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Gemüth, selbst der oberflächlichste Kopf, den die schönen Worte von Rettung, Befreiung, Deutschheit und dergleichen doch am Ende, oft wiederholt, zu einer Partei herüber zu locken begannen, die es deutlich darauf angesehen hatte, ganz Deutschland zu ihrem Glauben zu bekehren, mußte, wenn er die Art sah, wie man dem Staate mühsam und lang ersparte Bedürfnisse entführte, wie lange Züge von Wagen, beladen mit dem, was man bisher für Staatseigenthum angesehn und auf Zeiten der Noth bewahrt hatte, mit dem, was den eignen Mitbürgern zu Kleidung und Bedeckung dienen sollte, (so die Leinwand zu Beinkleidern und Hemden für die Armen und Tuch zu Mänteln für das Regiment Prinz Maximilian), und dessen Absendung nur durch unglücklichen Andrang der Umstände verspätigt worden war, nach Böhmen fuhren, von seinem Irrthum überzeugt und der Sache des Vaterlandes und seines Fürsten wieder gewonnen werden. Auch hier also im kleinen Kreise ward das schwankende des östreichischen Systems wieder sichtbar, das diesem Staate selbst seine Kraft und dem einfach beunruhigten Europa so viel Blut gekostet hat.

Man mache den Dresdnern keine Beschuldigungen darüber, daß ein großer Theil der nach Böhmen fortgeschleppten Sachen von Delatoren verrathen ward. Die Menschen, die das thaten, gehörten so sehr zu den verachtenswürdigsten, daß die östreichischen Behörden selbst sie mit Mißbilligung und Geringschätzung behandelten und ihnen oft selbst einen Lohn für ihre Anzeigen versagten. Es waren wenige, die schon längst die öffentliche Achtung verloren hatten und noch dazu meist Personen aus denen Staaten, die jetzt diese Beute ihres Kriegszuges in Sicherheit zu bringen eilten. Denn als ob die östreichischen Behörden voraussähen, daß sie bald Stadt und Land würden räumen müssen, gingen sie bei dem Ansichbringen dieser Sachen mit einer Eil zu Werke, wodurch das Meiste nicht einmal in den Besitz ihres Staates kam, sondern an diejenigen Personen, welche mit dem Fortschaffen beauftragt waren, vergeudet ward. Die Angaben über den Werth und die Summe der Dinge, welche auf diese Art ihren oft sehr verborgenen Aufenthaltsorten entrissen wurden – vieles war sogar vermauert und wurde von Handlangern, die bei diesem Geschäft gebraucht worden waren, verrathen – sind verschieden. So viel ist gewiß, daß mehr als 800 Wagen mit Salpeter, Zelten und Pontons (diese wurden erst auf Kosten des Raths in brauchbaren Stand gesetzt), Leinwanden, Tuchen, Säbelklingen, Pistolen, eisernem Geräth und einer Menge andrer Kriegsbedürfnisse den Weg nach Maria Theresienstadt nahmen, um dort das Erbeutete in sichern Gewahrsam zu bringen. Und wenn von den höheren Behörden der Werth dieser Dinge auf beinahe 300 000 Thlr. angegeben wird, so ist diese Rechnung wohl eher zu gering als zu hoch angenommen.

Hierzu kamen nun noch die Requisitionen sowohl der östreichischen als der braunschweigischen Truppen in Dresden, welche über 27 000 Thlr. betrugen, und theils in Schuhen, Tabak, Tüchern, theils in andern Bedürfnissen bestanden. Diese Summe gilt jedoch nur für Dresden. In Meißen, Wurzen und andern Orten ward von dem braunschweigischen Heere mit verhältnißmäßig größerer Gewaltthätigkeit requirirt, und kaum konnten diese kleinen Städte das Verlangte aufbringen. So wurden auch die Magazine in Beschlag genommen und mußten erst, um die Truppen zu verpflegen, von den Räthen wieder losgekauft werden. Ueberhaupt ging das braunschweigische Korps von andern Principien aus, als die östreichischen Befehlshaber. Denn wenn man diesen wenigstens dies zum Ruhme nacherzählen muß, daß sie sehr gute Mannszucht hielten und daß von ihren Truppen fast nicht ein einziger Exceß begangen worden ist, sie auch bei allen Gelegenheiten öffentlich anermahnt wurden, die Sachsen als ihre Freunde zu behandeln und sich wie Brüder von ihnen anzusehn, welches freilich dem beabsichtigten Zwecke einer Gewinnung der Gemüther und Vereinigung mit diesem Lande näher kam, so schienen dagegen die braunschweigischen Helden dergleichen kleine Mittel zu verwerfen und führten sich, lediglich auf ihren durch den Todtenkopf bewährten Heldensinn bauend und überzeugt, daß ihnen das Uebrige alles von selbst zufallen müsse, sowohl in Dresden als besonders in Wilsdruff, Meißen und an anderen Orten, wo sie verweilten oder durch die sie zogen, mit der größten Unart auf. Häufige Klagen liefen beständig über diesen Heereshaufen ein, sie erlaubten sich Erpressungen mannigfacher Art, und blutig mußten oft diejenigen büßen, die sich ihren Räubereien hatten widersetzen wollen. Auch kommt bei weitem der größere Theil der in Dresden gemachten Requisitionen auf Rechnung dieser Truppen. Unter anderm brandschatzten die braunschweigischen Truppen am 18. Juli[1] in und um Wilsdruff über 12 000 Thlr., und dies arme Städtchen schätzt den Schaden, den es allein erlitt, auf weit mehr als 8000 Thlr. So nahmen sie 2000 Thlr. aus dem Rentamte Torgau. Sie zogen in den umliegenden Städten umher und leerten die Steuerkassen, so daß der Intendant von Beierweck, welcher angeordnet hatte, daß die Einnahmen von dort aus von 8 zu 8 Tagen nach Dresden an ihn eingesendet werden sollten, natürlich aus jenen Gegenden nichts erhalten konnte und selbst nebst den übrigen östreichischen Behörden über das Benehmen des Herzogs von Braunschweig höchst unzufrieden war.


  1. Verschrieben für Juni.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/84&oldid=- (Version vom 10.9.2024)