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Diese von allen Seiten einberichteten Erpressungen der braunschweigischen Truppen, wo z. B. der Herzog in Meißen der Kommission laut erklärt, er müsse in Sachsen 50 000 Mann werben und requiriren, er müsse dem Könige die Mittel zur Fortsetzung des Krieges entziehen u. s. w., auch mit Beitreibung der ausgeschriebenen Pferde und anderer Kriegsbedürfnisse so verfuhr, daß man das Äußerste besorgen mußte, erregten bei der in Dresden zurückgebliebenen obersten Staatsbehörde um so größere Besorgniß, als auf einige Zeit selbst alle Kommunikation mit dem Thielmannschen Korps und den außer Landes sich befindenden obersten Behörden abgeschnitten war, und durchaus nicht berechnet werden konnte, wenn und wo Hülfe zu erwarten sei, wozu sich noch das Gerücht gesellte, daß die Truppen unter Thielmann Ordre erhalten, das allerdings bedrohte Westphalen mit decken zu helfen. Unter diesen bedrängten Umständen sah sich das Konferenz-Ministerium gemüßigt, dem Dresdner Kommandant und dem General Am Ende den auffallenden Widerspruch zu Gemüthe zu führen, der zwischen ihrer gleich Anfangs so reichlich ausgestreuten Proklamation und diesen täglich steigenden Erpressungen der Schwarzen so grell stattfände[1]. Allein diese östreichischen Behörden erwiderten zu verschiedenen Malen, daß der Herzog von Braunschweig als Alliirter ihres Kaisers ihnen durchaus nicht untergeordnet sei und sein eignes Regiment auf eigne Faust führe. Uebrigens mißbillige der Generalissimus Carl und der Kaiser Franz gewiß diesen schreienden Unfug höchlich und würde, wenn Klage darüber geführt würde, ihm gewiß abhelfen. Daß dies kein leeres Vorgeben gewesen, wodurch sie nur dem Ministerio etwas vorzuspiegeln gesonnen, hat ein Brief des Generalissimus beurkundet, den Thielmann bei der schnellen Flucht der Braunschweiger aus Leipzig dort noch vorfand und in der Leipziger Politischen Zeitung zur allgemeinen Kenntniß brachte[2]. Man kann leicht selbst ermessen, in welche Verlegenheit diese sich selbst widersprechenden zwei feindlichen Gewalten alle obersten Administrationen in Dresden und in der Provinz setzen mußten, zumal das braunschweigische Korps sich täglich durch Mannschaft, Pferde etc. verstärkte, und dessen Bekämpfung immer schwerer ward, mithin die gemeinsame Sache selbst es zu fordern schien, nichts unversucht zu lassen.

Ueber acht Tage standen nun die östreichischen Soldaten schon in Dresden und sie hatten während dieser Zeit alle Anstalten getroffen, diesen für sie so interessanten Punkt nicht zu schnell verlassen zu müssen. An allen Thoren wurden die Zugbrücken in Stand gesetzt, bei Nacht aufgezogen und Dünger, Balken und Steine in die Thore gebracht, um im Fall eines Angriffes die Eingänge mit diesen Materialien schützen zu können, ja die Brücke, welche vom Zwinger aus in die Ostraer Allee führte, wurde in einer Nacht ganz abgebrochen; man sprach auch davon – doch wohl das Nöthigste zu Vertheidigung einer Stadt – Geschütz von Theresienstadt bringen zu lassen, um die Wälle damit zu besetzen, aber dies blieb, so wie die Verstärkungen von mehreren tausend Mann, welche täglich angekündigt wurden, fortwährend aus.

Dagegen hatten sich unterdeß die Landwehr in Dresden selbst verstärkt, das heißt nämlich, das gute Essen und Trinken, womit diese Leute, die nun bei den Bürgern einquartiert worden waren, versehen werden mußten, bekam ihnen so gut und kräftigte diese völlig ausgehungert und im höchsten Grade erschöpft angekommenen Streiter so sehr, daß sie ein recht militärisches Ansehn bekamen und wohl nun im Stande waren, ein zwanzig Meilen weiter zu marschiren, welches bei ihrer Ankunft in Dresden völlig unmöglich gewesen wäre.

Dieser Marsch ging nun auch am 18. Juni[3] auf die Nachricht vom Einrücken des Radivojewicschen Korps in Baireuth, welche man mit großem Pathos öffentlich bekannt zu machen nicht ermangelte, wirklich vor sich, und an diesem Tage verließen sämmtliche östreichische und braunschweigische Truppen Dresden und die umliegende Gegend, so daß nur gegen 300 Mann von Landwehr etwa noch in der Stadt zurückblieben, und die Wachen nun wieder zum Theil von der Bürgermiliz versehen werden mußten. Auch die Intendanz verließ Dresden, wo sie nun so ziemlich aufgeräumt hatte, und ging mit den Truppen nach Leipzig ab, um dort eine Fortsetzung zu organisiren.

Mit gespannter Aufmerksamkeit sahen nun die Dresdner dem Ausgange dieses Zugs, der offenbar nach Westphalen gerichtet schien, entgegen, und die Ankunft des Marschall-Leutnants Kienmayer am 25. Juni[4] in Dresden, welcher die Operationen dirigiren sollte, schien den höchsten Ernst zu versprechen. Aber plötzlich begab sich der Feldmarschall nach zweitägigem Aufenthalt wieder nach Böhmen zurück[5], und gleich kamen die begründetsten Nachrichten in Dresden an, daß auf das Vorrücken der westphälischen Armee gegen Leipzig die Oestreicher diesen Ort eiligst verlassen hätten und im vollsten Rückzuge wären. Eine neue Besorgniß für die Einwohner Dresdens, daß dieser Rückzug sich durch

ihre Stadt dirigiren würde; denn es schien dann Unordnung


  1. Vergl. v. Friesen S. 55 ff.
  2. Vergl. Am Ende a. a. O. S. 66.
  3. Nach Röber am 19.
  4. Bei v. Friesen S. 42 steht durch Versehen, das sich auch bei den folgenden Daten wiederholt, Juli.
  5. In Wirklichkeit bereits am folgenden Tage, und zwar nicht nach Böhmen, sondern nach Stauchitz bei Oschatz.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/85&oldid=- (Version vom 10.9.2024)