Gedanken eines Armen-Commissions-Deputirten über den sinkenden Wohlstand der Häcker oder Weinbauer in Franken
Die von mir aufgefundenen wichtigsten Ursachen sind diese:
- I. Die zu vielen auf magerem, kaltem, sandichtem oder sonst geringem Erdreich angelegten Weingärten.
- II. Die zu gleichgültige Anlegung der Weingärten, ohne gehörige Auswahl der Reben nach der Eigenschaft des Erdreiches und der Lage.
- III. Die nachlässige Behandlung der Trauben bey der Lese, und des Mostes im Keller.
- IV. Die zu großen Kosten und Auslagen für die Weinberge und den Lagerwein.
Welche Wirkungen jede dieser Ursachen auf den Wohlstand der Häcker hervorbringe, wollen wir nun einzeln untersuchen.
I. Mancher Ort, Flecken oder manche Stadt, besonders am Mayn, hat von seiner| Gemarkung die Hälfte, oder drey Achttheile, oder ein Drittheil mit Rebstöcken besetzt, und dem Ackerbau, der Gärtnerey, dem Wieswachs etc. etc. die übrigen Theile der Gemarkung, und dieß oft in sehr unrichtigem Verhältniß, gewidmet. In solchen Orten ist der Viehstand sehr klein, und öfters auch geringen Schlages; daher ist der den Weinbergen nöthige Dünger seltener und theurer, als daß jedermann solchen für seine Weinberge zu rechter Zeit und in gehöriger Menge kaufen oder erzielen könnte. Was auch davon hie und da zusammen gebracht wird, ist aus Mangel des Strohes insgemein mager und elend. Das Fuhrlohn ist wegen des wenigen Zugviehs höher, als an andern Orten, und diese Gebrechen schaden dem Weinbau in dergleichen Gemarkungen nicht wenig. Das Korn und andere Getraidarten, welche in solchen Orten gebauet werden, sind oft nur für ein Drittheil der eigenen Nothdurft hinlänglich; und das wenige Fleisch von Kälbern und Mastlingen reicht nicht für ein halbes Jahr auf Sonntage und Feyertage zu. Man muß also das noch nöthige Brodkorn und andere Früchte von der Ferne mit mehrern Kosten herbeyschaffen, Fleisch und Gemüß von dem Fremden kaufen, und bey so theuren| Preisen, wie sie z. B. nur jetzt sind, eine große Lücke in die Sparbüchse, oder Schulden machen, oder erbärmlich darben.Die zu vielen Weinberge auf einer Gemarkung hindern auch den nöthigen guten Bau und die gehörige Pflege aller derselben, und erhöhen den Arbeitslohn: daher auch der Ertrag von den bessern Lagen nur gering oder mittelmäßig seyn kann, und die aufgewandten Baukosten mit den Zinsen selten ganz ersetzt werden. Daß der Weinberg zweymahl so viel Arbeit fordert, als der Acker, ist bekannt: und wenn bey einfallender günstiger Witterung eine Arbeit die andere treibet, was kann da der arme oder geldlose Weinbergsbesitzer mit seinen 3, 5, oder 10 Morgen Weinbergen anders thun, als dieselben dem Zufall überlassen, und sich mit geringem oder wenigem Most begnügen?
Auf schlechtem, nassem, sandichtem, den Überschwemmungen ausgesetztem Boden angelegte Weingärten sind dem steten Ausbessern auch mehr unterworfen, als andere, welches den erwarteten Ertrag sehr vermindert; ja manchmahl muß schon im 12ten oder 15ten Jahre der ganze Weinberg wieder neu angelegt und bestocket werden; und dieß fällt schwer; ja es thut auch dem Bemittelten| wehe. Wie viel vortheilhafter würde statt eines solchen Weinbergs seinem Eigenthümer eine Wiese oder ein Acker seyn? Wie viel allgemein nützlicher wäre es, daß jeder nur so viele Weinberge hätte, als er ohne häusliche Noth selbst bauen, oder mit richtig berechnetem Nutzen bauen zu lassen im Stande wäre. Welche Wohlthat wäre es für jedes Ort und Amt, wann in jeder Gemarkung landesgesetzmäßig nur der vierte Theil derselben höchstens zum Weinbau verwendet werden dürfte; oder, woferne die Lage besser dazu taugen sollte, dafür gesorgt wäre, daß Brod, Fleisch und Holz nicht in drückenden Preisen und mit Zeitverlust zu suchen wären!Ganze Ortschaften werden durch eine solche Gleichgültigkeit und ihren Hang nach vielen Most verrufen. Man kann hin und wieder die betrübten Klagen hören, daß keine Käufer kommen, indem diese oder jene Nachbarn derselben doch so viele hätten; man klagt, daß, wenn diese das Fuder für 60 Rthl. verkaufen, die erstern froh wären, wenn sie für 40 Rthl. abgeben könnten. Man sieht bey öftern Mißwachs den sinkenden Wohlstand in solchen Orten, wo die Weinberge, meistens wegen ihrer zu großen Menge, nur mit der altgewohnten Gleichgültigkeit gebauet werden. Eine wahre Geschichte wird hier nicht am unrechten Platze stehen.
| Vor 6 oder 7 Jahren wollte mein Freund, ein Weinhändler, um die Nachfrage seiner Kunden zu befriedigen, sich auch von dem berühmten –heimer Wein einlegen. Er reisete selbst nach dem Hauptplatz, kostete und kaufte 2 oder 3 Stück 83ger von der besten Lage. Um genau zu wissen, was er sich von diesem Weine zu versprechen hätte, ging er selbst in die Weinberge, wo der gekaufte Wein gewachsen war; er kostete die Trauben, besah die Stöcke, und fand zu seiner Verwunderung über die Hälfte geringere Gattungen von Rebstöcken. Er stutzte, führte seinen Wein nach Haus, den er des alten guten Rufes wegen theuer bezahlen mußte; und fand nach einem Jahre, daß sein –heimer um ein Drittheil im Wehrt zurück gegangen sey. Alles guten Rufes ungeachtet wird dieser Weinhändler gewiß so bald keinen Tropfen Wein mehr auf diesem Platze kaufen. Und wenn nun noch 20. 30. und mehrere fremde Käufer dieses ebenfalls gewahr geworden sind, welcher Schaden wird diesem sonst berühmten Weinorte dadurch zugehen? Er wird künftig seine Weine meistens selbst einkellern müssen, und dann den Schaden doppelt empfinden. Das geringe Gewächs wird sich nach 3 oder 4 Lagerjahren den wenigen Käufern| noch eher entdecken; der Preis wird um ein Viertel oder ein Drittel geringer werden; der Ärmere wird den Baulohn und andere Auslagen erst nach 2 bis 4 Jahren einziehen können, oder dem reichern Käufer nach seinem Willen verkaufen müssen, wobey oft kein Kreuzer Zins für das auf dem Weinberg liegende Ankaufs-Capital, oft nicht die halben Auslagen heraus kommen werden. Wenn nun dieser Fall 10, 12 und mehrere Jahre durch in einem Weinorte sich ereignet, muß da nicht der Häckerstand ins Abnehmen kommen; muß er nicht endlich durch diese gleichgültige Anlegung oder unterlassene Ausbesserung der Weinberge allein schon in die bitterste Armuth hinabstürzen?Der Morgen Weinberg auf flachem oder lehnendem Boden (vom steilen, durch Regengüsse öfters von Erde entblößt werdenden, und weder mit Erde noch Besserung, Pfälen etc. etc. anfahrbaren will ich gar nichts sagen) kostet jährlich
18 fl. | für gewöhnlichen und Extra-Baulohn, dann Pfähle, Besserung, Les- und Kelter-Auslagen,ein Jahr ins andere gerechnet: |
5 fl. | an jährlichen Zinsen von 100 fl. Capital, wiewohl man selten einen ordentlich besteckten Morgen Weinberg auch der geringsten Lage dafür bekommen wird; die Contribution solle auch mit den 5 fl. bezahlet werden können, so kostet er doch überhaupt |
23 fl. | Fränkisch jedes Jahr. |
Wenn 1000 bis 1200 Morgen solcher geringen Weinberge auf einer Gemarkung sind, und von jedem jährlich nur 3 fl. verloren werden, so ist eine solche Gemeinde schon bis 3600 fl. jährlich ärmer, und in 20 Jahren um 72000 fl. Muß dieß nicht einen merklich sichtbaren Verfall nach sich ziehen? Wenn man erst rechnet, daß Weine auf geringern Boden gezeuget im Verkauf oft, und in manchem Orte, nur 24 bis 36 Batzen gelten; welcher Schaden entstehet da nicht auf einmahl? Selbst die bessern Jahre können diesen nicht heilen.
Die Kosten, welche der eingekellerte oder Lager-Wein machet, sind eben so wenig vortheilhaft. Man darf jährlich für Zinse, Büttner- und Kellerkosten 10 Procent rechnen; und setzet man Zinsen zu Zinsen, so hat der Wein im achten Jahre sich schon in sich selbst verzehret. Wie viele zehenjährige Weine liegen nicht im Frankenlande, und welchen Nutzen kann dasselbe davon rechnen?[1]| Dieß muß in dem Herzen jedes ächten Patrioten den Wunsch erregen, daß die zu hohe| ohnehin so viele Mühe, Arbeit, Zeit und Geld erfordernden Weinbergen liegende Contribution herabgesetzet werde; daß der Ausgangs- oder sogenannte Guldenzoll, der oft 2 bis 3 mahl bezahlt werden muß, zur Beförderung der Weinausfuhr vermindert werde; um die Weinbergs- und Weinbesitzer doch in etwas zu erleichtern, und denselben ihr Eigenthum nützlicher zu machen.
- ↑ [254] Hubertus hat im Herbst von der Kelter weg 1 Fuder 79ger Most für 80 Rthl. nachher 1 Fuder 81ger für 60 Rthl. und dann 1 Fuder 83ger für 50 Rthl. von sehr guten Lagen gekauft, und eingekellert. Diese Preise waren damahls die laufenden. Man nehme an, daß diese 3 Fuder Wein volle 12, 10, und 8 Jahre liegen: so kostet dem Hubertus das Fuder 79ger, mit Abgang, Keller und
Büttnerskosten, dann der Zinsen von
80 Rthl. “ jetzt Rthl. 200. Das Fuder 81ger zu 60 Rthl. “ “ “ 130. Das Fuder 83ger zu 50 Rthl. “ “ “ 90. alle 3 Fuder also jetzt “ “ Rthl. 420. Der laufende Verkaufspreis ist dermahlen
darauf verloren, die er vielleicht verschmerzen kann. Wie aber, wenn er nur 79er und 81er allein zu verkaufen gehabt hätte; wenn er erst nach 5 oder 6 Jahren verkaufte: wie wäre es dann? Man rechne, daß nur 3000 Fuder dergleichen Weine im Lande liegen, und man sage mir dann, ob der Weinbesitzer nicht eben sowohl, als der Häcker in Gefahr stehe? Der einzige Trost bleibt noch übrig, daß durch die Weinhändler der Schaden der Häcker und Weinbesitzer vermindert wird; aber ausgeglichen wird er wohl selten.80 bis 90 Rthl. für 79ger90 bis 120 Rthl. für 81ger 100 bis 120 Rthl. für 83ger und Hubertus erhielte also jetzt Rthl. 320 für seine 3 Fuder Weine, und hätte Rthl. 100 .Sollte es nicht nützlich seyn, in jedem Orte den Weinunterkäufern den Auftrag zu geben, den Preis und Jahrgang aller jährlich verkauften Weine aufzuzeichnen und einzuschicken? Der laufende Herbst-Preis [255] des Ortes und Jahres oder der Anschlag dagegen gestellet, würde gewiß eine richtigere Einsicht über den Nutzen oder Schaden des Weinbaues und Weinlagerns verschaffen, als man bisher hatte, und von Wichtigkeit seyn. Eine Weinconscription würde dabey eben so nützlich werden, als jene des Getraides: und dann könnte dieses Geschäfft durch Tabellen sehr erleichtert und von jedem Ortsvorstand verrichtet werden.