Seite:Handbuch der Politik Band 2.pdf/320

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

oder durch in seinem Dienste stehende Reisende für die Zwecke seines Gewerbebetriebes Waren aufzukaufen und Bestellungen auf Waren zu suchen.

Durch diese Bestimmung sind die Handlungsreisenden den Vorschriften über die Hausierer entrückt. Sie bedürfen aber einer besonderen Legitimationskarte, die den Namen des Inhabers derselben, den Namen der Person oder der Firma, in deren Diensten er handelt, und die nähere Bezeichnung des Gewerbebetriebes enthält. Diese Legitimationskarte ist zu versagen oder zurückzunehmen, wenn jene Ursachen vorliegen, die auch der Erteilung des Wandergewerbescheines im Wege stehen. (§ 57 d. GO.) Der früher festgehaltene Unterschied zwischen Hausierern und Handlungsreisenden ist hierdurch bedenklich verwischt. – Einer Legitimationskarte bedürfen diejenigen Gewerbetreibenden nicht, welche durch die in den Zollvereins- oder Handelsverträgen vorgesehene Gewerbelegitimationskarte bereits legitimiert sind. Die einschränkenden Bestimmungen über die übliche Legitimationskarte finden aber auch hier Anwendung. – Aber selbst die so legitimerten Reisenden müssen sich weitgehenden Beschränkungen ihrer Tätigkeit unterwerfen. Die aufgekauften Waren dürfen nur behufs deren Beförderung nach dem Bestimmungsorte mitgeführt werden; von den Waren, auf welche Bestellungen gesucht werden, dürfen nur Proben und Muster mitgeführt werden, sofern nicht der Bundesrat für bestimmte Waren, welche im Verhältnis zu ihrem Umfang einen hohen Wert haben und übungsgemäss an die Wiederverkäufer im Stücke abgesetzt werden, zum Zwecke des Absatzes an Personen, welche damit Handel treiben, Ausnahmen zulässt. Solche Ausnahmen sind bisher zu Gunsten der inländischen Gold- und Silberwarenfabrikanten und -Grosshändler, der Taschenuhren-, Bijouturie- und Schildplatten-Fabrikanten und -Grosshändler, sowie der Gewerbetreibenden, welche mit Edelsteinen, Perlen, Kameen und Korallen Grosshandel treiben, erlassen worden. (Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 27. Nov. 1906 (RGB. 745.) – Das Aufsuchen von Bestellungen auf Waren darf mit Ausnahme von Druckschriften und Bildwerken ohne vorherige Aufforderung nur bei Kaufleuten in deren Geschäftsräumen, oder bei solchen Personen geschehen, in deren Geschäftsbetrieb Waren der angebotenen Art Verwendung finden. Der Bundesrat kann jedoch Ausnahmen zulassen. Dies ist bisher geschehen für Weinhändler, ausgenommen Branntwein, Likör, Kognak etc., den Handel mit Erzeugnissen der Leinen- und Wäschefabrikation, Nähmaschinen und überwebte Holzrouleaux. (Reichsgesetzblatt 1896: 745, 1897: 96). Reisende in diesen Gegenständen sind demnach befugt, sofern sie eine Legitimationskarte besitzen, auch ausserhalb des Bezirks ihrer gewerblichen Niederlassung, sofern diese im Inlande liegt, bei Privaten Bestellungen aufzusuchen. Für den Vertrieb landwirtschaftlicher Maschinen ist eine Ausnahme nicht vorgesehen. Das Aufsuchen von Bestellungen soweit es bei Landwirten geschieht, ist hier indessen schon nach der gesetzlichen Regel zulässig, weil es sich dabei um Personen handelt, in deren „Geschäftsbetrieb“ im Sinne des § 44 d. GO. Waren der angebotenen Art Verwendung finden. Diese Auffassung hat auch der Staatssekretär des Innern in der Reichstagssitzung vom 13. Jan. 1897 vertreten. (Sten.-Berichte 4014.) Von diesen Ausnahmen abgesehen, ist demnach das Detailreisen verboten. Dies Verbot kann jedoch zweifach umgangen werden. Einmal steht es jedem frei, sich einen Reisenden ins Haus zu bestellen, und zum andern kann der Reisende sich einen Wandergewerbeschein ausstellen lassen. – Sog. Agenten sind seit 1905 den Reisenden gleich gestellt. (RGBl. 759.)

7. Der Marktverkehr. Der Besuch der Messen, Jahr- und Wochenmarkte sowie der Kauf und Verkauf auf denselben steht einem jeden mit gleichen Befugnissen frei. Doch sind auch hier wieder Ausnahmen und Beschränkungen vorgesehen. (Titel IV der GO.)

Wo z. B. nach der bisherigen Ortsgewohnheit gewisse Handwerkerwaren, welche nicht zu den im § 66 bezeichneten Gegenständen gehören, nur von Bewohnern des Marktorts auf dem Wochenmarkte verkauft werden durften, kann die höhere Verwaltungsbehörde auf Antrag der Gemeindebehörde den einheimischen Verkäufern die Fortsetzung des herkömmlichen Wochenmarktverkehrs mit jenen Handwerkerwaren gestatten, ohne auswärtige Verkäufer derselben Waren auf dem Wochenmarkte zuzulassen. – Beschränkungen des Marktverkehrs der Ausländer als Erwiderung der im Auslande gegen Reichsangehörige angeordneten Beschränkungen bleiben dem Bundesrate vorbehalten. – Zum Verkaufe von geistigen Getränken zum Genuss auf der Stelle bedarf es der Genehmigung der Ortsbehörde. – Der Einzelverkauf von Gegenständen, die auf dem Markt unverkauft geblieben sind, ist auch ausserhalb der Marktzeit zulässig, jedoch unter denselben Bedingungen, unter welchen derselbe statthaft sein würde, wenn die Gegenstände nicht auf den Markt gebracht wären. Auswärtige bedürfen demnach für diesen Verkauf des Wandergewerbescheins, sofern sie nicht ein stehendes Verkaufsgeschäft einrichten.

8. Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln etc. Durch Gesetz vom 14. Mai 1879 (RGBl. 145), abgeändert durch Gesetz vom 29. Juni 1887 (RGBl. 276) und zahlreiche weitere Spezialgesetze ist der Handel mit Nahrungs- und Genussmitteln, sowie mit Spielwaren, Tapeten, Farben, Ess-, Trink- und Kochgeschirr, Petroleum, Schusswaffen, Sprengstoffen etc. der Beaufsichtigung unterstellt. Alle diese Bestimmungen sind durchweg polizeilicher Natur und haben im wesentlichen den Zweck, den Betrieb gefälschter, gesundheitsschädlicher oder gefährlicher Waren zu inhibieren. Hierher gehören grundsätzlich auch die veterinärpolizeilichen Beschränkungen der Einfuhr von Vieh oder tierischen Produkten. In praxi werden aber gerade

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/320&oldid=- (Version vom 7.10.2021)