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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

diese Bestimmungen über ihren engeren Zweck hinaus nicht selten im wirtschaftspolitischen Sinne (Schutz der Landwirtschaft vor ausländischer Konkurrenz) gehandhabt.

Unmittelbar im agrarischen Interesse ist das Gesetz über den Verkehr mit Ersatzmitteln von Butter, Margarine, erlassen worden. Nachdem ein erstes Gesetz schon im Jahre 1887 herauskam, der Erfolg aber nicht befriedigte, weil der Absatz von Margarine ständig zunahm, wurde im Jahre 1897 ein neues Gesetz erlassen. (RGBl. 475, Ausführungsbest. RGBl. 591.) Die Geschäftsräume und sonstigen Verkaufsstellen, einschliesslich der Marktstellen, in denen Margarine, Margarinekäse oder Kunstspeisefett gewerbsmässig verkauft oder feilgeboten wird, müssen an in die Augen fallender Stelle die deutliche, nicht verwischbare Inschrift „Verkauf von Margarine,“ „Verkauf von Margarinekäse,“ „Verkauf von Kunstspeisefett“ tragen. (Folgt die Definition dieser Erzeugnisse.) Alle Gefässe und äusseren Umhüllungen, in denen Margarine etc. verkauft werden, müssen eine entsprechende Aufschrift tragen. Die Gefässe müssen ausserdem mit einem stets sichtbaren bandförmigen Streifen von roter Farbe versehen sein. – Die Vermischung von Butter oder Butterschmalz mit Margarine oder andern Speisefetten zum Zwecke des Handels mit diesen Mischungen ist verboten. (Gilt bei bestimmten Mischungs-Verhältnissen auch für die Verwendung von Milch oder Rahm.) – In Räumen, woselbst Butter und Butterschmalz gewerbsmässig hergestellt, aufbewahrt, verpackt oder feilgeboten wird, ist die Herstellung, Aufbewahrung, Verpackung oder das Feilhalten von Margarine oder Kunstspeisefett verboten. (Gilt auch für Margarinekäse.) Diese Bestimmung findet in Orten unter 5000 Einwohnern für den Kleinhandel keine Anwendung, jedoch müssen die Margarineerzeugnisse innerhalb der Verkaufsräume in besonderen Vorratsgefässen und an besonderen Lagerstellen aufbewahrt werden. – Margarine und Margarinekäse, welche zu Handelszwecken bestimmt sind, müssen einen die allg. Erkennbarkeit der[WS 1] Ware mittelst chemischer Untersuchung erleichternden, Beschaffenheit und Farbe derselben nicht schädigenden Zusatz enthalten. Durch Bekanntmachung des Bundesrats muss dieser Zusatz bei Margarinebutter in 10%, der Margarinekäse in 5% Sesamöl bestehen. Weitere Vorschriften beziehen sich auf die Herstellung von Margarine.

9. Der Verkehr mit künstlichen Süssstoffen. Durch Gesetz vom 7. VII. 1902 (RGBl. 253) – Sacharingesetz – ist es verboten, Süssstoff herzustellen, ihn Nahrungsmitteln zuzusetzen, Süssstoffe und süssstoffhaltige Nahrungsmittel zu verkaufen oder aus dem Auslande einzuführen. Ausnahmen gelten nur für die Apotheken, die ihren Bedarf an Sacharin, dessen Absatzgebiet (Arzte, Heilanstalten etc.) abgegrenzt ist, von einer privilegierten, unter Aufsicht stehenden Aktiengesellschaft zu beziehen haben.

10. Der unlautere Wettbewerb. Dem einzelnen muss in der Anpreisung und Vertreibung seiner Produkte weitester Spielraum gewährt werden. Dieser Grundsatz einer im Sinne freier Konkurrenz aufgestellten Gewerbeordnung hat aber nur insoweit Gültigkeit, als er nicht gegen die obersten Postulate im Gewerbeleben: gegen die Gebote von Treu und Glauben verstösst. Die Verschärfung des wirtschaftlichen Wettbewerbs hat es aber mit sich gebracht, dass im rücksichtslosen Kampf um den Absatz diese Grenzen vielfach überschritten werden und hierdurch den in ihrer Geschäftsgebarung weniger Skrupellosen empfindlicher Schaden zugefügt wird. Dementsprechend hat auch hier die Gesetzgebung mit zum Teil sehr einschneidenden Massnahmen eingegriffen. In Europa hat sich die einschlägige Rechtsbildung im Anschluss an das französische Recht entwickelt. Im codc civil (Art. 1382) heisst es nämlich: „Tout fait quelconque à l’homme qui cause à autrui un dammage oblige celui, par la faute duquel est arrivé à le réparer.“ Auf dieser Basis hat die französische Jurisprudenz die Lehre von der „concurrence déloyale“ ausgebildet. Später sind dann noch besondere Spezialgesetze hinzugekommen. Dieses französische Vorbild ist auf dem Kontinent nachgeahmt worden, indem zunächst überall der sog. „Markenschutz“ eingeführt wurde, dem später weitergehende Gesetze an die Seite traten. – In Deutschland beruht der gegenwärtige Rechtszustand in der Hauptsache auf dem „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ vom 7. Juni 1909 (RGBl. 499), das ergänzt wird durch das Gesetz zum Schutze von Warenbezeichnungen vom 12. V. 1894, die §§ 17 ff. und 37 des Handelsgesetzbuches und durch die §§ 12, 824, 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Von der Besprechung des Patentwesens, dem Musterschutz und dem Markenschutz soll hier Abstand genommen werden, weil es sich dabei im wesentlichen um den Schutz der Produktion handelt. Nur insoweit der selbständige Handel in Frage kommt, soll das Wichtigste mitgeteilt werden.

Ganz allgemein bestimmt § 1 des Ges. über den unlauteren Wettbewerb: „Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstossen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden. (Generalklausel.) Im übrigen erstrecken die einschlägigen Bestimmungen sich in der Hauptsache auf den Reklameunfug, die Quantitätsverschleierungen, die Kreditschädigung, den Firmenmissbrauch und die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses. – Wer in öffentlichen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: bei
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/321&oldid=- (Version vom 8.10.2021)