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hatten, zogen sich daher sofort aus der Stadt, vereinigten sich mit denen, die das Korbitzer Lager verlassen hatten, und nahmen unter Kommando des Obrist Thielmann eine militärische Stellung auf den Höhen hinter Pennerich auf der Straße nach Nossen an.

In Dresden selbst war man in der gespanntesten Erwartung; was man durchaus nicht hatte fürchten können, geschah, und je unerklärlicher die ganze Expedition nach Sachsen war, um so mehr sah man nicht ohne Besorgnisse dem andringenden Feinde entgegen. Es war 5 Uhr des Nachmittags am 11. Juni, als die Kavallerie des Herzogs von Braunschweig-Oels, der mit seinen Truppen die Avantgarde machte, vor Dresden am Dippoldiswaldaer Schlage ankam. Schüchtern hatten sich die ersten Reiter genaht; als sie aber bemerkten, daß die Schläge ohne Militär und blos von 6 Bürgern besetzt seien, sprengten sie zurück, brachten dem Herzoge die Nachricht, und dieser ritt nun im vollen Trabe an der Spitze seiner Kolonne und mit einem lauten Geschrei in die Vorstadt herein, wo ihm ohnweit des sogenannten Josephinischen Stifts eine Deputation des dasigen Magistrats entgegen kam. Nicht lange währte es, so kam die braunschweigische Infanterie nach und blieb, während die Avantgarde der Reiterei über die Brücke nach Neustadt sprengte, um sich von der vollkommenen Abwesenheit alles Militärs zu überzeugen, vor dem Seethore halten.

Es war ein auffallender Anblick, diese sämmtlich schwarz gekleideten Soldaten, deren Anzahl ungefähr 1200 Mann ausmachen mochte, zu sehn. Kavallerie sowohl als Infanterie trugen Mützen und Tzschakos mit Todtenköpfen und kreuzweis darunter gelegten Todtenbeinen, von weißem Blech ausgeschnitten. Man sah die Nachahmung des ehemaligen preußischen Husaren-Regiments, und erwartete, womit diese neuen Helden nun dies Symbol der Tapferkeit bewähren würden. Die ganze Uniform gewährte einen unangenehmen, finstern Anblick, und es konnte nicht fehlen, daß dem Korps der Name der Schwarzen beigelegt ward, den sie nachher auch behalten haben, um so mehr, da sie sich selbst bei ihrem ersten Vorrücken nach Zittau mit dem Titel der schwarzen Brüder der Rache bezeichnet hatten, und der Herzog ihnen diesen Namen selbst beilegte, da er mehr als einmal die Drohung hören ließ: Ich werde meine Schwarzen ausschicken.

Eben so wenig konnte es fehlen, daß sich eine gewaltige Menschenmenge um die neuen Ankömmlinge drängte, und bald ward nun am Seethore die sub A anliegende Proklamation[1] ausgetheilt, aus welcher die Sachsen ersehen sollten, was die Veranlassung dieses Einmarsches in ihr Land sei.

Der Inhalt derselben spricht deutlich die ganze Absicht der Expedition aus und bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. Deutschlands Freiheit und Selbständigkeit mußten die Zauberformeln sein, welche die Oestreich anwohnenden Nationen veranlassen sollten, mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen, und, abtrünnig von ihren eigenen Fürsten, gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen. Aber sie hatten überall ihren Einfluß verloren, man sah zu deutlich, welches Interesse eigentlich dahinter verborgen war und fand ein gerechtes Bedenken, für schöne Worte das Bewußtsein, seine Pflichten als Staatsbürger erfüllt zu haben, hinzugeben. Auch stach von dieser verheißenen Freiheit und Selbständigkeit die zugleich mitgebrachte Intendanz, unter deren Aufsicht alle Autoritäten stehen sollten, etwas grell ab. Kurz, man las jene Proklamation, las sie wieder, und wußte, was man daraus zu machen habe.

Unter dem Geschrei „es lebe Kaiser Franz, es lebe der Erzherzog Karl“, während die Braunschweiger ihren Herzog hoch leben ließen, zog nun zu demselben Thore das östreichische Korps unter Anführung des General Am Ende ebenfalls ein. Es bestand aus einigen Eskadrons Ulanen, einer bunten Musterkarte von allerlei Sorten hessischer Truppen zu 30 bis 40 Mann, 2 Bataillone Mitrowsky-Infanterie, 2 Bataillone Erbach-Infanterie und mehrere Bataillone böhmischer Landwehr, so daß die sämmtlichen Truppen gegen 10 000 Mann betrugen, welche 13 Stücke kleinen Kalibers bei sich hatten. Nur wenige Truppen konnten in den Häusern untergebracht werden, die meisten mußten auf dem alten Markte die Nacht über bivakiren, während das braunschweigische Korps die Neustadt besetzt hatte.

Trotz der neuen Erscheinung schien die Sache doch so wenig Furchtbares für die Dresdner Einwohner zu haben, daß sie zahlreich unter den gelagerten Kolonnen herum wandelten und neugierig die Kreise der Truppen umstanden. Diese Landwehrmänner sahen aber auch gar zu fromm aus, und man merkte es fast jedem Einzelnen an, wie ungern er seinen Herd verlassen hatte und her in das fremde Land gezogen war.

Um 2 Uhr aber früh ward Alarm geschlagen, und alles griff zu den Waffen. Die sächsischen Truppen hatten in der Nacht eine Rekognoszirung gegen Dresden zu unternommen, und ward daher wider sie mit den braunschweigischen Truppen, einem Bat. Mitrowsky und einem Bat. Landwehr nebst den Hessen vorgerückt, und bei Wilsdruff entspann sich ein kleines Gefecht, worauf, als Nachmittags der General Am Ende selbst mit 2000 Mann Verstärkung nachrückte, die Sachsen,

nachdem sie dem Feinde, besonders den Braunschweigern,


  1. Gemeint ist die Proklamation Am Ende’s, datirt Hauptquartier Töplitz, den 9. Juni 1809, wieder abgedruckt bei Am Ende a. a. O. S. 53 ff. Exner S. 84 ff. Es standen 3000 Exemplare davon zur Verfügung.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/81&oldid=- (Version vom 5.9.2024)