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viel Mannschaft getödtet und verwundet hatten[1], sich nach Waldheim und sodann weiter zurückzogen.

Denselben Vormittag bearbeitete der General Am Ende die Meinung des Volks durch Auswerfen von Druckschriften aus dem Fenster des Hotels[2] auf der Schloßgasse, wo er im Quartier lag. Sie bestanden aus der obenerwähnten Proklamation, dem Bulletin über die Schlacht bei Aspern, das freilich unterdeß ein wenig alt geworden war, und dem von Oestreich bei Anfang des Krieges erlassenen Manifeste. Sonderbar genug sah es aus, wie ein Haufe von schlecht gekleideten Menschen sich vor dem Hotel drängte, Hände und Arme in die Luft streckte, und nun von einem Fenster herab diese Speise zugeworfen bekam. Auf ein Dach über ein Gewölbe, welches gerade unter dem Fenster war, an dem der General stand, fielen eine Menge solcher Blätter, einige Jungen kletterten da hinauf, sammelten sie, und empfingen nun in der Nähe aus der Hand des Generals selbst die Papiere. Lächelnd sah der General auf die Volksmenge herab, die sich an diesen Geschenken weidete, und warf nach allen Seiten hin länger als anderthalb Stunden lang die fliegenden Ueberzeugungsmittel; aber der gebildetere Theil des Publikums war von Ferne nur Zuschauer einer Scene, die mit dem Ernste eines für Deutschlands Ehre fechtenden kommandirenden Generals doch etwas zu kontrastiren schien.

An diesem Tage war denn auch der östreichische Intendant in der Person des Herrn von Beierweck, K. K. Gubernial-Rath zu Prag, eingetroffen, und hatte den Rath Eichler als Unterintendant mit sich gebracht, welche denn sofort zu Beschlagnehmung aller öffentlichen Kassen aller Art gehörige Anstalten trafen. Ob dies das Glück war, das die Proklamation den Sachsen durch den Verein mit Oestreich versprach, muß man dahingestellt sein lassen; den Dresdnern schien es wenigstens kein gutes Vorspiel für die ihnen versprochene Selbständigkeit zu sein.

Ohnerachtet der schönen Versprechungen der östreichischen Proklamation jedoch fingen einige Einwohner Dresdens zu fürchten an, daß der gemeine Soldat vielleicht nicht die Ansicht seiner Befehlshaber theilen und sich des Eigenthums von Privatpersonen bemächtigen werde, kurz, es entstand das Gerücht, daß eine Plünderung zu befürchten sei. Man muß es aber den östreichischen Behörden nachsagen, daß sie sofort alle Beunruhigungen deshalb zu stillen suchten, und es erschien daher die sub B beigefügte Bekanntmachung von Seiten des Dresdner Raths. Der inserirte Brief des Intendanten giebt zugleich eine Probe des guten Stils, dessen sich die östreichische Intendanz bei allen Gelegenheiten befleißigte[3].

Um so weniger schonend verfuhren die öffentlichen Anschläge gegen den Obrist Thielmann als Anführer der sächsischen Truppen, die es trotz ihrer geringen Anzahl gewagt hatten, der Uebermacht nur kämpfend und ehrenvoll zu weichen. Der Fürst Lobkowitz, welcher östreichischer Stadtkommandant geworden war, ließ die Warnung sub C affigiren[4] und der Herzog von Braunschweig, der diese viel zu glimpflich fand, sendete von seinem Hauptquartier Meißen aus die Invectiven sub D nach Dresden, welche die Thüre des Werbehauses in Neustadt bei Dresden zierten[5].

Denn das Werbegeschäft war für diesen östreichischen Alliirten nun der Gegenstand zahlreicher Hoffnungen. Geweckt glaubte man durch die ofterwähnte Proklamation die Gemüther aller echten Deutschen, die sich in Dresden und dem von den Oestreichern besetzten Theil von Sachsen befänden. Man hoffte, alles werde herbeiströmen zu den Fahnen, unter deren Schutze das alte Regiment des zweiköpfigen Adlers in Deutschland wieder hergestellt werden sollte. Im Stillen hatte man schon vorher hie und da durch Privatinsinuationen den Samen ausgestreut, der jetzt aufgehen sollte zu einer reichen Ernte für diejenigen, die unter dem oft so übel angewandten Namen der alten Ordnung der Dinge doch nur ihr eigenes Interesse beabsichtigten. Aber diese schönen Aussichten schlugen fehl. Die Funken, welche seit einiger Zeit von Anhängern der östreichischen Partei, Freunden von Genz und Konsorten auf alle Art, in Schriften und Gesprächen, durch Versprechungen und Verdrehungen der wahren Lage der Dinge in die meisten Kreise der Dresdner Einwohner absichtlich geworfen worden waren, fanden in Herzen, die ihrem allgemein geliebten und verehrten Könige anhingen, die die Weisheit seiner Ansichten für richtiger erkannten als die volltönender Schreier, und die die Verhältnisse der Zeit und die Veranlassungen eines mit Gewalt herbei gezogenen Krieges recht wohl kannten, keinen Zunder; die erträumte Flamme, welche das Einrücken des östreichischen Korps nun zu weit um sich greifender Gluth erheben und die sophistische Phraseologie ruhmrediger Proklamationen wie Oel nähren sollte, ward zu einem Irrwische, der nur aus Sümpfen, das heißt aus den Hefen der Nation, auf Augenblicke mit flackerndem Lichte sich erzeugte.

Es war trotz des Druckes der Zeit einer der lächerlichsten Augenblicke, diese „wahren, hochherzigen


  1. Daß die sächsischen Verluste größer waren als die der Oesterreicher und Braunschweiger, wird verschwiegen. Vergl. den Armeebericht Prag 16. Juni 1809 K. Bibl. H. un. B. 80b, 58.
  2. Hotel de Pologne.
  3. v. Friesen S. 38.
  4. Ebenda S. 39.
  5. d. d. Hauptquartier Meißen 15. Juni 1809 (ohne Unterschrift). Thielmann wird hier als Neuling in der Kriegführung verspottet. (K. Bibl. H. un. B. 80b, 56. Exner S. 91 f.)
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/82&oldid=- (Version vom 5.9.2024)