Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/88

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

geschickt worden war, mit dieser Kunde in Dresden an und ward natürlich zu dem Kommandanten geführt. Hier wollte man es aber durchaus nicht glauben, hielt den Offizier für einen Betrüger oder Wahnsinnigen, behielt ihn in Gewahrsam und sandte ihn unter militärischer Eskorte an den General Am Ende, welcher Anfangs ebenfalls dieser Aussage keinen Glauben beimessen wollte. Da aber bald darauf auch von östreichischer Seite bestätigende Nachrichten einliefen, so blieb die Sache keinem Zweifel mehr unterworfen und der Kourier ward entlassen, um seinen Weg weiter fortzusetzen. Das ganze Benehmen der Oestreicher zeigte hinlänglich, daß dieser Waffenstillstand zu sehr ungelegener Zeit kam. Der Baron von Buol war schon in Teplitz und am folgenden Tage sollten sehr strenge Maßregeln beginnen. Alle Fremden in Dresden hatten von ihren Wirthen aufgeschrieben werden müssen. Es ging dies vorzüglich gegen mehrere, zum Theil schon seit vielen Jahren hier wohnende Polen und vielleicht selbst Russen. Es ward die sub G anliegende offizielle Nachricht[1] darüber angeschlagen, und allgemein war die Freude der Dresdner Einwohner, welche nun bereits aller Noth enthoben zu sein glaubten. Aber da man in Znaym nichts von der neuerdings beschehenen Besetzung Dresdens durch die Oestreicher gewußt hatte, so war dieser Verhältnisse in dem Waffenstillstande gar nicht gedacht, und die östreichischen Truppen blieben also ruhig in Dresden stehen und machten nicht die geringsten Anstalten, der guten Pflege, welche ihre Landwehrmänner hier genossen, sich zu entziehn. Auch machte man neue Requisitionen, die circa 1250 Thlr. betragen mochten.

Das Benehmen der Truppen in der Stadt muß übrigens auch diesmal belobt werden, man ließ in dieser Hinsicht an nichts fehlen, und der Anschlag sub A beweist, wie genau man auf zu befürchtende Anordnungen sein Augenmerk richtete. Ja, als die Einwohner darauf antrugen, daß sie sich recht gern der Verpflegung der östreichischen Landwehr unterziehen wollten, aber die einzelnen Individua ohnmöglich länger in den Häusern behalten könnten, indem durch einreißende Unreinlichkeit derselben sich eine äußerst lästige Vermehrung der Einquartierung gezeigt hatte, so wurden theils deshalb, theils der nun von neuem bedrohenden Gefahr von außen halber Baracken auf den Wällen gebaut und die Landwehr da hinein verlegt. Unterdes aber hatte der Obrist Thielmann, welcher immer noch das sächsische Korps, das vorher mit dem westphälischen vereint gewesen war, kommandirte, Befehl erhalten, Dresden von den Oestreichern zu befreien, und war deshalb in Eilmärschen von Jena her nach der Gegend der Elbe zu aufgebrochen, so daß er bereits am 20. Juli auf den Anhöhen bei Plauen vor der Stadt ankam und dort seine Truppen ausbreitete. So wie der General Am Ende dies bemerkte, rückte er mit seinem ganzen Korps nach Dresden, so daß die Anzahl der am 20. Juli in der Stadt befindlichen Truppen über 3000 Mann betragen mochte. Diese Anzahl bestand jedoch größtentheils aus Landwehr, und nur ein einziges Bataillon Linien-Infanterie befand sich darunter. Man hob jedoch alle Kommunikation mit den Umgebungen der Stadt auf, die Thore wurden gesperrt und verrammelt, die Zugbrücke aufgezogen und niemand von 12 Uhr an weder in die Stadt noch heraus gelassen; denn der Obrist Thielmann hatte verlangt, daß ihm die Stadt übergeben und sie von den Oestreichern geräumt werden sollte, widrigenfalls er mit seinen Truppen sie angreifen und sich derselben mit Gewalt bemächtigen würde. Man stellte östreichischer Seits dagegen den eingetretenen Waffenstillstand vor, da aber der Obrist Thielmann von Seiten seines Hofs noch nicht davon hatte benachrichtiget werden können[2], so mußte er diesen gänzlich ignoriren und auf Räumung der Stadt bestehn.

Thielmann kam am Nachmittag desselben Tages mit einem Parlamentär selbst in die Stadt und hatte beim General Am Ende eine Konferenz, welche mehrere Stunden dauerte, während welcher eine zahllose Menge von Zuschauern die Thüre des Hotels[3] umlagerten. Denn da an diesem Tage auf Anordnung der Oestreicher selbst alle Gewölbe und Kaufläden geschlossen worden waren, auch sonst aller Verkehr völlig stockte, so war die müßige Neugier um so geschäftiger. Thielmann und Am Ende kamen endlich dahin überein, daß von beiden Seiten Eilboten an die Behörden geschickt werden sollten, während welcher Zeit die Sachsen sich auf ihrem Quartierstande in den nächsten Dörfern um die Stadt ruhig verhalten sollten. Da nun aber Thielmann nach seiner Rückkehr zu den Seinigen um die Stadt herum stark patrouilliren ließ, so jagte dies den Oestreichern so großes Schrecken ein, daß sie selbst den Kourier zu Pferde an Kienmayer, um dessen willen die Zugbrücke hätte herabgelassen werden müssen, abzuschicken sich nicht getrauten. Es ist zweifelhaft geblieben, ob irgend eine äußre Motive noch hinzugekommen sein mag, auffallend blieb auf jeden Fall der Entschluß, den der Fürst Lobkowitz am folgenden Morgen Thielmann selbst überbrachte, daß die Oestreicher heute noch die Stadt und, sobald es sich thun lasse, auch das Land

räumen würden. Das männliche und entschlossene Betragen


  1. „Offizielle Nachricht. Es ist zwischen den Truppen Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich und jenen Frankreichs und seiner Alliirten Waffenstillstand. Das Nähere hierüber wird in der Folge bekannt gemacht werden.“ (Beilage zu Röbers Tagebuch.)
  2. In Wahrheit wußte Thielmann bereits von dem Abschluß des Waffenstillstandes; den die offizielle Nachricht überbringenden Kourier ließ er unterwegs aufhalten.
  3. Zum goldenen Engel.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/88&oldid=- (Version vom 10.9.2024)