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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Bezug von Dünger, Maschinen, Geräten und Saatgut, der schon heute in ziemlich umfangreichem Masse organisiert ist, sondern vor allem im Hinblick auf den Absatz der wirtschaftlichen Erzeugnisse. Es steht fest, dass z. B. die Spannung zwischen Vieh- und Fleischpreisen oft ganz ungewöhnlich hoch ist und einen normalen Gewinn des Zwischenhandels zeitweise ungebührlich übersteigt. So zeigt sich u. a. immer wieder, dass in Zeiten steigender Viehpreise der Detailverkauf sofort folgt, während Preisstürze sich nur ganz langsam und fast niemals im ganzen Umfange dem letzten Konsumenten fühlbar machen. Ähnlich liegt es auch bei den übrigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, deren hoher Preis keineswegs immer mit entsprechenden Preisen für die Landwirtschaft verbunden ist. Gelingt es deshalb, die heute auch auf diesem Gebiete noch ganz unentbehrlichen Funktionen des Handels durch landw. Absatzgenossenschaften auszuschalten und vollwertig zu ersetzen, so wäre dies sowohl im Interesse der Landwirte, wie der Konsumenten zu begrüssen. Für die letzteren würde der Gewinn noch grösser sein, wenn sie durch ihre Genossenschaften direkt mit den landwirtschaftlichen Genossenschaften in Verbindung träten. Wird so ein weiterer Teil des Handels ausgeschaltet, so gilt darüber das oben Gesagte.

Ausschaltung des Handels sehen wir schliesslich noch durch die Kartellbildung in der Industrie. Soll es früher vorgekommen sein, dass an den Türen grosser Kohlenfirmen zu lesen war: „Kohlenreisenden ist der Zutritt verboten“, so haben die Verhältnisse sich inzwischen gründlich geändert. Abgesehen von den Gebieten, die internationalem Wettbewerb zugängig sind, ist der Kohlenhandel in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zum kartellierten Kohlenbergbau geraten und seine Stellung vielfach auf blosses Agententum herabgedrückt worden. Und so auch sonst. In dem Augenblick, da die Industriellen aufhören, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen, haben sie den Handel mehr oder weniger in der Hand, schmälern sie zum mindesten dessen Gewinn. Das Handelsgewerbe hat infolge der zunehmenden Kartellierung in Deutschland denn auch vielfach eine ganz andere Stellung erhalten, eine Entwicklung, die freilich noch zu sehr in Fluss ist, um schon abschliessend beurteilt zu werden.

Alles in allem wird man gut tun, die hier kurz erörterten Tendenzen auf Ausschliessung des Zwischenhandels in ihrer Möglichkeit und Wirksamkeit sowie in ihrem Tempo nicht zu überschätzen. Es wird, soweit wir die Lage heute übersehen können, nach menschlichem Ermessen immer ein gewaltiges Feld für kaufmännische Arbeit im Gross- und Kleinhandel übrig bleiben. Dies um so mehr, als auch der Kleinhandel neuerdings anfängt, sich gegen die ihn bedrohenden Eingriffe zu wehren, indem er sich die Waffen des Gegners aneignet (Rabattsparmarken etc.) und auch sonst auf Massnahmen der Selbsthilfe sinnt. In diesem Kampf werden schliesslich diejenigen Sieger bleiben, die sich den neuen Verhältnissen am meisten anzupassen wissen und die Güterbereitstellung am rationellsten betreiben – auf weitem Felde wird dies der Kaufmann sein: der über umfassende Berufsbildung verfügende wirkliche Kaufmann.





52. Abschnitt.


Die privaten Gesellschaftsformen des Handels.
Von
Dr. Karl Lehmann,
o. Professor der Rechte an der Universität Göttingen.


Die grosse Fülle der Gesellschaftsformen im geltenden Handelsrecht liefert ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Kräfte und Bestrebungen in spekulativer Anlage von Vermögenswerten. Während die öffentliche Anleihe nur zum Teil spekulativen Zwecken dient, ist

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/331&oldid=- (Version vom 8.10.2021)