, unbekümmert um die Art der Güter, die sie kaufen und verkaufen, Grosshandelsbetriebe [301] oder Kleinhandelsbetriebe sein. Der Grosshandel (en gros), steht in der Regel nur mit Wiederverkäufern in Verbindung, während der Klein- oder Detailhandel zu den letzten Konsumenten in Beziehung tritt. Mit dieser Begriffsbestimmung decken sich in der Regel Umfang und Ausdehnung des Unternehmens. Doch zeigt neuerdings auch der Detailhandel in Form von Warenhäusern, Versand- und Spezialgeschäften ansehnliche Grossbetriebe, auf die deswegen aber der Begriff Grosshandel nach allgemeinem Sprachgebrauch keine Anwendung findet. Je nach dem ob der Handel in stehender Handelsniederlassung oder im Umherziehen betrieben wird, charakterisiert er sich als sesshafter Handel oder Wanderhandel; wird letzterer in besonders kleinem Umfange betrieben, so wird er Hausierhandel genannt. Wird der Handel auf eigene Rechnung getrieben, so liegt Eigenhandel vor, geschieht er für fremde Rechnung, so handelt es sich um Kommissionshandel. In bezug auf die geographische Ausdehnung unterscheidet man Binnenhandel und auswärtigen Handel, doch vereinigt eine Unternehmung nicht selten beide Arten von Handel, wie es freilich auch zahlreiche Handelsbetriebe (namentlich in den Seestädten) gibt, die ausschliesslich Import und Export (zumeist in der Form des Kommissionshandels) betreiben.

Erwähnt sei schliesslich noch, dass ein grosser Teil des nationalen und internationalen Warenverkehrs sich dem gewerbsmässigen Handel entzieht, indem die Produzenten direkt mit den Konsumenten in Verbindung treten und so den Zwischenhandel ausschalten. Diese Art des Warenabsatzes hat man gelegentlich als Fabrikhandel bezeichnet, demgegenüber dann der eigentliche Handel als Kaufhandel bezeichnet wird. Von anderen Bestrebungen auf Ausmerzung des gewerbsmässigen Zwischenhandels wird weiter unten noch die Rede sein.

Über die zahlenmässige Verbreitung des Handels in Deutschland gibt die folgende Statistik Aufschluss: zur Zeit der letzten Berufs- und Gewerbezählung (1907) hatte das deutsche Reich etwa 62 Millionen Einwohner, darunter 29,5 Millionen Erwerbstätige. Von den letzteren entfielen auf das „Handelsgewerbe“ im Sinne der Statistik 2 063 634 gegenüber 1 332 993 im Jahre 1895. Davon waren männlich 1 271 779, weiblich 791 855 (1895: 932 035 m., 400 958 w.). Von allen Erwerbstätigen fielen demnach auf das Handelsgewerbe im Jahre 1895: 5,8%, im Jahre 1907: 6,7%, worin sich eine ungewöhnliche Entwicklung kundgibt, die aber, wie weiter unten darzulegen sein wird, keineswegs ganz allgemein auf gesundes Wachstum schliessen lässt.

Im Hinblick auf die Betriebe, in denen diese Personen beschäftigt sind, unterscheidet die Statistik im „Handelsgewerbe“ 7 Unterabteilungen:

1907
Gruppe Hauptbetriebe Personen
Warenhandel 709 231 1 723 499
Geld- und Kredithandel 9 918 67 282
Buch- und Kunsthandel etc. 14 249 65 757
Hausierhandel 41 801 48 371
Handelsvermittlung[1] 45 736 75 707
Hilfsgewerbe des Handels[2] 3 264 26 761
Versteigerung, Stellenvermittlung usw.[3] 17 941 56 257

Zusammen 842 140 2 063 634

Jene 842 140 Betriebe verteilen sich auf folgende Grössenklassen:

Alleinbetriebe bis 3 Personen 4 u. 5 Personen 6–10 Personen 11–60 Personen 51–100 Pers. 101–500 Pers. 501 und mehr
Betr. Pers. Betr. Pers. Betr. Pers. Betr. Pers. Betr. Pers. Betr. Pers. Betr. Pers. Betr. Pers.
318 300 318 300 429 704 793 757 42 774 187 882 31 403 232 232 18 353 348 287 1 093 74 420 490 82 582 23 26 174

Auf weniger Grössenklassen gebracht, ergibt sich im Vergleich zu 1895 das folgende Bild:

Jahr Kleinbetriebe
1–5 Personen
Mittelbetriebe
6–50 Personen
Grossbetriebe
51 und mehr
Betr. Pers. Betr. Pers. Betr. Pers.
1907 790 778 1 299 939 49 756 580 519 1 606 183 176
1895 603 209 943 545 31 490 337 025 510 52 423

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III. Die Unternehmungsformen.

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Die Form einer Unternehmung ist materiell bedingt durch die Besitzverhältnisse. Je nachdem ob die Unternehmung einem Einzelnen, einer Gesellschaft von Privatpersonen oder einem öffentlich rechtlichen Verband gehört, entsteht eine bestimmte, in juristische Formen gekleidete Form der Unternehmung.

Die einfachste und allgemeinste Form der Unternehmung ist die Einzelunternehmung. Ein Einzelner (eine physische Person) ist der Unternehmer. Dieser trägt allein die juristische und wirtschaftliche Verantwortung und haftet mit seinem ganzen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Unternehmung.

Neben der Einzelunternehmung gibt es gesellschaftliche Unternehmungsformen: Offene Handelsgesellschaft, Stille Gesellschaft, Kommanditgesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Aktiengesellschaft, Genossenschaft, Gesellschaft m. b. H., Gewerkschaft etc. Die rechtliche Struktur der gesellschaftlichen Unternehmungsformen ist im 48. Abschnitt dieses Handbuches[WS 1] näher dargelegt worden. Hier mag es deshalb genügen, in einer statistischen Zusammenstellung die Verbreitung der genannten Unternehmungsformen im deutschen Handelsgewerbe zu zeigen, wobei lediglich die Gehilfenbetriebe nachgewiesen werden, da alle Alleinbetriebe ausnahmslos Einzelunternehmungen sind.

1907 1895
Zahl der Gehilfenbetriebe überhaupt[4] 439 320 262 514
Einzelinhaber 395 225 237 191
Mehrere Gesellschaften 27 026 20 221
Vereine 1 230 641
Kommandit-Gesellschaften 662 396
Aktiengesellschaften 2 768 990
Kommanditgesellschaft auf Aktien 144 103
Eingetragene Genossenschaften 4 958 913
Gesellschaften mit beschr. Haftung 3 809 345
Innungen 16 10
bergrechtl. Gewerkschaft. 42 15
andere private Unternehmungen 71 80

Nehmen wir die Alleinbetriebe hinzu, so ergeben sich im Jahre 1907 713 525 Einzelunternehmungen und nur 44 095 Unternehmungen anderer Art.

IV. Gesetzliche Beschränkung des freien Wettbewerbs im Handelsgewerbe.

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Im Handelsgewerbe herrscht, wie im Gewerbe überhaupt, grundsätzlich Gewerbefreiheit. Im allgemeinen Interesse sind hiervon jedoch Ausnahmen statuiert, die neuerdings sogar zugunsten einzelner Erwerbskreise durch Gesetz oder Verordnung Platz greifen. Die wichtigsten der z. Zt. bestehenden Bestimmungen sollen hier kurz angeführt werden.

1. Der Kleinhandel mit Branntwein, Spiritus und Bier. Nach § 33 der Gewerbeordnung bedarf ebenso wie der Betrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft auch der Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus besonderer Erlaubnis.

2. Der Handel mit Arzneimitteln und Giften. Durch Kaiserliche Verordnung soll gemäss § 6 der Gewerbeordnung bestimmt werden, welche Apothekerwaren dem freien Verkehr zu überlassen sind. Eine solche Verordnung ist unter dem 22. Oktober 1901 erlassen worden. (Reichsgesetzblatt 380). Der Grosshandel wird davon nicht berührt. Der Betrieb einer Apotheke setzt reichsgesetzlich die Approbation voraus. Die übrigen Vorschriften über das Apothekenwesen stehen den Bundesstaaten zu, die ausnahmslos die Konzessionspflicht durchgeführt haben. – Der Handel mit Drogen und chemischen Präparaten ist zu untersagen, wenn die Handhabung des Gewerbebetriebs Leben und Gesundheit von Menschen gefährdet. (§ 35 II der GO.)

3. Verbot des Handels mit bestimmten Gegenständen. Wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in bezug auf diesen Gewerbebetrieb dartun, sind zu untersagen: der Trödelhandel, der Kleinhandel mit Garnabfällen oder Dräumen von Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen, der Handel mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen und der Handel mit Losen von Lotterien und Ausspielungen, oder mit Bezugs- und Anteilscheinen [303] auf solche Lose. (§ 35 GO.) Für den Handel mit Dynamit ist ausserdem eine besondere Erlaubnis erforderlich.

4. Der Wanderhandel. Ein spezieller Abschnitt der GO. (Titel III) beschäftigt sich mit dem „Gewerbebetrieb im Umherziehen,“ zu dem auch der Wanderhandel (Hausierhandel, Wanderlager) gehört. Er ist weitgehenden Beschränkungen unterworfen.

Diejenigen Personen, die ausserhalb des Gemeindebezirks ihres Wohnortes oder auch der durch besondere Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde dem Gemeindebezirke des Wohnortes gleichgestellten nächsten Umgehung desselben ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung und ohne vorgängige Bestellung Waren feilbieten, Warenbestellungen aufsuchen oder Waren bei andern Personen als bei Kaufleuten, oder an andern Orten als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen, bedürfen eines Wandergewerbescheins. Beschränkungen, vermöge deren gewisse Waren von dem Feilhalten im stehenden Gewerbebetriebe ganz oder teilweise verboten sind, gelten auch für deren Feilbieten im Umherziehen (S. o.). Ausgeschlossen vom Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen sind: gebrauchte Kleider, gebrauchte Wäsche, gebrauchte Betten und Bettstücke, insbesondere Bettfedern, Menschenhaare, Garnabfälle, Enden von Dräumen von Seide, Wolle, Leinen oder Baumwolle, Gold und Silberwaren, Bruchgold und Bruchsilber sowie Taschenuhren, Spielkarten, Wertpapiere und Lose, explosive Stoffe, insbesondere Feuerwerkskörper, Schiesspulver und Dynamit, Petroleum, Spiritus, Stoss-, Hieb- und Schusswaffen, Gifte und gifthaltige Waren, Arznei- und Geheimmittel sowie Bruchbänder, Bäume aller Art, Sträucher, Schnitt-, Wurzelreben, Futtermittel und Sämereien, mit Ausnahme von Gemüse- und Blumensamen, Schmucksachen, Bijouterien, Brillen und optische Instrumente, Drucksachen und andere Schriften und Bildwerke, sofern sie in sittlicher oder religiöser Beziehung Ärgernis zu geben geeignet sind, oder mittels Zusicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben werden, oder in Lieferungen erscheinen, wenn nicht der Gesamtpreis auf jeder einzelnen Lieferung verzeichnet ist. – Ausgeschlossen vom Gewerbetrieb im Umherziehen sind ferner: Das Aufsuchen sowie die Vermittlung von Darlehnsgeschäften oder von Rückkaufsgeschäften ohne vorherige Bestellung sowie das Aufsuchen von Bestellungen auf Wertpapiere und Lose; das Aufsuchen von Bestellungen auf Branntwein und Spiritus bei Personen, in deren Gewerbebetrieb dieselben keine Verwendung finden. Durch die Landesregierungen kann zur Abwehr oder Unterdrückung von Seuchen der Handel mit Rindvieh, Schweinen, Schafen, Ziegen oder Geflügel im Umherziehen Beschränkungen unterworfen oder auf bestimmte Dauer untersagt werden. – Verboten ist ferner der Wanderhandel in Verbindung mit Ausspielung, sowie Versteigerung von Waren, sofern nicht von der zuständigen Behörde bei rasch verderbenden Waren Ausnahmen zugelassen sind. – Eine ganze Reihe von Bestimmungen bezieht sich auf den Wandergewerbeschein und dessen Ausstellung (§§ 56a – 63 der G.O.). Darauf näher einzugehen, würde hier zu weit führen.

Ganz besondere Einschränkungen hat der Wanderlagerbetrieb erfahren, der zwar in der Gewerbeordnung keine wesentliche Sonderstellung einnimmt, aber durch die Steuergesetzgebung gefasst wird. In den meisten Bundesstaaten wird von den Wandergewerbetreibenden eine besondere Steuer erhoben, wogegen sie in der Regel von der eigentlichen Gewerbesteuer befreit sind. In Preussen hat diese Steuer 48 Mark jährlich betragen, sie kann aber auf 6 Mark ermässigt und auf 144 Mark erhöht worden. Hierzu ist noch eine besondere Wanderlagersteuer gekommen, die ausserhalb der Markt- und Messzeit für jede angefangene Woche erhoben wird, 30, 40 oder 50 Mark beträgt und den Kreisen oder Gemeinden zufällt. Ähnlich in vielen anderen Bundesstaaten. In Sachsen muss von Wanderlagern für jede Woche 60 Mark, für Wanderauktionen (s. o.) sogar für jeden Tag 60 Mark bezahlt werden. Diese Steuergesetzgebung hat fast völlig prohibitiv gewirkt.

5. Der ambulante Gewerbebetrieb. Hierunter ist das Feilbieten von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Strassen, Plätzen etc. innerhalb des Gemeindebezirks des Wohnortes oder der gewerblichen Niederlassung durch den Inhaber der letzteren zu verstehen.

Die Bestimmungen über die vom Wanderhandel ausgeschlossenen Waren gelten auch hier, mit Ausnahme von Bier und Wein in Fässern und Flaschen. Weitere Ausnahmen sind zulässig. (§§ 42ff. der GO.) Durch die höhere Verwaltungsbehörde oder durch Beschluss der Gemeindebehörde mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde kann für einzelne Gemeinden bestimmt werden, dass Personen, welche in dem Gemeindebezirk einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung haben, und welche innerhalb des Gemeindebezirks auf öffentlichen Wegen, Strassen oder Plätzen oder an andern öffentlichen Orten, oder ohne vorherige Bestellung von Haus zu Haus Waren feilbieten, Waren bei andern Personen als bei Kaufleuten oder solchen Personen, welche die Waren produzieren, oder an andern Orten als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen, oder Warenbestellungen bei Personen, in deren Gewerbebetriebe Waren der angebotenen Art keine Verwendung finden, aufsuchen, der Erlaubnis bedürfen. Diese Bestimmung kann auf einzelne Teile des Gemeindebezirks sowie auf gewisse Gattungen von Waren und Leistungen beschränkt werden. Sog. Stadtreisende bedürfen demnach, wenn ein solcher Erlass vorliegt, der Erlaubnis.

6. Der Handlungsreisende. (§§ 44 und 45 der GO.) Wer ein stehendes Gewerbe betreibt, ist befugt, auch ausserhalb des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Niederlassung persönlich [304] oder durch in seinem Dienste stehende Reisende für die Zwecke seines Gewerbebetriebes Waren aufzukaufen und Bestellungen auf Waren zu suchen.

Durch diese Bestimmung sind die Handlungsreisenden den Vorschriften über die Hausierer entrückt. Sie bedürfen aber einer besonderen Legitimationskarte, die den Namen des Inhabers derselben, den Namen der Person oder der Firma, in deren Diensten er handelt, und die nähere Bezeichnung des Gewerbebetriebes enthält. Diese Legitimationskarte ist zu versagen oder zurückzunehmen, wenn jene Ursachen vorliegen, die auch der Erteilung des Wandergewerbescheines im Wege stehen. (§ 57 d. GO.) Der früher festgehaltene Unterschied zwischen Hausierern und Handlungsreisenden ist hierdurch bedenklich verwischt. – Einer Legitimationskarte bedürfen diejenigen Gewerbetreibenden nicht, welche durch die in den Zollvereins- oder Handelsverträgen vorgesehene Gewerbelegitimationskarte bereits legitimiert sind. Die einschränkenden Bestimmungen über die übliche Legitimationskarte finden aber auch hier Anwendung. – Aber selbst die so legitimerten Reisenden müssen sich weitgehenden Beschränkungen ihrer Tätigkeit unterwerfen. Die aufgekauften Waren dürfen nur behufs deren Beförderung nach dem Bestimmungsorte mitgeführt werden; von den Waren, auf welche Bestellungen gesucht werden, dürfen nur Proben und Muster mitgeführt werden, sofern nicht der Bundesrat für bestimmte Waren, welche im Verhältnis zu ihrem Umfang einen hohen Wert haben und übungsgemäss an die Wiederverkäufer im Stücke abgesetzt werden, zum Zwecke des Absatzes an Personen, welche damit Handel treiben, Ausnahmen zulässt. Solche Ausnahmen sind bisher zu Gunsten der inländischen Gold- und Silberwarenfabrikanten und -Grosshändler, der Taschenuhren-, Bijouturie- und Schildplatten-Fabrikanten und -Grosshändler, sowie der Gewerbetreibenden, welche mit Edelsteinen, Perlen, Kameen und Korallen Grosshandel treiben, erlassen worden. (Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 27. Nov. 1906 (RGB. 745.) – Das Aufsuchen von Bestellungen auf Waren darf mit Ausnahme von Druckschriften und Bildwerken ohne vorherige Aufforderung nur bei Kaufleuten in deren Geschäftsräumen, oder bei solchen Personen geschehen, in deren Geschäftsbetrieb Waren der angebotenen Art Verwendung finden. Der Bundesrat kann jedoch Ausnahmen zulassen. Dies ist bisher geschehen für Weinhändler, ausgenommen Branntwein, Likör, Kognak etc., den Handel mit Erzeugnissen der Leinen- und Wäschefabrikation, Nähmaschinen und überwebte Holzrouleaux. (Reichsgesetzblatt 1896: 745, 1897: 96). Reisende in diesen Gegenständen sind demnach befugt, sofern sie eine Legitimationskarte besitzen, auch ausserhalb des Bezirks ihrer gewerblichen Niederlassung, sofern diese im Inlande liegt, bei Privaten Bestellungen aufzusuchen. Für den Vertrieb landwirtschaftlicher Maschinen ist eine Ausnahme nicht vorgesehen. Das Aufsuchen von Bestellungen soweit es bei Landwirten geschieht, ist hier indessen schon nach der gesetzlichen Regel zulässig, weil es sich dabei um Personen handelt, in deren „Geschäftsbetrieb“ im Sinne des § 44 d. GO. Waren der angebotenen Art Verwendung finden. Diese Auffassung hat auch der Staatssekretär des Innern in der Reichstagssitzung vom 13. Jan. 1897 vertreten. (Sten.-Berichte 4014.) Von diesen Ausnahmen abgesehen, ist demnach das Detailreisen verboten. Dies Verbot kann jedoch zweifach umgangen werden. Einmal steht es jedem frei, sich einen Reisenden ins Haus zu bestellen, und zum andern kann der Reisende sich einen Wandergewerbeschein ausstellen lassen. – Sog. Agenten sind seit 1905 den Reisenden gleich gestellt. (RGBl. 759.)

7. Der Marktverkehr. Der Besuch der Messen, Jahr- und Wochenmarkte sowie der Kauf und Verkauf auf denselben steht einem jeden mit gleichen Befugnissen frei. Doch sind auch hier wieder Ausnahmen und Beschränkungen vorgesehen. (Titel IV der GO.)

Wo z. B. nach der bisherigen Ortsgewohnheit gewisse Handwerkerwaren, welche nicht zu den im § 66 bezeichneten Gegenständen gehören, nur von Bewohnern des Marktorts auf dem Wochenmarkte verkauft werden durften, kann die höhere Verwaltungsbehörde auf Antrag der Gemeindebehörde den einheimischen Verkäufern die Fortsetzung des herkömmlichen Wochenmarktverkehrs mit jenen Handwerkerwaren gestatten, ohne auswärtige Verkäufer derselben Waren auf dem Wochenmarkte zuzulassen. – Beschränkungen des Marktverkehrs der Ausländer als Erwiderung der im Auslande gegen Reichsangehörige angeordneten Beschränkungen bleiben dem Bundesrate vorbehalten. – Zum Verkaufe von geistigen Getränken zum Genuss auf der Stelle bedarf es der Genehmigung der Ortsbehörde. – Der Einzelverkauf von Gegenständen, die auf dem Markt unverkauft geblieben sind, ist auch ausserhalb der Marktzeit zulässig, jedoch unter denselben Bedingungen, unter welchen derselbe statthaft sein würde, wenn die Gegenstände nicht auf den Markt gebracht wären. Auswärtige bedürfen demnach für diesen Verkauf des Wandergewerbescheins, sofern sie nicht ein stehendes Verkaufsgeschäft einrichten.

8. Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln etc. Durch Gesetz vom 14. Mai 1879 (RGBl. 145), abgeändert durch Gesetz vom 29. Juni 1887 (RGBl. 276) und zahlreiche weitere Spezialgesetze ist der Handel mit Nahrungs- und Genussmitteln, sowie mit Spielwaren, Tapeten, Farben, Ess-, Trink- und Kochgeschirr, Petroleum, Schusswaffen, Sprengstoffen etc. der Beaufsichtigung unterstellt. Alle diese Bestimmungen sind durchweg polizeilicher Natur und haben im wesentlichen den Zweck, den Betrieb gefälschter, gesundheitsschädlicher oder gefährlicher Waren zu inhibieren. Hierher gehören grundsätzlich auch die veterinärpolizeilichen Beschränkungen der Einfuhr von Vieh oder tierischen Produkten. In praxi werden aber gerade [305] diese Bestimmungen über ihren engeren Zweck hinaus nicht selten im wirtschaftspolitischen Sinne (Schutz der Landwirtschaft vor ausländischer Konkurrenz) gehandhabt.

Unmittelbar im agrarischen Interesse ist das Gesetz über den Verkehr mit Ersatzmitteln von Butter, Margarine, erlassen worden. Nachdem ein erstes Gesetz schon im Jahre 1887 herauskam, der Erfolg aber nicht befriedigte, weil der Absatz von Margarine ständig zunahm, wurde im Jahre 1897 ein neues Gesetz erlassen. (RGBl. 475, Ausführungsbest. RGBl. 591.) Die Geschäftsräume und sonstigen Verkaufsstellen, einschliesslich der Marktstellen, in denen Margarine, Margarinekäse oder Kunstspeisefett gewerbsmässig verkauft oder feilgeboten wird, müssen an in die Augen fallender Stelle die deutliche, nicht verwischbare Inschrift „Verkauf von Margarine,“ „Verkauf von Margarinekäse,“ „Verkauf von Kunstspeisefett“ tragen. (Folgt die Definition dieser Erzeugnisse.) Alle Gefässe und äusseren Umhüllungen, in denen Margarine etc. verkauft werden, müssen eine entsprechende Aufschrift tragen. Die Gefässe müssen ausserdem mit einem stets sichtbaren bandförmigen Streifen von roter Farbe versehen sein. – Die Vermischung von Butter oder Butterschmalz mit Margarine oder andern Speisefetten zum Zwecke des Handels mit diesen Mischungen ist verboten. (Gilt bei bestimmten Mischungs-Verhältnissen auch für die Verwendung von Milch oder Rahm.) – In Räumen, woselbst Butter und Butterschmalz gewerbsmässig hergestellt, aufbewahrt, verpackt oder feilgeboten wird, ist die Herstellung, Aufbewahrung, Verpackung oder das Feilhalten von Margarine oder Kunstspeisefett verboten. (Gilt auch für Margarinekäse.) Diese Bestimmung findet in Orten unter 5000 Einwohnern für den Kleinhandel keine Anwendung, jedoch müssen die Margarineerzeugnisse innerhalb der Verkaufsräume in besonderen Vorratsgefässen und an besonderen Lagerstellen aufbewahrt werden. – Margarine und Margarinekäse, welche zu Handelszwecken bestimmt sind, müssen einen die allg. Erkennbarkeit der[WS 2] Ware mittelst chemischer Untersuchung erleichternden, Beschaffenheit und Farbe derselben nicht schädigenden Zusatz enthalten. Durch Bekanntmachung des Bundesrats muss dieser Zusatz bei Margarinebutter in 10%, der Margarinekäse in 5% Sesamöl bestehen. Weitere Vorschriften beziehen sich auf die Herstellung von Margarine.

9. Der Verkehr mit künstlichen Süssstoffen. Durch Gesetz vom 7. VII. 1902 (RGBl. 253) – Sacharingesetz – ist es verboten, Süssstoff herzustellen, ihn Nahrungsmitteln zuzusetzen, Süssstoffe und süssstoffhaltige Nahrungsmittel zu verkaufen oder aus dem Auslande einzuführen. Ausnahmen gelten nur für die Apotheken, die ihren Bedarf an Sacharin, dessen Absatzgebiet (Arzte, Heilanstalten etc.) abgegrenzt ist, von einer privilegierten, unter Aufsicht stehenden Aktiengesellschaft zu beziehen haben.

10. Der unlautere Wettbewerb. Dem einzelnen muss in der Anpreisung und Vertreibung seiner Produkte weitester Spielraum gewährt werden. Dieser Grundsatz einer im Sinne freier Konkurrenz aufgestellten Gewerbeordnung hat aber nur insoweit Gültigkeit, als er nicht gegen die obersten Postulate im Gewerbeleben: gegen die Gebote von Treu und Glauben verstösst. Die Verschärfung des wirtschaftlichen Wettbewerbs hat es aber mit sich gebracht, dass im rücksichtslosen Kampf um den Absatz diese Grenzen vielfach überschritten werden und hierdurch den in ihrer Geschäftsgebarung weniger Skrupellosen empfindlicher Schaden zugefügt wird. Dementsprechend hat auch hier die Gesetzgebung mit zum Teil sehr einschneidenden Massnahmen eingegriffen. In Europa hat sich die einschlägige Rechtsbildung im Anschluss an das französische Recht entwickelt. Im codc civil (Art. 1382) heisst es nämlich: „Tout fait quelconque à l’homme qui cause à autrui un dammage oblige celui, par la faute duquel est arrivé à le réparer.“ Auf dieser Basis hat die französische Jurisprudenz die Lehre von der „concurrence déloyale“ ausgebildet. Später sind dann noch besondere Spezialgesetze hinzugekommen. Dieses französische Vorbild ist auf dem Kontinent nachgeahmt worden, indem zunächst überall der sog. „Markenschutz“ eingeführt wurde, dem später weitergehende Gesetze an die Seite traten. – In Deutschland beruht der gegenwärtige Rechtszustand in der Hauptsache auf dem „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ vom 7. Juni 1909 (RGBl. 499), das ergänzt wird durch das Gesetz zum Schutze von Warenbezeichnungen vom 12. V. 1894, die §§ 17 ff. und 37 des Handelsgesetzbuches und durch die §§ 12, 824, 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Von der Besprechung des Patentwesens, dem Musterschutz und dem Markenschutz soll hier Abstand genommen werden, weil es sich dabei im wesentlichen um den Schutz der Produktion handelt. Nur insoweit der selbständige Handel in Frage kommt, soll das Wichtigste mitgeteilt werden.

Ganz allgemein bestimmt § 1 des Ges. über den unlauteren Wettbewerb: „Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstossen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden. (Generalklausel.) Im übrigen erstrecken die einschlägigen Bestimmungen sich in der Hauptsache auf den Reklameunfug, die Quantitätsverschleierungen, die Kreditschädigung, den Firmenmissbrauch und die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses. – Wer in öffentlichen [306] Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen grösseren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere über die Beschaffenheit, den Ursprung, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waren oder gewerblichen Leistungen, über die Art des Bezugs oder die Bezugsquelle von Waren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlass oder den Zweck des Verkaufs oder über die Menge der Vorräte unrichtige Angaben macht, die geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, kann auf Unterlassung der unrichtigen Angaben in Anspruch genommen werden. Handelt es sich hierbei um wissentlich unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben, so kann auf Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu 5000 Mark erkannt werden. – Waren, die aus einer Konkursmasse stammen, dürfen als solche nur solange bezeichnet werden, als sie zur Konkursmasse gehören. – Bei Ankündigung von Ausverkäufen ist der Grund anzugeben, der zu dem Ausverkauf Anlass gegeben hat; Waren nur zum Zwecke des Ausverkaufs herbeizuschaffen, ist verboten (Vorschieben oder Nachschieben von Waren). – Wer zu Zwecken des Wettbewerbs über das Erwerbsgeschäft eines andern, über die Person, über die Waren oder gewerblichen Leistungen eines andern Tatsachen verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, ist, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Ersatze des entstandenen Schadens verpflichtet. Der Verletzte kann auch den Anspruch geltend machen, dass die Behauptung oder Verbreitung der Tatsachen unterbleibe. Auf solche Mitteilungen wider besseres Wissen steht Gefängnis oder Geldstrafe. – Wer im geschäftlichen Verkehr einen Namen, eine Firma oder die besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts, eines gewerblichen Unternehmens oder einer Druckschrift in einer Weise benutzt, welche geeignet ist, Verwechslungen mit dem Namen der Firma oder der besonderen Bezeichnung hervorzurufen, deren sich ein anderer befugterweise bedient, kann von diesem auf Unterlassung der Benutzung in Anspruch genommen werden. Unter Umständen ist dem Verletzten Ersatz des Schadens zu gewähren. – Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 5000 Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebs, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich geworden sind, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an andere zu Zwecken des Wettbewerbs oder in der Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebs Schaden zuzufügen, mitteilt. Ausserdem liegt Schadenersatzpflicht vor. Der Anstifter ist ebenfalls strafbar. – Das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb hat in der Praxis schon jetzt zu vielen kleinen, oft lächerlichen Verwaltungsmassnahmen geführt. Überdies gehen die Entscheidungen der Gerichte sehr auseinander, so dass die Folge eine stark empfundene Rechtsunsicherheit ist.

11. Die Warenhäuser. Die Herausbildung von Grossbetrieben im Detailhandel, die auf kapitalistischer Grundlage eine weitgehende Kombination der Warenhaltung zur Durchführung bringen und ihren Boden vor allem in grösseren Städten finden, hat im Interesse des alten Detailhandels, der sich durch diese Entwickelung bedroht fühlte, zu weitgehenden Massnahmen gegen die sog. Warenhäuser geführt. Und zwar gehen diese fast ausschliesslich in der Richtung einer besonderen Steuer; die Materie wird in Deutschland durch die Landesgesetzgebung geregelt.

In Preussen gilt das Gesetz vom 18. VII. 1900. Steuerpflichtig sind die Warenhäuser und sonstigen Grossbetriebe des Kleinhandels, die in ihren Räumen mehr als vier Warengruppen feilbieten, und deren Umsatz einschliesslich der Filialen mehr als 400 000 Mk. im Jahr beträgt. Die vier im Gesetz festgelegten Warengruppen sind die folgenden: 1. Materialwaren, Kolonial- und Esswaren, Trinkwaren und Drogen. 2. Kurzwaren, Bekleidungs- und Wohnungseinrichtungsgegenstände. 3. Haus-, Küchen- und Gartengerätschaften. 4. Gold-, Silber-, Juwelier-, Kunst- und Galanteriewaren. Die Steuersätze werden nach dem Umsatz bemessen; sie beginnen mit 1% bei einem solchen von 400 000 Mark und erreichen in langsamer Steigerung das Maximum von 2% bei einem Umsatz von 1 Mill. Mark. Wenn die Steuer mehr als 20% des gewerbesteuerpflichtigen Ertrages ausmacht, ist sie auf Antrag auf diesen Ertrag zu ermässigen; sie muss aber mindestens die Hälfte des eigentlichen Soll betragen. Die allg. Gewerbesteuer muss von den Warenhäusern ausserdem bezahlt werden. Steuerfrei sind Betriebe von Genossenschaften und Vereinen, die ausschliesslich die eigenen Bedürfnisse der Mitglieder decken und die ihnen gleichstehenden Geschäftsbetriebe. Grosse Spezialgeschäfte sind steuerfrei, jedoch nicht dann, wenn sie zur Umgehung der Steuer aus der Zerlegung eines Warenhauses entstanden sind. Der Ertrag der Steuer belief sich 1901 auf: 3,0; 1902: 1,9; 1903: 1,9; 1904: 1,9; 1905: 2,1; 1906: 2,5; 1907: 2,6; 1908: 2,7; 1909: 2,5 Mill. Mark. Die Ergebnisse fliessen den Gemeinden zu, und zwar zunächst zur Erleichterung der Abgaben der Gewerbesteuerpflichtigen III. und IV. Klasse, im übrigen zur Deckung allg. Gemeindebedürfnisse. Die Zahl der besteuerten Betriebe belief sich im Jahre 1901 auf 109, ging im Jahre 1903 auf 73 zurück, um im Jahre 1909 auf 101 anzusteigen. Zur Zeit sind Bestrebungen im Gange, die Steuer zu erhöhen. – Warenhaussteuern bestehen in vielen anderen deutschen Bundesstaaten. (Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Sachsen-Coburg-Gotha, Hamburg, Lübeck, Elsass-Lothringen etc.) Vielfach ist die Regelung so, dass keine allgemeine Landessteuer besteht, sondern den Gemeinden überlassen ist, sie einzuführen. In Bayern werden sogar alle Grossbetriebe des Kleinhandels, „die durch Ausdehnung und Geschäftsverfahren von den überkommenen Formen des Warenhandels wesentlich abweichen,“ (also auch Versandgeschäfte, Spezialgeschäfte etc.) mit einer progressiven Steuer belegt, die von ½–3% des Umsatzes steigt und noch besondere Kommunalzuschläge vorsieht. – Nach dem Willen derer, die diese Warenhaussteuern am lautesten [307] befürworten, soll sie eine Erdrosselungssteuer sein. Diesen Zweck hat sie bisher nicht erreicht, weshalb auf eine weitere Erhöhung der Steuer gedrängt wird. –

12. Das Schmiergeld-Unwesen. Im Erwerbsleben hatte sich der weitverbreitete Missstand herausgebildet, denjenigen Angestellten von Firmen, denen Einkäufe von fertigen Erzeugnissen, Rohstoffen oder Halbfabrikaten obliegen, Gratifikationen in irgend einer Form zu gewähren, um sie bestimmten Firmen zu verpflichten (Schmiergelder). Diesem Unwesen ist das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (s. o.) entgegengetreten (§ 12); die unklare Fassung wird freilich wenig ausrichten.

Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 5000 Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbs dem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, um durch unlauteres Verhalten des Angestellten oder Beauftragten bei dem Bezuge von Waren oder gewerblichen Leistungen eine Bevorzugung für sich oder einen Dritten zu erlangen. Die gleiche Strafe trifft den Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebs, der im geschäftlichen Verkehre Geschenke oder andere Vorteile fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, damit er durch unlauteres Verhalten einem anderen bei dem Bezuge von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb eine Bevorzugung verschaffe. Im Urteil ist zu erklären, dass das Empfangene oder sein Wert dem Staate verfallen sei.

13. Die Abzahlungsgeschäfte. Mancherlei Missständen, die sich aus dem Betriebe der Abzahlungsgeschäfte ergeben hatten, ist das Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894 entgegengetreten. (RGBl. S. 450). Hat bei dem Verkauf einer dem Käufer übergebenen beweglichen Sache, deren Kaufpreis in Teilzahlungen berichtigt werden soll, der Verkäufer sich das Recht vorbehalten, wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen von dem Vertrage zurückzutreten, so ist im Falle dieses Rücktritts jeder Teil verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist nichtig.

Der Käufer hat im Falle des Rücktritts den Verkäufer für die infolge des Vertrages gemachten Aufwendungen, sowie für solche Beschädigungen der Sache Ersatz zu leisten, welche durch ein Verschulden des Käufers oder durch einen sonstigen von ihm zu vertretenden Umstand verursacht sind. Für die Überlassung des Gebrauchs oder der Benutzung ist deren Wert zu vergüten, wobei aber auf die inzwischen eingetretene Wertminderung der Sache Rücksicht zu nehmen ist. Eine entgegenstehende Vereinbarung, insbesondere die einer höheren Vergütung ist nichtig. – Eine wegen Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Vertragsstrafe kann, wenn sie unverhältnismässig hoch ist, auf Antrag des Käufers durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Die Herabsetzung einer entrichteten Strafe ist ausgeschlossen. – Die Abrede, dass die Nichterfüllung der dem Käufer obliegenden Verpflichtungen die Fälligkeit der Restschuld zur Folge haben solle, kann rechtsgiltig nur für den Fall getroffen werden, dass der Verkäufer mit mindestens zwei aufeinander folgenden Raten ganz oder teilweise im Verzug ist und der Betrag, mit dessen Bezahlung er im Verzug ist, mindestens dem zehnten Teile des Kaufpreises der übergebenen Sache gleich kommt. – Dieso Vorschriften finden auf Verträge, welche darauf abzielen, die Zwecke eines Abzahlungsgeschäfts in einer anderen Rechtsform, insbesondere durch mietweise Überlassung der Sache zu erreichen, entsprechende Anwendung, gleichviel ob dem Empfänger der Sache ein Recht, später daran Eigentum zu erwerben, eingeräumt ist oder nicht. – Lotterielose oder Inhaberpapiere mit Prämien gegen Teilzahlung zu verkaufen, ist verboten.

14. Der börsenmassige Handel. Ein erheblicher Teil des Handels in Produkten vollzieht sich an der Börse (Produktenbörse), wie der Handel in Wertpapieren nominell immer durch börsenmässigen An- oder Verkauf vor sich geht. Auf diese Börsengeschäfte bezieht sich eine ganze Reihe von gesetzlichen Vorschriften, die das „freie Spiel der Kräfte“ (vor allem die Spekulation) erheblich beschränken; ihre Entstehung und Anwendung hat im Reichstage wie im politischen Leben oft zu stürmischen Auseinandersetzungen geführt. (Vgl. hierüber den 55. Abschnitt: Banken und Börse.)

15. Sozialpolitische Vorschriften. Eine ganze Reihe von Massnahmen bezieht sich auf die im Handelsgewerbe angestellten Personen, deren Beschäftigung ziemlich weitgehenden Beschränkungen unterworfen ist. Soweit diese Vorschriften nicht Ausfluss der allgemeinen, auch für andere Betriebe geltenden Arbeiterschutz- und Versicherungspolitik sind, werden sie unten in anderem Zusammenhang erörtert. An dieser Stelle mögen noch einige Mitteilungen über die Sonntagsruhe und den Ladenschluss an Wochentagen folgen, zwei Institutionen, die in ihrer Wirkung ja weit über die im Handelsgewerbe angestellten Personen hinausgehen.

16. Sonntagsruhe und Ladenschluss an Wochentagen. Die Frage einer weitestgehenden gesetzlichen Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist in Deutschland lange [308] erörtert worden, wurde aber erst nach sehr umfangreichen Erhebungen und Vorarbeiten durch die Novelle vom 1. VI. 1891 der Lösung entgegengeführt (RGBl. 261). Für das Handelsgewerbe, das uns hier allein zu beschäftigen hat, wurde das Gesetz durch Verordnung vom 28. III. 92 (RGBl. 339) am 1. Juli 1892 eingeführt. (Jetzt GO. §§ 41a, 55a, 105a–105i.)

Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter dürfen am 1. Weihnachts-, Oster- und Pfingsttag überhaupt nicht, im übrigen an Sonn- und Festtagen nicht länger als 5 Stunden beschäftigt werden. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes kann diese Beschäftigung für alle oder einzelne Zweige des Handelsgewerbes auf kürzere Zeit eingeschränkt oder ganz untersagt werden. Für die letzten vier Wochen vor Weihnachten sowie für einzelne Sonn- und Festtage, an welchen örtliche Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen, kann die Polizeibehörde eine Vermehrung bis auf 10 Stunden zulassen. Alle die zum Schutze der im Handel beschäftigten Personen erlassenen Bestimmungen gelten mit der Massnahme, dass offene Verkaufsstellen zu den Stunden, in denen Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter nicht beschäftigt werden dürfen, den Verkauf einstellen müssen. Die Arbeitsruhe bedeutet danach ein Stillegen des Geschäfts überhaupt und trifft mithin auch den Prinzipal, soweit der Verkehr mit dem Publikum in Frage kommt. – Es bestehen mannigfache Bestrebungen, die Sonntagsruhe weiter auszudehnen, also vor allem die erlaubten 5 Stunden – die übrigens für sehr viele Handelszweige schon erheblich verkürzt sind – zu vermindern. Es besteht ein internationaler Sonntagsschutzkongress, in Deutschland ausserdem eine im Jahre 1907 gegründete Zentralstelle zur weiteren Förderung der Sonntagsruhe sowie der „Käuferbund für Deutschland“, der das kaufende Publikum anhalten will, nicht mehr am Sonntage Einkäufe vorzunehmen. In Deutschland sind als Triebkraft auch besonders die Handlungsgehilfenverbände (s. u.) wirksam.

Als ein wesentlicher Misstand war im Handelsgewerbe die Tatsache des Offenhaltens der Läden bis in die späten Abend- oft Nachtstunden je länger desto mehr empfunden worden. Da die einzelnen Prinzipale mit Rücksicht auf die Konkurrenz Abhilfe ohne finanzielle Verluste nicht schaffen konnten, wurde auch hier die Gesetzgebung in Anspruch genommen. Die Materie wurde geregelt durch eine Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Okt. 1900 (RGBl. 968ff.) GO. §§ 139c–139g.

In offenen Verkaufsstellen und den dazu gehörigen Schreibstuben (Kontore) und Lagerräumen ist den Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 10 Stunden zu gewähren. In Gemeinden von mehr als 20 000 Einwohnern muss die Ruhezeit mindestens 11 Stunden betragen. Die gleiche Stundenzahl kann durch Ortsstatut für kleinere Ortschaften vorgeschrieben werden. Innerhalb der Arbeitszeit haben die Gehilfen Anspruch auf eine angemessene Mittagspause. Wer die Hauptmahlzeit ausser dem Hause einnimmt, muss hierfür mindestens ein und eine halbe Stunde haben. Unter gewissen Verhältnissen sind Ausnahmen zulässig. (§ 139d GO.) – Von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens müssen offene Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein. Ausnahmen sind zulässig für unvorhergesehene Notfälle, an 40 von der Ortspolizeibehörde zu bestimmenden Tagen, jedoch nur bis 10 Uhr und endlich für Orte unter 2000 Einwohner sowie in ländlichen Gemeinden, sofern in denselben der Geschäftsverkehr sich vornehmlich auf einzelne Tage der Woche oder auf einzelne Stunden des Tages beschränkt. Während der Zeit, wo die Verkaufsläden geschlossen sein müssen, ist das Feilbieten von Waren auf öffentlichen Wegen, Strassen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vorherige Bestellung von Haus zu Haus im stehenden Gewerbebetrieb sowie im Gewerbebetrieb im Umherziehen verboten. Ausnahmen können auf Grund einer Bundesratsverordnung von der Ortspolizeibehörde zugelassen werden. – Auf Antrag von mindestens zwei Dritteln der beteiligten Geschäftsinhaber (das heisst der Abstimmenden, s. u.) kann für eine Gemeinde oder mehrere örtlich unmittelbar zusammenhängende Gemeinden durch Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Gemeindebehörden für alle oder einzelne Geschäftszweige angeordnet werden, dass die offenen Verkaufsstellen während bestimmter Zeiträume oder während des ganzen Jahres auch in der Zeit zwischen 8 und 9 Uhr abends und zwischen 5 und 7 Uhr morgens für den geschäftlichen Verkehr geschlossen sein müssen. Die Abstimmung muss erfolgen, wenn ein Drittel der beteiligten Geschäftsinhaber es beantragt.

V. Die im Handelsgewerbe beschäftigten Hilfspersonen.

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Die im Handelsgewerbe beschäftigten zahlreichen Hilfspersonen zerfallen in zwei Kategorien: die unqualifizierten Arbeiter und das kaufmännische Personal. Erstere haben gröbere Arbeiten, wie das Packen und Austragen der Waren, also Handlangerdienste zu leisten, während letztere den Chef bei der spezifischen Handelstätigkeit zu unterstützen haben. Von ihnen, die zumeist Handlungsgehilfen oder Kommis (neuerdings auch Privatbeamte) genannt werden, soll hier etwas ausführlicher gesprochen werden.

Im rationellen modernen grösseren Handelsbetrieb ist heute eine weitgehende Arbeitsteilung zur Durchführung gebracht. Der Handlungsgehilfe übt hier die genau umgrenzten Funktionen [309] eines Buchhalters, Korrespondenten, Kassierers, Lagergehilfen, Reisenden oder Verkäufers. In kleineren Geschäften dagegen sind mehrere dieser Ämter oder alle zugleich einer und derselben Person übertragen. Man hat versucht, die mehr als anderthalb Millionen deutschen Handlungsgehilfen als „Arbeitnehmer“ schlechtweg den Lohnarbeitern zuzurechnen. Dies bedeutet zweifellos eine Verkennung der wirklichen Sachlage, denn das Verhältnis des Handlungsgehilfen zum Geschäftsinhaber unterscheidet sich vom Lohnarbeiterverhältnis in sehr wesentlichen Punkten. Zunächst ist schon die Verbindung zwischen Prinzipal und Gehilfen nach der Absicht beider Teile eine stabilere. Der Dienstvertrag wird auf längere Zeit geschlossen, das Gehalt für längere Fristen vereinbart und in grösseren Intervallen, meist monatlich, bezahlt. Ferner haben wohl die meisten Handlungsgehilfen die Absicht, einmal selbständig zu werden, während der Fabrikarbeiter sich in die Tatsache, zeitlebens in abhängiger Stellung verharren zu müssen, schon vollständig hineingefunden hat. Hierbei ist freilich zu berücksichtigen, dass auch die Zahl der Handlungsgehilfen, die es zur Selbständigkeit bringt, zusehends kleiner wird, womit natürlich deren soziale Stellung sich grundsätzlich ändert. Immerhin ist der Unterschied zwischen Handlungsgehilfen und Arbeitern selbst im Hinblick auf die allgemeinen Grundlagen ihres Dienstverhältnisses heute noch so gross, dass auch die Gesetzgebung für jede der beiden Klassen gesonderte Normen aufstellt.

Nach dem Handelsgesetzbuch ist als Handlungsgehilfe anzusehen, wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste angestellt ist. Art und Umfang dieser Dienstleistungen richten sich nach der Übereinkunft zwischen beiden. Der Gehilfe hat dem Prinzipal seine ganze kaufmännische Tätigkeit ausschliesslich zu widmen; ohne Einwilligung seines Prinzipals ist es ihm verboten „ein Handelsgewerbe zu betreiben oder in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen.“ Bei unverschuldeter Dienstunfähigkeit der Gehilfen ist der Prinzipal verpflichtet, denselben Gehalt und Unterhalt unverkürzt weiter zu gewähren, jedoch nicht für länger als sechs Wochen. Diese Bestimmung ist jedoch kein zwingendes Recht, sondern kann durch Vertrag unwirksam gemacht werden. Die Bestrebungen der Handlungsgehilfen gehen deshalb dahin, dem § 63 des HGB. zwingendes Recht zu geben. Die Zahlung des Gehalts muss am Ende jedes Monats erfolgen. Wenn das Dienstverhältnis für unbestimmte Zeit eingegangen ist, kann es von jedem Teile erst für den Schluss eines Kalendervierteljahrs nach vorheriger sechswöchentlicher Kündigung gekündigt werden. Wird durch Vertrag eine kürzere oder längere Kündigungsfrist bedungen, so muss sie für beide Teile gleich sein und darf nicht weniger als einen Monat betragen; auch kann die Kündigung nur für den Schluss eines Monats zugelassen werden. Sonst kann die Aufhebung des Dienstverhältnisses vor der bestimmten Zeit von jedem Teile nur aus einem „wichtigen“ Grunde verlangt werden. Gegen den Prinzipal kann vor allem auf Aufhebung des Dienstvertrages erkannt werden, wenn er das Gehalt oder den gebührenden Unterhalt nicht gewährt oder sich an dem Gehilfen vergreift. Gegen den Gehilfen kann insbesondere auf Aufhebung des Dienstverhältnisses erkannt werden, wenn er im Dienste untreu ist oder das Vertrauen missbraucht, wenn er den Dienst zu leisten sich weigert, sich am Prinzipal vergreift und dgl. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses darf der Gehilfe nicht durch eine in seinen letzten Dienstvertrag eingefügte Konkurrenzklausel in seinem Fortkommen unbillig gehindert werden. Das HGB. bestimmt deshalb, dass „eine Vereinbarung, durch welche der Gehilfe für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird, für ihn nur in soweit verbindlich ist, als die Beschränkung nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Handlungsgehilfen ausgeschlossen wird.“ Deshalb kann auch die Beschränkung auf keinen Fall auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nach der Beendigung des Dienstverhältnisses erstreckt werden. Doch auch mit dieser Einschränkung hat die Konkurrenzklausel sich als recht drückend erwiesen. Ihrer völligen Aufhebung stehen freilich auch sehr schwerwiegende Bedenken gegenüber, während die Einschränkung ihres Anwendungsgebiets wohl möglich ist und besonders der Forderung zuzustimmen ist, dass die betroffenen Gehilfen materiell unbedingt sicher zu stellen sind. Schon die Verwirklichung dieser Forderung würde den Bereich der Konkurrenzklausel auf die durch besondere Verhältnisse bedingten Grenzen zurückschrauben. Z. Zt. sind Bestrebungen im Gange, die ganze Frage der Konkurrenzklausel neu zu regeln. Die Beteiligten stehen sich freilich mit ihren Meinungen noch scharf gegenüber, doch dürfte für eine befriedigende Lösung im Reichstage eine Mehrheit zu finden sein.

Wie in der Arbeiterklasse gibt es auch im Handlungsgehilfenstande „soziale Fragen“, die der Lösung durch die Gesetzgebung harren oder diese schon gefunden haben. Kann hier auch, wie schon bemerkt, keineswegs von einer kompakten Masse mit gleichen Interessen gesprochen werden, so haben sich doch Missstände herausgebildet, die mehr oder weniger von allen gefühlt werden. Missstände, die sich überdies der Beseitigung durch Selbsthilfe entziehen und deshalb das Eingreifen des Staates erfordern. Um vor allem das Grundübel, die Stellenlosigkeit so vieler Gehilfen, zu mildern, hätte der Staat der übermässigen Verwendung von Lehrlingen Schranken [310] zu setzen. Wie im Handwerk durch die Novelle vom 26. Juli 1897 die Möglichkeit besteht, die Zahl der Lehrlinge in ein bestimmtes Verhältnis zu den beschäftigten Gehilfen zu setzen, und man damit sehr gute Erfolge erzielt hat, so könnte nach gleichen Grundsätzen auch im Handelsgewerbe eine Regelung des Lehrlingswesens versucht werden. Ein zweiter Missstand betrifft die Länge der Arbeitszeit. Erstrebenswert ist vor allem die möglichste Ausdehnung des 8 Uhr Ladenschlusses und der Sonntagsruhe; liegen doch für einen gesetzlichen Maximalarbeitstag im Handelsgewerbe die Verhältnisse viel weniger ungünstig als im stoffveredelnden Gewerbe, weil die Konkurrenz des Auslandes völlig wegfällt. – Von weitgehender Bedeutung ist für den Handlungsgehilfen wie für alle Privatangestellten das Versicherungswesen. Die Angliederung dieser Personenkreise an die allgemeinen Versicherungsgesetze hat sich im ganzen als zweckmässig erwiesen, doch ist darüber hinaus eine Berücksichtigung der speziellen Interessen des hier in Frage stehenden Standes zu wünschen. In dem von der Reichsregierung veröffentlichten Entwurf eines Privatbeamtenversicherungsgesetzes ist der Weg einer Sonderversicherung beschritten worden. Es ist anzunehmen, dass diese in kürzester Zeit in irgend einer Form Gesetz wird. – Besonderen Wert legen die Handlungsgehilfen auf die Einrichtung von gesetzlichen Interessenvertretungen (Kaufmannskammern). Bei der Einbringung des Entwurfs über Arbeitskammern, der leider im Reichstag stecken geblieben ist, stellten die verbündeten Regierungen besondere Kammern für Angestellte und Techniker in Aussicht. Es ist freilich fraglich, ob sie in absehbarer Zeit zustande kommen werden, obwohl an Vorschlägen für ihre Ausgestaltung kein Mangel ist. Zahlreiche Denkschriften und Gutachten der Handlungsgehilfenverbände haben auf diesem Gebiete ein sehr umfangreiches und wichtiges Material beigebracht. – Eine weitere Forderung der Handlungsgehilfen bezieht sich auf die Errichtung von Handelsinspektionen, nach Art der Gewerbeaufsicht. Die Reichsregierung hat sich, dem Widerstreben der Prinzipale folgend, diesen Bestrebungen gegenüber bisher ablehnend verhalten. Es fragt sich aber, ob auf die Dauer ohne diese Institution auszukommen sein wird. Eine weitere Forderung hingegen: gesetzliche Mindestgehälter, dürfte in absehbarer Zeit keine Aussicht auf Verwirklichung haben. Es fehlen dafür auch alle Voraussetzungen. Solche Fragen zu regeln, eventuell mit Hilfe der Berufs-Organisationen muss den Beteiligten überlassen bleiben.

Die grosse Zahl der Handlungsgehilfen brachte es mit sich, dass in deren Reihen frühzeitig Organisationsbestrebungen einsetzten. Doch kam es zu einer gewerkschaftlichen Organisation verhältnismässig spät, wie diese auch heute noch keineswegs überwiegt, wenngleich sozialreformerische Bestrebungen zur Zeit von allen Verbänden verfolgt werden. Die wichtigsten der heute bestehenden Organisationen sind die folgenden: 1. Verband deutscher Handlungsgehilfen, mit dem Sitze in Leipzig; er fasst nahezu 100 000 Mitglieder. 2. Verein für Handlungskommis von 1858 (100 000 Mitglieder), ein Verband, der ursprünglich im wesentlichen auf Unterstützungs- und Bildungswesen sowie Stellenvermittlung sich beschränkte, neuerdings aber auch zu sozialpolitischer Tätigkeit übergegangen ist. In seiner Organisation unterscheidet er sich von den übrigen Verbänden dadurch, dass er das paritätische Prinzip scharf betont und demgemäss viele seiner Mitglieder Prinzipale sind, wodurch die Stellenvermittlung des Vereins günstig beeinflusst wird. 3. Deutsch-nationaler Handlungsgehilfenverband (Über 100 000 Mitglieder). Eine rein gewerkschaftliche Organisation, die stark sozialreformerisch ist, daneben aber auch unzeitgemässe Forderungen vertritt, so die Beseitigung der Frauenarbeit im Handelsgewerbe. Juden sind von der Mitgliedschaft des Verbandes ausgeschlossen. 4. Zentralverband der Handlungsgehilfen und -Gehilfinnen. Als „freie“ Gewerkschaft der Zentralkommission angeschlossen. Der Verband ist mit seinen noch nicht 2000 Mitgliedern für die kaufmännische Welt bedeutungslos. 5. Verein deutscher Kaufleute (20 000 Mitgl.). Im Jahre 1873 als Hirsch-Dunkersche Organisation gegründet, im Jahre 1911 aber als unabhängige Organisation fortgeführt. 6. Bund der kaufmännischen Angestellten. Eine Neugründung des Jahres 1911, die sich in ihrem Aufruf als die „erste unabhängig-gewerkschaftliche Organisation“ bezeichnet, „frei von Einflüssen des Arbeitgebertums, frei von Rassen-, Religions- und parteipolitischen Bestrebungen, frei von organisatorischer Verbindung mit der Arbeiterbewegung etc“. Ob für diese Neugründung ein Bedürfnis vorhanden [311] war, oder ob nicht vielmehr das Ziel eine Vereinheitlichung der Handlungsgehilfenbewegung sein müsste, mag dahingestellt bleiben.

Im grossen und ganzen sind die Handlungsgehilfen trotz ihrer „Masse“ kein besonders günstiges Organisationsmaterial. Die vielfache soziale Differenzierung dieses Standes – vom Heringsverkäufer bis zum hochbezahlten Prokuristen – und das damit verbundene differenzierte Standesbewusstsein, eine charakteristische Begleiterscheinung aller Kategorien von Privatangestellten, sind Hemmungsmomente, die in ihrer Tragweite in der Regel unterschätzt werden – trotz aller schlechten Erfahrungen, die man immer wieder macht.

VI. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Handels.

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Fast in der gesamten sozialökonomischen Literatur wird die Auffassung vertreten, dass es eine grosse Zeitspanne menschlicher Entwicklung gegeben habe, die sich als tauschlose Wirtschaft charakterisiere, also den Handel nicht gekannt habe. Am prägnantesten hat dieser Auffassung der Leipziger Sozialökonom Karl Bücher Ausdruck gegeben, indem er als erste wirtschaftliche Entwicklungsstufe der Menschheit die „geschlossene Hauswirtschaft“ bezeichnet. Sie charakterisiert sich angeblich durch „reine Eigenproduktion“ und ist „tauschlose Wirtschaft, auf welcher die Güter in derselben Wirtschaft verbraucht werden, in der sie entstanden sind.“ Ausdrücklich hebt Bücher immer wieder hervor, dass vor der Entstehung der Volkswirtschaft „die Menschheit grosse Zeiträume hindurch ohne Tauschverkehr .... gewirtschaftet“ habe. Neuere Forschungen über das Wirtschaftsleben der primitiven Völker haben aber gezeigt, dass dies ein grandioser Irrtum ist. Der Handel gehört vielmehr zu den ältesten Kulturerwerbungen der Menschheit und alle auf einen Zustand „tauschloser Wirtschaft“ aufgebauten Stufentheorien entbehren deshalb der historischen Grundlage. Übrigens hätten uns davon auch leicht die Funde aus prähistorischer Zeit überzeugen können, die oft aus Stoffen bestehen, die in weitem Umfange der Fundstelle nicht vorgekommen sein können, z. B. Gold, Bronze und Eisen. Adam Smith, von dem Bücher sagt, dass er „den Menschen von Natur eine Neigung zum Tausche angeboren sein lässt,“ dürfte auch hiermit das richtige getroffen haben.

Auch einen gewerbsmässigen Handel müssen wir uns schon sehr früh vorstellen, und zwar ursprünglich, Jahrtausende hindurch als Wander- oder nach heutigem Sprachgebrauch als Hausierhandel, der durch den später auch rechtlich ausgebildeten Markthandel ergänzt wird. Ein sesshaftes Handelsgewerbe kommt in Deutschland mit dem Städtewesen auf, ursprünglich besorgt es den Stadtbewohnern die im direkten Tauschverkehr in der Stadt und deren Umgebung nicht erhältlichen Güter: Salz, Eisen, Bronze, feine Stoffe, Fische, Wein u. dgl., ist also eine Art Importhandel. Später, noch im Mittelalter, verbreitert sich das Gebiet des sesshaften Handels, indem er sich auch im Hinblick auf alle möglichen anderen Gegenstände zwischen Produzent und Konsument einschiebt: Neben dem Grosskaufmann entwickelt sich in den Städten und später auch auf dem Lande allmählich der „Krämer“. Ein neues Zeitalter des Grosshandels beginnt mit der neuzeitlichen Kolonialpolitik, die Ausgangspunkt eines in gleicher Ausdehnung vorher nicht gekannten „Welthandels“ wird. Mit der Entwicklung des Verkehrs wird dieser intensiver und führt schliesslich zur „Weltwirtschaft“. (Vgl. d. Art. Weltwirtschaft und Weltwirtschaftspolitik). Von diesem Grosshandel profitiert auch der Kleinhandel, dem nun ganz neue Produkte (Kolonialwaren!) zugeführt werden. Und entsprechend war seine Entwicklung, die ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert erreichte. Kaum ein anderes Gewerbe dürfte gerade im 19. Jahrhundert ein gleiches Entwicklungstempo eingehalten haben, wie das Handelsgewerbe und in ihm der Detailhandel, der sich längst nicht mehr auf die Städte beschränkt, sondern in die kleinsten und entlegensten Dörfer vorgerückt ist.

Welche Bedeutung hat nun das Handelsgewerbe oder schlechtweg der Handel für die Volkswirtschaft? Wie schon bemerkt, ist darüber viel gestritten worden. Noch heute ist nicht selten zu hören, dass der Handel „unproduktiv“ sei, weil er keine neuen Güter erzeuge sondern diese nur umsetze. Auch in der politischen Diskussion spielt das Wort vom „unproduktiven Handel“, dem „Schmarotzer an der Volkswirtschaft“, eine bedeutsame Rolle. Gehen wir deshalb etwas näher darauf ein.

[312] Was heisst überhaupt produktive oder unproduktive Arbeit leisten? Der allgemeine Sprachgebrauch sowohl wie die wissenschaftliche Terminologie geben darauf keine klare, unzweideutige Antwort. Nehmen wir das Wort produktiv wörtlich, so ist es auf die Tätigkeit des Menschen überhaupt nicht anwendbar, denn Güter hervorzubringen ist diesem versagt. Auch bei der sog. materiellen Produktion, die man gewöhnlich im Auge hat, wenn von „produktiver“ Arbeit die Rede ist, ist das, was hervorgebracht wird, nicht der Stoff. „Die gesamte Arbeit aller menschlichen Wesen in der Welt ist nicht imstande, den allergeringsten Teil eines Stoffes hervorzubringen.“ (John Stuart Mill). „Was wir hervorbringen oder hervorzubringen wünschen, ist immer nur eine Nützlichkeit. Arbeit schafft keine Gegenstände, sondern Nützlichkeiten.“ (Say) Wenn wir diesen sehr richtigen Gedanken etwas schärfer formulieren wollen, müssen wir sagen: diejenige Arbeit ist produktiv, die materiellen Gegenständen Nützlichkeit (Brauchbarkeit) gibt. Dieser als unmittelbar produktiv zu bezeichnenden Arbeit wäre dann die mittelbar produktive gegenüber zu stellen, die nicht unmittelbar auf die Nutzbarmachung materieller Gegenstände gerichtet ist, sondern diese nur indirekt fördert und beeinflusst. Als unproduktive Arbeit wäre dann jene zu bezeichnen, die weder mittelbar noch unmittelbar auf die Nutzbarmachung materieller Gegenstände einen Einfluss übt.

Dass von diesem Standpunkt landwirtschaftliche und gewerbliche Arbeit (i. e. S.) produktiv ist, bedarf keiner Erörterung. Wie aber steht es mit dem Handel? Der Kürze halber ein Beispiel: Der auf der Malayischen Halbinsel gewonnene Kautschuk ist auf der Plantage völlig ohne Nützlichkeit, da er an Ort und Stelle niemandes Bedürfnisse befriedigt. Gelangt er aber durch Vermittlung des Kaufmanns auf den europäischen Kontinent, so sind ihm dadurch Nützlichkeiten ausgelöst worden, die zwar in letzter Linie auf den Pflanzer zurückzuführen sind, ohne den Kaufmann (und den Reeder) aber nicht hätten in die Erscheinung treten können. Die an sich mögliche Nützlichkeit eines Gegenstandes kommt erst zur Geltung, wenn sie dem Menschen dienstbar gemacht wird, ein Vorgang, der ohne den Handel (und das ihm verwandte Transportgewerbe) vielfach überhaupt nicht denkbar ist. Wir sehen: es braucht die Beeinflussung der Nützlichkeit eines Gegenstandes nicht immer in formverändernder Tätigkeit zu bestehen, sondern ebenso wichtig ist, dass er überhaupt zugängig gemacht wird. Erst wenn die Güter dort sind, wo sie konsumiert werden, haben sie konkreten Gebrauchswert. Diese Funktion des Schiebens der Güter an den Ort der Nachfrage, den Ausgleich der Disproportion zwischen Angebot und Nachfrage bewirkt der Handel, der deshalb in eminentem Sinne als produktiv bezeichnet werden muss. Mit Recht weist Lexis darauf hin, dass niemand dem Techniker, der die Förderung der Steinkohlen aus der Tiefe an die Oberfläche leitet, die produktive Tätigkeit absprechen werde. „Aber nicht minder produktiv ist auch die Tätigkeit des Kaufmanns, der eine Fabrik ausfindig macht, in der die Kohlen nützliche Verwendung finden und ihre Versendung dorthin veranlasst.“ Da durch diese Tätigkeit des Handels die Güter vielfach erst einen Gebrauchswert und damit einen Tauschwert erhalten oder dieser mindestens erhöht wird, rechtfertigt sich selbstverständlich auch ein Anteil an dieser Wertsteigerung für den Händler.

Für den Produzenten ist der Handel in doppelter Beziehung von Bedeutung. Einmal beschafft er ihm die Rohmaterialien und zum anderen setzt er das fertige Produkt ab. Innerhalb gewisser Grenzen liegt freilich auch die Möglichkeit vor, dass der Produzent in beiden Fällen den Handel ausschliesst und sich des direkten Verkehrs bedient. Grosse Unternehmungen z. B. beziehen ihre Kohlen in der Regel unmittelbar von der Zeche, wie anderseits auch die schwere Industrie ihre Erzeugnisse (Halbzeug etc.) nicht selten direkt der weiterverarbeitenden Industrie liefert. Aber schon hier ergeben sich oft Schwierigkeiten, vor allem dann, wenn es sich um den Verkehr mit dem Ausland handelt; Jute, Baumwolle, Kupfererze, Öle, Tabak und viele andere Welthandelsartikel lassen sich ohne Inanspruchnahme des Handels und der erst vom Handel organisierten Produktenbörse zumeist überhaupt nicht beziehen. Und noch wichtiger erweist sich der Handel beim Absatz der fertigen Erzeugnisse. Der Fabrikant produziert in der Regel nur einen Gegenstand oder doch verwandte Gegenstände, für die sich in den meisten Orten ein eigenes Detailgeschäft als unrentabel erweisen würde. Der Detaillist, der in seinem Laden die Erzeugnisse einer ganzen Anzahl von Fabrikanten feilbietet, gibt ihm erst die Möglichkeit des Absatzes über das ganze Land. Nur in grossen Städten ist den Fabrikanten die Aufmachung einer eigenen Verkaufsstelle möglich, [313] weil hier die Nachfrage nach bestimmten Gegenständen sich häuft und der Boden für „Spezialgeschäfte“ gegeben ist. Tatsächlich kommt es denn auch ziemlich häufig vor, dass Koffer-, Schuh-, Stock-, Handschuh-, Möbel- und andere Fabriken in den Grossstädten den selbständigen Zwischenhandel ausschalten – um Handelsunternehmungen mit kaufmännischem Personal handelt es sich aber trotzdem. Überdies sind solcher Entwicklung verhältnismässig enge Grenzen gezogen, weil der Produzent in diesem Falle auf das Kapital des Handels verzichtet und deshalb mit viel grösserem eignem Kapital arbeiten muss und er ausserdem die Leitung dieser Verkaufsstellen immer Dritten anzuvertrauen hat, die mit ihrem Vermögen für den Gang des Geschäftes nicht verantwortlich sind. – Vielfach suchen die Produzenten den Zwischenhandel auch dadurch auszuschalten, dass sie ihre Erzeugnisse auf Grund von Katalogen direkt an den Verbraucher versenden. Doch auch dafür ist der Spielraum nicht gross, weil vielfach der Bedarf entweder sofort befriedigt werden soll oder aber die Inaugenscheinnahme der Artikel gewünscht wird.

Man wird deshalb behaupten dürfen, dass auch der Detailhandel in der Regel unentbehrlich ist. Damit ist freilich über die Häufigkeit seines Vorkommens noch nichts gesagt. Es kann nämlich keinem Zweifel unterliegen, dass der Kleinhandel fast überall „übersetzt“ ist und in den meisten Orten dem Bedürfnis mit der Hälfte der ortsansässigen Händler völlig genügt würde. Auf diese Weise entstehen tatsächlich sehr viele Existenzen, die nur mit einem Teil ihrer Arbeitskraft tätig sind und im übrigen vor den Türen ihrer Läden herumlungern – in den Kleinstädten oft ein widerliches Bild. Die Möglichkeit der unbeschränkten Niederlassung, die Meinung, als „Kaufmann“ ein verhältnismässig bequemes Leben führen zu können, der Drang nach Selbständigkeit, die Methode der Bauunternehmer, überall – auch in den Vorstädten – Läden einzubauen, ein ungesundes Kreditsystem und manches andere haben zu dieser Erscheinung geführt. Das Übel wird noch dadurch verschlimmert, dass sich zum Kleinhandel sehr oft völlig ungeeignete Elemente drängen, die in einem anderen Beruf Schiffbruch gelitten haben oder glauben, als Kaufmann angenehmer durchs Leben zu gehen. Die Zahl derjenigen Detaillisten, die keine Lehrzeit durchgemacht haben, ist erschreckend gross. Kein Wunder, dass sich im Detailhandel sehr ungesunde Zustände herausgebildet haben und der Ruf nach dem Staat immer lauter wird, dessen Aufgabe es aber kaum sein kann, jedem, der leichtsinniger Weise irgendwo einen Laden aufmacht, die bürgerliche Existenz zu sichern. Es könnte sonst leicht dahin kommen, dass aus dem „staatserhaltenden Mittelstand“ ein vom Staat erhaltenes Detaillistenproletariat entstünde. – Es sei im übrigen aber wiederholt, dass diese Zustände den Blick nicht trüben dürfen für die Erkenntnis, dass der Detailhandel an sich volkswirtschaftlich zweifellos nützliche Funktionen übt.

Auch für die Landwirtschaft ist der Handel unentbehrlich. Abgesehen von dem Absatz in die benachbarten Städte (Wochenmarkt, Markthallen) sieht der Landwirt sich in der Regel ausserstande, seine Produkte ohne den Zwischenhändler, den sog. Aufkäufer, der seinerseits zumeist mit einem Grosshändler in Beziehung steht, zu auskömmlichen Preisen abzustossen. Gerade in der Landwirtschaft macht sich der Ausgleich örtlicher und zeitlicher Preisunterschiede durch den Handel besonders deutlich fühlbar.

Die volkswirtschaftlich nützlichsten Funktionen übt der Handel aber zweifellos im Verkehr mit dem Ausland. Bei der Erschliessung neuer Wirtschaftsgebiete ist der Kaufmann der Pionier, dessen Wagemut und Ausdauer für die Intensität wirtschaftlicher Beziehungen entscheidend ist. Ohne den sog. Exporthandel ist in Ländern mit mangelhaft entwickelter Rechtspflege und politisch unsicheren Zuständen ein stetiger Absatz von Erzeugnissen so gut wie ausgeschlossen. Aber selbst im Geschäft mit höherentwickelten Ländern ist der sog. „direkte Verkehr“ ausserordentlich gewagt und hat vielen Industriellen, die den Exporthandel um der Ersparnis der Kommissionsgebühr willen umgingen, schwere Verluste gebracht. Freilich liegt gerade hier noch manches im Argen. Der Handel ist, wie kaum eine andere Institution, international, indem der Kaufmann unter allen Umständen immer dort kauft, wo er das grösste Geschäft macht. Selbstverständlich! Jede Volkswirtschaft hat aber ein Interesse daran, gerade ihre Produkte auf den Weltmarkt zu bringen, und der Industrielle erwartet vom Kaufmann seiner Nationalität, dass er ihn in erster Linie berücksichtigt. Hieraus ergeben sich mancherlei Konflikte, die dann letzten Endes Ursache jenes direkten Verkehrs werden. Besseres Hand- in Hand-Arbeiten von Handel und Industrie im Interesse einer nationalen Exportpolitik ist daher dringend erwünscht. Selbstverständlich wird man vom Handel [314] nicht erwarten dürfen, dass er unter allen Umständen Produkten der heimischen Volkswirtschaft den Vorzug gebe, denn sein Wesen ist nun einmal international und muss es sein, wenn die nützlichen volkswirtschaftlichen Begleiterscheinungen eines selbständigen Handels – Ausgleich von Angebot und Nachfrage nach dem ökonomischen Prinzip und die hiermit zusammenhängende Preisnivellierung – überhaupt zur Geltung kommen sollen.


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Kann somit ein Zweifel darüber nicht bestehen, dass der Handel an sich durchaus jener wirtschaftlichen Tätigkeit zugerechnet werden muss, von der wir sagen, dass sie produktiv sei, so gilt dies doch immer nur unter den oben dargelegten Voraussetzungen, dass er nämlich in irgend einer Weise zur rationellen Nutzbarmachung von Gütern beiträgt. Wo die bisherigen Funktionen des Handels auf andere Weise und mit geringerem Aufwand erfüllt werden können, wird man infolgedessen seine Ausschaltung volkswirtschaftlich nicht bedauern dürfen. Tendenzen, den Handel an manchen Stellen auszuschalten, um dadurch den Weg zwischen Produzenten und Konsumenten im Interesse der letzteren zu verkürzen, machen sich in der Tat je länger desto mehr geltend und sofern sie wirklich eine Rationalisierung der Güterversorgung im Gefolge haben, sind sie zu begrüssen, selbst auf die Gefahr hin, dass dadurch einem Gewerbe Abbruch getan wird, das sich unter anderen Verhältnissen als volkswirtschaftlich nützlich erwiesen hat. Wie ja auch das Handwerk zu grossen Teilen auf der Strecke geblieben ist, weil sich Betriebsformen herausbildeten, die mit geringerem Aufwand mehr leisteten.

Zu nennen ist hier in erster Linie das Genossenschaftswesen, das in seinen mancherlei Formen dem Handel je länger desto mehr empfindlichen Abbruch tut. Bezugsgenossenschaften z. B. schaden dem Grosshandel, indem die in solcher Genossenschaft vereinigten Gewerbetreibenden oder Landwirte infolge des nun vorliegenden Massenbedarfs direkt mit dem Produzenten in Beziehung treten. Der Vorteil liegt auf der Hand. Beziehen 50 Schuhmacher das von ihnen benötigte Leder als einzelne, so ist der Grossist ganz unentbehrlich, da die Fabrik auf die Abgabe so kleiner Quantitäten sich in der Regel nicht einlassen kann. Der gemeinsame Bezug macht die direkte Verbindung aber sofort möglich. Da auf solche Weise für die Gewerbetreibenden schon vor Beginn der eigentlichen Produktion sich eine Verringerung ihrer Produktionskosten ergibt und die Ausschaltung der Vermittlungstätigkeit des Handels in der Regel auch keine Nachteile im Gefolge hat, so würde hier die fernere Inanspruchnahme der Grossisten unrationell sein. Es unterliegt keinem Zweifel, dass gerade auf diesem Gebiete noch grosse Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden sind. Die Grossisten selbst freilich bekämpfen diese Tendenzen aufs äusserste, indem sie beispielsweise ihrerseits Fabrikanten, die direkt an Gewerbetreibende oder Detaillisten liefern, nichts abkaufen. Da ausserdem die Fachpresse der Handwerker und Detaillisten zumeist auf die Annoncen der Grossisten angewiesen ist, sind dieser in der Propagierung der Genossenschaftsidee sehr enge Grenzen gezogen. So wenig den Grossisten der Kampf um die Existenz verdacht werden soll, so sehr muss betont werden, dass ihre Ausschaltung durch Bezugsgenossenschaften im Interesse einer rationellen Güterversorgung erwünscht ist.

Gefährden die Genossenschaften der Handwerker und Detaillisten den Engros-Handel, so werden die Detaillisten ihrerseits von den Konsumgenossenschaften bedroht, indem diese bestrebt sind, den allerkürzesten Weg zwischen Produzent und Konsument herzustellen. „Die Kundschaft in ihrer Gesamtheit wird hier Trägerin der sonst dem Handel zufallenden Vermittlungstätigkeit“ (Lexis). Die Praxis hat gezeigt, dass die Konsumvereine – sei es durch niedrigere Preise, sei es durch Ausschüttung einer Dividende – die Kosten der Lebenshaltung ihrer Mitglieder wesentlich verbilligen. Da dies wieder eine Rückwirkung auf die Lohnhöhe hat, von der zum Teil die Konkurrenz unserer Industrie auf dem Weltmarkt abhängt, so wird auch hier von einer nützlichen Ausschaltung des Zwischenhandels gesprochen werden können. Es wäre deshalb auch falsch, die Entwicklung der Konsumvereine durch Steuergesetze und dergl. aufhalten zu wollen, wie anderseits der Staat freilich keine Veranlassung hat, die Konsumvereine zu begünstigen und so den Prozess mit seinen Folgen für einen grossen Erwerbsstand zu beschleunigen. Diese wirtschaftlichen Kämpfe müssen zwischen den Beteiligten ausgefochten werden, ohne dass der Staat dazwischen fährt.

Von ganz besonderer Bedeutung kann das Genossenschaftswesen mit den hier erörterten Folgeerscheinungen in der Landwirtschaft werden. Und zwar nicht nur im Hinblick auf den gemeinsamen [315] Bezug von Dünger, Maschinen, Geräten und Saatgut, der schon heute in ziemlich umfangreichem Masse organisiert ist, sondern vor allem im Hinblick auf den Absatz der wirtschaftlichen Erzeugnisse. Es steht fest, dass z. B. die Spannung zwischen Vieh- und Fleischpreisen oft ganz ungewöhnlich hoch ist und einen normalen Gewinn des Zwischenhandels zeitweise ungebührlich übersteigt. So zeigt sich u. a. immer wieder, dass in Zeiten steigender Viehpreise der Detailverkauf sofort folgt, während Preisstürze sich nur ganz langsam und fast niemals im ganzen Umfange dem letzten Konsumenten fühlbar machen. Ähnlich liegt es auch bei den übrigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, deren hoher Preis keineswegs immer mit entsprechenden Preisen für die Landwirtschaft verbunden ist. Gelingt es deshalb, die heute auch auf diesem Gebiete noch ganz unentbehrlichen Funktionen des Handels durch landw. Absatzgenossenschaften auszuschalten und vollwertig zu ersetzen, so wäre dies sowohl im Interesse der Landwirte, wie der Konsumenten zu begrüssen. Für die letzteren würde der Gewinn noch grösser sein, wenn sie durch ihre Genossenschaften direkt mit den landwirtschaftlichen Genossenschaften in Verbindung träten. Wird so ein weiterer Teil des Handels ausgeschaltet, so gilt darüber das oben Gesagte.

Ausschaltung des Handels sehen wir schliesslich noch durch die Kartellbildung in der Industrie. Soll es früher vorgekommen sein, dass an den Türen grosser Kohlenfirmen zu lesen war: „Kohlenreisenden ist der Zutritt verboten“, so haben die Verhältnisse sich inzwischen gründlich geändert. Abgesehen von den Gebieten, die internationalem Wettbewerb zugängig sind, ist der Kohlenhandel in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zum kartellierten Kohlenbergbau geraten und seine Stellung vielfach auf blosses Agententum herabgedrückt worden. Und so auch sonst. In dem Augenblick, da die Industriellen aufhören, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen, haben sie den Handel mehr oder weniger in der Hand, schmälern sie zum mindesten dessen Gewinn. Das Handelsgewerbe hat infolge der zunehmenden Kartellierung in Deutschland denn auch vielfach eine ganz andere Stellung erhalten, eine Entwicklung, die freilich noch zu sehr in Fluss ist, um schon abschliessend beurteilt zu werden.

Alles in allem wird man gut tun, die hier kurz erörterten Tendenzen auf Ausschliessung des Zwischenhandels in ihrer Möglichkeit und Wirksamkeit sowie in ihrem Tempo nicht zu überschätzen. Es wird, soweit wir die Lage heute übersehen können, nach menschlichem Ermessen immer ein gewaltiges Feld für kaufmännische Arbeit im Gross- und Kleinhandel übrig bleiben. Dies um so mehr, als auch der Kleinhandel neuerdings anfängt, sich gegen die ihn bedrohenden Eingriffe zu wehren, indem er sich die Waffen des Gegners aneignet (Rabattsparmarken etc.) und auch sonst auf Massnahmen der Selbsthilfe sinnt. In diesem Kampf werden schliesslich diejenigen Sieger bleiben, die sich den neuen Verhältnissen am meisten anzupassen wissen und die Güterbereitstellung am rationellsten betreiben – auf weitem Felde wird dies der Kaufmann sein: der über umfassende Berufsbildung verfügende wirkliche Kaufmann.





  1. Makler, Kommissionäre, Agenten, mit Ausschluss der Versicherungs- und Schiffsagenten.
  2. Stauer, Markthelfer, Wieger, Packer, Träger etc.
  3. Auch Pfandleiher, Aufbewahrungsanstalten, Stellenvermittler, Inseratenvermittler, Auskunftsbureaus.
  4. Es handelt sich um Gesamtbetriebe, d. h. Filialen etc., die sonst als Hauptbetriebe figurieren, dem Unternehmen zugerechnet, dem sie angehören.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. wohl 1. Auflage
  2. Vorlage: bei