Die Oesterreicher in Dresden 1809

Zur Geschichte der Familie Stübel. Teil 2 Die Oesterreicher in Dresden 1809 (1902) von Ludwig Schmidt
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904)
Napoleon in Dresden 1812 und 1813
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Die Oesterreicher in Dresden 1809.
Ein zeitgenössischer Bericht, mitgetheilt von Dr. Ludw. Schmidt.

Unter dem Titel „Bericht eines Augenzeugen von dem, was bei der doppelten Invasion der Oestreicher in Dresden vom 11. Juni bis 21. Juli 1809 vorgefallen ist“ findet sich der im Nachstehenden abgedruckte Aufsatz in dem in der Dresdner Königlichen Öffentlichen Bibliothek aufbewahrten handschriftlichen Nachlaß des berühmten Archäologen Karl August Böttiger (Saxonica und Sammlungen zur Zeitgeschichte, fol.). Der Verfasser des von Kopistenhand geschriebenen, offenbar für den Druck bestimmt gewesenen Manuskriptes wird nirgends genannt; jedenfalls ist er in den litterarischen Kreisen der Residenz zu suchen, wie verschiedene Bemerkungen (über die Beschaffenheit des Stils der aus der Kanzlei des Fürsten Lobkowitz stammenden Produkte etc.) andeuten. Daß Böttiger selbst der Urheber sei, dürfte wegen der geringschätzigen Erwähnung von Gentz, mit dem Böttiger befreundet war, ausgeschlossen sein. Die Abhandlung ist werthvoll, einmal weil sie, wie eine Vergleichung mit der sonstigen Ueberlieferung ergiebt, in den Einzelheiten im Großen und Ganzen durchaus genau und zuverlässig ist und zur Erweiterung unseres Wissens von den damaligen Ereignissen in Dresden nicht unwesentlich beiträgt, sodann aber auch weil sie eine lebendige, zusammenhängende Erzählung bietet und dadurch von den meisten uns erhaltenen Spezialberichten, die nur eine mehr oder weniger trockene Aufzählung von Thatsachen geben, sich vortheilhaft unterscheidet. Der Standpunkt ist freilich ein durchaus einseitiger, subjektiver; der Autor gehört zu den unbedingten Anhängern des Königs Friedrich August und hat dementsprechend kein Verständniß für die Bedeutung der patriotischen Erhebung Oesterreichs, die er vielmehr herabzusetzen bemüht ist, wenn er auch die treffliche Haltung der Okkupationstruppen anerkennen muß. Daß weite Kreise der Bevölkerung thatsächlich aufrichtige warme Sympathien für die Oesterreicher hegten, wovon wir z. B. aus Kügelgens Jugenderinnerungen erfahren, wird direkt in Abrede gestellt. Im hellsten Lichte erscheint daher die Thätigkeit des sächsischen Obersten Thielmann; daß dieser durch sein thörichtes Vorgehen die Oesterreicher erst zum Einmarsch in Sachsen gereizt hatte, wird verschwiegen. Mit Recht wird dagegen das Auftreten des Herzogs von Braunschweig scharf getadelt, dessen ungerechte Requisitionen das Land schwer schädigten und mit dem Inhalte seiner hochtrabenden Proklamationen seltsam kontrastirten. Die gedruckten Aktenstücke, auf die in der Abhandlung mehrfach verwiesen wird, liegen hier nicht mehr vor, sind aber anderweit erhalten (besonders in den Beilagen zu Röbers Tagebuch, Kgl. Bibl. Dresden Mscr. d. 81 und in einem Sammelbande ebenda Hist.univ. B 80 b), auch zum Theile in den Schriften von Am Ende, Feldmarschall-Lieutenant Carl Friedrich Am Ende, Wien 1878, sowie von Frhr. v. Friesen, Dresden im Kriegsjahre 1809 (Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, Heft 11), Exner, Die Antheilnahme der Kgl. Sächs. Armee am Feldzuge gegen Oesterreich (Dresden 1894) neu abgedruckt. Der Text des Aufsatzes ist in neuerer Orthographie wiedergegeben; einzelne Erläuterungen dazu stehen in den Anmerkungen.


Wie die Blicke von ganz Europa, so waren auch seit dem Anfange des Jahres 1809 die Augen aller Einwohner Sachsens auf Oestreich gerichtet. Nachbarlich [74] an Böhmen grenzend und im steten Wechselverhältniß mit diesem Lande mußten für Sachsen die an jedem Tage neu eingehenden Nachrichten von dorther von dem größten Interesse sein. Bald brachten sie den Frieden mit, bald sprachen sie wieder lebhaft vom Kriege. Doch der Ausbruch des letzteren schien späterhin fast keinem Zweifel mehr unterworfen zu sein, und es wurden in Dresden alle Anstalten getroffen, um einer etwa eindringenden feindlichen Macht den gehörigen Widerstand zu leisten, vorher jedoch das Grüne Gewölbe und die Archive in Sicherheit gebracht[1]. Der Prinz Pontecorvo[2], der am 22. März in Dresden ankam, übernahm das Commando der dort zusammengezogenen Truppen und leitete die in und vor der Stadt angelegten Befestigungen. Aus Polen kehrte indes der König von Sachsen ebenfalls nach Dresden zurück[3], und durch schnelle Avancements wurden eine Zahl ausgezeichneter Krieger an die Spitze der sächsischen Armee befördert. So kriegerisch für Dresden alles dies schien, so wurden die Einwohner doch durch das Bekanntwerden der Versicherungen beruhigt, welche, wie man als gewiß erzählte, der Erzherzog Carl als Generalissimus der östreichischen Armee seiner Schwester, der Gemahlin des Prinzen Anton, gegeben haben sollte, daß nämlich die Einwohner Sachsens nicht das geringste zu befürchten hätten, da es die Absicht Oestreichs, im Fall der Krieg noch ausbräche, durchaus nicht sei, eine Armee oder auch nur ein Corps nach Sachsen marschiren zu lassen.

Die Oestreicher rückten in Bayern ein und erklärten den Krieg an Frankreich, und Napoleon bestimmte die sächsische Armee zu einem anderen Zwecke[4]. Am 13. April setzten sich daher alle Truppenabtheilungen von Dresden und der umliegenden Gegend aus in Marsch zu ihrer anderweiten Bestimmung, und der Plan, Dresden als einen festen Punkt zu behandeln, ward ohnstreitig, zur Schonung für die Stadt selbst, aufgegeben.

Durch diese neu eingetretenen Verhältnisse ward natürlich auch der sächsische Hof genöthigt, einen (Punkt) so nahe wie Dresden, der jetzt von aller Vertheidigung entblößt war, zu verlassen und begab sich nebst den sämmtlichen Kabinetskanzleien am 15. April[5] nach Leipzig.

In Dresden organisirte sich bald, besonders durch die thätige Mitwirkung des Bürgermeisters D. Heyme eine Bürgerwache, und theils auf die beschehenen Versicherungen, daß Sachsen östreichischer Seits gänzlich geschont werden solle, theils auf die militärische Lage dieses Landes selbst, welche das Einrücken einer Armee in dasselbe zwecklos scheinen ließ, sich verlassend, blieb die Stadt ziemlich beruhigt. Nach und nach rückten auch ungefähr 1 500 Mann sächsische Truppen, zuletzt unter dem Kommando des Obrist Thielmann stehend, wieder in Dresden ein.

Von der Grenze Böhmens lauteten die Nachrichten dagegen späterhin immer bedenklicher, und in der That zeigten sich auch in der Mitte des Monats Mai kleine Streifkorps von Peterswalde aus bei Höllendorf, Berggieshübel und in andern sächsischen Grenzorten, wo sie einiges Vieh mitnahmen und sonst allerhand Unfug trieben, auch, ziemlich sichern Nachrichten zu Folge, einen Uebergang über die Elbe unternehmen wollten. Um dies für die Zukunft zu hintertreiben, machte ein Theil des Thielmann’schen Korps einen Streifzug am 24. und 25. Mai bis hinter Peterswalde gegen Nollendorf, wo man auf eine Abtheilung östreichische Ulanen stieß, sie zerstreute und einen Offizier mit einigen Gemeinen zu Gefangenen machte.

Mit einem stärkeren Korps war indes der Herzog von Braunschweig-Oels nach Zittau in die Oberlausitz gerückt, hatte diese Stadt und die umliegenden Dorfschaften förmlich in Besitz genommen und schien sich dort festsetzen zu wollen. Der Obrist Thielmann zog also mit einem Theile seiner Mannschaft auch gegen diesen, verjagte ihn allerdings am 30. Mai aus Zittau, mußte aber, da der Herzog die Nacht drauf mit einer bedeutenden Uebermacht wieder anrückte, sich aus der Stadt ziehen, worauf der Herzog sich eine Kontribution von 6000 Thlr. von Zittau zahlen ließ und dann von selbst diesen Ort evakuirte. Der Obrist Thielmann hatte dies kaum erfahren, als er mit seinem Korps nach Rumburg in Böhmen marschirte und sich von den dortigen Kaufleuten einen Wechsel von 6000 Thlr. ausstellen ließ, um damit die Summe der in Zittau ausgeschriebenen braunschweigischen Kontribution zu decken. Ohnerachtet des früher gegebenen Versprechens rückte der Herzog von Braunschweig aber dagegen wieder in Zittau ein und erpreßte von dem dortigen Rathe einen Revers, um diesen Wechsel der Rumburger Kaufleute zu annulliren. Unterdes bezog das sächsische kleine Korps ein Lager in der Gegend Dresdens auf der Anhöhe von Korbitz.

Am 9. Juni kamen auf einmal von allen Grenzorten gegen Böhmen die Nachrichten an, daß sehr starke östreichische Kolonnen sich aus diesem Lande heraus in Marsch gesetzt hätten und bereits über Zinnwald bis Altenberg und in die Gegend von Dippoldiswalde vorgedrungen wären. Am Tage drauf bestätigten sich diese Nachrichten immer mehr, und man gab bereits das östreichische Korps auf 20 000 Mann an. Die sächsischen Truppen, die zum Theil noch in Dresden gestanden [75] hatten, zogen sich daher sofort aus der Stadt, vereinigten sich mit denen, die das Korbitzer Lager verlassen hatten, und nahmen unter Kommando des Obrist Thielmann eine militärische Stellung auf den Höhen hinter Pennerich auf der Straße nach Nossen an.

In Dresden selbst war man in der gespanntesten Erwartung; was man durchaus nicht hatte fürchten können, geschah, und je unerklärlicher die ganze Expedition nach Sachsen war, um so mehr sah man nicht ohne Besorgnisse dem andringenden Feinde entgegen. Es war 5 Uhr des Nachmittags am 11. Juni, als die Kavallerie des Herzogs von Braunschweig-Oels, der mit seinen Truppen die Avantgarde machte, vor Dresden am Dippoldiswaldaer Schlage ankam. Schüchtern hatten sich die ersten Reiter genaht; als sie aber bemerkten, daß die Schläge ohne Militär und blos von 6 Bürgern besetzt seien, sprengten sie zurück, brachten dem Herzoge die Nachricht, und dieser ritt nun im vollen Trabe an der Spitze seiner Kolonne und mit einem lauten Geschrei in die Vorstadt herein, wo ihm ohnweit des sogenannten Josephinischen Stifts eine Deputation des dasigen Magistrats entgegen kam. Nicht lange währte es, so kam die braunschweigische Infanterie nach und blieb, während die Avantgarde der Reiterei über die Brücke nach Neustadt sprengte, um sich von der vollkommenen Abwesenheit alles Militärs zu überzeugen, vor dem Seethore halten.

Es war ein auffallender Anblick, diese sämmtlich schwarz gekleideten Soldaten, deren Anzahl ungefähr 1200 Mann ausmachen mochte, zu sehn. Kavallerie sowohl als Infanterie trugen Mützen und Tzschakos mit Todtenköpfen und kreuzweis darunter gelegten Todtenbeinen, von weißem Blech ausgeschnitten. Man sah die Nachahmung des ehemaligen preußischen Husaren-Regiments, und erwartete, womit diese neuen Helden nun dies Symbol der Tapferkeit bewähren würden. Die ganze Uniform gewährte einen unangenehmen, finstern Anblick, und es konnte nicht fehlen, daß dem Korps der Name der Schwarzen beigelegt ward, den sie nachher auch behalten haben, um so mehr, da sie sich selbst bei ihrem ersten Vorrücken nach Zittau mit dem Titel der schwarzen Brüder der Rache bezeichnet hatten, und der Herzog ihnen diesen Namen selbst beilegte, da er mehr als einmal die Drohung hören ließ: Ich werde meine Schwarzen ausschicken.

Eben so wenig konnte es fehlen, daß sich eine gewaltige Menschenmenge um die neuen Ankömmlinge drängte, und bald ward nun am Seethore die sub A anliegende Proklamation[6] ausgetheilt, aus welcher die Sachsen ersehen sollten, was die Veranlassung dieses Einmarsches in ihr Land sei.

Der Inhalt derselben spricht deutlich die ganze Absicht der Expedition aus und bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. Deutschlands Freiheit und Selbständigkeit mußten die Zauberformeln sein, welche die Oestreich anwohnenden Nationen veranlassen sollten, mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen, und, abtrünnig von ihren eigenen Fürsten, gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen. Aber sie hatten überall ihren Einfluß verloren, man sah zu deutlich, welches Interesse eigentlich dahinter verborgen war und fand ein gerechtes Bedenken, für schöne Worte das Bewußtsein, seine Pflichten als Staatsbürger erfüllt zu haben, hinzugeben. Auch stach von dieser verheißenen Freiheit und Selbständigkeit die zugleich mitgebrachte Intendanz, unter deren Aufsicht alle Autoritäten stehen sollten, etwas grell ab. Kurz, man las jene Proklamation, las sie wieder, und wußte, was man daraus zu machen habe.

Unter dem Geschrei „es lebe Kaiser Franz, es lebe der Erzherzog Karl“, während die Braunschweiger ihren Herzog hoch leben ließen, zog nun zu demselben Thore das östreichische Korps unter Anführung des General Am Ende ebenfalls ein. Es bestand aus einigen Eskadrons Ulanen, einer bunten Musterkarte von allerlei Sorten hessischer Truppen zu 30 bis 40 Mann, 2 Bataillone Mitrowsky-Infanterie, 2 Bataillone Erbach-Infanterie und mehrere Bataillone böhmischer Landwehr, so daß die sämmtlichen Truppen gegen 10 000 Mann betrugen, welche 13 Stücke kleinen Kalibers bei sich hatten. Nur wenige Truppen konnten in den Häusern untergebracht werden, die meisten mußten auf dem alten Markte die Nacht über bivakiren, während das braunschweigische Korps die Neustadt besetzt hatte.

Trotz der neuen Erscheinung schien die Sache doch so wenig Furchtbares für die Dresdner Einwohner zu haben, daß sie zahlreich unter den gelagerten Kolonnen herum wandelten und neugierig die Kreise der Truppen umstanden. Diese Landwehrmänner sahen aber auch gar zu fromm aus, und man merkte es fast jedem Einzelnen an, wie ungern er seinen Herd verlassen hatte und her in das fremde Land gezogen war.

Um 2 Uhr aber früh ward Alarm geschlagen, und alles griff zu den Waffen. Die sächsischen Truppen hatten in der Nacht eine Rekognoszirung gegen Dresden zu unternommen, und ward daher wider sie mit den braunschweigischen Truppen, einem Bat. Mitrowsky und einem Bat. Landwehr nebst den Hessen vorgerückt, und bei Wilsdruff entspann sich ein kleines Gefecht, worauf, als Nachmittags der General Am Ende selbst mit 2000 Mann Verstärkung nachrückte, die Sachsen, nachdem sie dem Feinde, besonders den Braunschweigern, [76] viel Mannschaft getödtet und verwundet hatten[7], sich nach Waldheim und sodann weiter zurückzogen.

Denselben Vormittag bearbeitete der General Am Ende die Meinung des Volks durch Auswerfen von Druckschriften aus dem Fenster des Hotels[8] auf der Schloßgasse, wo er im Quartier lag. Sie bestanden aus der obenerwähnten Proklamation, dem Bulletin über die Schlacht bei Aspern, das freilich unterdeß ein wenig alt geworden war, und dem von Oestreich bei Anfang des Krieges erlassenen Manifeste. Sonderbar genug sah es aus, wie ein Haufe von schlecht gekleideten Menschen sich vor dem Hotel drängte, Hände und Arme in die Luft streckte, und nun von einem Fenster herab diese Speise zugeworfen bekam. Auf ein Dach über ein Gewölbe, welches gerade unter dem Fenster war, an dem der General stand, fielen eine Menge solcher Blätter, einige Jungen kletterten da hinauf, sammelten sie, und empfingen nun in der Nähe aus der Hand des Generals selbst die Papiere. Lächelnd sah der General auf die Volksmenge herab, die sich an diesen Geschenken weidete, und warf nach allen Seiten hin länger als anderthalb Stunden lang die fliegenden Ueberzeugungsmittel; aber der gebildetere Theil des Publikums war von Ferne nur Zuschauer einer Scene, die mit dem Ernste eines für Deutschlands Ehre fechtenden kommandirenden Generals doch etwas zu kontrastiren schien.

An diesem Tage war denn auch der östreichische Intendant in der Person des Herrn von Beierweck, K. K. Gubernial-Rath zu Prag, eingetroffen, und hatte den Rath Eichler als Unterintendant mit sich gebracht, welche denn sofort zu Beschlagnehmung aller öffentlichen Kassen aller Art gehörige Anstalten trafen. Ob dies das Glück war, das die Proklamation den Sachsen durch den Verein mit Oestreich versprach, muß man dahingestellt sein lassen; den Dresdnern schien es wenigstens kein gutes Vorspiel für die ihnen versprochene Selbständigkeit zu sein.

Ohnerachtet der schönen Versprechungen der östreichischen Proklamation jedoch fingen einige Einwohner Dresdens zu fürchten an, daß der gemeine Soldat vielleicht nicht die Ansicht seiner Befehlshaber theilen und sich des Eigenthums von Privatpersonen bemächtigen werde, kurz, es entstand das Gerücht, daß eine Plünderung zu befürchten sei. Man muß es aber den östreichischen Behörden nachsagen, daß sie sofort alle Beunruhigungen deshalb zu stillen suchten, und es erschien daher die sub B beigefügte Bekanntmachung von Seiten des Dresdner Raths. Der inserirte Brief des Intendanten giebt zugleich eine Probe des guten Stils, dessen sich die östreichische Intendanz bei allen Gelegenheiten befleißigte[9].

Um so weniger schonend verfuhren die öffentlichen Anschläge gegen den Obrist Thielmann als Anführer der sächsischen Truppen, die es trotz ihrer geringen Anzahl gewagt hatten, der Uebermacht nur kämpfend und ehrenvoll zu weichen. Der Fürst Lobkowitz, welcher östreichischer Stadtkommandant geworden war, ließ die Warnung sub C affigiren[10] und der Herzog von Braunschweig, der diese viel zu glimpflich fand, sendete von seinem Hauptquartier Meißen aus die Invectiven sub D nach Dresden, welche die Thüre des Werbehauses in Neustadt bei Dresden zierten[11].

Denn das Werbegeschäft war für diesen östreichischen Alliirten nun der Gegenstand zahlreicher Hoffnungen. Geweckt glaubte man durch die ofterwähnte Proklamation die Gemüther aller echten Deutschen, die sich in Dresden und dem von den Oestreichern besetzten Theil von Sachsen befänden. Man hoffte, alles werde herbeiströmen zu den Fahnen, unter deren Schutze das alte Regiment des zweiköpfigen Adlers in Deutschland wieder hergestellt werden sollte. Im Stillen hatte man schon vorher hie und da durch Privatinsinuationen den Samen ausgestreut, der jetzt aufgehen sollte zu einer reichen Ernte für diejenigen, die unter dem oft so übel angewandten Namen der alten Ordnung der Dinge doch nur ihr eigenes Interesse beabsichtigten. Aber diese schönen Aussichten schlugen fehl. Die Funken, welche seit einiger Zeit von Anhängern der östreichischen Partei, Freunden von Genz und Konsorten auf alle Art, in Schriften und Gesprächen, durch Versprechungen und Verdrehungen der wahren Lage der Dinge in die meisten Kreise der Dresdner Einwohner absichtlich geworfen worden waren, fanden in Herzen, die ihrem allgemein geliebten und verehrten Könige anhingen, die die Weisheit seiner Ansichten für richtiger erkannten als die volltönender Schreier, und die die Verhältnisse der Zeit und die Veranlassungen eines mit Gewalt herbei gezogenen Krieges recht wohl kannten, keinen Zunder; die erträumte Flamme, welche das Einrücken des östreichischen Korps nun zu weit um sich greifender Gluth erheben und die sophistische Phraseologie ruhmrediger Proklamationen wie Oel nähren sollte, ward zu einem Irrwische, der nur aus Sümpfen, das heißt aus den Hefen der Nation, auf Augenblicke mit flackerndem Lichte sich erzeugte.

Es war trotz des Druckes der Zeit einer der lächerlichsten Augenblicke, diese „wahren, hochherzigen [77] Deutschen“ – Worte der Proklamation – zu sehen, welche sich unter die braunschweigischen, östreichischen Kohorten anwerben ließen. Bettler, welche man noch die Woche vorher mit verkrüppeltem Körper auf den Straßen die Vorübergehenden hatte ansprechen sehen, waren nun auf einmal mit geraden Gliedern begabt und „benutzten diese Gelegenheit, um sich als echte Deutsche zu beweisen.“ Vagabonden, die entweder dem Arme der Gerechtigkeit nur deshalb entgangen waren, weil noch niemand Zeuge oder Anzeiger ihrer Spitzbübereien gewesen war, oder die soeben erst aus den Orten der Züchtigung entlassen worden waren, „schlossen sich an die gerechte Sache des östreichischen Monarchen an“. Was der Arbeit müde war und dem Hange zum Müßiggehen schon längst gern gefröhnt hatte, „kämpfte nun für Deutschlands Freiheit und Selbständigkeit“. Weh that es aber auch auf der andern Seite jedem feinfühlenden Manne wieder, wenn er so erhabene Namen von Menschen profaniren hören mußte, die er bis jetzt nur als den Wegwurf der Nation hatte betrachten können, und die von Branntwein begeistert und mit dem Todtenkopfe auf der Mütze geziert – denn dies kriegerische Ehrenzeichen heftete sich jeder so schnell an, als er nur immer konnte, – die Gassen als Befreier der Deutschen durchschrieen und von Patriotismus, Gerechtigkeit und Größe sprachen, wo sie vorher wohl nur die Namen von Bettelei, Betrug und Weggeworfenheit gekannt hatten.

So mochten in Dresden wohl nach und nach in etwa 8 Tagen 300 Mann dieses Schlages sich anwerben lassen, welche in der Neustädter Allee in den Waffen geübt wurden und durch nächtliches Lärmen, Singen und Trinken den Heldennamen schon vorher zu erwerben hofften. Ja, es geschah wohl auch, daß sie geachteten Einwohnern, welche ihnen in ihrer ersten Gestalt ein Almosen versagt hatten, um ihren Müßiggang nicht noch mehr zu unterstützen, beim Wiederbegegnen in der schwarzen Tracht, mit dem Schreckensbilde vor der Stirn, drohten, sich bei eintretender Gelegenheit an ihnen zu rächen.

Zu wenig mochten jedoch diese Acquisitionen für die von ihnen als gut gepriesene Sache den Wünschen und Erwartungen der Oestreicher entsprechen. Wenn sie zuerst durch den Ernst der Proklamation die Geister zu fesseln gesucht hatten, wenn sie dann bemüht gewesen waren, durch Nachrühmen „der ruhigen Willfähigkeit, mit der sie aufgenommen worden seien“ – s. den Anschlag sub C[12] – und durch die Artigkeiten, mit denen man – s. die Beifuge sub E[13] – der Stadt durch das Aufziehen der Zugbrücken an den Stadtthoren um 10 Uhr des Abends „einen Beweis geben wollte, wie sehr das K. K. Militär-Commando die wohlwollenden und entgegenkommenden Gesinnungen der Einwohner zu achten wisse“, die Herzen zu gewinnen, so fing man nun an durch Ausbreiten politischer Flugblätter auf die Gemüther der Einwohner zu wirken. Ein Aufruf an die Deutschen wurde in Reime gebracht[14], die Schlacht bei Aspern als Epopöe behandelt, ein Volkslied „Groß ist Karl!“ gedichtet und in Musik gesetzt[15], ja selbst der große Schiller mußte zu Theklas Geisterstimme einen Kompagnon sich gefallen lassen. Schill – man verglich ihn zu Theklas Trost wohl gar mit Max Piccolomini – ließ sich auf einmal als Geist hören, da man endlich seinen Tod und Untergang nicht mehr bezweifeln konnte, – was man Anfangs mit allen möglichen Scheingründen gethan hatte, – und ging den Kampfgenossen als ein Streiter für „das Höchste voran“[16], s. die Anlage sub F.

Die Feder, aus der dies übrigens poetisch nicht werthlose Gedicht geflossen war, war nicht zu verkennen[17]; wir hatten ihr die Arbeiten, welche aus der Kanzlei des Fürsten Lobkowitz kamen und sich durch bessern Stil auszeichneten, zu verdanken, und da ihr Eigner ein junger Mann war, der, in den Zirkeln der höhern Welt geduldet, vorher schon oft in intellektueller Hinsicht die Meinungen vieler durch die kokettirende Dunkelheit seiner Ideen und das einer gewissen Schule eigne vornehme Niederblicken auf alles bisher in der gelehrten und kunstliebenden Welt geachtete Neuere bestimmt hatte, so hoffte man, daß auch in politischen Beziehungen sein öffentlicher Uebertritt nicht ohne Frucht bleiben sollte. Indessen trog man sich. Man fand, wo es Fürst und Vaterland galt, die Gemüther fest und auf dem Wege des Rechten, gleich Odysseus die Ohren verstopft vor dem Zaubergesange trügerischer Sirenen, und die Klänge der Lyra verhallen ungehört, wenigstens unbeachtet.

Mit größerem Vortheile hatten unterdeß der Intendant und sein Gehülfe alles sich vorfindende Staatseigenthum, das nur in der entferntesten Hinsicht auf kriegerische Verhältnisse stand, sich zugeeignet, und der reine Geld- und Sachgewinn mußte hier dem Gewinne der Herzen und Meinungen vorgehn, denn beide standen in offenbarem Widerspruche. Selbst das befangenste [78] Gemüth, selbst der oberflächlichste Kopf, den die schönen Worte von Rettung, Befreiung, Deutschheit und dergleichen doch am Ende, oft wiederholt, zu einer Partei herüber zu locken begannen, die es deutlich darauf angesehen hatte, ganz Deutschland zu ihrem Glauben zu bekehren, mußte, wenn er die Art sah, wie man dem Staate mühsam und lang ersparte Bedürfnisse entführte, wie lange Züge von Wagen, beladen mit dem, was man bisher für Staatseigenthum angesehn und auf Zeiten der Noth bewahrt hatte, mit dem, was den eignen Mitbürgern zu Kleidung und Bedeckung dienen sollte, (so die Leinwand zu Beinkleidern und Hemden für die Armen und Tuch zu Mänteln für das Regiment Prinz Maximilian), und dessen Absendung nur durch unglücklichen Andrang der Umstände verspätigt worden war, nach Böhmen fuhren, von seinem Irrthum überzeugt und der Sache des Vaterlandes und seines Fürsten wieder gewonnen werden. Auch hier also im kleinen Kreise ward das schwankende des östreichischen Systems wieder sichtbar, das diesem Staate selbst seine Kraft und dem einfach beunruhigten Europa so viel Blut gekostet hat.

Man mache den Dresdnern keine Beschuldigungen darüber, daß ein großer Theil der nach Böhmen fortgeschleppten Sachen von Delatoren verrathen ward. Die Menschen, die das thaten, gehörten so sehr zu den verachtenswürdigsten, daß die östreichischen Behörden selbst sie mit Mißbilligung und Geringschätzung behandelten und ihnen oft selbst einen Lohn für ihre Anzeigen versagten. Es waren wenige, die schon längst die öffentliche Achtung verloren hatten und noch dazu meist Personen aus denen Staaten, die jetzt diese Beute ihres Kriegszuges in Sicherheit zu bringen eilten. Denn als ob die östreichischen Behörden voraussähen, daß sie bald Stadt und Land würden räumen müssen, gingen sie bei dem Ansichbringen dieser Sachen mit einer Eil zu Werke, wodurch das Meiste nicht einmal in den Besitz ihres Staates kam, sondern an diejenigen Personen, welche mit dem Fortschaffen beauftragt waren, vergeudet ward. Die Angaben über den Werth und die Summe der Dinge, welche auf diese Art ihren oft sehr verborgenen Aufenthaltsorten entrissen wurden – vieles war sogar vermauert und wurde von Handlangern, die bei diesem Geschäft gebraucht worden waren, verrathen – sind verschieden. So viel ist gewiß, daß mehr als 800 Wagen mit Salpeter, Zelten und Pontons (diese wurden erst auf Kosten des Raths in brauchbaren Stand gesetzt), Leinwanden, Tuchen, Säbelklingen, Pistolen, eisernem Geräth und einer Menge andrer Kriegsbedürfnisse den Weg nach Maria Theresienstadt nahmen, um dort das Erbeutete in sichern Gewahrsam zu bringen. Und wenn von den höheren Behörden der Werth dieser Dinge auf beinahe 300 000 Thlr. angegeben wird, so ist diese Rechnung wohl eher zu gering als zu hoch angenommen.

Hierzu kamen nun noch die Requisitionen sowohl der östreichischen als der braunschweigischen Truppen in Dresden, welche über 27 000 Thlr. betrugen, und theils in Schuhen, Tabak, Tüchern, theils in andern Bedürfnissen bestanden. Diese Summe gilt jedoch nur für Dresden. In Meißen, Wurzen und andern Orten ward von dem braunschweigischen Heere mit verhältnißmäßig größerer Gewaltthätigkeit requirirt, und kaum konnten diese kleinen Städte das Verlangte aufbringen. So wurden auch die Magazine in Beschlag genommen und mußten erst, um die Truppen zu verpflegen, von den Räthen wieder losgekauft werden. Ueberhaupt ging das braunschweigische Korps von andern Principien aus, als die östreichischen Befehlshaber. Denn wenn man diesen wenigstens dies zum Ruhme nacherzählen muß, daß sie sehr gute Mannszucht hielten und daß von ihren Truppen fast nicht ein einziger Exceß begangen worden ist, sie auch bei allen Gelegenheiten öffentlich anermahnt wurden, die Sachsen als ihre Freunde zu behandeln und sich wie Brüder von ihnen anzusehn, welches freilich dem beabsichtigten Zwecke einer Gewinnung der Gemüther und Vereinigung mit diesem Lande näher kam, so schienen dagegen die braunschweigischen Helden dergleichen kleine Mittel zu verwerfen und führten sich, lediglich auf ihren durch den Todtenkopf bewährten Heldensinn bauend und überzeugt, daß ihnen das Uebrige alles von selbst zufallen müsse, sowohl in Dresden als besonders in Wilsdruff, Meißen und an anderen Orten, wo sie verweilten oder durch die sie zogen, mit der größten Unart auf. Häufige Klagen liefen beständig über diesen Heereshaufen ein, sie erlaubten sich Erpressungen mannigfacher Art, und blutig mußten oft diejenigen büßen, die sich ihren Räubereien hatten widersetzen wollen. Auch kommt bei weitem der größere Theil der in Dresden gemachten Requisitionen auf Rechnung dieser Truppen. Unter anderm brandschatzten die braunschweigischen Truppen am 18. Juli[18] in und um Wilsdruff über 12 000 Thlr., und dies arme Städtchen schätzt den Schaden, den es allein erlitt, auf weit mehr als 8000 Thlr. So nahmen sie 2000 Thlr. aus dem Rentamte Torgau. Sie zogen in den umliegenden Städten umher und leerten die Steuerkassen, so daß der Intendant von Beierweck, welcher angeordnet hatte, daß die Einnahmen von dort aus von 8 zu 8 Tagen nach Dresden an ihn eingesendet werden sollten, natürlich aus jenen Gegenden nichts erhalten konnte und selbst nebst den übrigen östreichischen Behörden über das Benehmen des Herzogs von Braunschweig höchst unzufrieden war.

[79] Diese von allen Seiten einberichteten Erpressungen der braunschweigischen Truppen, wo z. B. der Herzog in Meißen der Kommission laut erklärt, er müsse in Sachsen 50 000 Mann werben und requiriren, er müsse dem Könige die Mittel zur Fortsetzung des Krieges entziehen u. s. w., auch mit Beitreibung der ausgeschriebenen Pferde und anderer Kriegsbedürfnisse so verfuhr, daß man das Äußerste besorgen mußte, erregten bei der in Dresden zurückgebliebenen obersten Staatsbehörde um so größere Besorgniß, als auf einige Zeit selbst alle Kommunikation mit dem Thielmannschen Korps und den außer Landes sich befindenden obersten Behörden abgeschnitten war, und durchaus nicht berechnet werden konnte, wenn und wo Hülfe zu erwarten sei, wozu sich noch das Gerücht gesellte, daß die Truppen unter Thielmann Ordre erhalten, das allerdings bedrohte Westphalen mit decken zu helfen. Unter diesen bedrängten Umständen sah sich das Konferenz-Ministerium gemüßigt, dem Dresdner Kommandant und dem General Am Ende den auffallenden Widerspruch zu Gemüthe zu führen, der zwischen ihrer gleich Anfangs so reichlich ausgestreuten Proklamation und diesen täglich steigenden Erpressungen der Schwarzen so grell stattfände[19]. Allein diese östreichischen Behörden erwiderten zu verschiedenen Malen, daß der Herzog von Braunschweig als Alliirter ihres Kaisers ihnen durchaus nicht untergeordnet sei und sein eignes Regiment auf eigne Faust führe. Uebrigens mißbillige der Generalissimus Carl und der Kaiser Franz gewiß diesen schreienden Unfug höchlich und würde, wenn Klage darüber geführt würde, ihm gewiß abhelfen. Daß dies kein leeres Vorgeben gewesen, wodurch sie nur dem Ministerio etwas vorzuspiegeln gesonnen, hat ein Brief des Generalissimus beurkundet, den Thielmann bei der schnellen Flucht der Braunschweiger aus Leipzig dort noch vorfand und in der Leipziger Politischen Zeitung zur allgemeinen Kenntniß brachte[20]. Man kann leicht selbst ermessen, in welche Verlegenheit diese sich selbst widersprechenden zwei feindlichen Gewalten alle obersten Administrationen in Dresden und in der Provinz setzen mußten, zumal das braunschweigische Korps sich täglich durch Mannschaft, Pferde etc. verstärkte, und dessen Bekämpfung immer schwerer ward, mithin die gemeinsame Sache selbst es zu fordern schien, nichts unversucht zu lassen.

Ueber acht Tage standen nun die östreichischen Soldaten schon in Dresden und sie hatten während dieser Zeit alle Anstalten getroffen, diesen für sie so interessanten Punkt nicht zu schnell verlassen zu müssen. An allen Thoren wurden die Zugbrücken in Stand gesetzt, bei Nacht aufgezogen und Dünger, Balken und Steine in die Thore gebracht, um im Fall eines Angriffes die Eingänge mit diesen Materialien schützen zu können, ja die Brücke, welche vom Zwinger aus in die Ostraer Allee führte, wurde in einer Nacht ganz abgebrochen; man sprach auch davon – doch wohl das Nöthigste zu Vertheidigung einer Stadt – Geschütz von Theresienstadt bringen zu lassen, um die Wälle damit zu besetzen, aber dies blieb, so wie die Verstärkungen von mehreren tausend Mann, welche täglich angekündigt wurden, fortwährend aus.

Dagegen hatten sich unterdeß die Landwehr in Dresden selbst verstärkt, das heißt nämlich, das gute Essen und Trinken, womit diese Leute, die nun bei den Bürgern einquartiert worden waren, versehen werden mußten, bekam ihnen so gut und kräftigte diese völlig ausgehungert und im höchsten Grade erschöpft angekommenen Streiter so sehr, daß sie ein recht militärisches Ansehn bekamen und wohl nun im Stande waren, ein zwanzig Meilen weiter zu marschiren, welches bei ihrer Ankunft in Dresden völlig unmöglich gewesen wäre.

Dieser Marsch ging nun auch am 18. Juni[21] auf die Nachricht vom Einrücken des Radivojewicschen Korps in Baireuth, welche man mit großem Pathos öffentlich bekannt zu machen nicht ermangelte, wirklich vor sich, und an diesem Tage verließen sämmtliche östreichische und braunschweigische Truppen Dresden und die umliegende Gegend, so daß nur gegen 300 Mann von Landwehr etwa noch in der Stadt zurückblieben, und die Wachen nun wieder zum Theil von der Bürgermiliz versehen werden mußten. Auch die Intendanz verließ Dresden, wo sie nun so ziemlich aufgeräumt hatte, und ging mit den Truppen nach Leipzig ab, um dort eine Fortsetzung zu organisiren.

Mit gespannter Aufmerksamkeit sahen nun die Dresdner dem Ausgange dieses Zugs, der offenbar nach Westphalen gerichtet schien, entgegen, und die Ankunft des Marschall-Leutnants Kienmayer am 25. Juni[22] in Dresden, welcher die Operationen dirigiren sollte, schien den höchsten Ernst zu versprechen. Aber plötzlich begab sich der Feldmarschall nach zweitägigem Aufenthalt wieder nach Böhmen zurück[23], und gleich kamen die begründetsten Nachrichten in Dresden an, daß auf das Vorrücken der westphälischen Armee gegen Leipzig die Oestreicher diesen Ort eiligst verlassen hätten und im vollsten Rückzuge wären. Eine neue Besorgniß für die Einwohner Dresdens, daß dieser Rückzug sich durch ihre Stadt dirigiren würde; denn es schien dann Unordnung [80] unvermeidlich. Die östreichischen und braunschweigischen Anführer fanden es aber glücklicherweise für besser, einen andern Weg einzuschlagen, und so ging am 29. Juni blos ein kleiner Theil des Am Ende’schen Korps nahe bei Dresden vorbei, ohne diese Stadt selbst zu berühren.

Die kleine in Dresden zurückgebliebene Besatzung, welche sich noch die letzten Tage recht bös gestellt und die Vertheidigungsmittel an den Thoren vermehrt hatte, fand es am Nachmittag des 29. Juni denn auch gerathener, ihren Landsleuten nachzugehen und räumte in Ruhe die Stadt. Ehe solches jedoch geschah, fiel noch ein Auftritt vor, dessen Zweck man um so weniger einsehen konnte, da er mit der dadurch erzeugten Mißbilligung in gar keinem Verhältnisse stand. Mittags um 1 Uhr nämlich wurden plötzlich alle Verbrecher, welche sich auf dem sogenannten Festungsbau (einem in den Festungswerken belegenen Aufbewahrungsorte für Gefangene, welche durch Beinschellen und besondere Kleidung ausgezeichnet werden) sich befanden, ihres Arrests befreit, auf Wagen gesetzt und unter Begleitung östreichischer Truppen mit fort nach Böhmen genommen. Der kleinere Theil nur von diesen Gefangnen bestand aus solchen, welche Desertion halber diese Strafe verbüßen mußten; die meisten hatten durch Diebstahl, gewaltsame Einbrüche und andere bürgerliche Vergehungen diese Strafe sich zugezogen, ja einige saßen sogar dort wegen Raub (z. B. ein Münzoffiziant, der eine Baronesse von Lorenz beraubt hatte) und Mord in einer strengen Verwahrung. Diese Menschen wußten selbst nicht, was sie von dieser plötzlichen Befreiung denken sollen, und einige, welche ihre Strafzeit bald überstanden hatten, sträubten sich sogar dagegen, da sie nicht anders denken konnten, als daß sie zu den härtesten Arbeiten oder in augenscheinliche Todesgefahr fortgeführt würden. Man eilte aber mit dieser kostbaren Acquisition so sehr, daß man sich bei den wenigsten dieser Gefangenen Zeit nahm, ihnen die Beineisen abschmieden zu lassen, sondern sie mit diesem Schmucke die bereitstehenden Wagen besteigen ließ und eilig mit ihnen davon fuhr. Was aus den meisten geworden, weiß man nicht, doch sind mehrere von ihnen freiwillig zurückgekehrt. Dresden konnte eigentlich froh sein, auf diese Art wieder Kostgänger des Staats, die ihm keinen Nutzen brachten und keine Ehre machten, los geworden zu sein, aber man befürchtete immer, daß die Oestreicher, mit ihrer Beute unzufrieden, sie unterwegs oder späterhin wieder fortschicken und so das Land mit räuberischem Gesindel bevölkern würden; doch sie hielten sie fest, und so gönnte ihnen jedermann diese Staatsbürger.

Dies waren also die letzten Deutschen, die sich halb gutwillig, halb gezwungen an die von Oestreich verkündete Sache der Freiheit anschlossen, und es durfte sonach dem sächsischen Staate niemand dauern, der bei dieser Gelegenheit zu den fremden Fahnen geschworen hatte.

Dies war aber auch das letzte Geschäft der Oestreicher für dieses Mal in Dresden; zwei Stunden darauf rückten sie aus der Stadt und vereinigten sich bei Seidnitz mit dem übrigen Theile des in diese Gegend gezogenen östreichischen Korps unter dem General Am Ende. Die wenigen braunschweigischen Offiziers, welche bis zu diesem Tage der Werbung halber noch in Dresden zurück geblieben waren, hatten sich des Vormittags entfernt, indem sie noch im Namen ihres Herzogs eine Anforderung von 30 000[24] Thlr. an den Rath gemacht und im Nichterfüllungsfall mit Feuer und Schwert gedroht, jedoch mit 5000 Thlr., die ihnen nach mühsamen Verhandlungen wirklich ausgezahlt wurden, sich beruhigt.

So war denn Dresden auf einmal von seinen Gästen befreit, aber sonach auch die Hoffnung verschwunden, zur Selbständigkeit gebracht und der Freiheit wieder gegeben zu werden. Doch wer sich mit diesen Ansichten gern schmeichelte, konnte es noch immer, da die Oestreicher bei ihrem Ausrücken bestimmt versprochen hatten, wiederzukommen und ihr angefangenes Werk zu vollenden. Schwerlich mochte es aber einen rechtlichen Bürger geben, der nicht ihr Außenbleiben für immer herzlich gewünscht hätte.

Am Abende des 29. Juni sprengten noch einige Ulanen, vom Bivuack bei Seidnitz – eine Stunde von Dresden – hereinkommend, durch die Stadt, verließen sie aber bald wieder, und der Rath mußte Bier, Fleisch und Brot für die dort gelagerten Truppen des Abends hinausliefern. Hierbei sei es, um zu loben was lobenswerth ist, nicht verschwiegen, daß die Oestreicher selbst beim Rückzuge im Bivuack vor Seidnitz die Fruchtfelder der Landleute sorgfältig schonten. Selbst noch am 30. Juni – wo die Oestreicher sich bis Mügeln, mehr als zwei Stunden von Dresden, zurückgezogen hatten – ritten Abends nach acht Uhr zwei Ulanen durch die Straßen, nahmen aber, als zu derselben Zeit der erste Offizier der sächsischen Truppen in die Stadt ritt, die Flucht, wobei einer in den Straßen stürzte und gefangen ward. Endlich erschien um 11 Uhr das sächsische Korps und ein westphälisches Regiment Garde zu Pferde an den Thoren Dresdens und zog unter fortdauerndem allgemeinen und herzerhebenden Jubel der Einwohner in die Stadt ein.

Der erste Akt des Dramas war geendet und alle glaubten, das ganze Stück mit ihm, doch im Rathe der Vorsehung war es anders beschlossen. Die westphälischen und sächsischen Truppen rückten nach einer kurzen Erholung, und nachdem die den Oestreichern am 1. Juli [81] in der Frühe nacheilenden sächsischen Husaren denen vor ihnen her Fliehenden noch 60 Wagen mit aus den Dörfern der Elbe requirirten Lebensmitteln verschiedener Art abgenommen hatten, am 4. Juli wieder zu einer andern Bestimmung aus Dresden[25] aus, und die Stadt blieb von neuem ohne die mindeste militärische Besatzung, da blos die Bürgerschaft wieder den Dienst der Wachen versah. Doch zog am 6. Juli der Major Wohlan mit 360 Mann Infanterie, 40 Mann Kavallerie[26], und 2 Kanonen in die Stadt ein. Aber auch schon von diesem Augenblicke an hörte man – da indes die westphälischen und sächsischen Truppen sich mehr westlich gegen das Erzgebirge und nach der Gegend von Baireuth zu gezogen hatten – von der böhmischen Grenze hinter Pirna her wieder die beunruhigendsten Nachrichten von einem abermaligen Zusammenziehn eines östreichischen Truppenkorps in dieser Gegend, das sogar in den folgenden Tagen bereits kleine Streifereien auf das sächsische Gebiet machte. Man schickte gegen sie Patrouillen aus, und bei einer solchen Rekognoszirung ward am 12. des Vormittags ein sehr verdienstvoller junger Offizier, der Premierlieutnant Freiherr von Friesen vom Regiment Polenz Dragoner, bei Berggieshübel von einem Ulanen durch einen Karabinerschuß tödtlich durch den Kopf geschossen.

Am 13. hatte sich das östreichische Korps in die Gegend von Dippoldiswalde, auf demselben Wege, wo es das erste Mal nach Sachsen gekommen war, über Altenberg und Zinnwald gezogen. Man gab seine Stärke auf 4000 Mann unter Anführung des Generals Am Ende an, und die kleine Besatzung sächsischer Truppen zog sich also noch desselben Tages aus Dresden hinaus und suchte sich über Meißen mit dem größeren Korps des Obrist Thielmann zu vereinigen.

Unerwartet begann also der zweite Akt des östreichischen Besetzungsschauspiels am 14. Juli früh um 9 Uhr, da man jedoch wußte, daß Dresden völlig von Truppen geräumt sei, nur mit 400 Mann Landwehr, welche nun den zweiten Versuch schon weit beherzter unternahmen, als es bei dem ersten geschehen war. Das übrige Korps postirte sich in eine Stellung ohnweit Dresden. Der Fürst von Lobkowitz ward wieder Stadtkommandant, nur die Intendanten fehlten noch; man verhieß den Dresdnern jedoch stets einen in der Person des Herrn von Buol, welcher mehrere Jahre lang östreichischer Gesandtschafts-Rath und Chargé d’affaires in Dresden gewesen war und die Stadt erst dann verlassen hatte, als nach Erklärung des Kriegs man die östreichische Gesandtschaft zur Abreise nöthigte.

Diesmal, ohnstreitig kalt geworden gegen Menschen, die den vor 4 Wochen beschehenen Aufruf zur Freiheit und Selbständigkeit mit so geringer Wärme aufgenommen hatten, oder vielleicht berechnend, daß die Kunde von dem Siege bei Wagram, die zugleich mit den Oestreichern nach Dresden kam und ein weites Feld gegründeter und hoffnungsvoller Aussichten eröffnete, nicht dazu geeignet sei, die Gemüther der Sachsen für die östreichische Sache empfänglicher zu machen, begann man nicht die Nation mit Proklamationen zu bearbeiten, sondern überließ sie in dieser Hinsicht ihrer eingewurzelten Verblendung. Dagegen ward sofort ein Akt der Gerechtigkeit an dem Polizei-Direktor von Brandt verübt. Dieser hatte nämlich, als die Oestreicher am 29. Juni die Stadt verlassen hatten, dem Herrn A... M...[27], einem in Dresden privatisirenden Gelehrten, welcher während der östreichischen Okkupation in der Kanzlei des Fürsten Lobkowitz gearbeitet und sich außerdem für die Sache dieser Gäste sehr thätig gezeigt hatte, so wie man auch Grund zu haben glaubte, ihn für den Verfertiger verschiedner öffentlicher jenseitiger Schriften zu halten, die Weisung gegeben, die Stadt zu verlassen, welches auch dieser ohnedem nicht aus Sachsen gebürtige Fremde unweigerlich befolgt hatte. Herr von Brandt glaubte hier blos seine Pflicht als Polizei-Direktor erfüllt zu haben; doch dem Fürsten Lobkowitz schien es anders und er sandte daher gleich nach seiner Ankunft ein Kommando Landwehrmiliz in die Wohnung des Herrn von Brandt, kündigte ihm den Arrest an und ließ ihn dort so lange, als seine eigne Anwesenheit dauerte, bewachen. Dies gab abermals zu einer der vielen Auslegungen des B. L. W. auf den Mützen dieser östreichischen Krieger Veranlassung, und man nannte sie nun im Scherz Brandt’s Leibwache.

Ueberhaupt schien man diesmal von ganz andern Prinzipien auszugehen, und nach Aeußerungen, welche bereits hie und da gefallen waren, hätte man fast befürchten müssen, daß besonders die sächsischen Kunstschätze diesmal das Recht des Eroberers gefühlt haben würden, auch wohl gar zur Verpflichtung der königlichen Administrationen geschritten worden wäre, wenn nicht die am 15. Juli bereits anlangende Nachricht des geschlossenen Waffenstillstandes und die zu schnell erfolgende Befreiung Dresdens durch das unerwartet anrückende Thielmann’sche Korps der Sache andre Wendung gegeben hätte.

An diesem Tage nämlich kam gegen Abend ein französischer Kourier, welcher durch Böhmen nach Kassel [82] geschickt worden war, mit dieser Kunde in Dresden an und ward natürlich zu dem Kommandanten geführt. Hier wollte man es aber durchaus nicht glauben, hielt den Offizier für einen Betrüger oder Wahnsinnigen, behielt ihn in Gewahrsam und sandte ihn unter militärischer Eskorte an den General Am Ende, welcher Anfangs ebenfalls dieser Aussage keinen Glauben beimessen wollte. Da aber bald darauf auch von östreichischer Seite bestätigende Nachrichten einliefen, so blieb die Sache keinem Zweifel mehr unterworfen und der Kourier ward entlassen, um seinen Weg weiter fortzusetzen. Das ganze Benehmen der Oestreicher zeigte hinlänglich, daß dieser Waffenstillstand zu sehr ungelegener Zeit kam. Der Baron von Buol war schon in Teplitz und am folgenden Tage sollten sehr strenge Maßregeln beginnen. Alle Fremden in Dresden hatten von ihren Wirthen aufgeschrieben werden müssen. Es ging dies vorzüglich gegen mehrere, zum Theil schon seit vielen Jahren hier wohnende Polen und vielleicht selbst Russen. Es ward die sub G anliegende offizielle Nachricht[28] darüber angeschlagen, und allgemein war die Freude der Dresdner Einwohner, welche nun bereits aller Noth enthoben zu sein glaubten. Aber da man in Znaym nichts von der neuerdings beschehenen Besetzung Dresdens durch die Oestreicher gewußt hatte, so war dieser Verhältnisse in dem Waffenstillstande gar nicht gedacht, und die östreichischen Truppen blieben also ruhig in Dresden stehen und machten nicht die geringsten Anstalten, der guten Pflege, welche ihre Landwehrmänner hier genossen, sich zu entziehn. Auch machte man neue Requisitionen, die circa 1250 Thlr. betragen mochten.

Das Benehmen der Truppen in der Stadt muß übrigens auch diesmal belobt werden, man ließ in dieser Hinsicht an nichts fehlen, und der Anschlag sub A beweist, wie genau man auf zu befürchtende Anordnungen sein Augenmerk richtete. Ja, als die Einwohner darauf antrugen, daß sie sich recht gern der Verpflegung der östreichischen Landwehr unterziehen wollten, aber die einzelnen Individua ohnmöglich länger in den Häusern behalten könnten, indem durch einreißende Unreinlichkeit derselben sich eine äußerst lästige Vermehrung der Einquartierung gezeigt hatte, so wurden theils deshalb, theils der nun von neuem bedrohenden Gefahr von außen halber Baracken auf den Wällen gebaut und die Landwehr da hinein verlegt. Unterdes aber hatte der Obrist Thielmann, welcher immer noch das sächsische Korps, das vorher mit dem westphälischen vereint gewesen war, kommandirte, Befehl erhalten, Dresden von den Oestreichern zu befreien, und war deshalb in Eilmärschen von Jena her nach der Gegend der Elbe zu aufgebrochen, so daß er bereits am 20. Juli auf den Anhöhen bei Plauen vor der Stadt ankam und dort seine Truppen ausbreitete. So wie der General Am Ende dies bemerkte, rückte er mit seinem ganzen Korps nach Dresden, so daß die Anzahl der am 20. Juli in der Stadt befindlichen Truppen über 3000 Mann betragen mochte. Diese Anzahl bestand jedoch größtentheils aus Landwehr, und nur ein einziges Bataillon Linien-Infanterie befand sich darunter. Man hob jedoch alle Kommunikation mit den Umgebungen der Stadt auf, die Thore wurden gesperrt und verrammelt, die Zugbrücke aufgezogen und niemand von 12 Uhr an weder in die Stadt noch heraus gelassen; denn der Obrist Thielmann hatte verlangt, daß ihm die Stadt übergeben und sie von den Oestreichern geräumt werden sollte, widrigenfalls er mit seinen Truppen sie angreifen und sich derselben mit Gewalt bemächtigen würde. Man stellte östreichischer Seits dagegen den eingetretenen Waffenstillstand vor, da aber der Obrist Thielmann von Seiten seines Hofs noch nicht davon hatte benachrichtiget werden können[29], so mußte er diesen gänzlich ignoriren und auf Räumung der Stadt bestehn.

Thielmann kam am Nachmittag desselben Tages mit einem Parlamentär selbst in die Stadt und hatte beim General Am Ende eine Konferenz, welche mehrere Stunden dauerte, während welcher eine zahllose Menge von Zuschauern die Thüre des Hotels[30] umlagerten. Denn da an diesem Tage auf Anordnung der Oestreicher selbst alle Gewölbe und Kaufläden geschlossen worden waren, auch sonst aller Verkehr völlig stockte, so war die müßige Neugier um so geschäftiger. Thielmann und Am Ende kamen endlich dahin überein, daß von beiden Seiten Eilboten an die Behörden geschickt werden sollten, während welcher Zeit die Sachsen sich auf ihrem Quartierstande in den nächsten Dörfern um die Stadt ruhig verhalten sollten. Da nun aber Thielmann nach seiner Rückkehr zu den Seinigen um die Stadt herum stark patrouilliren ließ, so jagte dies den Oestreichern so großes Schrecken ein, daß sie selbst den Kourier zu Pferde an Kienmayer, um dessen willen die Zugbrücke hätte herabgelassen werden müssen, abzuschicken sich nicht getrauten. Es ist zweifelhaft geblieben, ob irgend eine äußre Motive noch hinzugekommen sein mag, auffallend blieb auf jeden Fall der Entschluß, den der Fürst Lobkowitz am folgenden Morgen Thielmann selbst überbrachte, daß die Oestreicher heute noch die Stadt und, sobald es sich thun lasse, auch das Land räumen würden. Das männliche und entschlossene Betragen [83] des Generals Thielmann hat Dresden von vielen Unannehmlichkeiten gerettet, so beunruhigend auch auf wenige Stunden das Mittel dazu manchem ankommen mußte. Auch hielt der General Am Ende noch vor dem Abmarsche auf dem alten Markte eine Anrede an seine Soldaten, worin er den General Thielmann, der die den Tag vorher früh weggenommene Equipage der Oestreicher wieder herausgab, öffentlich lobte und ihn einen braven Mann nannte, welches mit dem schimpfenden Tone der Braunschweiger bei frühern Veranlassungen in sonderbarem Kontraste steht.

Der Rest des 20. Juli, die darauffolgende Nacht und der Vormittag des 21. Juli waren ohnstreitig die beunruhigendsten Momente für die Einwohner Dresdens. Die östreichischen Truppen hatten sich auf die Wälle postirt, der Fürst Lobkowitz hatte laut auf Thielmanns Antrag gesagt, daß er sich jeder Macht, die ihn aus Dresden treiben wolle, entgegensetzen werde, und hinzugefügt, nous verrons qui en fera le maître, man war zum Widerstand auf alle Art gefaßt, und selbst in die am Walle beim Seethore hinaus gelegenen Zimmer des polnischen Staatsministers Grafen Breza hatte man Landwehrmänner postirt, welche zu den Fenstern heraus auf den Feind, dessen Andringen man besonders von dieser Seite erwartete, feuern sollten. Auf einmal aber schienen die Ansichten der Oestreicher gänzlich umgestimmt. Der Parlamentär, welchen der Obrist Thielmann – es war der Obrist des Husaren-Regiments von Gablenz – mit nochmaligen Vorstellungen in die Stadt schickte, wurde sehr artig aufgenommen und der Fürst Lobkowitz ritt in gleicher Qualität selbst nach Plauen, wo damals das Hauptquartier des Obrist Thielmann war. Es dauerte auch nicht lange, als sich beide dort über die nothwendigsten Punkte verständigt hatten und nun gemeinschaftlich in die Stadt zurück ritten, worauf noch an demselben Abende die Oestreicher die Stadt zum zweiten Male verließen und die sächsischen Truppen dagegen wiederum unter dem abermaligen Jubel der aller Angst entnommenen Bewohner Dresdens anrückten.

Ohnstreitig vermochte das Eingehen der Nachricht von der Erklärung der Waffenstillstands-Konvention in Bezug auf Sachsen und die darin festgesetzte Räumung dieses Landes von Seiten der Oestreicher diese zu der plötzlichen Nachgiebigkeit. Ein um so größeres Glück für Dresden, das außerdem einer Belagerung ausgesetzt worden wäre, welche, wenn sie auch, wie zu erwarten stand, noch so kurz gewährt hätte, doch die nachtheiligsten Folgen für die Stadt und besonders die ansehnlichen Vorstädte gehabt haben müßte.

Die nicht lange darauf erfolgte glückliche Rückkehr des von seinen Unterthanen angebeteten Königs von Sachsen nach Dresden ließ den ihm mit treuer Kindesliebe anhangenden Bewohnern Dresdens die ausgestandenen Gefahren bald vergessen und ihre schönste Hoffnung nur darauf richten, daß dieser Schutzgeist seines Landes ihre Mauern nie wieder verlassen möge.


  1. Zu Schiff nach dem Königstein in der Nacht vom 2. zum 3. März.
  2. Marschall Bernadotte, Fürst von Ponte Corvo.
  3. Am 31. März.
  4. Zum Kampfe gegen Oesterreich an der Donau.
  5. Richtig: am 16. April früh 5 Uhr.
  6. Gemeint ist die Proklamation Am Ende’s, datirt Hauptquartier Töplitz, den 9. Juni 1809, wieder abgedruckt bei Am Ende a. a. O. S. 53 ff. Exner S. 84 ff. Es standen 3000 Exemplare davon zur Verfügung.
  7. Daß die sächsischen Verluste größer waren als die der Oesterreicher und Braunschweiger, wird verschwiegen. Vergl. den Armeebericht Prag 16. Juni 1809 K. Bibl. H. un. B. 80b, 58.
  8. Hotel de Pologne.
  9. v. Friesen S. 38.
  10. Ebenda S. 39.
  11. d. d. Hauptquartier Meißen 15. Juni 1809 (ohne Unterschrift). Thielmann wird hier als Neuling in der Kriegführung verspottet. (K. Bibl. H. un. B. 80b, 56. Exner S. 91 f.)
  12. v. Friesen S. 39.
  13. Verfügung des Fürsten Lobkowitz „an den Stadt-Magistrat zu Dresden“ d. d. 15. Juni 1809 (K. Bibl. H. un. B 80b, 55).
  14. An die Deutschen. Aufruf eines Deutschen zum Zerbrechen drückender Fesseln. O. O. o. J. (K. Bibl. H un. B 80b, 45).
  15. Groß ist Karl! Ein Volkslied. Zur Feier des bei Aspern vom Erzherzog Karl über den Kaiser Napoleon erfochtenen Sieges. Verf. von J. C. Mikan. In Musik gesetzt von J. Wittassek. Prag 1809 (ebenda Nr. 60).
  16. Schill, eine Geisterstimme. 6 Strophen (ebenda Nr. 64).
  17. Adam Heinrich Müller, vgl. unten. Doch wird sonst als Verfasser des letzterwähnten Gedichtes K. Müchler genannt.
  18. Verschrieben für Juni.
  19. Vergl. v. Friesen S. 55 ff.
  20. Vergl. Am Ende a. a. O. S. 66.
  21. Nach Röber am 19.
  22. Bei v. Friesen S. 42 steht durch Versehen, das sich auch bei den folgenden Daten wiederholt, Juli.
  23. In Wirklichkeit bereits am folgenden Tage, und zwar nicht nach Böhmen, sondern nach Stauchitz bei Oschatz.
  24. Es waren nur 20 000, vergl. v. Friesen S. 63.
  25. Gegen die Oesterreicher, von denen ein Theil unter Am Ende bei Nollendorf, ein anderer unter v. Kienmayer bei Plauen i. V. stand
  26. Nach Röber 460 Mann Infanterie, 80 Mann Kavallerie.
  27. Adam Heinrich Müller, der 1806–1809 in Dresden mit der staatswissenschaftlichen Ausbildung des Prinzen Bernhard von Sachsen-Weimar betraut war. Vgl. Allg. Deutsche Biographie XXII, 501 ff.
  28. „Offizielle Nachricht. Es ist zwischen den Truppen Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich und jenen Frankreichs und seiner Alliirten Waffenstillstand. Das Nähere hierüber wird in der Folge bekannt gemacht werden.“ (Beilage zu Röbers Tagebuch.)
  29. In Wahrheit wußte Thielmann bereits von dem Abschluß des Waffenstillstandes; den die offizielle Nachricht überbringenden Kourier ließ er unterwegs aufhalten.
  30. Zum goldenen Engel.