Geschichte des Kölner Stadtarchivs (Leonhard Ennen)
Von
Stadtarchivar.
Der Werth des noch ziemlich vollständig erhaltenen Kölner Stadtarchivs hat seinen Massstab an der politischen, commerziellen, wissenschaftlichen, kirchlichen und socialen Bedeutung der Stadt Köln selbst.
Bis hinauf in die vorrömische Zeit reicht die Geschichte dieses Gemeinwesens. Die Ubier hatten hier schon eine Ansiedelung, als die Römer in den niederrheinischen Gebieten festen Fuss fassten. In den Tagen ihrer Macht und Blüthe hat diese Stadt bei den meisten politischen, wissenschaftlichen und kirchlichen Zeitfragen, bei den meisten weltgeschichtlichen Wendepunkten eine mehr oder weniger bedeutungsvolle Rolle gespielt. Köln, das zweite Rom, einst das Abbild und das Auge dieser ehemaligen Weltbeherrscherin, zeigt von Augustus bis zum Zusammmenbrechen des gewaltigen Römerreiches den blendenden Glanz, aber auch die Schwäche und Hohlheit des Römerthums. In Köln feierte der Glaubenskampf des ersten Christenthums seine Triumphe. In engster Beziehung zu Köln steht die Geschichte des nach den Römern auf die Weltbühne tretenden fränkischen Volkes. Köln erzählt uns von der Schlaffheit des merovingischen Stammes, von den brudermörderischen Zwistigkeiten in den fränkischen Fürsten-Familien, von der Schlauheit der fränkischen Hausmeier, von den elenden Intriguen in dem neu aufgeschossenen Königshause. Von Köln aus wurde ein Hauptanstoss [90] zur Entwicklung und Pflege jenes Geistes gegeben, der dem ganzen deutschen Leben im Mittelalter einen unsern Anschauungen so fremdartigen Charakter aufdrückte, der sich in Wissenschaft, Poesie, Malerei, Sculptur und Baukunst die herrlichsten Denkmale gesetzt und der in so vielen Instituten des Gewerbefleisses, der Cultur, der Frömmigkeit und der Wohlthätigkeit so schöne Früchte zur Reife gebracht hat. Was Rom für die Wissenschaften in Italien, was Paris für Frankreich, das war Köln für das niedere und mittlere Deutschland. Hier wurde ein wissenschaftlicher und kirchlicher Samen gelegt und gepflegt, aus dem bald eine reiche Ernte sich entwickelte. Die ersten Heroen auf dem Gebiete der Wissenschaft, Albertus Magnus und Thomas von Aquin, liessen an der Kölner Schule ihr glänzendes Licht leuchten. Albert und Thomas erhoben Köln zu einem wissenschaftlichen Stern erster Grösse. Die Kölner Bischöfe legten den Grund zu jenem gewaltigen Einfluss, den die deutsche Geistlichkeit im Mittelalter auf die Geschicke des deutschen Reiches gewann. Köln war, bis Holland den Vorrang in Handelssachen an sich riss, die erste und grösste Stadt für den unmittelbaren Verkehr mit England, Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland. Von Köln gingen die weitverzweigten Handelsverbindungen aus, die der deutschen Hanse so viel Macht, Einfluss und Reichthum errungen haben. Köln stellte sich hin als die Schützerin des ganzen freistädtischen Handels und des niederrheinischen mercantilen Lebens. In Köln ist der Knotenpunkt jener gewaltigen Kämpfe, die im Mittelalter Fürsten, Adel und Bürger in dauernder Bewegung und Erregung hielt. Alle Kämpfe, die in jener Zeit Hand und Kopf in Bewegung setzten, hatten hier ihren Vorgang, ihren Typus, ihre Triebfeder: der Kampf des zur Macht gelangenden Bürgerthums gegen die hochmüthigen Geschlechter, die Erhebung der Städte gegen ihre Fürsten, die Opposition der neu entstehenden Territorial-Hoheit gegen die kaiserliche Macht. In Stadt und Kurstaat Köln verschlingen sich die Rivalitäten zu einem fortdauernden Kampfe, der manche Jahrhunderte hindurch die Aufmerksamkeit der Welt beschäftigte. Hier sei nur erinnert an die Wirren, in denen das Kölner Bürgerthum sich eine selbständige politische Laufbahn und eine gesicherte Verfassung erkämpfte, an die Streitigkeiten, in denen die Erzbischöfe fortwährend mit der auf ihre Macht, ihren Anhang und ihre Volkszahl stolzen Stadt verwickelt waren, an die hervorragende Stellung, welche sich die Kölner Erzbischöfe unter den deutschen Reichsfürsten [91] errangen. Auch als Stadt und Kurstaat ihre gesonderten Bahnen gingen, blieb die kölnische Geschichte bedeutungsvoll. Auch das Bürgerthum ertrotzte sich hier eine selbständige politische Stellung und eine gesicherte Verfassung, und hier entwickelte sich inmitten der blutigsten innern und äussern Kämpfe eine unabhängige Stadt, die in Bezug auf Pracht, Reichthum und politische Macht jede andere Stadt des deutschen Reiches weit hinter sich zurückliess. In socialer, künstlerischer, kirchlicher, wissenschaftlicher und staatlicher Beziehung hat Köln bis zum Untergang des deutschen Reiches eine Stellung behauptet, wie solche der Vergangenheit und Einwohnerzahl der Stadt entsprach.
Alles nun, was geeignet ist, Licht über die Entstehung, das Wachsthum, die Kraft, den Reichthum, die Cultur und die Kunst einer solchen Stadt zu verbreiten, muss als eine willkommene Bereicherung der historischen Wissenschaft mit Freuden begrüsst werden.
Nichts aber kann bezüglich solcher Beleuchtung grössere Bedeutung beanspruchen, als die Urkunden und Aktenstücke des städtischen Archivs.
Diese Archivalien sind im Stande, uns die vergangenen Jahrhunderte zur lebendigen Gegenwart zu gestalten und die untrüglichsten Zeugen der früheren Sitten und Zustände uns vor Augen zu führen. Je höher wir in das Alterthum unserer Stadt hinaufsteigen, desto spärlicher fliessen solche schriftliche Quellen und Zeugnisse. Wie gering auch die Zahl der Schriftstücke sein mag, durch welche in der römischen und fränkischen Periode öffentliche oder Privathandlungen documentirt wurden, so könnte auf dem Gebiete der Geschichte nach mancher Richtung noch helles Licht verbreitet werden, wenn solche Aktenstücke der Zerstörung, Verwüstung und dem Moder entgangen wären.
Das Kölner Stadtarchiv besitzt kein einziges Document, welches über das zwölfte Jahrhundert hinaufreichte. Was aus der Römerzeit an Schriftstücken sich vorfand, wurde von den Franken vernichtet. Die Franken brachen mit dem römischen Wesen; neue, aus germanischen Keimen entsprossene Verhältnisse wollten sie gestalten; darum durften in der Zeit, wo Schriftstücke nur praktischen Werth hatten, solche Stücke nicht bleiben.
Ein ähnliches Schicksal hatte die Stadt im neunten Jahrhundert bei den verderblichen Raubzügen der Normannen. Als diese in schrecklicher Wildheit auf ihrem zweimaligen Raubzuge mit Feuer und Schwert die reiche Stadt heimsuchten, Tod, Verderben und Verwüstung [92] über das blühende Gemeinwesen brachten, die Einwohnerschaft in schrecklichem Blutbade mehr als decimirten, die Ringmauern, die Kirchen, die öffentlichen Gebäude, die Privatwohnungen und Kunstdenkmale fast sämmtlich in Schutt und Trümmer legten, werden auch die meisten in den Archiven der Klöster, Kirchen und öffentlichen Gebäude aufbewahrten Schriftstücke in dem allgemeinen Verderben zu Grunde gegangen sein.
Langsam begann die Stadt wieder aus der grausigen Verwüstung empor zu wachsen. Das Gemeinwesen erhob sich zu rüstiger Kraft, das bürgerliche und kirchliche Leben entfaltete sich zu glänzender Blüthe. Köln dehnte seinen Bering nach aussen immer weiter aus und zog die um die alten Mauerreste liegenden Dörfchen und Vorstädte in den städtischen Bezirk. Eine Centralisation der Rechtspflege und bürgerlichen Verwaltung widersprach den damaligen Verhältnissen und Zuständen. Jeder Pfarrbezirk hatte seine besondere Verwaltung, und die einzelnen Gerichte waren mit der Rechtspflege der in ihrem Bezirke eingesessenen Einwohner betraut. Darum gab es auch keinen Sammelpunkt für die öffentlichen Urkunden und Schriftstücke; diese waren zerstreut in den Gerichtshäusern, Schreinen und Stiftern. Nur in Sachen, die unter den Gerichtsbann des Burggrafen oder unter die geistliche Jurisdiction des Bischofs fielen, hatten sämmtliche Gemeinden der Vorstädte wie der Altstadt gemeinschaftliches Forum. Im erzbischöflichen Saale befand sich das Archiv für die Schriftstücke dieses Gerichts. Ein drittes gemeinschaftliches Band waren das Schutzverhältniss, in welchem die Kölner Einwohnerschaft zum edlen Vogt stand. Der Vogt hatte die Pflicht, die Rechte der Stadt zu schützen und ihre Privilegien zu conserviren. Er hatte seinen Sitz in einem festungsartigen, mit Thürmen versehenen Hofe am Lorenzplatz, dem späteren Hause »zur Stesse«. In dem Gewölbe dieser Burg hielt er die städtischen Freibriefe bewahrt.
Anders stellte sich die Sache, als die eigentliche Verwaltung sich immer mehr den Amtleuten und Schöffen der einzelnen Burhäuser entzog und in die Hände des allmählich sich zu einer Centralbehörde gestaltenden Rathes überging. Die Stadt schüttelte jetzt die Abhängigkeit vom Erzbischofe ab, und der Rath übernahm die selbständige Leitung des ganzen grossen blühenden Gemeinwesens. Die Freiheiten und Privilegien der Stadt mehrten sich. In einer Zeit, wo die Erzbischöfe Alles aufboten, um die Stadt wieder in [93] das frühere Abhängigkeitsverhältniss zurückzudrängen, musste dem Rathe Alles daran liegen, den bestehenden Zustand möglichst durch bündige Urkunden zu legalisiren. Er musste grossen Werth darauf legen, diese Briefe, Privilegien, Vergleiche, Friedschlüsse, Rechtsgebräuche u. s. w. an einem sicheren Orte aufzubewahren. Im Rathhaus selbst, welches im vierzehnten Jahrhundert erbaut wurde und anfänglich nur aus dem Erdgeschosse, dem grossen hansischen Saale, und dem als Capelle dienenden Nebenzimmer bestand, war für ein festes Archivlokal nicht gesorgt. Die Archivalien, päpstliche und kaiserliche Briefe, Verträge mit Fürsten, Städten und Herren, Pfandschreiben, Lehen-, Sold- und Geleitbriefe hatten bis dahin wohlverwahrt in dem Archivlokal des Hofes »zur Stessen« geruht. Diese Urkunden waren hier geblieben, auch als die Herren von der Stessen diesen Hof im Jahre 1262 durch Kauf an sich brachten. Von Seiten der Stadt wurden dem Besitzer des genannten Hofes jährlich vier Mark für Fische als Recognition gegeben[1]. Durch drei Schlösser waren die städtischen Freiheitsbriefe verschlossen; einen Schlüssel hatte ein Mitglied des engen, den zweiten ein Mitglied des weiten Rathes und den dritten ein zum Rathe gehörender Schöffe, »also dass die drei nicht aufschliessen und hingehen sollen, um ein Aktenstück zu lesen oder hierauszunehmen, es seien dann alle drei zusammen«[2].
In dem Thurme aber, den der Rath am Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts aus dem confiscirten Vermögen der vertriebenen Geschlechter »zur Ehre der Stadt und zum gemeinen Besten« auf dem Hofraume hinter dem Rathhause zur Aufbewahrung der Stadtweine und für Abhaltung der Rathsversammlungen bauen liess, wurde auch ein besonderes Gewölbe zur Aufbewahrung der städtischen Urkunden hergerichtet. Das Gewölbe, in welches man nun die Original-Urkunden und Privilegien brachte, war mit mehreren Schlössern versehen. Die Schlüssel dazu wurden von drei Mitgliedern des Rathes, den sogenannten Gewölbsherren, aufbewahrt. Die Gewölbsherren mussten vor der Uebernahme der Archivschlüssel einen [94] leiblichen Eid schwören, die ihnen anvertrauten Gewölbeschlüssel fleissig, treu und dermassen zu verwahren, so dass dieselben nicht in fremde Hände kommen könnten und dem Rath dadurch Schaden entstehe. Bei Oeffnung des Archivs mussten sie mit den Schlüsseln in Person zugegen sein; nie durften sie das Gewölbe öffnen, ohne dass wenigstens zwei Gewölbsherren, ein Syndikus und ein Sekretär, zugegen waren. Die »secreta archivii« mussten sie »hehlbar« halten und durften nichts offenbaren, daraus dem ehrbaren Rath Präjudiz, Nachtheil oder Schaden erfolgen oder verursacht werden möchte.
Gleich nach der Uebertragung der Urkunden wurde auch mit der Repertorisirung begonnen. Das älteste Repertorium, ein Pergamentband von 26 Blättern, weist in dreizehn noch erhaltenen Holzladen im Ganzen 183 Urkunden nach. Ein zweites, nur geringe Zeit später angelegtes Repertorium ist ein zierlich und sorgfältig geschriebener Pergament-Codex in Folio. In 48 hölzernen Laden weist er etwa 1400 inhaltlich angegebene Urkunden nach, in acht andern Laden ist eine unbestimmte Anzahl von Quittungen, Mannbriefen, Söldnerbriefen, Schuldbriefen, Copien u. s. w. summarisch aufgezeichnet. Ausserdem waren noch einige Kisten mit Geleitsbriefen und mannigfachen Schreiben an den Rath verzeichnet. Der Zuwachs von Urkunden wurde in diesem Katalog stets nachgetragen[3]. Die Urkunden selbst waren nach englischer Art meist aufgerollt aufbewahrt.
Im Laufe der Zeit schwand die anfänglich so schöne Ordnung. Darum befahl der Rath während des sechszehnten Jahrhunderts wiederholt, eine gründliche Revision und Visitation des Archivs vorzunehmen. Die Arbeit konnte aber nie in rechten Fortgang kommen. Die bei solchen Revisionen niedergeschriebenen Protokolle beweisen recht klar, mit welcher Oberflächlichkeit und welchem Widerwillen diese wichtige Arbeit betrieben wurde. Je mehr man visitirte, desto klarer wurde man über die eingerissene Unordnung und über die Unzulänglichkeit der bestehenden Archiv-Verwaltung. Die Stimmen, welche die Anstellung eines eigenen gelehrten Archivarius verlangten, brachen sich an der Aengstlichkeit, mit der die Gewölbsherren an ihren traditionellen Rechten festhielten. Man glaubte dem so vielfach laut werdenden Wunsche noch einer gründlichen Reorganisation des Archivwesens hinreichend gerecht werden zu können, wenn man [95] für eine leidliche Ordnung in den Original-Urkunden sowohl, wie in dem immer massenhafter anwachsenden Vorrath der andern Aktenstücke sorgte.
Dieses Aktenarchiv bestand neben dem Gewölbe als ein besonderes Institut. Es umfasste sowohl die Schriftstücke der laufenden städtischen Verwaltung, als die Abschriften, die von den im Gewölbe aufbewahrten Urkunden, den expedirten städtischen Schreiben und den wichtigsten Processakten genommen waren. Schon im Jahre 1326 hatte man begonnen, die Stadtprivilegien in besondere Bücher abschriftlich einzutragen. In gleicher Weise wurden die mannigfachen Statuten, Gesetze, Weisthümer, Plebiscite, Morgensprachen u. s. w. in Pergamentbände zusammengeschrieben.
Im Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts sollte dieses Ordnungsgeschäft zu Ende geführt werden. Niemand schien für diese schwierige Aufgabe tauglicher, als der Syndicus Dr. Michel Cronenberg. Er wurde am 7. Dez. 1609 beauftragt, »neben seinen andern Arbeiten die ganze städtische Registratur, Briefe, Siegel, Register, Abschiede, Protokolle und Registrationsbücher und der Stadtprivilegien in eine richtige Ordnung zu bringen, zu verfassen, zu extrahiren, und darüber mit Hülfe und Zuthun des Secretarii und Registratoris sichere indices, inventaria und Register aufzurichten und zu verfertigen. Und damit dieses alles desto förderlicher verrichtet und zu Ende gebracht werde, soll er nicht allein aller andern Rechtssachen hinführo entschlagen und bemüssiget sein und bleiben, sondern auch keine weitern Advocationes annehmen und mit äusserstem Fleiss unablässig daran sein, damit die Registration in sechs Jahren völlig zu Ende gebracht werde. In Massen er dann solches alles bei geleistetem Eide, sofern er durch Gottes Gewalt daran nicht verhindert, getreulich und ohne Gefährde zu vollziehen gesichert, und daneben geloben und versprochen, alle Geheimnisse und Secrete, so er hierbei vernehmen und erfahren möchte, geheim und verschwiegen zu behalten. Dagegen hat wohlgedachter Rath dem Dr. Cronenberg neben seinem jetzigen jährlichen Salario alle Vierteljahre ein hundert Thaler, thut das ganze Jahr 400 Thaler kölnischer laufender gemeiner Währung, liefern und handreichen zu lassen versprochen«[4].
Mit dieser Registration konnte Cronenberg aber erst im Jahre [96] 1620 beginnen. Er unternahm seine Arbeit mit Fleiss, Liebe und Sachkenntniss. Vom Feste St. Johannis 1620 bis in das Jahr 1623 war er unausgesetzt mit dieser schwierigen, mühevollen Arbeit beschäftigt. Im Jahre 1623 berichtete er an den Rath: »Bei der ganzen Registratur hat sich sowohl in dem Rathsgewölbe und grossen Archiv, als denjenigen Schriften, welche vor etlichen Jahren aus der Kanzlei oben hinauf transferirt worden, eine solche Weitläufigkeit, Confusion und Unordnung befunden, wie noch guten Theils zu sehen, dass es unmöglich gewesen, solches in den dreien ersten Jahren, so lange mir das erhöhte Salär gereicht worden, neben vorgemelten und andern täglich aufgetragenen Rathsgeschäften, Reisen und andern zufälligen Verhinderungen in eine Richtigkeit zu bringen, obgleich ich vielmal ganze Wochen Vor- und Nachmittags damit zugebracht, wie ich durch diejenigen, welche mich vielmal Abends um 7 Uhr, zur Sommerzeit um 8 Uhr nach Hause haben gehen sehen, bezeugen kann. Was ich gleichwohl darin verrichtet, habe ich bei den abgegangenen Herrn Bürgermeistern augenscheinlich und viel demonstrirt:
»Dass ich im grossen Rathsgewölbe vorerst alle kaiserlichen Privilegien und Confirmationen, dann auch die mit den Erzbischöfen aufgerichteten Unionen, Concordata, Verträge und andere dazu gehörige Briefe und Siegel, welche hin und wieder in den Capseln confus durcheinander gelegen, so dass man schwerlich etwas hat finden können, in verschiedene grosse Laden nach den Regierungsjahren der Kaiser und Bischöfe (per annos imperatorum et episcoporum) von vielen 100 Jahren vertheilt, guten Theils in Bücher copiren lassen, darüber doppelte universales et particulares indices gefertigt und summarie extrahirt.
Zweitens haben sich im obersten kleinen Gewölbe befunden: 60 alte und neue grosse Registrationsbücher, 122 Kanzleiprothokolle, 18 grosse Copienbücher von allerhand Rathshandlungen, Stadtsachen, Verträgen, Compositionen, Morgensprachen, Rollen, Amtsbriefen etc. Darin sind nirgendwo indices gewesen, sodass man mit grosser Mühe und Zeitverlust Alles hat aufsuchen müssen. So ist vorerst ein Generalindex für etliche gefertigt, ferner sind die Inhaltsangaben aus den Registrations- und einigen andern Büchern zu extrahiren angefangen worden.
Drittens habe ich die alten, in der Kanzlei früher aufbewahrten Schriften und oben auf beiden Gemächern gewesenen Akten, Prothokolle, [97] Briefe, Register, Abschiede und andere Verfolge, sowohl publica als privata von Reichs-, Deputations-, Visitations-, Stadt-, Kreis-, Münz- und Probationstagen, dann was die gemeine Stadt, ihre Kaufhäuser, Rentkammern, Mühlentafel, Hospitäler, Klöster, Universität und andere politische Sachen betrifft, und Alles confus durcheinander gelegen hat, in sichere Klassen und Kapseln vertheilt und ein Jedes an seinen Ort registrirt.
Endlich habe ich aus vorgenannten Schriften, Protokollen und Handlungen, was sich vor etlichen 100 Jahren zwischen den zeitlichen Erzbischöfen, der Clerisei, dem hohen Gericht und Scheffenstühlen einestheils und dieser Stadt anderntheils für Geschichten, Streitigkeiten und Handlungen unter einem jeden Erzbischofe begeben und verlaufen haben, zusammengebracht und zu 31 verschiedenen neuen Bänden verfassen lassen, darüber auch universales et particulares indices und extractus zum Theil verfertigt.
Es geschieht mir also grosses Unrecht, dass ich ein grösseres Salär empfangen, die Rentkammer beschwert und Nichts dafür gethan haben sollte, da mir doch solches länger nicht, als bis in das dritte Jahr bezahlt und von dem Jahre 1623 bis an heutige Stunde Nichts gegeben worden, da ich doch nichts destoweniger eine gute Zeit darnach die Arbeit fortgesetzt habe.«
Gesundheitsrücksichten und anderweitige Amtsgeschäfte nöthigten Cronenberg, die Arbeit auf einige Jahre zu unterbrechen. Erst am 12. Februar 1627 übergab er dem Rathe »über seine expedirten Stück und Verrichtung ein Verzeichniss und Relation.« Das Rathsprotokoll vom 4. Juli 1629 sagt hierüber: »Herr Bürgermeister Lieskirchen hat referirt: Nachdem dem Herrn Dr. Cronenberg vor etlichen Jahren unter Gewährung eines höheren Gehaltes aufgegeben und anbefohlen worden, eines ehrbaren Rathes Archiv und die weitläufig zerstreute Registratur in eine bequeme Ordnung zu bringen, hat derselbe solchen Befehl, so viel ihm möglich war, ausgeführt und über die vom Feste St. Johannis 1620 bis in das Jahr 1623 expedirten Stücke und seine sonstigen Vorrichtungen am 12. Februar 1627 einem wohlgenannten Rath ein Verzeichniss und Relation präsentiren und vorlesen lassen; und obwohl ehegenannter Herr Dr. Cronenberg dieses Werk, woran einem ehrsamen Rath merklich viel gelegen ist, gern fortsetzen und bis zu Ende ausführen wollte, habe er sich dennoch beklagt, dass bei der Durchsehung [98] und Examination der alten Schriften, Briefe und Privilegien sein Gesicht dermassen abgenommen und blöde geworden sei, so dass es ihm, wie gerne er auch wollte, unmöglich sei, das Werk zu vollenden, habe sich aber dabei erklärt, wenn ein wohlgemeldeter Rath Jemand anders dazu verordnen würde, dass er alsdann gerne die Hand daran halten und sein Bestes dabei anwenden wolle; indessen hat er begehrt und gebeten, ihn mit Partheien und andern Rathssachen unbeschwert zu lassen. Als darauf der neu gewählte Registrator Adam Weiss vorgeschlagen und dabei angezeigt worden, dass derselbe bereits vorbeschieden und gefragt worden sei, ob er diese Arbeit übernehmen wolle und was er dafür als Vergütung (loco salarii) beanspruche, hat derselbe sich dazu willig erboten, wegen der Belohnung aber, weil er nicht wissen konnte, wie gross die Mühe und Arbeit ausfallen möchte, hat er sich nicht erklären oder resolviren können; es würde also ein ehrsamer Rath hierüber, was ihm gefällig sei, zu verordnen wissen. Darauf wurde beschlossen, dass Herr Dr. Cronenberg über die Continuation, Fortsetzung und Vollführung der Registratur und was derselben anklebt, das Direktorium behalten und während dessen vermöge obgemelten Rathes Recess vom 19. Juni 1620 mit Reisen, Partheien und andern Rathssachen verschont, auch nicht verpflichtet sein solle, so präcise zu den Rathsstunden an allen Rathstagen zu erscheinen, Adam[WS 1] Weiss aber zu der Registratur förderlich zugezogen werden solle, dergestalt, dass er ein viertel Jahr lang die Arbeit versehen, deren Befinden einem ehrsamen Rath zu erkennen geben und darauf wegen des Gehalts fernern Bescheids gewärtig sein solle.
Mit der gewünschten Beihülfe brachte Cronenberg über die Documente des Archivgewölbes ein Repertorium zu Stande, welches den ganzen Urkundenschatz inhaltlich kurz zusammenfasste, aber zum Zwecke einer bequemen Uebersicht ein alphabetisches Namenregister sehr vermissen liess. Mit der Registratur der im Syndikatsarchiv reponirten Schriftstücke hatte Cronenberg auch begonnen, aber die Arbeit blieb dürftig und unvollendet. Je mehr die Actenstösse hier sich anhäuften, desto grösser wurde die Unordnung und desto schwieriger die Möglichkeit einer Orientirung. 1634 wurde durch einige vom Rathe besonders hiezu commitirte Commissarien der Inhalt des Archives mit den von Cronenberg und Weiss aufgenommenen Inventarien verglichen und die weitere Fortführung der [99] Inventare dem Secretär Schulgen übertragen[5]. Im siebenzehnten Jahrhundert decretirte der Rath zu wiederholten Malen, die Repertorien mit dem Inhalt der Archive sorgfältig zu collationiren und die Aufzeichnung und Copirung der hinzugekommenen Documente fortzusetzen. Diese Arbeiten behielten stets lediglich den Charakter von blossen Registrationen. Von einer wissenschaftlichen Benutzung zeigt sich nirgends eine Spur. Praktisch wurde die Benutzung nur dann, wenn irgend ein Prozess zu führen, eine schwebende Rechtsfrage zu erledigen, ein Anspruch zu begründen oder eine Forderung abzuweisen war.
Diese praktische Wichtigkeit des Archivs trat während des siebenzehnten Jahrhunderts in den Streitigkeiten zwischen der Stadt und dem Erzbischofe in klarer Weise zu Tage. Hier allein waren die Documente zu finden, durch welche der Rath die Prätentionen der erzbischöfl. Staatschriften abzuschlagen hoffen konnte. Namentlich waren es der 1683 in Folge eines wahren Justizmordes hingerichtete Notar Gereon Hesselmann und der Helmstädter Professor Conring, welche für die im Interesse der Stadt ausgearbeiteten Streitschriften die Urkunden und Akten des Archivs in ergiebigster Weise ausnutzten.
Im achtzehnten Jahrhundert benutzte der Syndikus Hamm die Schätze des städtischen Archivs, um die noch handschriftlich in drei Bänden erhaltene Sammlung von historischen Nachrichten und Urkunden, welche sich auf die Geschichte der Stadt Köln beziehen, zusammenzustellen. Die beiden ersten Bände führen die Titel: Rerum Agrippinensium historiographia, chronologia diplomatica nobilis, liberae, immediatae ac imperialis civitatis Coloniensis, der dritte: Tomus diplomaticus nobilis etc. civitatis Coloniensis.
Je mehr aber die Urkunden im Thurm und die Aktenstücke im Syndikatsarchiv sich häuften, desto dringender stellte sich das Bedürfniss eines eigenen Archivars heraus. Im Rathsprotocolle vom 17. Juni 1724 heisst es: »Als Gespräch vorgefallen, dass dem Publico vortheilig, wann zur Einrichtung des Archivs ein Subjectum ausgesehen würde, hat man gesammte Herren Bürgermeister anersuchen zu lassen beschlossen, um zu solchem Endzweck auf einen Archivar bedacht zu sein, mit selbigem über die Conditionen [100] schriftlich zu tractiren und darunter ad Senatum die Relation und Gutachten einzuschicken«[6]. Auf Grund dieses Gutachtens wurde der Syndicus Maxim. Ley am 21. Juni auf sechs Jahre zum Archivar ernannt. Das Protokoll der ausserordentlichen Rathssitzung vom 22. Juni sagt: »Indem bei allen wohlregulirten Kanzleien und Archiven ein besonderer Archivar verordnet zu sein pflegt, welcher vorab die Documente, welche die öffentlichen Angelegenheiten betreffen, zur beständigen Nachricht in guter Verwahrung und Ordnung halten und darüber ordentliche Register führen muss, bei hiesiger freier Reichsstadt aber nach dem Tode des vormaligen Syndicus Herrn Johann Michael Cronenberg fast seit 100 Jahren zu solcher Verrichtung Niemand besonders verordnet gewesen ist, daher auch von wegen dessen Ermangelung die ad publica einschlagenden Fortsetzungen und Briefschaften theils unvollständig, theils unter andere gemeine Partheisachen vermischt, und oft für den bedürftigen Fall nicht zu finden sind, daran aber einem hochweisen Rath und der gemeinen Bürgerschaft viel gelegen ist, darum hat derselbe nöthig erachtet, seinen Syndicus Herrn Adam Maximilian Ley zum Archivar auf sechs Jahre folgender Weise zu bestellen: Dass derselbe alle mit den benachbarten Chur- und Fürsten, Städten und Herrschaften, auch Abteien und Klöstern vorhandene Briefschaften und Verfölcher durchlesen, so viel immer möglich, mit Beihülfe der Registratoren und Kanzlisten vervollständigen und in alphabetischer Ordnung (iuxta alphabeta) mit dem summarischen Inhalt, über welche Materie darin verhandelt werde, in besondere indices verzeichnen, demnächst von andern Partheisachen absondern und in die vorhandenen Laden registriren solle.
Da auch zweitens bei dieser Registrirung solche Originale sich finden würden, welche zu dem Hauptarchiv ins Gewölb gehörig wären, solle derselbe davon vidimirte Copien theils zu den einschlagenden Verfölchern, theils in die Copienbücher verfertigen lassen, nachher aber die solcher Weise gefundenen Originale zu gehöriger Aufbewahrung ins Gewölb bringen.
Nicht weniger soll derselbe drittens diejenigen Stücke, welche ad librum ceremoniarum einschlagen, dazufügen und darüber einen index verfertigen.
Und weil ausserdem viertens viele Schriften, Handlungen und [101] Verfölcher von alten und jüngeren Zeiten her halb verschlissen, gänzlich ungeheftet, durcheinander zerstreut liegen, so wird dem Archivar aufgetragen, darauf besondere Sorge und Fleiss zu wenden, auf dass sothane Papiere vollkommen gemacht, demnächst nach einer jeden Materie zusammen gebunden, und also fernerhin, so oft eine Sache wieder bis zu einem neuen Faszikel oder Bande angewachsen ist, fortgefahren werde.
Ferner hat fünftens der Herr Archivar daran zu sein, dass die abgeschickten Schreiben, Berichte, Deduktionen und Nothdurfte zu jeder Sache hingelegt, die darin angezogenen Beilagen, so oft und viel es vonnöthen ist, dazu ab- und beigeschrieben, mithin dadurch verhütet werde, dass es nicht bedürfe mehrere Verfölcher verdriesslich durchzusehen, aus einem jeglichen, was diensam, herauszunehmen und eins mit dem andern mangelhaft zu machen.
Um solches nun sechstens desto füglicher zu befördern, will ein hochweiser Rath noch einen Kanzlisten in Gnaden ernennen und besolden, welcher dem Archivar und löblichen Syndikat unterstellt und davon seine Anweisungen unmittelbar zu empfangen haben soll.
Imgleichen soll der Herr Archivar siebentens die vorhandene Bibliothek in bessere Ordnung setzen und solcher gemäss den index verändern.
Damit aber achtens derselbe solchen publicis desto besser obliegen und wöchentlich hierzu besondere Tage anwenden möge, soll er angeloben, in Zukunft neue Partheien, Advokatie und neue Verfölcher oder Akte ausser demjenigen, was von löblichem Syndikat herkommt, ad referendum et decidendum nicht mehr anzunehmen, sondern sich solcher zu entschlagen, anbei auch die noch vorhandenen in kurzer Zeit so weit von sich abzuthun, womit eines hochweisen Magistrats hierunter führendes heilsames Absehen allenthalben befolgt werden und derentwegen nirgendwo einige Versäumniss entstehen möge.
Dahingegen neuntens zur Ersetzung solchen in der Advokatie abgehenden Verdienstes, auch zur Belohnung dieser zu übernehmenden extraordinären Bemühung dem Herrn Syndikus Ley über sein gewöhnliches Gehalt vierteljährlich noch einhundert Rthlr. aus der Freitags-Rentkammer ausgezahlt werden solle«[7].
[102] Die erste der Hauptarbeiten, welche Ley mit Hülfe des Registrators Rüdesheim unternahm und vollendete, war eine sorgfältige Katalogisirung des Hauptarchivs. Er ordnete sämmtliche Urkunden in 94 Laden nach den Materien: Pontificalia, Episcopalia, Ordines, Parochialia, Scabinalia, Pollerwerth, Conventus, Abbatiae, Imperialia, Confoederationes, Juliacensia, Montensia, Clivensia et Marcana, Gelrensia, Limburgensia, Aquensia, Tuitiensia, Erbvogtei, Novesiensia, Verbund- und Transfixbriefe, Mann-, Bürger-, Bestallungs- und Urpfedebriefe, Moguntina, Trevirensia, Hürther Bachfluss, Hassica, diversae Civitates, Processus Muisgin, Deutsch-Ordenshäuser, Jura Universitatis, Münzsachen, Stapel und Commercia, geistlicher Weinschank, Kurpfalz, Sühnbriefe, Instrumenta captivorum Clericorum, betreffend Seestädte, Varia Galllicana, Judaei, Hermann von Goch, Hilger von der Steffen. An 2000 Urkunden sind in diesem Repertorium speciell verzeichnet. Gegen 500, namentlich Quittungen, Mannbriefe, Söhnbriefe u. s. w. sind nur paketweise aufgenommen. Etwa 10,000 bis 12,000 Stück Quittungen und Mannbriefe, die in dem ersten Pergament-Repertorium summarisch aufgenommen waren, sind hier ganz übergangen und wahrscheinlich als werthlos reponirt worden. Einen nicht geringeren Fleiss als auf das Hauptarchiv wandte Ley auch dem kleinen wie dem grossen Syndikatsarchiv zu. Die Archive der Mittwochs- und Freitags-Rentkammer gehörten nicht zu seinem Ressort. Er sorgte dafür, dass die bunt durcheinander liegenden Convolute des Syndikatsarchivs ordentlich bezeichnet und registrirt wurden.
Nach Ley’s Tode, 1745, blieb die Stelle eines Archivars wieder unbesetzt bis zum Jahre 1788, »Am 18. August des genannten Jahres wurde auf eingelegte Erinnerung, die Bestellung eines hierortigen Archivarii nöthig zu sein, Hr. Syndikus von Bianco ernannt«[8]. Als Remuneration wurden ihm zu seinem Syndikus-Gehalte jährlich 400 Gulden zugesetzt. v. Bianco besass Titel und Gehalt, dabei blieb es aber auch. Der Rath hatte es versäumt, ihn auf eine besondere Instruction zu verpflichten; darum begnügte sich v. Bianco damit, das Archiv sorgfältig unter Schloss und Riegel zu halten, und die eingehenden Schriftstücke in der Registratur zu reponiren.
Das städtische Archiv gerieth in grosse Gefahr, als im Jahre [103] 1797 in Köln mit der alten Zeit völlig gebrochen und die reichsstädtische Verfassung zu Grabe getragen wurde. Am 9. September 1797 versiegelten die Bürgermeister von Hilgers, Klespe und Wittgenstein in Beisein einiger Deputirten des vormaligen Rathes die eiserne Eingangsthür zum Gewölbe und deponirten die Schlüssel auf der Mittwochs-Rentkammer.
Einige Tage nachher nahm die neue Verwaltung die Schlüssel an sich, und das Gewölbe ward wieder geöffnet. In einem amtlichen Referat an den französischen Minister des Innern vom Jahre 1810 über das städtische Archiv heisst es: »Das städtische Hauptarchiv befindet sich sehr wohlverwahrt und gewölbt unten im Rathsthurm, woneben sich auch ebenfalls sehr wohlgewölbt das städtische ehemalige Freitagsrentkammer-Archiv befindet; das städtische ehemalige Mittwochsrentkammer-Archiv nimmt neben dem bureau d’etat civil einen wohlgewölbten Platz ein; jenes des ehemaligen Stadt-Syndikats, auch wohl verwahrt und gewölbt, liegt oben neben dem ehemaligen Rathssaale, wobei sich auch das grosse Syndikatsarchiv und die Registratur in zwei zwar nicht gewölbten, doch wohl verwahrten besondern Zimmern befinden; schliesslich ist das sogenannte laufende Mairiearchiv in dem Zimmer des Hauptsekretariats in vier verschlossenen Schränken aufgestellt.«
»Das Hauptarchiv enthält nur wichtige, die Stadt Köln betreffende in Kapseln verwahrte Originalurkunden und Privilegienbriefe. Die ehemaligen Mittwochs- und Freitagsrentkammer-Archive enthalten die auf das Finanz- und Bauwesen, sowie die sonstigen öffentlichen Stadtarbeiten bezüglichen Register, Prothokolle, Verfölger, Belege, Briefschaften u. s. w. Das ehemalige kleine gewölbte städtische Syndikatsarchiv enthält die ältesten Reichs- und Rathsverhandlungen und Prothokolle, die ältesten Rathsprothokolle und Register, die Handschriften des Gelenius u. s. w. Das sogenannte grosse Stadt- und Syndikatsarchiv enthält die jüngern Reichsverhandlungen, die Wetzlarischen Kammer-Visitationsakten, die jüngern Rathsprothokolle, die Hanseversammlungen-Prothokolle, die den Stapel, die Rheinschifffahrt, die Handlung betreffenden Schriftstücke, weiter die auf die Stadtpolizei überhaupt, die hiesigen ehemaligen Stifter, Abteien, Klöster, Pfarreien, Spitäler, die Universität, das Postwesen bezüglichen Aktenfascikel, endlich die sämmtlichen mit den ehemaligen Kurfürsten von Köln, Trier und Pfalz bei den allerhöchsten Reichsgerichten über verschiedene Gegenstände geführten Processe [104] und die daselbst darüber verhandelten Akten. Die sogenannte Stadt- und Syndikats-Registratur enthält die beim vormaligen Syndikat verhandelten Prozesssachen, wie auch die bei den ehemaligen Zünften und Bauerbänken vorgefallenen Zwistigkeiten betreffenden Akten«.
Mit dem Sturze der alten Staats- und Rechtsverhältnisse, mit dem Beginne einer neuen Zeit und völlig neuer Zustände verlor das Archiv seinen praktischen Werth und seine rechtliche Wichtigkeit. Der bei Weitem grösste Theil aller Urkunden und Schriftstücke wurde plötzlich aus der Gegenwart in die Vergangenheit geschoben. Es ist zu verwundern, dass der gesammte Inhalt des Archivs, wie an so vielen Orten, nicht auch in Köln der Revolution, die so sorgsam jede Erinnerung an die alte Zeit zu vernichten suchte, zum Opfer gefallen ist. Der einzige bedeutende Verlust, den das Archiv zu beklagen hat, sind die früher in der Mittwochs-Rentkammer aufbewahrten Rechnungen und Quittungen über die vom dreizehnten bis achtzehnten Jahrhundert aufgeführten städtischen Bauten. Diese Papiere waren beim Sturz der reichsstädtischen Verfassung in die obern Räume des Rathhauses gebracht worden. Hier lagen sie unverschlossen, dem Muthwillen der Jugend und dem Eigennutz der Trödler leicht zugänglich. Es ging ihnen wie dem Rest der alten Rüstkammer, sie waren verschwunden, ehe man daran dachte, sie unter Verschluss zu legen.
Wie gering man auch die Sorge anschlagen mag, mit welcher der Rath sich um die Ordnung des Archivs bemühte, so muss doch seine Bereitwilligkeit, das Archiv durch neue Schätze zu bereichern, rühmend hervorgehoben werden. Es lag ihm stets viel daran, alles dem Untergange zu entreissen, was im Stande sein konnte, die Geschichte der Stadt Köln in helles Licht zu stellen. Darum liess er dem auf dem Gebiete der Archäologie und Kölner Lokalgeschichte sehr bewanderten Syndikus Stephan Brölmann, der den Entschluss zu erkennen gab, eine »Cronica« der Stadt Köln abzufassen, seine kräftige Unterstützung angedeihen. Im Jahre 1662 liess er durch eine eigens hierzu ernannte Commission das Manuscript mit den im Archiv ruhenden Urkunden und Literalien vergleichen und Brölmann’s Gewissenhaftigkeit und Wissenschaftlichkeit bei dieser Arbeit constatiren. Brölmann wurde vom Tode übereilt, ehe er sein Werk dem Druck übergeben konnte. Der Jesuitenpater Hermann Crombach fasste den Plan, das Werk Brölmann’s zum Abschluss zu [105] bringen, der Rath ertheilte ihm die Erlaubniss, zu diesem Zwecke von den städtischen Archivalien Einsicht zu nehmen. Durch den Präsidenten und die Assessoren der Mittwochs-Rentkammer liess er Brölmann’s Collectaneen von den Brölmann’schen Erben erhandeln und dem Pater Crombach zu freiem Gebrauche zur Disposition stellen. Am 26. November 1674 erbat sich Pater Crombach eine Zulage von 50 Rthlr. für den Druck seiner Chronik. Den Stimmmeistern wurde aufgetragen, sich über den Werth dieses Werkes beim Bürgermeister von Wedig, der dasselbe revidirt haben sollte, Erkundigungen einzuziehen und dann weiter zu referiren. Auf Grund dieses Referats wurde der gewünschte Zuschuss bewilligt, aber es wurde auch zugleich bestimmt, dass der Druck nicht eher beginnen dürfe, »als bis der Magistrat die fragliche Schrift in totum approbirt habe«[9].
Das Werk »Annales ecclesiastici et civiles Metrop. Ub. Col. Agripp.« fand die gewünschte Approbation nicht. Es wurde zuerst in der Bibliothek des Jesuiten-Collegiums reponirt, und später kam es in das Archiv der Stadt Köln.
Eine andere Acquisition für das Archiv waren die Halveren’schen, und Cronenberg’schen Literalien. »Auf verlesene schriftliche Relation – eilf von »dem Strassburger Canzler Halveren seel. herkommend, und ehedessen auf dem Reichstag zu Regensburg beschriebene, die münster’schen Friedenstractate und andere Miscellanea enthaltende Volumina betreffend – wird, solche ex aequo et bono vor Magistratum zu erhandeln, sodann die in dem Cronenberg’schen Sterbehause vorhandenen Nachrichten ebenmässig, so es thunbar, an sich zu bringen beschlossen«. Der Bürgermeister von Krufft erstand die Halveren’sche Sammlung für den Preis von 600 Florin; sie ist jetzt dem Stadtarchiv eingereiht. Halveren war im Stande, das Treiben auf dem Friedenscongress zu Münster richtig zu beurtheilen, weil er 1646 die Stadt Köln und später auch den Erzbischof von Mainz auf diesem Congress vertreten hatte.
Die Unterhandlungen mit den Cronenberg’schen Erben scheinen, auch ein günstiges Ergebniss gehabt zu haben. »Zur Erhandlung eines in mehr denn 600 Bogen beschriebenen vollständigen Protocolli electoralis super novissima electione caesarea, wird löblicher [106] Mitwochs-Rentkammer aufgetragen, 85 Reichsthaler, welche dafür in Frankfurt bedungen worden, fürdersamst auszuzahlen.«
Von den Gelen’schen Erben wurden die farragines Gelenianae, eine äusserst schätzenswerthe Sammlung von Urkunden und Aktenstücken, welche die mannigfachsten Verhältnisse der Kölner Erzdiözese betreffen, durch Kauf erworben. Diese Sammlung hatten der Generalvikar Johannes und sein Bruder Aegidius Gelenius als Material zur Ausarbeitung einer quellenmässigen Geschichte der Kölner Erzdiözese angelegt. Nach des Generalvikars allzufrühem Tode gingen diese Collektaneen in den Besitz des Bruders Aegidius über. Dieser kam nicht dazu, das von dem Verstorbenen geplante Werk auszuführen; nur theilweise wurde die Sammlung zur Ausarbeitung des bekannten Buches de admiranda magnitudine Coloniae benutzt. Im Jahre 1658 wurden die farragines vom Rathe angekauft. Beim Ankauf bestand die Sammlung aus dreissig Folianten, jetzt fehlen der 19. und der 23. Band. Jener enthielt: chronicon Coloniensium antistitum, dieser: vita Brunonis, vita reginae Mathildis, Klöster und Stifte in Westfalen, Beschreibung der Eifel, Urkunden betreffend das Erzstift, die Grafen von Altena, die Statuten des Londen’schen Comtors, Morgensprachen, Münzabschiede u. s. w.
Nicht als Zuwachs des Archivs, sondern lediglich als Depositum waren schon am Ende des sechszehnten Jahrhunderts die meisten Urkunden und Schriftstücke des hansischen Comtors zu Antwerpen in das Kölner Stadtarchiv übergeführt worden. In einem Bericht an die Stadt Lübeck vom 25. Februar 1594 schrieb der Kölner Rath: »Folgends geschieht bei der Relation Meldung der Originalprivilegienbriefe und Siegel, weiter des Comtors Rechnungs- und Registraturbücher. Weil nun das Alles Inhalts der Relation unverletzt durch die Gesandten hierher gebracht, wie auch die Originalprivilegienbriefe und Siegel nach Inhalt des Inventars, so Magister Adolf Osnabrück anno 1591 darüber aufgerichtet, mit Ausnahme von etlichen Stücken, die zu nöthigem täglichen Gebrauche auf dem Comtor gelassen, sammt den gemeldeten Büchern allhier auf unser Gewölbe in Verwahrsam empfangen und gelegt.« Und in dem summarischen Bericht der Herren Hillebrand Sudermann und Dr. Peter Crantz auf dem Drittelstag zu Duisburg am 20. Februar 1595 heisst es: »Es haben die anno 1591 vom Hansetage in Lübeck mit der Visitation der Häuser in Antwerpen und Brügge betrauten Bevollmächtigten nicht allein die Comtorischen Bücher, Register, Rechnungen [107] und andere dem zugehörige tapfere Monumenta, Schriften und Bescheide, sondern auch die originalia Anglicana und sämmtliche daselbst vorhandenen ansehnlichen Privilegien in grosser Anzahl aus der Gefahr nach Köln zur verwahrlichen Sicherheit vermöge jüngsten hansischen Beschlusses eingebracht, daselbst sie nunmehr bei einem ehrbaren Rath, ihren Herren und Oberen, in vertraulicher Hut bis auf weitere Anordnung verbleiben sollen, so dass jetzo der Originalprivilegien Inspektion desto fertiger an der Hand, auch durch einen Jeden dem so viel Jahren geklagten Verlauf ferner auf den nöthigen Fall nachgesehen werden, und sich dessen alles gründlich informiren und berichten konnte.«
All diese Archivalien des Antwerpener Comtors wurden in Köln im Rathhause deponirt, wo sie sich zur Stunde noch in demselben Zustande befinden, in welchem sie 1593 herübergeschafft wurden. Der jetzige Bestand stimmt ziemlich genau mit dem vom Sekretär Osnabrück 1591 aufgenommenen Inventar; nur die auf England bezüglichen Urkunden und Akten fehlen. Bezüglich dieser englischen Sachen heisst es in dem genannten Inventarium: in einer langwürfigen mit schwarzem Leder überzogenen, schlüssigen, doch unverschlossenen Kapsel befanden sich 42 Nummern englischer Privilegien und Aktenstücke, unter andern Pergamente von Heinrich III., Eduard I., Eduard II., Eduard III., Richard II., Heinrich IV., Heinrich V., Heinrich VI., Eduard IV., Verträge mit der Stadt London. Der übrige Bestand dieses Comtorarchivs umfasst etwa 500 Originalurkunden von 1252 bis 1590, Privilegien, Freibriefe, Friedschlüsse, Bündnissbriefe, Geleitbriefe, Vollmachten, Zollrollen, Miethverträge, Kaufakte u. s. w., dann eine Reihe von Privilegienbüchern, von welchen eines eine Kostbarkeit ersten Ranges ist. Von den übrigen Akten und gebundenen Schriftstücken sind zu nennen: eine lange Reihe Bände hanseatischer Recesse und Rechnungsbücher, dann Briefe aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert, Ordonanzen, Zolltafeln, Schossbücher, Statutenbücher, Prozesshandlungen, Klagschriften, Reglements, Diarien, Verträge, Anglicana u. s. w.
Einen andern fremdartigen Bestandtheil des Stadtarchivs bilden die bis in das 12. Jahrhundert hineinreichenden die polnische Abtei Landen betreffenden Urkunden. Kölnische Söhne hatten stiftungsmässig ein Anrecht auf die Stellen in dieser Abtei; als das Kloster aufgehoben wurde, brachte man die Urkunden desselben nach Köln in Sicherheit.
[108] Als durch den Bau der stehenden Schiffbrücke (1822) das Privilegium der Fahrgenossen erlosch, entschlossen sich die Fahrberechtigten ihr Archiv dem Stadtarchiv einzuverleiben. Eine andere Bereicherung erhielt das Stadtarchiv durch Ueberweisung einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Urkunden aus den Archiven des Klosters Steinfeld und der Canonie in Weidenbach.
In der französischen Verwaltungsperiode erhielt das Archiv wieder einen bedeutenden Zuwachs. Als Köln unter preussische Herrschaft kam, fielen auch diese Aktenstücke der Geschichte anheim. Die Akten, Urkunden und Protokolle wurden im Jahre 1819 vom Registrator Imhof geordnet, in ein besonderes Inventar eingetragen und im Syndikatsarchiv aufgestellt.
Nach dem Abgange Imhof’s erhielt das Archiv einen im hohen Grade fleissigen und gewissenhaften Bewahrer in dem Obersecretär Fuchs. Derselbe fand den gesammten Urkunden- und Aktenvorrath in sieben verschiedenen Abtheilungen:
1) Das Hauptarchiv im Erdgeschosse des Rathhausthurmes.
2) Das kleine Syndikatsarchiv, im Gewölbe neben der Wendeltreppe im ersten Stocke des Rathhauses.
3) Das Syndikatsarchiv über dem grossen Saale.
4) Das Archiv der französischen Verwaltungsperiode, in demselben Raume.
5) Das Archiv im Winterzimmer des Syndikats.
6) Das Archiv der Freitags-Rentkammer im Erdgeschosse des Thurmes, neben dem Hauptarchiv, und
7) Das Archiv der Mittwochs-Rentkammer neben der goldenen Kammer im Erdgeschosse des Rathhauses.
In den Jahren 1828 und 1829 stellte er übersichtliche Verzeichnisse der im Syndikatssaale, im kleinen Syndikatsgewölbe, im Winterzimmer, in der Freitags-Rentkammer und in der Mittwochs-Rentkammer aufbewahrten Archivalien zusammen. Erst 1832 kam das Verzeichniss der Akten aus der französischen Verwaltungperiode zu Stande.
Diese verschiedenen, völlig von einander unabhängigen Repertorien konnten nur dazu dienen, jede Orientirung zu erschweren und eine klare Uebersicht unmöglich zu machen. Als im Jahre 1857 ein eigener Archivar für die Hütung und neue Repertorisirung des gesammten aus der reichsstädtischen Zeit stammenden Urkunden- und Aktenvorraths berufen wurde und sämmtliche Archivstücke beim [109] Umbau des Rathhauses in einen einzigen Archivraum zusammengebracht wurden, entschloss sich der neue Archivar die Urkunden sowohl, wie die gebundenen Schriftstücke, Akten und Briefe, nach einem neuen System zu rubriziren und zu repertorisiren. Diese mühevolle Arbeit ist jetzt bald vollendet, und werden in Kurzem die Archivalien ihre bleibende Stätte in dem neugebauten prächtigen Bibliothekbau am Rathhausplatz erhalten. Näheres über Inhalt und Repertorisirung des Archivs wird später folgen.
- ↑ In caminata inferiori curiae apellatae zu der Stessen sitae in parrochia sancti Laurentii (Urk. von 1354). – Acta sunt haec in domo zu der Stessen Coloniae, ubi litterae et privilegia civitatis Coloniensis specialiter sunt recondita (Urk. von 1381). Das Haus zur Stessen kam im 16. Jahrhundert in den Besitz des kaiserl. Vizekanzlers Nicolaus Ziegler.
- ↑ Quellen u. Urk. zur Gesch. der Stadt Köln I, 50.
- ↑ Soll später näher beschrieben werden.
- ↑ Aus den Rathsprotokollen.
- ↑ Aus den Rathsprotokollen.
- ↑ Rathsprotokolle.
- ↑ Akt im Stadtarchiv.
- ↑ Rathsprotokoll.
- ↑ Rathsprotokoll.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: mdam