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in der Frühe nacheilenden sächsischen Husaren denen vor ihnen her Fliehenden noch 60 Wagen mit aus den Dörfern der Elbe requirirten Lebensmitteln verschiedener Art abgenommen hatten, am 4. Juli wieder zu einer andern Bestimmung aus Dresden[1] aus, und die Stadt blieb von neuem ohne die mindeste militärische Besatzung, da blos die Bürgerschaft wieder den Dienst der Wachen versah. Doch zog am 6. Juli der Major Wohlan mit 360 Mann Infanterie, 40 Mann Kavallerie[2], und 2 Kanonen in die Stadt ein. Aber auch schon von diesem Augenblicke an hörte man – da indes die westphälischen und sächsischen Truppen sich mehr westlich gegen das Erzgebirge und nach der Gegend von Baireuth zu gezogen hatten – von der böhmischen Grenze hinter Pirna her wieder die beunruhigendsten Nachrichten von einem abermaligen Zusammenziehn eines östreichischen Truppenkorps in dieser Gegend, das sogar in den folgenden Tagen bereits kleine Streifereien auf das sächsische Gebiet machte. Man schickte gegen sie Patrouillen aus, und bei einer solchen Rekognoszirung ward am 12. des Vormittags ein sehr verdienstvoller junger Offizier, der Premierlieutnant Freiherr von Friesen vom Regiment Polenz Dragoner, bei Berggieshübel von einem Ulanen durch einen Karabinerschuß tödtlich durch den Kopf geschossen.

Am 13. hatte sich das östreichische Korps in die Gegend von Dippoldiswalde, auf demselben Wege, wo es das erste Mal nach Sachsen gekommen war, über Altenberg und Zinnwald gezogen. Man gab seine Stärke auf 4000 Mann unter Anführung des Generals Am Ende an, und die kleine Besatzung sächsischer Truppen zog sich also noch desselben Tages aus Dresden hinaus und suchte sich über Meißen mit dem größeren Korps des Obrist Thielmann zu vereinigen.

Unerwartet begann also der zweite Akt des östreichischen Besetzungsschauspiels am 14. Juli früh um 9 Uhr, da man jedoch wußte, daß Dresden völlig von Truppen geräumt sei, nur mit 400 Mann Landwehr, welche nun den zweiten Versuch schon weit beherzter unternahmen, als es bei dem ersten geschehen war. Das übrige Korps postirte sich in eine Stellung ohnweit Dresden. Der Fürst von Lobkowitz ward wieder Stadtkommandant, nur die Intendanten fehlten noch; man verhieß den Dresdnern jedoch stets einen in der Person des Herrn von Buol, welcher mehrere Jahre lang östreichischer Gesandtschafts-Rath und Chargé d’affaires in Dresden gewesen war und die Stadt erst dann verlassen hatte, als nach Erklärung des Kriegs man die östreichische Gesandtschaft zur Abreise nöthigte.

Diesmal, ohnstreitig kalt geworden gegen Menschen, die den vor 4 Wochen beschehenen Aufruf zur Freiheit und Selbständigkeit mit so geringer Wärme aufgenommen hatten, oder vielleicht berechnend, daß die Kunde von dem Siege bei Wagram, die zugleich mit den Oestreichern nach Dresden kam und ein weites Feld gegründeter und hoffnungsvoller Aussichten eröffnete, nicht dazu geeignet sei, die Gemüther der Sachsen für die östreichische Sache empfänglicher zu machen, begann man nicht die Nation mit Proklamationen zu bearbeiten, sondern überließ sie in dieser Hinsicht ihrer eingewurzelten Verblendung. Dagegen ward sofort ein Akt der Gerechtigkeit an dem Polizei-Direktor von Brandt verübt. Dieser hatte nämlich, als die Oestreicher am 29. Juni die Stadt verlassen hatten, dem Herrn A... M...[3], einem in Dresden privatisirenden Gelehrten, welcher während der östreichischen Okkupation in der Kanzlei des Fürsten Lobkowitz gearbeitet und sich außerdem für die Sache dieser Gäste sehr thätig gezeigt hatte, so wie man auch Grund zu haben glaubte, ihn für den Verfertiger verschiedner öffentlicher jenseitiger Schriften zu halten, die Weisung gegeben, die Stadt zu verlassen, welches auch dieser ohnedem nicht aus Sachsen gebürtige Fremde unweigerlich befolgt hatte. Herr von Brandt glaubte hier blos seine Pflicht als Polizei-Direktor erfüllt zu haben; doch dem Fürsten Lobkowitz schien es anders und er sandte daher gleich nach seiner Ankunft ein Kommando Landwehrmiliz in die Wohnung des Herrn von Brandt, kündigte ihm den Arrest an und ließ ihn dort so lange, als seine eigne Anwesenheit dauerte, bewachen. Dies gab abermals zu einer der vielen Auslegungen des B. L. W. auf den Mützen dieser östreichischen Krieger Veranlassung, und man nannte sie nun im Scherz Brandt’s Leibwache.

Ueberhaupt schien man diesmal von ganz andern Prinzipien auszugehen, und nach Aeußerungen, welche bereits hie und da gefallen waren, hätte man fast befürchten müssen, daß besonders die sächsischen Kunstschätze diesmal das Recht des Eroberers gefühlt haben würden, auch wohl gar zur Verpflichtung der königlichen Administrationen geschritten worden wäre, wenn nicht die am 15. Juli bereits anlangende Nachricht des geschlossenen Waffenstillstandes und die zu schnell erfolgende Befreiung Dresdens durch das unerwartet anrückende Thielmann’sche Korps der Sache andre Wendung gegeben hätte.

An diesem Tage nämlich kam gegen Abend ein

französischer Kourier, welcher durch Böhmen nach Kassel


  1. Gegen die Oesterreicher, von denen ein Theil unter Am Ende bei Nollendorf, ein anderer unter v. Kienmayer bei Plauen i. V. stand
  2. Nach Röber 460 Mann Infanterie, 80 Mann Kavallerie.
  3. Adam Heinrich Müller, der 1806–1809 in Dresden mit der staatswissenschaftlichen Ausbildung des Prinzen Bernhard von Sachsen-Weimar betraut war. Vgl. Allg. Deutsche Biographie XXII, 501 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/87&oldid=- (Version vom 10.9.2024)