Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1883
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[773]

No. 48.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Glockenstimmen.

Eine Bürgergeschichte aus dem 17. Jahrhundert.
Von Stefanie Keyser.
(Fortsetzung.)

Jetzt richtete Hermann sich auf und erwiderte mit fester Stimme: „Ich danke Euch für Beides. Und auch für alle Wohlthaten, die Ihr mir je erwiesen habt,“ setzte er inniger hinzu. „Sollte es einstmals in meiner Macht stehen, sie Euch zu vergelten, so wird es mit Freuden geschehen. Aber von dieser Stunde an nehme ich nichts mehr von Euch an. Ich bin gesund und stark und habe Manches gelernt durch Eure Güte. Ich will mir selber weiter helfen. Zuvörderst gehe ich nach Erfurt. In der dortigen Glockengießerei arbeitet seit Jahren ein Vetter meiner seligen Mutter, ein ältlicher Junggesell. Vielleicht schafft er mir Arbeit.“

Herr Henning lächelte. „Und Du kannst bei Deinen geliebten Glocken den ganzen Tag verweilen.“

Aber Hermann lächelte nicht mit. Er drückte die Hand vor die Augen und stürzte hinaus. Die Familie ging aus einander, um die nöthigen Vorbereitungen zu treffen.

Als der Nachtwächter zum ersten Male über den Liebfrauenkirchhof tutete, nahm Hermann Abschied von seinen bisherigen Wohlthätern.

„Deinen Ausgang segne Gott!“ sprach der alte Großvater.

Die Frau Henningin aber tröstete: „Wer weiß, wozu es gut ist!“

Und der Papiermüller sagte würdevoll: „Was der liebe Gott beschlossen hat, dagegen können wir nicht aufkommen.“

Denn dazumal wurde dem lieben Gott Alles zugeschoben, was an Leiden kam, wenn die Menschen sich auch selber oder einander gegenseitig das Kreuz gezimmert hatten. Und es war auch Brauch, daß die Kinder in tiefster Unwissenheit über die Vorgänge des Lebens gehalten wurden. Deshalb lagen Christel, Bastian und Benjamin in Gitterbetten und Wiege und erfuhren nichts davon, daß ihr treuer Spielgefährte und Wächter sich rüstete, von dannen zu ziehen.

„Hanne hat Wehtage in den Zähnen,“ entschuldigte die Mutter, als er einen fragenden Blick auf sie richtete.

Da sagte er mit erstickter Stimme Lebewohl und stieg nach seiner Bodenkammer hinauf. Mit Tagesanbruch sollte er in der Stille gehen. Sein Bündel mit seinen geringen Habseligkeiten an Wäsche und Kleidern lag geschnürt bei dem jungeichnen Wanderstabe.

An Schlaf vermochte er nicht zu denken. Er lauschte auf das Rauschen des Weißebaches, der, vom Jungfernbrunnen hergeleitet, drüben in den Wasserthurm strömte, welcher durch eine Kunst die Brunnen der Stadt speiste, dann davon schäumte und die Mühle drehte. Er vernahm das Klappern des Mühlwerks, das jetzt nach den Feiertagen wieder anhub; der älteste Mühlknappe hatte es um die Mitternachtsstunde angelassen. Er sollte hinfort das Getön, unter welchem er herangewachsen war, nicht mehr hören.

Dasselbe kleine Lämpchen, mit dem Frau Henningin ihm dereinst heraus in die Kammer geleuchtet hatte, als er zum ersten Male hinter dem rothen Balkenwerke der Papiermühle schlief, stand auf dem grob zugehauenen Holzschemel. Er gedachte daran, wie geborgen er sich damals fühlte, als er, ein achtjähriges Kind, nach dem Tode seiner Eltern unter dem stattlichen Dache eine Zuflucht fand. Tage und Nächte hatte er einsam in der zerfallenden Hütte an der Mauer durchjammert, nachdem kurz hinter einander Vater und Mutter hinausgetragen worden waren, der Vater, muthwillig von einem Merodeschen Kriegsknecht erstochen, der zu seinem Vergnügen das Hüttchen spolirte, die Mutter vor Hunger und Kummer gestorben.

Da war Herr Henning gekommen und hatte ihn in die Papiermühle hinüber geholt. Der alte Papiermüller hatte gesprochen: „Deinen Eingang segne Gott!“ und Frau Henningin ihm das verweinte Gesicht abgewaschen und ein schwarzes Halstuch umgebunden, auf daß er wie ein ordentlicher Christenmensch um seine Eltern trauerte. Dann war der älteste Sohn Zacharias, der mehrere Jahre jünger war als er, in die Ofenecke geschlendert, in die er sich verschüchtert geflüchtet hatte, um die Schuhriemen von ihm sich festschnallen zu lassen.

Zuletzt war Hannchen herbeigetrippelt. Er meinte sie noch vor sich zu sehen, das kleine sechsjährige Mädchen, wie sie mit ihren bräunlichen Fäustchen den Zacharias bei Seite stieß, ihn aber an der Hand faßte und in die Fensternische führte, wo sie ein Plätzchen für ihr Spielzeug besaß, an das Niemand rühren durfte. Denn sie hielt auf ihre Stellung als Aelteste der Kinder so streng, wie das erstgeborene Gräflein in der Neidecke auf die seine. Dort mußte er sich zu ihr setzen, und er durfte mit ihrer Docke, ihrem Schüsselbrettchen spielen. Der erste Bissen, den er in dem neuen Heim genoß, war ein Stückchen Brod in Honig getaucht, das sie ihm auf ihrem kleinen Tellerchen vorsetzte. Und so war es geblieben all die Zeit her, sie hatte ihn immer in Schutz genommen. Und nun sollte das Alles wie nie gewesen [774] sein. Sie trennte sich von ihm ohne Abschiedsgruß. Es war also nicht die Milde eines zwar spröden, aber im tiefsten Grunde weichen Herzens gewesen, daß sie sich seiner angenommen hatte von Kindesbeinen an, sondern die Herrschsucht eines stolzen Sinnes, der den armen Jungen als sein Eigenthum betrachtete und seine Ehre darein setzte, ihn gegen den Willen der ganzen Sippe zu vertheidigen.

Es wurde ihm heiß. Die Bitterkeit quoll in ihm auf. Er hielt es nicht länger aus. „Ich will gehen. Es ist ja Allen recht, wenn ich fort bin auf Nimmerwiederkehr.“

Er löschte das Lämpchen und stieg vorsichtig die finstere, aber wohlbekannte Stiege hinab. In den Schlafkammern war es still. Die Familie schlief steinfest nach des Tages Stürmen. Leise schlich er vorbei und die zweite Treppe hinunter. Aber sein Fuß stockte. Die Küchenthür stand offen; das Knistern eines Feuers tönte heraus, heller Flammenschein huschte über das roth und weiße Backsteinpflaster des Hausflures. Hermann warf einen Blick hinein. Da stand Hannchen am Herd. An der Kette über dem Feuer hing ein Kessel, in welchem sie eifrig mit einem Kochlöffel rührte, und dem Gefäß entströmte der würzige Duft von Bier, Ingwer und Zimmet. Ihre Augen richteten sich starr auf das Gebräu, und von Zeit zu Zeit rollte eine Thräne über ihre Wangen.

„Hannchen, warum weinst Du?“ fragte er mit einer Stimme, in der Schmerz und Seligkeit bebten.

Sie sah auf und trocknete rasch mit der blauen Küchenschürze die Augen. „Ist es schon Zeit?“ entgegnete sie in gepreßtem Tone. „Der Nachtwächter hat doch erst zwei Uhr gerufen. Eilt es Dir so sehr, von uns fort zu kommen? Aber ich dachte es mir und habe zeitig für Dein Warmbier gesorgt.“

„Ach, Hannchen! Ich schmachte nach anderer Labung, als einem Frühtrunk,“ sagte er, und der ganze zurückgedrängte Jammer seines verwaisten Herzens brach hervor. „Schicke Du mich nicht sonder Trost und Theilnahme in die Welt hinaus. Dann will ich das Unrecht gern tragen, das Deine Sippe mir anthut.“

Wieder kam das unheimliche getheilte Gefühl über sie: das altgewohnte Mitleid, das sie drängte, die flehend ausgestreckten Hände zu ergreifen und ihm ein tröstendes, liebreiches Lebewohl zu sagen, und eine neue Empfindung, die sie davor zurückscheuen ließ. Und wieder sprangen ihre Gefühle in Zorn gegen Den um, der ihr die ganze Widerwart auf die Seele gewälzt hatte.

„Du klagst uns an und hast doch das ganze Unheil angestiftet, das wir ausbaden müssen!“ schluchzte sie zornig. „Meinst Du, es sei ein geringes Ding, daß jetzo in der ganzen Stadt weiter nichts geredet wird, als: um die Hanne Henningin hat der Laufbursche aus der Papiermühle sich an dem Nicolaus Fischer vergriffen?“ Sie quirlte den Trank, daß er hoch aufschäumte.

„Weinst Du deshalb?“ fragte er mit schmerzlich zuckenden Lippen.

„Weshalb sonst?“ fragte sie trotzig und goß das Warmbier in einen Zinnbecher.

In Hermann’s Augen flammte es auf. „Verstehst Du so die Ehrbarkeit, daß Du meinst, es erwüchse Dir eine Schande, wenn Dein Name mit dem meinen genannt würde, der ich nichts gethan habe, als Dich vor Rohheiten gehütet, während es Dir nicht schade, wenn Dich ein Saufbold herumzieht wie eine gemeine Dirne? Hängt denn die Sittsamkeit einer Jungfer davon ab, ob selbige von einem reichen oder armen Manne angetastet wird?“

„Nicht von dem reichen, aber auch nicht von dem armen Manne lasse ich mich antasten,“ fuhr Johanne ihn finster an.

Er sah zürnend auf sie nieder. „Du weißt am besten, daß Dir der arme nie zu nahe getreten ist. Und wenn wir jetzt die Plätze wechselten, Nicolaus Dich in Schutz genommen hätte gegen Frechheiten des Hermann, wie würdet Ihr die Sache ansehen? Er wäre Euch so erhaben wie der große Christophel an seinem Haus, die Muhme Schmidtin posaunte sein Lob lauter aus als der Stadtpfeifer, wenn er das Neue Jahr anbläst, und Du würdest nicht wagen, ihm vorzuwerfen, er habe Dich in das gemeine Geschrei gebracht.“

Ihr kluger Sinn konnte sich der Richtigkeit seiner Vorstellung nicht verschließen; aber ihr jähes Gemüth trug den Sieg über denselben davon.

„Das habe ich von meiner Müdigkeit,“ sprach sie bebend vor Zorn. „Darum bin ich allezeit gut gegen Dich gewesen, darum heut vor Thau und Tage aufgestanden, daß Du mich abcapitelst wie einen Abcschützen. Ich wollte, ich hätte mich niemalen um Dich gekümmert, so sollte ich wohl in guter Ruh jetzo sitzen.“

„Selbige Ruhe wird Dir von nun an ungetrübt zu Theil werden,“ sprach er todtenbleich. „Du wirst mich los. Behalte Dein Warmbier; ich will nichts mehr von Dir.“ Er wandte sich zu gehen.

Da erhaschte sie seine Hand. Stockend, aber sorgenvoll, wie in alter Gewohnheit, kam es über ihre Lippen: „Warum willst Du Dich den Fährlichkeiten einer nächtlichen Wanderung aussetzen? Freireiter und Wegelagerer streifen immer noch durch das Land.“

Er schüttelte sie rauh ab. „Wer fragt darnach,“ lachte er bitter, „ob solch ein armer Hiob hinter der Hecke stirbt? Aber es hat keine Noth. Die Faust des Laufjungen ist stärker als die des reichen Brauherrn. Ich will Niemand rathen mit ihm anzubinden, so wenig im freien Felde als unter den Linden des Maienfestes.“ Und mit raschen Schritten war er an der Hausthür, hob den versperrenden Balken weg, stieß den Riegel auf und eilte durch die noch stillen Straßen dem nahen Pförtlein zu, das der Wächter ihm gegen den Thorpfennig öffnete.

Im matten Dämmerschein der kurzen Sommernacht schritt er auf der schwanken Holzbrücke über den dunklen Wassergraben und durch die lustige Umgebung von Lindengängen und Rosengärten hinaus auf die Erfurter Straße. Im Osten röthete sich der Himmel; in den Feldern, die weithin wie ein silbern glänzendes Meer in der frischen Morgenluft wogten, begannen die Lerchen ihren Sang, von den Thürmen tönte die dritte Stunde. Hermann lauschte, wie eine Uhr nach der andern die drei Schläge erschallen ließ, wie der Hall verschwebte.

„Die Glocken klingen anders, wenn sie Scheidestunden schlagen,“ flüsterte er. Dann wanderte er mit weit ausgreifenden Schritten den staffelförmig über einander aufsteigenden Hügeln zu, die der ferne Steigerwald krönte, hinter welchem die Stadt Erfurt lag.




„Ich sage Dir, die Weibsen sind alle mit einander keinen Dreiheller Werth; schlage sie Dir aus dem Sinn!“ sprach Vetter Eberhard zu dem Sohn seiner weiland Muhme Zimmermannin.

Es war ein Mond dahingegangen, seit dieser Einspruch in der Junggesellenwohnung Eberhard’s gehalten hatte und freundvetterlich von ihm empfangen worden war. Hermann mußte sein Losament bei ihm nehmen und wurde dann in die berühmte Glockengießerei von Möhring selig Wittwe eingeführt. Selig war nur Meister Möhring. Seine Wittib aber, eine frische Frau in ihren besten Jahren, gedachte noch einige Zeit zu warten, bevor sie ihm in das bessere Leben nachfolgte. Einstweilen führte sie das Geschäft weiter. Ihre rechte Hand dabei war Eberhard, der, obwohl er nur ein armer Bauernjunge aus Bittstedt bei Arnstadt war, schon unter Meister Möhring zum Obergesellen sich emporgeschwungen hatte.

Jetzunder arbeiteten die beiden Schwarzburger gemeinsam in der kurmainzischen Stadt, und in dem Augenblicke, da der wackere Junggesell seinen scharfen Ausspruch that, standen sie in dem Gießhause und waren beschäftigt, auf einer mächtigen Wage, die von dem verräucherten Gebälk herabhing, Kupfer und Zinn zur Glockenspeise abzuwägen. Am entgegengesetzten Ende der nur von luftigem Dach überwölbten Halle mauerten Gesellen in der Dammgrube aus Ziegelsteinen ein kreisrundes Fundament für die Glockenform; andere kneteten in einem Fasse Lehm und Flachsschäben mit Wasser, daraus die Form gebildet werden sollte.

Es störte die Vettern Niemand; bei harter Pön war den Leuten untersagt, heranzutreten. Die Geheimnisse des Glockengusses wurden streng gewahrt, und der Obergesell, der von dem kränkelnden Meister Möhring in ihnen unterwiesen worden war, gestattete nur seinem jungen Versippten Kenntniß davon zu nehmen.

„Auf hundert Pfund Kupfer müssen wir sechsundzwanzig Pfund Zinn abwiegen,“ belehrte er ihn; „denn es wird eine kleine Glocke. Sollte sie groß werden, brauchten wir ein paar Pfund weniger von dem weichen Metall, wie auch der Mann fester von der Natur gebildet wird denn das Weib. Wenn diese unvollkommenen Creaturen unseres Herrgottes, die in Haube und [775] Schürze um uns herum trippeln, solches nur einsehen und sich friedsam fügen wollten. Dann würde Alles zusammenklingen auf unserer Erdenwallfahrt wie Klöppel und Glocke. Aber statt dessen queruliren sie gegen unsere wohlbedachten Anschläge und Verordnungen. Ich habe sie kennen lernen. So mein guter seliger Meister gerade keinen Pfennig im Säckel hatte, wollte sie“ – er deutete mit dem Daumen hinter sich wie immer, wenn er von der Gießerin sprach, als sei sie allezeit gegenwärtig, aber stets respektvoll nur in seinem Gefolge – „wollte sie in die Fingerlingsgasse gehen und an jeden Finger ein Ringlein sich kaufen. Und wenn er am grünen Montag zum Innungsfest mit Schmieden, Schlössern und Sporern an den Steiger ziehen und auch einmal sich erlustiren wollte, legte sie sich in’s Bett und klagte, sie sei unpaß. Beim Anschauen solchen Ungeschicks habe ich allen Liebes- und Ehegedanken Valet gesagt und mein Herz gänzlich an die Glocken gehangen. Thue also! Sie vermögen wohl eine Frau zu ersetzen. Sie rufen mich zum Morgengebet, zum Mittagsmahl und zur Ruhe. Und was die Schrullen betrifft, sind sie echte Weiberleute. Wenn sie an einen Ort sollen, dahin sie kein Begehren tragen, machen sie sich schwer. Sie stürzen sich lieber in’s Wasser, und sollten sie gleich eine Brücke zerbrechen, als daß sie sich fügen. So ihnen aber ihr Wille geschieht, werden sie federleicht. Wenn sie nicht wollen, thun sie den Mund nicht auf, wird ihnen aber Stillschweigen auferlegt, und sie meinen ein Recht zum Reden zu haben, schlagen sie an, dem Kirchenvorstand und der Geistlichkeit zum Verdruß, wie solches bei unehrlichen Begräbnissen fürgekommen ist. Ja, es ist traurig zu sagen: sie zerplatzen zuweilen vor Widerstandsgeist. Es giebt auch eine Glocke im Lande Arragonia, welche behauptet, Alles vorher zu wissen, und durch ihr Anschlagen die Leute ängstigt. Man sagt, es sei einer der Silberlinge in sie geschmolzen, um die unser Herr und Heiland verkauft ward, und ein Engel ihr Pathe gewesen. Aber glaub’ es nicht: Es ist ihre Weiberart. Rufen selbige nicht allezeit: ich hab’ es voraus gesagt? Und zu Eisenach auf St. Georg haben sie einen Unhold, der nur ein kläglich Geheul von sich giebt. Es geht die Rede, die Glocke sei aus schlechtem Metall, aus bleiernen und eisernen Töpfen und Flaschen gegossen worden, welche die Eisenacher auf ihrem Kriegszug in Meißen erbeuteten, aber ich fürchte: sie ist ein nachtrotzendes Weib, das ihren Eroberern die Widerpart hält.“

„Vielleicht verschmähte der Himmel den Ruf von einer so blutigen Zunge und lieh ihr den unholden Klang,“ bemerkte Hermann.

Aber Eberhard schüttelte überlegen den Kopf. „Da bist Du sehr auf dem Holzwege. Im Himmel ist über nichts so große Freude als über einen bekehrten Sünder. – Die Maria Gloriosa aber auf dem Dom, vor deren Hauch Alles erbebt, ist wie eine große Königin, zum Exempel die Christine von Schweden, die leider Gottes auch die Hosen an hat. Und die Lügenglocke auf der Hochstraße von Gent, die einmal zu früh, einmal zu spät läutet, und die Leute vexirt, ist wie die Muhme Schmidtin in Arnstadt. Die böse Zunge hat einstmals behauptet, ich sei ihr als junger Bursch nachgelaufen und sei doch nur aus Bittstedt gebürtig, wofür ihr von Rechtswegen zudictirt werden müßte, den Lästerstein zu tragen. – Nun sage selbst: Mehr hast Du auch nicht an einer Frau.“

Hermann lächelte trübe. Der Ohm meinte es gut; aber wie war es möglich, das heiß klopfende Herz mit solchen Fürstellungen einzulullen? So sehr er an den Glocken hing – schöner als der röthliche Glanz des heiligen Geräthes waren die rothen Lichter, die über Hannchen’s braunes Haar liefen, und klingender und lieblicher als die hellste Glocke tönte ihre Stimme in seiner Erinnerung, wie sie in früheren Tagen ihre ungerechte Sippe von ihm scheuchte gleich bösen Geistern.

Auch Eberhard’s Gedanken waren nicht gänzlich von den Glocken erfüllt. Er schaute durch die weitgeöffnete Fensterluke hinaus in den Hof. Dort scharwenzelte in kurz geschürztem Rock und aufgestreiften Aermeln die runde Wittib umher und nahm getrocknete Wäsche von den Leinen. Sorgfältig legte sie die Handquehlen und Bettlaken zusammen, indem sie die langen Tücher unter das weiße Doppelkinn klemmte. Eberhard folgte ihrem Blick, der zu Hermann herüberblinzelte.

„Ich glaube gar! Verdammtes Weibervolk!“ knarbelte er zwischen den Zähnen. „Wenn man denkt, man hat sie am Kopf, hat man sie am Schwanz. Laß mich einmal an’s Fenster, Hermann.“ Er schob seine breiten Schultern vor den jungen Mann und lachte grimmig, als sie, ein Bündel Wäsche in den rosigen, mit Grübchen gezierten Armen, durch die rundbogige Hausthür verschwand. Mißtrauisch lugte er seinen Vetter an. Aber der hatte die Augen niedergeschlagen und summte schwermüthig das Volkslied:

„Ach Scheiden, immer Scheiden!
Und wer hat dich erdacht?
Du hast mein junges Herze
Aus Freud in Trauer bracht.“

Er hatte sich verändert in den vier Wochen. Das heitere Lachen war von den Lippen verschwunden und über den Augenbrauen lag ein düsterer Zug. Eberhard beruhigte sich. Es hatte keine Noth mit dem jungen Vetter und der Wittib.

Da ertönte das Schellen zur Abendmahlzeit und machte dem Sinniren der beiden Männer ein Ende. Die Leute stellten die Arbeit ein. Eberhard verschloß eigenhändig das Gießhaus und Beide begaben sich nach ihrer Wohnung im Hinterhaus, um von dem Werkeltagsstaub sich zu säubern. Stattlich gingen sie aus ihrem Losament hervor, wie ein älterer und jüngerer Bruder zu schauen, in sauberen Tuchröcken, die Besätze und Schlingen von farbigen Botten zeigten, die hohen Stiefeln mit Scharlachtuch ausgeschlagen. Sie schritten über den Hof, in welchem die rußige Gießhütte mit mächtigem Schornstein sich erhob, hinüber nach dem Wohnhaus.

Alles sah verräuchert und verstäubt aus: das Pflaster des Bodens, die Wände des Hauses, sogar die runde Meerzwiebel auf dem Fensterbrett vor der Stube der Meisterin. Nur sie selbst war frisch. Sie stand auf der Schwelle, den Fuß im aufgeklappten Schuh weit vorgesetzt, daß man sehen konnte, der Strumpf saß straff auf wie das Fell einer Trommel. Die gesteifte Haube war mit einem Silberpfeil auf die blonden Haare festgesteckt, und das rothwangige Gesicht ruhte auf der mächtigen gefältelten Halskrause wie ein wohlgerathener Kloß auf zierlicher Schüssel.

Der Obergesell stapfte männlich auf sie zu. Aber sie sah zerstreut an ihm vorüber, seinem Neffen entgegen. Da stieg dem alten Junggesellen das Blut in die Stirn.

„Ihr thätet wohl, ein demüthiges Gebet zu sprechen, auf daß der Guß der Glocke, den wir vorbereiten, wohl gelingen möge, statt daß Ihr Euch hoffährtig aufwichst wie eine Frau Potiphar.“

Wie die Kugel aus einem Arkebusierrohr zischte das Wort zu ihr hin. Sie schrak sichtlich zusammen, trat in den weiten Hauserden zurück, wo die Tafel gedeckt war, und schritt nach ihrem Ehrenstuhl am oberen Ende derselben.

Eberhard folgte ihr und nahm zu ihrer Rechten seinen Platz ein. Im nächsten Augenblick schlug er mit beiden Fäusten auf seine Kniee; sie beliebte eine Aenderung in der Reihenfolge der Tischgenossen zu machen. Zu ihrer Linken winkte sie statt des zweiten Gesellen Hermann heran, indem sie ein duckmäuseriges Gesicht machte und sprach: „Ihr sagt doch selbst, werther Obergesell, daß er lesen und schreiben kann und Euch im Nothfall zu vertreten vermag.“

Die übrigen Leute reihten sich an. Die Mägde trugen die Schüsseln auf. Es gab Buffbohnen mit Speck. Sie begann vorzulegen. Auch hier wurde Hermann’s Schüssel wohl gefüllt. Es zuckte schier spöttisch um seine Lippen: für seinen Magen waren die Frauen redlich besorgt. Auf des Vetters Stirn aber stand ein gräuliches Donnerwetter. Er schürzte verächtlich die Lippen.

Als die Meisterin ihm seine Schüssel reichte, sprach er hochfahrend: „Dieses Gericht wissen wir Arnstädter nicht zu schätzen. Ich will nicht sagen, welche Gottescreatur wir in unserer guten Stadt mit dieser Feldfrucht speisen. Wir ziehen eine vernünftige Wurst vor.“

Sie löste den Schlüsselbund vom Gürtel und ging nach der Speisekammer, von wo sie mit einer großen Wurst zurückkehrte.

Eberhard hob die Nase. „Seit wir Arnstädter Anno Dazumal – es ist dreihundert Jahre her – unter des barmherzigen Gottes Beistand die Juden in Arnstadt gänzlich vertilgt haben, ist für Knoblauch kein Platz mehr in unserer ehrenfesten Stadt.“

Sie lief abermals fort, erstieg abermals die hohe Leiter nach dem Wursthaken, roch an allen Würsten und brachte endlich mit [776] glühend erhitztem Gesicht einen Schinken getragen, der keine Bekanntschaft mit dem kräftigen Lauch gemacht hatte. Eberhard ließ sich herab, denselben anzuschneiden; aber noch runzelte er finster die schwarzen Brauen.

„Hast Du endlich einen Vers für die neue Glocke zurechtgeschmiedet?“ brummte er seinem Neffen zu. „Die Ohrdruffer wollen durchaus, daß sie wieder wie die alte Glocke Susanne genannt werde.“

Hermann sah auf mit einem tief traurigen Blick. Und doch spielte es wie ein leises Lächeln um seine Lippen, als er sprach:

„Anna Susanne,
In Arnstadt will ich hange.“

Die Tischgesellschaft saß mit offenem Munde, voran die Meisterin. Der Obergesell lachte so schallend, daß es in dem gewölbten Hauserden widerhallte. „Getreu wie eine Glocke. Aber der Reim paßt nicht. Was sollten die Ohrdruffer sagen, wenn ihre Glocke allezeit nach Arnstadt sich sehnte? Ja, die liebe Jugend! Der gehet der Verstand mit dem Herzen durch. Ich habe derweilen vorgesorgt und ein tapferes Verslein gefunden. Merket auf!

Ich heiße Susanna
Und treibe die Teufel von danna.“

Er sah sich martialisch um. „Nun, gesegnete Mahlzeit! Wir sind gesättiget und wollen gehen.“ Er winkte Hermann zu. Beide sprachen leise ihr Tischgebet und gingen. Die runde Wittib ließ die Hände in den Schooß sinken.

Drüben in der Hinterstube langte Eberhard von der Kannerücke eine Büchse mit dem neuen Kraute Tobak und eine Thonpfeife herunter, stopfte dieselbe und brannte sie an. Er als ungeplagter Junggesell konnte es sich gestatten, das schöne Geld in die Luft zu blasen. Hastig paffend schritt er in der Stube auf und ab, an deren niedriger, von Balken durchzogener Decke der grau gesprenkelte Kopf des stattlichen Mannes fast anstieß, und schalt: „Ich will sie lehren Buffbohnen kochen! Ich bin nicht ihr baufälliger Ehegespons, der nimmer daran dachte, daß Manneshand oben bleiben muß. Schaffe Dir auch eine Pfeife an, Hermann! Sieh, ich rauche nur ihretwegen –“ und wieder deutete er mit dem Daumen hinter sich. „Es sieht großmächtig aus und flößt ihr Respect ein, und wenn sie wider mich mutzen will, mache ich eine Rauchwolke; da muß sie pusten und niesen und kann nicht schwatzen.“ Die Wallung seines Geblütes legte sich allgemach bei diesen Betrachtungen. „Wir wollen in die ,Hohe Lilie’ gehen und einen guten Trunk thun,“ ordnete er heiter gestimmt an. „Es sind Fuhrleute angekommen mit mancherlei Waaren. Mein Tobak geht zu Ende, und ich will sehen, ob ich handelseins werden kann. Im Tobakskrämchen auf der Krämerbrücke muß man den gemalten Brasilianer auf dem Schild mit bezahlen. Ich will Dir auch die Stätte in der Herberge zeigen, wo Doctor Luther, glorreichen Gedächtnisses, gesessen hat, als Junker Jörg verkleidet, und Gustavus Adolphus und noch viele Potentaten.“

Es war ein warmer Sommerabend. Die Sonne sank hinter die Severihöhe hinab, daß die Thürme des Domes und die dicken Rundthürme an der erzbischöflichen Residenz, welche das Krummhaus genannt wurde, wie auf Goldgrund sich abhoben, und die Kreuze auf den drei Spitzen der St. Severikirche gleich Flammen loderten. Lautes Getümmel wogte auf dem Platze, dem die berühmte Herberge der Stadt ihren spitzen Giebel zukehrte. Aus den aufgeschobenen Fenstern schauten zechende Gäste. Die mächtige rundbogige Pforte, neben welcher die aus Schmiede-Eisen zierlich gearbeitete Hohe Lilie aufgerichtet stand, war weit geöffnet. Unter dem Tonnengewölbe des Hausflurs und im langen schmalen Hof hatten die Fuhrleute ihre Wagen geborgen. Krämer lasen aufmerksam die Frachtbriefe, in denen ihre Häringstonnen unter Gottes und des Fuhrmanns Geleit gestellt waren, dem Brauche der frommen Zeit gemäß.

„Feilsche um die Fracht darfst Du net!“ sagte der Frankfurter, welcher einen wohlverpackten Ballen Seidenstoff ablud und mit einem kleinen Mann verhandelte, den der breitkrempige spitze Hut und der gelbe Ringkragen als Juden bezeichneten. „Hab einen fährlichen Weg hinter mir. Im Spessart treiben Schnapphähne Räuberei, und danach hat mich noch im Hessischen der vierbeinige Schelm, der Wolf, molestirt, als welcher wieder drauß auf der Landstraß Mensch und Vieh überfällt.“

„Solcher Fährnisse muß Jeglicher sich gewärtigen, den seine Hantierung aus den Mauern der Stadt hinausführt,“ meinte der Frankenhäuser Salzfuhrmann. „Bin auf meinem Weg Landreitern begegnet, so auf einen Haufen Marodebrüder vigilirten, die Bilzingsleben überfallen und geplündert hatten. Sie erzählten von dem Anführer derselben als von einem baumlangen Kerl mit Silberringen in den Ohren, schier so groß als ein Pflugrad, und einer goldnen Kette, die neunmal um den Hals geht. Vor seinem gräulichen Scharmuzieren hegten die Landreiter eine große Furcht, und sie dankten Gott, als die Bande von selbst aus dem Lande verschwand.“

„Ist ein elendes Land, das deutsche Reich itzo,“ meinte der Straßburger, mit dem Eberhard um ein Päckchen Tobak handelte. „Derweilen sitzen sie anderwärts um so geruhiger. Gab ein Kaufherr, der vor wenigen Monden mit einem Schiff von Basel zu uns kam, die ergötzliche Historie zum besten, wie im Lande Helvetia die Käfer und Engerlinge vor Gericht geladen und inquiriret worden seien, aus was Ursach sie die Felder verwüsteten. Und dieweil sie wegen Kleinheit ihrer Gestalt fast unverantwortlich sind, hat ein Rechtskundiger für sie gesprochen und ihnen auch wirklich ein Stück Feld zur Nutzung erstritten. Müssen in selbigem Lande die Richter wenig zu schaffen haben.“

„Nu eben,“ nickte der Fuhrmann aus Leipzig, der Bücherballen an den Buchhalter vom Anger ablieferte. „Da schlägt sich unser guter Professor und Hofrath Carpzovius mit anderen Missethätern herum. Der hat zwanzigtausend Todesurtheile gegen Räuber, Mörder und Hexen gefällt und nach jeglichem das heilige Abendmahl genommen.“

Der Buchhalter öffnete einen Bücherpacken. „Seht,“ sprach er, „dieser Folioband ist sein Inquisitionsproceß. Mit welch schönen Bildern von Galgen, Rad und Scheiterhaufen ist er verziert! Das ist etwas für den Herrn Rathssyndicus. Und da sind Flugschriften mit fürtrefflichen Rathschlägen, wie man sich die Schweden vom Halse schaffen kann, und hier eine Verwarnung für das Volk vor den Schlaraffenkleidern und Affengeberden der Franzosen, als welche sich überall mausig machen.“

(Fortsetzung folgt.)




Aus dem stillen Berlin.

Wie viel Lobendes ist in den letzten Jahren über Berlin und dessen Entwickelung zur Großstadt geschrieben worden! Und mit Recht; denn Berlin ist nicht allein die Metropole des neuen deutschen Reiches, sondern auch der Ausgangs- und Sammelpunkt des geistigen, socialen und industriellen Lebens von ganz Deutschland.

Nur wenige Jahrzehnte sind nothwendig gewesen, um die Königsstadt an der Spree in eine Weltstadt umzuwandeln. Wie ein Schmetterling seinen grauen Puppensarg, hat sie den Gürtel ihrer morschen Ringmauern, zerfallenden Thore und mit Sumpfwasser gefüllten Gräben, der die Straßen und Plätze eng und verdüsternd umschloß, zersprengt und ist im Laufe von fünfzig Jahren im Schmucke monumentaler Bauten, stilvoller Villen und künstlerisch gelungener Denkmale erschienen. Diese glückliche Metamorphose dankt Berlin nicht allein der goldenen Gunst politischer Verhältnisse und großer Siege, durch die es die Residenz des Kaisers von Deutschland geworden ist, sondern auch einer auserlesenen Schaar von Männern, die, in seinen Mauern lebend, ihr volles Wissen und Können eingesetzt haben, um die im Auslande wegen ihrer Schlichtheit und ihres Mangels an Naturschönheit vielverspottete Spreestadt zu dem umzugestalten, was sie heute ist, zur von Fremden vielbesuchten, bewunderten Weltstadt.

Wie Wenige gedenken heute, inmitten des blitzhastigen Getriebes der Großstadt, deren Signatur das „Schnell vergessen“ ist, dieser Männer, die den Keim zur geistigen, industriellen und baulichen Blüthe von Berlin gesäet haben! Die Meisten derselben stehen zwar in Standbildern und Büsten verewigt auf den Plätzen und Straßen der Stadt; aber diese Ehre schützt sie nicht

[777] ›‹

J. H. Strack, * 1805, † 1880. 0 J. G. Schadow, * 1764, † 1850. 0 Joh. J. Cantian (Hauptallee), † 1819. 0 K. F. Schinkel * 1781, † 1841. 0 F. A. Stüler, * 1800, † 1865.
A. Boeckh, * 1785, † 1867.       P. Chr. W. Beuth, * 1781, † 1853.       J. K. Borsig, * 1804, † 1854.       Chr. Rauch * 1777, † 1857.       Joh. G. Fichte * 1762, † 1814.
Eduard Gans, *1797, †1839.0 H. Schievelbein, *1817, †1867.0 A. F. E. Langbein, *1757, †1835.0 C. W. von Hufeland, *1762, †1836.0 G.W.F. Hegel, *1770, †1831.

Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.
Originalzeichnung von E. Hilpert.

[778] vor dem Verhängnisse, daß schon die heutige Generation, obwohl ihr die Namen dieser Männer geläufig von den Lippen klingen, vergessen hat, was Dieser oder Jener von ihnen für Berlins Entwickelung gethan und wodurch er sich unvergeßbare Verdienste um dasselbe erworben hat.

Ihre Leiber sind auf dem alten Dorotheenstädtischen Friedhofe eingesargt und liegen dort im Schatten mehr oder minder prächtiger Denkmale, die ihre Grabstätten zieren.

Der Dorotheenstädtische Friedhof weitet sich, im Norden von Berlin, an der Markscheide, welche die laute, dem Gewinne und Genosse rastlos nachjagende Großstadt von jenem Stadttheile trennt, der das „Arbeiterviertel“ genannt wird.

An seinen Mauern branden die letzten Wogen des ewig schäumenden Weltstadtlebens und in die Sabbathsruhe, die über ihm gebreitet liegt, tönen der Hammerschlag und das Dampfgezische aus den Werkstätten des „Arbeiterviertels“.

Von der Chausseestraße, die heute der belebteste Verkehrsweg im Norden von Berlin ist und mit ihren riesigen Fabrikgebäuden, Hunderten von Arbeiterhäusern und vielhöfigen Casernen eine Stadt für sich bildet, führt eine von dichtbelaubten Lindenbäumen überschattete, enge Gasse links ab – zum stillen Berlin, in die Ruhe des Dorotheenstädtischen Friedhofes.

In der Mitte desselben, der mit seinen hängenden Eichen, breitastigen Linden und dichtlaubigen Flieder- und Epheubüschen einem Hain gleicht, ragt ein riesiger Sarkophag, der, in antikem Stil gebaut, die Gebeine des Steinmetzmeisters Johann Joachim Cantian birgt. Verdienst Cantian’s, das ihn der Erinnerung der Nachwelt werth macht, war die Anlage der ersten großen Steinmetzwerkstätte in Berlin und der Ankauf von riesigen Marmor- und Sandsteinblöcken, die er für Jahre in Magazinen aufstapelte. Als später Schinkel seine genialen Bauten auszuführen begann, fand er in den Steinlagereien des Steinmetz Cantian eine fast unversiegbare Quelle des edlen Materials, dessen er zum Schmuck seiner Schöpfungen bedurfte.

Dicht neben dem Sarkophag, unter dem Cantian ruht, erhebt sich ein Obelisk aus rothem Sandstein, in dessen Mitte das Medaillon, in Reliefform, des aus Cleve stammmenden großen Förderers der Berliner Industrie, Peter Christoph Wilhelm Beuth, eingefügt ist. Das ganze gewerbliche Leben in Berlin dankt ihm seine Entwickelung und heutige Blüthe; Beuth ist der Gründer des Gewerbe-Instituts, der Bauschule und Baugewerkschule in Berlin. Als Director der Abtheilung für Handel und Gewerbe hat er im Staatsdienste Hervorragendes gewirkt.

Von der Mitte des Friedhofes laufen zahllose, dunkelbesandete Wege, wie die Falten eines Riesenfächers, gegen die Grüfte und Gräber aus, die sich gleich grünen Wogen auf dunkler See im Todtenfeld wölben.

Ein breiter Weg führt südwärts zum Grab, in dem Karl Friedrich Schinkel eingesargt liegt. Geboren am 13. März 1781 zu Ruppin in der Mark Brandenburg, verlebte Schinkel den größten Theil seines Lebens in Berlin, das er im wahrsten Sinne des Wortes „umgestaltet“ hat. Als Vertreter der streng classischen Richtung im Baufach schuf er im Museum, mit der prächtigen Façade und imponirenden ionischen Säulenhalle, im königlichen Schauspielhaus, im jetzigen Palast des Kaisers, in der Schloßbrücke etc. Bauten, in denen sich die reine Form der griechischen Architektur wiederspiegelte, und wurde der Gründer einer Schule, die noch heute in Berlin und in ganz Deutschland als mustergültig bewundert ist. Er starb am 9. October 1841.

Ueber dem Grabhügel Schinkels steht auf einer Pyramide aus Porphyr ein Genius, der über dem Reliefbild des großen Todten Lorbeer- und Epheukränze hält. Im Sockel der Pyramide sind die Worte eingegraben:

„Was vom Himmel stammt,
Was uns zum Himmel erhebt,
Ist für den Tod zu groß,
Ist für die Erde zu rein!“

Wenige Schritte vom Grabe Schinkel’s entfernt liegt Christian Rauch aus Arolsen begraben. Seine Künstlerlaufbahn begann derselbe als Lehrling eines Töpfers und als Hoflakai des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen; die Stunden, die ihm von seinem Lakaiendienst frei blieben, verbrachte er im Atelier des Bildhauers Schadow. Wilhelm von Humboldt wurde in Rom sein Protektor und bewog den König, Rauch mit der Anfertigung der Statue der Königin Louise zu beauftragen. Rauch hat durch die Schöpfung dieses Steinbildes, welches im Mausoleum zu Charlottenburg aufgestellt ist, seinen Ruf als Bildhauer begründet. Er erschloß, während er in Italien weilte, die Marmorbrüche von Carrara für die deutschen Künstler und bewog den König zum Bau des Museums in Berlin.

Ein Sockel aus rothem Marmor ziert das Grab Rauch’s, in die Mitte desselben ist das Portrait des großen Bildners mit den scharf hervortretenden Zügen in Erz gegossen eingefügt. Zu seinen Füßen steht der Spruch:

„Der Friede Gottes sei mit ihm!“

Neben Rauch’s Grabstätte erhebt sich ein nischenartiger Bau, dessen in dorischem Stil gehaltenes Dach auf zwei mit korinthischen Knäufen gezierten Säulen ruht. In der Nische steht auf einem dunkelfarbigen Sockel die Büste des Architeken Friedrich August Stüler, der, ein Schüler Schinkel’s und mit Vorliebe dem italienischen Renaissancestil zugethan, als Erbauer der Börse in Frankfurt am Main und des neuen Museums zu Berlin hervorragend bekannt ist. Er starb in den ersten Tagen des März 1865.

Ein schmaler Pfad führt zwischen Hänge-Eschen und Taxusbüschen zum Grabmal seines „Collegen mit dem Richtscheit“, des Baumeisters Johann Heinrich Strack. Das Siegesdenkmal und die Nationalgallerie, sowie die St. Petri-Kirche in Berlin, die er im Laufe der letzten Decennien erbaut hat, haben seinen Namen in Berlin verewigt. Ueber die Grenzen des Weichbilds der Großstadt hinaus ist Strack durch die Entdeckung des Dionysos-Theaters an der Akropolis in Athen bekannt geworden.

Dicht an der Grabstätte Rauch’s ragt, auf vier schlanken Säulen ruhend, ein Tempel aus weißem Marmor, in dessen Mitte auf einem Sockel aus Porphyr die Bronzehüste des Industriellen Johann Karl Borsig steht. Ein Breslauer von Geburt, begründete er in Berlin 1837 eine Maschinenbau-Anstalt, in der er besonders Lokomotiven bauen ließ, die ihm und seinen Fabrikaten einen Weltruf erwarben. Borsig starb als Millionär. Wenn man, vor seinem Grabe stehend, die Blicke in die Ferne erhebt, so sieht man über die Friedhofsmauer die hohen Schlote jener Fabrik emporragen, die Borsig vor dem Oranienburger Thor einst erbaut hat.

Abseits vom Weg, zwischen dichten Epheuranken und Fliederbüschen versteckt, liegt die Grabstätte von Eduard Gans. Er war Professor der Jurisprudenz an der Berliner Universität, der dem modernen Recht eine freie Bahn brach, und hierin ein kritischer Gegner Savigny’s, der die historische Schule repräsentirte. Freisinn und mächtige Beredsamkeit zeichneten Eduard Gans besonders aus. Um ihn gruppirte sich die Schule der Jugend, die sich abwendete von den der Reaktion dienenden Lehrern der Universität. Gans hat den Umschwung nicht erlebt, der mit dem Regierungsantritt des Königs Friedrich Wilhelm IV. eintrat, aber er hat denselben in einer Weise vorausgesehen und verkündet, daß manche seiner Sprüche wie prophetische Offenbarungen ihn überlebten.

Nahe dabei ruht der Verfasser der „Makrobiotik“ (Lebensverlängerungskunde), Christoph Wilhelm von Hufeland, der durch seine Schriften heute noch der populärste deutsche Arzt ist.

Ein einfaches, verwittertes Eisengitter umschließt einen Sockel aus grünschillerndem Syenit, auf dem die nur wenige Fuß hohe Bronzestatue des Bildhauers Johann Gottfried Schadow steht. Am Fuße desselben wölbt sich sein Grabhügel. Schadow ist ein Berliner Kind und in der Bildhauerei der Vertreter einer durchaus realistischen Richtung; nachdem er, aus dem Handwerkslehrling zum Künstler sich emporringend, Bildhauer geworden war, brach er mit den Traditionen der Sculptur aus der Zopfzeit, die als Bekeidung der Statuen nur das antike Gewand gelten ließen, und schuf die Portraitplastik, die der Person, welche sie konterfeit, jenes Kleid giebt, das sie im Leben getragen hat. Nach seiner Ansicht „durchdringt der Charakter einer Persönlichkeit auch dessen Kleid“. In dieser Richtung hat Schadow eine reformatorische Rolle als Bildhauer gespielt. Seine bekanntesten Werke sind die Statue des General Zieten in Berlin, das Luther-Bild in Wittenberg und die Quadriga, welche das Brandenburger Thor zu Berlin krönt.

Am Ende der Friedhofmauer, im Süden, ragt weithin sichtbar eine Pyramide aus Eisenguß. Sie steht über dem Grabe des Philosophen Johann Gottlieb Fichte. Ein Eichenkranz umrankt [779] sein vergoldetes Reliefbild; am Fuß der Pyramide steht die Inschrift:

„Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz und die, so Viele zur Gerechtigkeit weisen, wie Sterne immer und ewiglich.
 Prophet Daniel XII., 3.“

Sein ruhmreichstes Werk, der Aufruf an die deutsche Nation, inmitten der trostlosen Epoche der französischen Fremdherrschaft, strahlt in unseren Tagen wie eine Prophetenstimme helle Lichter der nationalen Regeneration aus, obwohl mehr als ein halbes Jahrhundert über seinem Grabe dahinging, bevor die Ideale begonnen haben sich zu verwirklichen, die er geschaut.

Gegenüber der Ruhestätte Fichte’s, wie verschwindend im Schatten von dessen Grabpyramide, steht ein schmuckloser, einfacher Stein; er trägt die Inschrift:

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, geboren 27. August 1770, gestorben 16. November 1831.“

Er war der Gründer einer speculativen Philosophie, die mit weltumfassendem Blick den Ursprung und das Ende der Dinge zu erforschen suchte. Abhold der realen Weltanschauung hat er eine Vertiefung der Denkkraft in die Wissenschaft eingefuhrt, welche die vielen philosophischen Systeme vor ihm überragt.

In dem Labyrinth von Grabstätten, das sich nach der Tiefe des Friedhofes hinzieht, liegt der Berliner Bildhauer Friedrich Hermann Schievelbein begraben. Er schuf besonders hervorragende Reliefcompositionen, so z. B. den Untergang von Pompeji im Neuen Museum und einige Gruppen auf der Schloßbrücke zu Berlin. Er starb als Professor an der Akademie zu Berlin. – Eine Pyramide aus rothem Sandstein erhebt sich über dem Grabe des Alterthumsforschers August Boeckh, dessen Wiege in Karlsruhe stand; ihm, dem berühmten Professor der Philologie an der Berliner Universität, galt sie „als die geistige Reproduction des gesammten classischen Alterthums“ und er hat den ersten Anstoß gegeben, daß ihrem Studium eine größere Aufmerksamkeit zugewendet und sie selbst einer tieferen Auffassung gewürdigt worden ist.

Im nördlichen Theile des Friedhofes, wo einst die Armuth ihre Todten bestattete und der heute verfallen liegt, hat die üppig wuchernde Natur über die Grabkreuze und eingesunkenen Hügel ein dichtes, grünes Netz von Ranken und Strauchwerk gesponnen; der Epheu erhebt hier seine knotigen Wurzeln zu aufstrebenden Aesten und ist baumhoch emporgewachsen. Weiches Moos liegt zwischen den Furchen, welche die Grabhügel säumen, und in den Büschen des Flieders, der seine blauen Dolden wie einen violettfarbigen Schleier über die Gräber hängt, nisten ungestört Singvögel und Eichhörnchen. Inmitten dieser grünen Wildniß ragt ein Kreuz aus Eisen. Der Rost hat es braun gefärbt und der Epheu seine Aeste dicht um die Kreuzesarme gespannt; er ist darüber hinaus gerankt, sodaß seine glänzenden Blätter über das Denkmal ein Laubdach bilden. Am Fuße des Kreuzes hängt eine Lyra aus verwittertem Eisen. Hier liegt der Balladendichter August Friedrich Ernst Langbein begraben. Er starb als königlicher Censor zu Berlin. Seine heitere Muse lebt in vielen Volksgedichten fort, die reich sind an treffenden freisinnigen Gedanken. Als Censor war er mitten in der düsteren Reactionsepoche der absolutistischen Bureaukratie der liebenswürdigste Schützer und Berather aller jugendlichen Schriftsteller. B.     




Der Gastgeber unseres Kronprinzen und sein Heim.

Erinnerungen an König Alfons von Spanien.

Es war ein regnerischer Septembertag im Jahre 1868, als Königin Isabella II., von der siegreichen Revolution der vereinigten liberalen Parteien Spaniens vertrieben, die französische Grenze überschritt. Sie mußte manche spöttische Bemerkung der Menge vernehmen, die am Bahnhofe zu Pau ihrer Ankunft geharrt hatte, als sie am Arme des kaiserlichen Präfecten zu dem für sie bereit gehaltenen Wagen ging. Ihr folgte der kleine Prinz von Asturien, Alfonso, den drei Prinzessinnen, seinen Schwestern, die in Thränen aufgelöst waren, Trost und Muth zusprechend. Der traurige Zug bewegte sich aus dem vom Gave durchrauschten Thale zu dem stolzen Schloß hinauf, von welchem einst der Ahnherr der Bourbonen, Heinrich IV., ausgezogen war. Hier, am Stammsitze ihres Hauses, machten ihre Anhänger den letzten Versuch, die spanische Krone zu retten, indem sie in die Königin drangen, zu Gunsten Alfonso’s abzudanken und die Einsetzung einer Regentschaft für denselben zu genehmigen. Allein Isabella schalt sie Verräther; sie hörte lieber auf die Stimme ihres Ehrgeizes, als auf diejenige der Vernunft und Mutterliebe: sie wollte nicht von dem Traume lassen, bald wieder im Königsschlosse zu Madrid einziehen zu können. Sie schuf sich aber nur langjährige Demüthigung, ihren Kindern die Bitterkeiten der Verbannung und ihrem Lande Prüfungen, die seine letzten Kräfte aufzuzehren drohten.

Niemand rief die Vertriebenen in die Heimath zurück, und die starrsinnige Königin mußte sich entschließen, mit ihren Kindern aus der Gascogne, wo doch noch verwandte Töne der Volkssprache an ihr Ohr schlugen, nach Paris zu übersiedeln, während ihre Feinde sich in ihrer glänzenden Residenz festsetzten. Die Frauen der Revolutionshelden, Prim und Serrano, Beide nach dem königlichen Hermelin lüstern, sah ich damals in den Prachtgemächern des „Palacio Real“ zu Madrid umherwandeln; hier stand ein angefangenes Portrait der Königin; dort hing ein Bild, das den kleinen Alfonso im Spiele mit seinen Schwestern darstellte; im Schlafgemache Isabella’s wurde eben eine Sammlung von vielen hundert Fächern verpackt, um ihr nach Paris nachgeschickt zu werden. Die Königin lebte bereits mehr in den Zerstreuungen der Seinestadt, als im Gedanken an die Rückkehr in ihr Schloß am Manzanares. Allein es gelang auch der Revolution nicht, sich hier ein dauerndes Heim zu gründen.

Welche Aufregung herrschte nicht in den untern Räumen des Schlosses, die für das Ministerium des Auswärtigen eingerichtet sind, an jenem zweiten Juli des Jahres 1870, als bekannt wurde, Napoleon III. wolle nicht dulden, daß sich die Spanier den Prinzen Leopold von Hohenzollern zum König wählen! „Wir werden uns diese Erniedrigung nicht gefallen lassen, die uns der französische Kaiser zufügt, weil er nichts anderes beabsichtigt, als den Alfonso auf den bourbonischen Thron zurückzuführen,“ dieses sagte mir damals Minister Sagasta. Nun hat sich die spanische Regierung allerdings nicht mehr gerührt, als es wegen jener Throncandidatur zum Kriege zwischen Deutschland und Frankreich kam. Aber die Madrider gaben ihren innersten Gesinnungen unzweideutigen Ausdruck, indem sie mit lautem Jubel auf den Straßen die Nachrichten von den französischen Niederlagen begrüßten und sich um die plötzlich aus der Erde gewachsenen Blätter „Die preußische Kanone“, „Der Rhein“, „Der Ulan“ rissen, deren Titel deutlich genug sprachen. Die Figur des Ulans, der einzeln Hunderte von Franzosen in die Flucht jagt, wurde damals auch auf die Bühne gebracht, zum größten Gaudium der Massen, in denen, trotz aller Redensarten der republikanischen Führer, kein Gefühl so lebendig ist, als die aus den Befreiungskriegen gegen den ersten Napoleon vererbte Abneigung gegen die Franzosen.

Mehr einer Herberge als einem königlichen Schlosse glich der „Palacio Real“, als Amadeo von Savoyen in denselben eingezogen war. Muthig, wie es einem Sohne Victor Emanuel’s geziemte, sah ich den fremden Fürsten damals durch die Straßen der Hauptstadt reiten: wenn ihn irgend einmal Jemand grüßte, so antwortete er mit düsterem Ernste – war doch Tags zuvor erst der „Königsmacher“ Prim den meuchlerischen Schüssen geheimer Feinde erlegen! Seiner Gemahlin Victoria gelang es nicht einmal, bei der Abneigung des nationalen Adels, einen weiblichen Hofstaat um sich zu bilden. Und der „Taiti-Adel“, wie man die von Amadeo zu Granden erhobenen Tabak- und Fächerhändler und Journalisten nannte, konnte mit allem Lärm, den er machte, den Eindruck nicht verwischen, daß das Königsschloß sich in vollkommener gesellschaftlicher Verödung befand.

Amadeo gab denn auch nach nicht allzu langer Zeit, während deren nicht einmal alle seine Koffer ausgepackt worden waren, die Schlüssel des Hauses Denjenigen zurück, die ihn herberufen, und nun brausten um das alte Bourbonenschloß die Stürme der republikanischen Diktaturen, der Commune- und Carlisten-Aufstände, bis in weiten Kreisen die Ueberzeugung fest wurzelte, daß nur mit der Zurückberufung des nationalen Thronerben die Ordnung wiederkehren werde.

[780] Der Führer der Partei Alfonso’s, der bedeutendste Staatsmann des zeitgenössischen Spanien, Canovas del Castillo, hatte in der richtigen Erkenntniß, daß, wenn die Hoffnungen auf den nationalen Thronerben sich einst erfüllen sollten, derselbe vor Allem den Einflüssen seiner Mutter entzogen werden müsse, bei dieser es durchgesetzt, daß der Prinz unter der Obhut eines königstreuen Patrioten, des Rechtsanwaltes, späteren Privatsecretärs, Grafen Morphy, dem kaiserlich königlichen Theresianum in Wien zur Erziehung anvertraut wurde. Mit immer wachsendem Interesse und Verständnisse hing hier der königliche Zögling an Morphy’s Mund, wenn dieser ihm von Spaniens alter Größe oder auch von den Sünden seiner Vorfahren, eines Ferdinand VII., einer Maria Luisa, erzählte.

„Wenn ich,“ sagte er mir einmal bei einem meiner Besuche, „in mein Vaterland zurückberufen werde, so muß es meine Hauptaufgabe sein, die Spanier vergessen zu machen, daß ich ein Bourbon bin.“

In sehr kurzer Zeit hatte er die großen Lücken in seinem Wissen ausgefüllt und konnte er mit gutem Erfolge die Prüfung bestehen. Das Glück, daß er den Prüfenden gerade mehrere Fragen zu beantworten hatte, mit denen er sich unmittelbar zuvor beschäftigt, wollte er als gute Vorbedeutung für seine königliche Laufbahn nehmen. Das Deutsche hatte er, wie er überhaupt ein für einen Spanier ungewöhnliches Sprachentalent besitzt, im Laufe eines Jahres schon so gut gelernt, daß er es fließend, mit leichtem Wiener Accente, sprechen konnte. Sein Lieblingsschriftsteller wurde neben Calderon, dessen „Das Leben ein Traum“ er mehrmals im Burgtheater aufführen sah, unser Schiller, sein Lieblingsheld Marquis Posa. Mit idealistischer Begeisterung sprach der damals siebenzehnjährige Jüngling von seiner Mission, mit den alten Ueberlieferungen seines Hauses die modernen Volkswünsche und Grundsätze zu versöhnen.

Er hatte helle Thränen der Rührung vergossen, als er Zeuge des Jubels der Wiener bei der fünſundzwanzigjährigen Feier der Regierung Franz Joseph’s war. Vorderhand freilich hatte er mehr seine Schulbücher als den Thron im Sinne. Als im Frühjahr 1873 Herzog Vexto kam, um ihn nach Spanien zurückzuführen, wo Alles zu seiner Aufnahme bereit sei, mußte ich auf Ersuchen des Prinzen ein Bild vom Stand der Dinge auf der Halbinsel entwerfen, nach welchem das verfrühte Unternehmen nothwendig hätte scheitern müssen. Alfonso selber wollte ein Mann werden, bevor er sich den Spaniern vorstellte; er wollte namentlich neben seiner militärischen Ausbildung, zu welcher er nach England geschickt wurde, die Rechtswissenschaſt gründlich studiren. Die Ereignisse bereiteten diesem Jünglingstraum ein jähes Ende …

Aber: „Sie werden mich ganz so wieder finden, wie Sie mich in Wien gekannt haben,“ diese Worte waren der Gruß des Königs Alfonso XII., als er mich, am Vorabend seiner Hochzeit mit der Erzherzogin Marie Christine, 1879 im Schlosse seiner Väter wieder empfing. Die großen ernsten und freudigen Ereignisse der Zwischenzeit hatten den Jüngling zum Mann gereift; Entschlossenheit sprach aus seinem von dunklem Backenbart eingerahmten Gesicht. Allein ebenso lebhaft und beweglich wie ehedem war die kleine, schlanke Gestalt des Königs; von der alten, herzgewinnenden, natürlichen Liebenswürdigkeit war sein Wesen, und womöglich noch beredter als vor Jahren flossen ihm die Worte vom Munde.

Er schilderte, wie er durch das Pronunciamiento von Sagunt, das ihn zum König ausrief, überrascht wurde und eigentlich als Ausreißer des englischen Heeres, in welchem er diente, nach Spanien kam; wie er mit einem zuchtlosen Heere die carlistische Empörung niederschlagen, wie er bei Lacar sich durch die Flucht vor den Carlisten retten mußte. Er schilderte das Glück, das in seinem einsamen Heim einkehrte, als seine Mutter endlich darein willigte, mit seiner älteren Schwester, der Prinzessin von Asturien, auch seine beiden jüngeren Schwestern, deren Erziehung er als treuer Bruder überwachen wollte, zu ihm ziehen zu lassen. Er gedachte mit Rührung seiner ersten Gemahlin Mercedes, die er dem anfänglichen Widerspruch seiner politischen Rathgeber und ihres eigenen Vaters, seines Oheims, des Herzogs von Montpensier, abgerungen hatte. Und mit aufrichtiger Dankbarkeit sprach er von dem schönen Wien und von Oesterreich, das ihm die neue Lebensgefährtin gesandt und mit allen Eigenschaften ausgestattet, die einem von den Sorgen und Widerwärtigkeiten seiner Stellung ermüdeten Manne im eigenen Heim Erholung schaffen können.

Gern hörte der König, daß dieses Heim, eines der stattlichsten Schlösser Europas, das dem vom Norden Kommenden mit seinen in den blauen Himmel emporragenden weißen Massen, seinen Terrassen und Gärten am Westabhange Madrids, über dem Manzanares einen majestätischen Anblick bietet, nunmehr in seinen inneren Räumlichkeiten den Charakter kalter Pracht mit demjenigen reicher, warmer Behaglichkeit vertauscht habe. Das Madrider Schloß besitzt nämlich einen Schatz von alten und modernen Gobelins, vielleicht so reich und kostbar wie die Hofburg in Wien. Mit diesem edelsten alles Wandschmucks, den man aus den Vorrathskammern hervorgeholt, konnten z. B. wie durch Zauber etliche vierzig kahle Räume des alten Jagdschlosses Karl’s V., Pardo, zum würdigen Empfang der königlichen Braut und ihres zahlreichen Gefolges hergerichtet werden. Der königliche Obersthofmeister erzählte mir auch, daß er einmal von einem Tag auf den andern nicht weniger als 150 Gemächer des Palacio Real zum Empfange des Prinzen von Wales vorbereitet habe, dessen Gefolge durch einen Fehler des Telegraphen als ein dreimal größeres, denn es wirklich war, angemeldet worden.

Die Gemächer, welche dem deutschen Kronprinzen zum Aufenthalt angewiesen sind, liegen über der großen Treppe, einem der berühmtesten Theile des Schlosses, mit den herrlichsten Stufen aus je einem schwarzen und weißen Marmorblocke. Man erzählt, Napoleon I. habe, als er diese Treppe im December 1808 hinanstieg, die Hand auf einen dort ausgehauenen Marmorlöwen gelegt und gesagt: „Endlich habe ich es, dieses heiß verlangte Spanien!“ und dann, zu seinem Bruder Josef sich wendend, beigefügt: „Bruder, Du wirst besser wohnen als ich in den Tuilerien.“

Um den unwillkommenen französischen Gast los zu werden, haben Spanier und Deutsche seiner Zeit lange Jahre hindurch blutig gerungen, und wenn der hohe Sproß des Hohenzollernstammes jetzt die spanische Gastfreundschaft genießt, so ist er nur von Eindrücken umgeben, die für gegenseitige herzliche Sympathie zeugen.

Am häuslichen Herde des Königs Alfonso XII. wird deutsch wie spanisch gesprochen; Königin Marie Christine besitzt das Geheimniß jener echt österreichischen Gastfreundlichkeit, die dem Sohne des Kronprinzen den Aufenthalt in Wien so angenehm zu machen pflegt; die Schwester des Königs, Donna Paz, die glückliche Gemahlin eines deutschen Fürsten, meldet in ihren Briefen von den großen Fortschritten, die sie im Deutschen mache; im Arbeitszimmer des Königs steht unter den Bildern seiner Gemahlin und Wiens auch dasjenige des Kaisers Wilhelm, und herumliegende deutsche Zeitungen und Zeitschriften zeugen für die anhaltende Theilnahme, mit welcher Alfonso XII. die Angelegenheiten Deutschlands und Oesterreichs verfolgt.

Diesen Herbst, als ich den König in der Hofburg, eine Stunde vor seiner Abreise nach Homburg, wiedersah – er war gerade von den Uebungen im Brucker Lager zurückgekommen und trug noch die Uniform des österreichischen Infanterieregiments, dessen Inhaber er ist, – sprach er von seinem leidenschaftlichen Wunsche, das spanische Heer nach dem Vorbilde des österreichischen und deutschen zu discipliniren und auszubilden. Nicht Republikaner und Socialisten glaubt er fürchten zu sollen, sondern nur jene Verderbniß des Heeres, welcher auch der letzte Aufstandsversuch von Badajoz entsprungen, weil etwa zweitausend Officiere, die früheren Pronunciamientos ihre Grade verdanken, die Ruhe nicht länger ertragen und ihrer Abenteuerlust nicht mehr widerstehen können. Deutsche Strammheit und die herzliche Ergebenheit des Oesterreichers gegen seinen obersten Kriegsheren gilt es im spanischen Heerwesen Wurzel fassen zu lassen. Und wenn der jetzt zur Heeresreorganisation berufene Kriegsminister Lopez Dominguez, der den Aufstand von Cartagena besiegt hat, den deutschen Kronprinzen in Barcelona empfängt und diesem letzteren König Alfonso als Ulanenoberst die Honneurs in Madrid macht, dann mag einem Jeden klar werden, daß an der Wachsamkeit und Entschlossenheit des jungen Königs die Anschläge innerer und äußerer Feinde gegen Spaniens Sicherheit und Ruhe zu Schanden werden müssen.

Wien, Mitte November.  Wilhelm Lauser.
[781]

Das Lotto-Spiel.

Lotto und Lotterie sind Geschwister von gleichem Werth und nur verschiedenem Wirkungsboden. Leute, die aus böser Erfahrung sprechen, behaupten, sie seien Zwillinge von des Teufels Großmütter, von welchen letztere, die Lotterie, sich bei den sogenannten „besseren Ständen“ zur Pflege der menschlichen Freude an Wetten und Glücksspiel eingeschmeichelt habe, während das Lotto sich vorzugsweise des großen Haufens mit seinen kleinen ledernen Geldbeuteln erbarme, um demselben mit Hülfe des sinnreichen Aberglaubens der Traumdeuterei für gewinnverheißende Zahlenwahl das Leben im irdischen Jammerthal zu versüßen. Beide Geschwisterchen üben auf ihre nach Millionen zählende Anbeterschaft unumschränke Gewalt aus, denn sie verführen sie zu dem mühelosesten, aber auch kostspieligsten Unternehmen, ohne Arbeit Einnahmen zu erzielen, ja vielleicht mit einem Schlage steinreich zu werden, und vertrösten sie nach jedem Mißerfolg auf das nächste Mal.

Was die Lotterie ist und zu bedeuten hat, ist allbekannt; gehört sie doch auch im deutschen Reiche noch zu den staatlichen oder städtischen Einrichtungen zur Erzielung nicht unbeträchtlicher freiwilliger Steuern für Alle, welchen der ordentliche Steuerzettel nicht lang genug ist.

An Belehrungen über das Soll und Haben dieses Geschäfts läßt es keine der vielen Lotterien fehlen. Nur eine recht störende Auffälligkeit wartet noch auf Erklärung, und zwar die: warum das Lotteriespiel in einem Staate obrigkeitlich geübt und das Mitspielen im nächsten Nachbarstaate an den eigenen Unterthanen als Verbrechen bestraft wird. Zu den öffentlichen Ehren dieser Staatsinstitute kann dies unmöglich gerechnet werden.

Lotto-Schwestern.
Nach dem Oelgemälde von Karl von Blaas.

Das Lotto oder die Zahlen-Lotterie unterscheidet sich von der eigentlichen oder Classen-Lotterie dadurch, daß letztere den Spielern die Auswahl unter Tausenden von Nummern darbietet, die Loose in verschiedene im Preise aufsteigende Grade (Zehntel-, Viertel-, Halb- und Voll-Loose) eintheilt, die Ziehung in mehrere Classen (daher die Bezeichnung) trennt, um der Spielgier durch die immer höheren Gewinne stets neue Nahrung zu geben, und bedeutende Summen als Lockvögel an die Spitze ihrer Gewinnliste stellt – während das Lotto auf die Zahlen bis 90 beschränkt ist und nur 5 Nummern bei jeder Ziehung den Spielern zum Besten giebt. Während ferner die Classen-Lotterie im Jahre nur einige Mal zur Ausführung kommt, geschieht die Lotto-Ziehung allwöchentlich, sodaß der Spielteufel seine Opfer fortwährend in Athem erhält.

Das Lotto ist eine italienische Erfindung, die Geschichte der Lotterie reicht weiter zurück, denn die Lust an Glücksspielen ward mit dem Menschen geboren. Genua ist die Geburtsstätte des Lotto. Zu Zeiten der Republik pflegte man dort bei jeder Senatoren-Neuwahl die Namen von 90 Wählbaren in ein Glücksrad zu legen und aus demselben dann die fünf hervorzuziehen, die nun als gewählt galten. Natürlich begann man sehr bald, auf diese fünf Namen zu wetten. Von da war nur der eine Schritt nöthig, statt der 90 Namen Zahlen zu setzen, und das Lotto war fertig.

Das italienische Wort Lotto heißt Loos, und diese Bezeichnung erhielt der Zettel, welchen der Spieler für seinen Einsatz in Empfang nahm. Das Spiel selbst wurde von den Spielleitern, also von den dasselbe zu ihrem Vortheil treibenden Städten [782] oder Staaten, nach und nach bis zu der gewinnbringenden Mannigfaltigkeit entwickelt, als welche es lange Zeit als eine moralische und volkswirthschaftliche Pest in vielen Ländern wirkte und in einigen noch wirkt.

Das Spiel steigert sich in folgender Weise. Wählt der Spieler eine Nummer, ohne die Stelle zu bestimmen, welche sie unter den fünf gezogenen Nummern einnehmen soll, so gewinnt er, wenn sie „kommt“, einen „Auszug“, das heißt der Einsatz wird 15 Mal zurückbezahlt. In Süddeutschland betrug der Einsatz 1 Kreuzer, der Gewinn also 15 Kreuzer. Bei bestimmter Nummerstelle (z. B. 52 als dritte der fünf gezogenen Nummern) heißt der Gewinn „bestimmter Auszug“ und beträgt das 75-fache des Einsatzes. Bei dem Treffen oder Herauskommen von 2 Nummern, „Ambe“, wird der Einsatz 240 Mal, bei 3 Nummern, „Terne“, 4800 Mal, bei 4 Nummern, „Quaterne“, 60,000 Mal wieder bezahlt. Wenn bei diesen Amben, Ternen und Quaternen nicht alle Nummern „herauskommen“, wird für die herausgekommenen dem Spieler kein Gewinn zu Theil, wenn er sie nicht noch besonders als einfachen oder bestimmten Auszug gesetzt hat. Quinternen werden, wegen der Unwahrscheinlichkeit des Treffens, wohl höchst selten gesetzt, gewonnen wurden sie wenigstens, so viel bekannt ist, niemals.

Die verführerische Größe dieser Gewinnzahlen ist das Verderblichste für das Volk, und darum werden auch Amben und Ternen am meisten gesetzt; wie gering aber die Aussicht auf den Gewinn sich herausstellt, ergiebt eine Berechnung, von welcher wir für unsere Leser nur das Facit mittheilen, daß die Lotto-Unternehmung auf die Gewinnsumme, die sie dem Spieler zahlt, von der Ambe mit 1601/2%, bei der Terne um 1443/4%, bei der Quaterne sogar um 751% in Vortheil ist.

Diese Rechnung erklärt uns die Möglichkeit, daß Baiern in einem Jahre (1853) über 3 Millionen Gulden aus seinem Lotto gewann, daß in Oesterreich von 1868 bis 1876 die Rein-Einnahme des Lotto 51 und die Brutto-Einnahme 136 Millionen Gulden betragen konnte, und daß in Italien diese Spielsteuer dem armen Volke jährlich 70 Millionen Lire ohne die sehr bedeutenden Verwaltungsausgaben kostet.

Ueber die volkswirtschaftliche Schädlichkeit des Lotto wie der Lotterie, durch welche jährlich Millionen den Unternehmungen des Fleißes und dem Familienhaushalt entzogen werden, ist schon ebenso viel geschrieben worden, wie über den moralischen Verderb in ganzen Volksclassen. Ehe das Lotto in Deutschland (dem jetzigen deutschen Reiche) ausgehoben war, hatten wir dies in hohem Grade mit zu empfinden. Wie viel Familienglück ist damals zu Grunde gegangen, wenn der Mann oder die Frau, oder gar beide vom Lotto-Teufel besessen waren! Vergeblich rächte sich der Volkswitz an dem unheilvollen Institute. Der Verfasser hat in seiner Jugend das Lotto in seiner Vaterstadt noch in voller Blüthe gesehen. Jeden Montag kamen die Lotto-Boten, auch des nahen Auslandes, trotzdem dort das Spielen in diesem Lotto bei Zuchthausstrafe verboten war, stromweise in die Stadt und füllten, mit den einheimischen Spielern, von Nachmittags drei Uhr an den geräumigen Marktplatz. Die Ziehung geschah auf dem Rathhause. Unter einem Fenster des Lotto-Zimmers hing eine große schwarze Tafel zur Aufsteckung der fünf Nummern. Eine mächtige Erregung durchlief schon die Massen, wenn gegen vier Uhr der Waisenknabe, welcher die Nummern aus dem Glücksrade zu ziehen hatte, über den Markt zum Rathhause geführt wurde. Um vier Uhr begann die große Feierlichkeit. Ein Zeichen aus dem betreffenden Fenster des Rathhauses verkündete den Beginn derselben. Lautlose Stille auf dem ganzen Markplatze. Sobald der arme Junge, in ein weißes Gewand gehüllt und mit verbundenen Augen, die erste Nummer aus der vorher umgerollten Trommel des Glücksrades gezogen hatte, wurde diese aus dem Fenster erst ausgerufen und dann auf die Lotto-Tafel gesteckt. Ein Gemurmel ging durch die Menge; bei der zweiten Nummer wurden Ausrufe Einzelner laut, denen stets das Gelächter der Umstehenden folgte. Bei der dritten Nummer hörte man aus vielen Stellen zugleich den allzu lauten Stoßseufzer: „O, ich Ochs, hätte ich doch“ etc. Das Gelächter verschlang den selbstverständlichen Schluß. Diese Selbstverleugnung mehrte und verstärkte sich nun bis zum Ende, wo zahllose „O, ich Ochs, hätte ich die Nummer gesetzt“ zum Ausbruche kamen. Die auswärtigen Lotto-Boten rannten zuerst davon, dann leerte sich langsam der Platz. Im Volksmunde hieß aber diese allmontägliche Lotto-Brüder- und Schwestern-Versammlung der „Ochsenmarkt“.

Dem Aberglauben bot das Lotto das reichste Feld, besonders erhielten die Träume eine außerordentliche Wichtigkeit. Die alten Traumbücher, welche die Träume bildlich erklärten, indem z. B. von Dornen träumen soviel wie Hindernisse, von schmutzigem Wasser Schmerz und Kummer, von Schnee Krankheit, von hellem Feuer künftige Freude, von Todten Regenwetter etc. bedeuten sollte, wurden mit den neunzig Lottozahlen verbunden. In alphabetischer Ordnung füllten diese Traumangaben Hefte und Bücher und fehlten in keinem Hause. Die Traumauslegungen nahmen unzähligen Menschen den Geist die ganze Woche hindurch in Anspruch. Jetzt sind Traumbücher in Deutschland glücklicher Weise doch seltener geworden.

Unsere Illustration stellt unter der Weibergruppe vor der kaiserlich königlichen Lotto-Collectur uns eine solche Traumdeuterin in der Frau mit dem pfiffigen Gesicht dar, welche der dummen Alten an den Fingern her die Nutzanwendung ihres Traumes für die nächste Ziehung aus einander setzt. Diesem Schwindelgeschäft entgegenzuarbeiten und es mit der Zeit überall unmöglich zu machen, giebt es nur ein sicheres Mittel: wahre Volksbildung.

Die höchste Blüthe des Lotto besteht noch heute im Geburtslande desselben, in Italien. Wie vielfach und schamlos dort das Volk durch dieses heillose Institut ausgebeutet wird, haben wir unsern Lesern in einem besondern Artikel: „Die Schmarotzer des italienischen Lotto“, im Jahrgang 1879, S. 342 ausführlich geschildert.

Fr. Hfm.     




Die Braut in Trauer.

Erzählung von Ernst Wichert.
(Fortsetzung.)
11.

Es vergingen mehrere Tage.

Onkel Grün war still und viel bei der Arbeit. Manchmal sah er wie schwer bekümmert aus; wenn er sich aber beobachtet glaubte, hob er den Kopf und gab sich ein vergnügtes Ansehen.

Helene war viel für sich. Das war sie auch in dem Hause der Frau Consul gewesen, aber doch in ganz anderer Weise. Nichts von der Beunruhigung des Gemüths bei dem leisesten Geräusche draußen: wer wird kommen? was wird zu melden sein? Welche Verdrießlichkeit soll’s wieder geben? Sie wußte, daß Niemand sich darum kümmerte, was sie thue und unterlasse. Sie fand Bücher und las darin, größtentheils die alten aus der kleinen Bibliothek des Onkels, die sie vor Jahren schon einmal gelesen hatte, Walter Scott, Wilibald Alexis, Hoffmann, Chamisso. Wenn sie dann doch wieder eine Handarbeit vornahm, hatte sie gleich nachzusinnen, ließ bald die Hände in den Schooß sinken und blickte unverwandt zum Fenster hinaus, wo es doch – nach dem Hofe hin – weiter nichts zu sehen gab, als eine hohe weiße Wand.

Walter kam gar nicht.

Aber der Alte ging Abends spät ein Stündchen aus, wahrscheinlich ihn zu besuchen. Helene nahm dies als gewiß an, enthielt sich jedoch aller Fragen.

Von Aurelie langte in einem duftenden Couvert eine Visitenkarte mit Bleifederaufschrift an. In Folge einer unerwarteten Nachricht mußte sie schnell abreisen und deshalb sogar auf das Vergnügen verzichten, von ihr mündlich Abschied zu nehmen. Nicht einmal ein Ausrufungs- oder Fragezeichen. Helene lächelte, [783] indem sie langsam das Kärtchen in’s Couvert zurückschob, aber die Brust war ihr dabei beklommen. Kein Zweifel: die vor Kurzem noch so glühende Freundschaft hatte eine starke Abkühlung erfahren. Was war der Grund? Einen Grund muß doch jede Veränderung haben.

Es war doch mindestens höchst auffallend, daß Herr von Brendeln gar nichts von sich hören ließ. Helene hatte seinen Besuch gleich am nächsten Tage erwartet. Ihren Brief konnte er gar nicht mißverstanden haben. Jetzt war sie frei, konnte über sich verfügen. Warum in aller Welt zögerte er?

Nicht als ob sie ihn mit Sehusucht erwartete! Sie fürchtete sich eher vor der Minute, die sie ihm gegenüberstellen würde, um diesen unsicheren Zustand für immer abzuschließen. Noch hatte sie sich nicht fest gebunden, noch konnte sie zurück, noch blieb die Möglichkeit, daß sich etwas ereignete, was ihrem Schicksal eine andere Wendung gab. Trat Brendeln ein, so ging er als ihr Verlobter fort. Und sie wußte im Voraus, daß sie sich dann sehr unglücklich fühlen würde, daß sie alle ihre Seelenstärke würde zusammenfassen müssen, sich in das Unvermeidliche zu finden. Ihn konnte aber doch kein Bedenken zurückhalten. Wenn er sie liebte … Nein! nicht einmal das: selbst wenn er sie nicht liebte, wenn er sich einen Irrthum des Herzens bekennen mußte, jetzt war dem Ehrenmanne der Weg vorgeschrieben. Es war beleidigend, daß er Tage darüber hingehen ließ, bis er that, was auf der Stelle gethan werden mußte.

Sie war mehrmals drauf und dran ihm zu schreiben, abweisend natürlich, das Verhältniß gänzlich abbrechend. Aber sie schämte sich – vor Walter. Er hätte den Spott billig gehabt. Wenn sie dann aber die Feder in der Hand hielt und das weiße Papier einladend vor ihr lag, bemächtigte sich ihrer eine solche Schreiblust, daß sie nicht widerstehen konnte. Sie schrieb an sich selbst. Erst nur einen knappen Bericht ihrer Erlebnisse, wie in einem flüchtig geführten Tagebuche; dann, da die Thatsachen rasch erschöpft waren und an sich auch wenig bedeuteten, eine ausführliche Darlegung ihrer wechselnden Seelenstimmungen. Da konnte es denn gar nicht ausbleiben, daß sie sich ernste Auskunft gab über das, was ihr Handeln bestimmt hatte, und daß nun die Gründe, selbst die geheimsten, die sich immer nur zögernd auf’s Papier wagten, gar nicht genügen wollten, sie sich selbst zu erklären. Die geheimsten waren es vielleicht doch noch nicht. Und auch sie mußten aus dem Versteck. Entschlossen tauchte sie die Feder ein – ein großer Tintenklecks gab davon bleibendes Zeugniß – und schrieb:

„Es muß doch gesagt sein: mein schwerstes Unglück ist, daß ich Walter liebe. Ja, ich liebe ihn, jetzt weiß ich’s; und jetzt weiß ich auch, daß ich ihn immer geliebt habe – damals schon, als ich meinte, Furcht vor ihm zu haben, und mich ärgerte, daß er mir nicht schmeichelte und immer auf seinem Willen bestand. Es gab aber auch Augenblicke, in denen ich verständiger urtheilte, und dann hatte ich – nachträglich wieder zu meinem Verdruß – von ihm eine ganz andere Meinung und freute mich seiner männlichen Entschiedenheit und Unnachgiebigkeit gegen die Schwächen des verwöhnten Kindes. Es war nur so schwer, sie abzuthun, und Anderen schien ich, wie ich war, so gut zu gefallen, daß die liebe Eitelkeit am Ende wohl Recht behalten mußte. Ich will mir aber gar nicht Unrecht thun: daß Walter für mich etwas wie Liebe empfinden könne, das ist mir dazumal nicht in den Sinn gekommen. Ich habe auch nicht seinetwegen eine Weile geschwankt, ob ich Robert’s Wunsch erfüllen solle. Ich muß mich aber wirklich ein wenig zu Robert zwingen und am Ende allerhand Gründe für ihn sprechen lassen, die mit der Neigung des Herzens nichts zu schaffen hatten. Leidenschaftlich habe ich mich überhaupt nicht zu ihm hingezogen gefühlt, obschon ich ihm recht gut wurde und gewiß ihn mit der Zeit noch immer lieber gewonnen hätte. Ich muß mir bekennen, daß ich während meines ganzen Brautstandes mich nicht ein einziges Mal zu überwinden vermochte, ihm zärtlich entgegenzukommen, sondern immer nur annahm, was er mir bot, und freundlich erwiderte. Ich habe nie das sehnliche Verlangen gehabt, mit ihm einmal ganz allein zu sein; ich habe nie gefürchtet, mich wohl auch vergessen zu können. Seit ich Walter wiedergesehen, quält mich mitunter der sündhafte Gedanke, ich hätte schlecht bestanden, wenn Robert noch lebte. Gott sei Lob und Dank! Davor bin ich behütet worden. Was mich jetzt so namenlos schmerzt, berührt in anderer Art mein Gewissen. Ich liebe und bin nicht mehr geliebt. Ich möchte mich Walter an die Brust werfen, ihm mein tiefstes Geheimniß beichten – ach, es wäre mein Tod! Er würde mich zurückstoßen, und das ertrüge ich nicht. Aber statt dessen – was thue ich? In welche heillose Verwirrung des Gefühls bin ich gerathen? Das Widerwärtigste muthe ich mir zu, nur um meine äußere Lage zu verändern, meinen Schmerz zu betäuben. Was ist mir der Mann, der mich zu seinem Weibe begehrt? Ihm angehören … Nein, nein und aber nein –“

Sie warf die Feder hin und sprang auf, gluthroth im Gesicht, die Augen flammend. „Nein, nein und aber nein!“ rief sie. „So darf ich nicht fallen. Ich will nicht frei geworden sein, um mir die traurigsten Fesseln anzulegen, die ein unglückliches Weib tragen kann. Sei stolz, mein Herz, sei stolz, vergieb dir nichts! Nie, nie diese unselige Verbindung. Jetzt hab’ ich mich wieder. Auf der Stelle soll Brendeln erfahren …“

Zu spät!

Onkel Benjamin brachte einen Brief, der soeben für sie abgegeben worden. Sie las ihn, wurde kreidebleich und sank ohnmächtig zusammen.

Herr von Brendeln schrieb ihr eine Absage.

Onkel Benjamin holte ein Glas Wasser herbei und netzte ihr die Schläfen. Sie brach, wieder zu sich gekommen, in ein krampfhaftes Weinen aus. „Da lies,“ schluchzte sie, lies! „O – es ist gemein. Aber mir geschieht Recht, ganz Recht; ich verdiene solche Zurückweisung. Wenn Walter erfährt … ich ertrag’ es nicht. Nein, nein, er soll’s erfahren, gerade er. Vor Keinem, als vor ihm, habe ich mich zu demüthigen.“

Grün las und wiegte den grauen Kopf und las wieder, vielleicht nur, um im Augenblick sich nicht äußern zu dürfen. Und dann ließ er, wie das so in bedenklichen Fällen seine Gewohnheit war, erst einige knurrende Laute vernehmen, die als allgemeine Zeichen der Unzufriedenheit verstanden sein wollten. Dabei streichelte er Helene das Haar und klopfte ihr ermunternd die Schulter. „Das ist gemein!“ wiederholte er endlich mit dem Ausdruck tiefster Entrüstung und zwang dazu sein gutmüthiges Gesicht recht wüthend auszusehen. „Ein solcher Mensch! Und das nennt sich von Adel – das! Walter hat ganz richtig gesagt: eine gefährliche Bestie!“

Das letzte war ihm so herausgekommen, er wußte selbst nicht wie. Helene merkte auf und sah ihn mit ihren verweinten Augen fragend an.

„Walter? Ja, ja! Der hat ihn recht erkannt. Und ich selbst … ach Gott! wenn ich’s einem Menschen anvertrauen dürfte!“ Sie wandte wieder das Gesicht ab und bedeckte es mit den Händen. „Ihr müßt mich verachten.“

Der alte Herr suchte sie zu beruhigen, aber es gelang schlecht genug. So Schweres habe sie sich am Ende doch nicht vorzuwerfen. Man könne sich wohl in einem Menschen täuschen, wenn er so geschickt falsches Spiel spiele. Und was könne sie denn dafür, daß sie ihm gut gewesen sei? Damit traf er’s nun ganz unglücklich.

„Onkel, kannst Du das wirklich glauben?“ rief sie, von Neuem in Thränen ausbrechend. „Ach, Du mußt ja wohl! Das ist ja das Traurigste, daß Du und Walter … Nein, er soll nicht …. Sag’ ihm … Ach, es ist nicht zu sagen.“

Er ging nun eine Weile schweigend im Zimmer hin und her. Allein wollte er sie nicht lassen und den richtigen Zuspruch konne er auch nicht finden. Endlich suchte er wieder seinen Arbeitstisch auf, ließ aber die Thüren offen stehen. Und dann, früher als sonst, schickte er sich zum Ausgehen an, kam jedoch noch zu fragen, ob er ihr irgendwie zu Dienst sein könne, und versicherte, daß er heute nicht lange ausbleiben werde. Helene hatte sich auf’s Sopha gelegt, wendete den Kopf nicht zurück, reichte ihm aber die kalte Hand zum Abschied hin. Sie sprach nicht dabei.

Wirklich blieb er nicht lange fort. Er sei bei seinem Sohn gewesen, erzählte er, um ihm von der „Schändlichkeit“ Mittheilung zu machen. Es sei doch nöthig gewesen, ihn von dem Geschehenen zu unterrichten. Sie wollte wissen, wie er sich darüber geäußert habe. „Knapp genug,“ sagte er. „Er hat so den Kopf zurückgeworfen und zwischen den Zähnen hindurch gezischt: ‚Wie konnte Helene auch so thöricht sein, auf eine reiche Erbschaft zu verzichten?‘“

„Ich segne meinen Entschluß,“ entgegnete Helene.

[784] Dem Alten schien’s schon am andern Tage, daß sie ruhiger geworden sei. Sie bat ihn, mit ihr zu berathen, wie sie nun ihr Leben anstellen solle.

„Ich mochte bei Dir die Uhrmacherei erlernen, Onkel,“ sagte sie, „das ist eine zierliche Arbeit, die gut für Frauenhände paßt. Was meinst Du dazu?“

Er zuckte schmunzelnd die Achseln. „Hättest Du wirklich Lust dazu?“

„Gewiß! Ich glaube, diese Beschäftigung würde mich sehr befriedigen. Man sitzt für sich allein, ist ganz still und denkt, was man mag. Dabei hat man doch ununterbrochen zu thun.“

Das gefiel ihm nicht ganz. „Aber diese Arbeit fordert mehr Aufmerksamkeit, als Du denkst, Lenchen,“ wendete er ein. „Wenn der Kopf nicht dabei ist, die Augen allein thun es nicht und die Hände noch weniger. Bei Deinem lebhaften Temperament –“

„Das ist vorbei, Onkel Benjamin.“

„Hm – hm …“

„Traust Du mir nicht? Du solltest es einmal mit mir versuchen. Ich will Dein Lehrling sein und später Dein Gehülfe. Du wirst doch auch einmal alt werden –“

„Ich bin’s schon.“

„Ja, an Jahren vielleicht. Aber Dein Geschäft treibst Du wie der Jüngste. Es wird noch lange dauern, bis Du mir’s einmal abtreten magst. Versuch’s doch. Ich bin recht geschickt.“

„Nun, wie Du willst.“

„Und wir fangen sogleich an, nicht wahr?“

„Meinetwegen. Setze Dich hier zu mir.“ Er meinte, ihr nicht widersprechen zu sollen. Was kam’s denn auch darauf an, wenn sie bald wieder die Lust verlor? Die Beschäftigung war neu und konnte ihr die schwere Stimmung überwinden helfen.

Helene arbeitete nun wirklich unter seiner Leitung sehr fleißig und aufmerksam. Es machte ihm auch offenbar Freude, sie in den Handgriffen seiner Kunst zu unterrichten, die kleinen Hände zeigten sich so geschickt, und die jungen Augen bemerkten jedes Stäubchen ohne Lupe.

Eine halbe Woche war so verbracht, als eines Vormittags der Uhrmacher etwas geheimnißvoll hinausgerufen wurde. Als er wieder zurückkam, sah sein Gesicht ganz verstört aus. Er sprach nichts, kleidete sich aber mit größter Geschwindigkeit an und lief fort.

Erst nach Stunden kam er wieder, ganz matt und aufgelöst, wie von großen körperlichen Strapazen, und zugleich sehr aufgeregt, die Augen voll Thränen. Helene forschte bekümmert, was ihm begegnet sei. Er konnte lange nicht sprechen, bewegte nur die auf der Lehne des Sorgenstuhls schlaff aufliegende Hand ein paar Mal im Gelenk auf und ab und nickte dazu mit dem Kinn auf die Brust hinab. Endlich sagte er weinerlich: „Mein Sohn ist sehr krank, Lenchen, sehr krank –“

„Walter!“ rief Helene überrascht und erschreckt. Daß er zu dem traurigen Zustand des Onkels den Anlaß gegeben, war ihr nicht entfernt eingefallen. „Aber Du hast in den vorigen Tagen nicht das Mindeste davon angedeutet –“

„Wie sollte ich – wie konnte ich?“ winselte er. „Er war ja ganz gesund. Nur manchmal ein bischen wunderlich –“

„Und ganz plötzlich?“

„Ganz plötzlich – heute früh …“

„Was ist’s denn?“

„Er hat eine Wunde –“

„Eine Wunde?“

„In der Brust. Man weiß noch nicht, wie tief, und welche edlern Organe –“

„Onkel, foltere mich nicht. Was für eine Wunde? Wie kommt Walter zu einer solchen Verletzung?“

Er sah sie schmerzlich an. „Eine Schußwunde, Lenchen. Es ist leider wahr – eine Schußwunde in die Brust. Zum Glück nicht in’s Herz, aber in die Lunge vielleicht. Der schändliche Mensch –“

Helene schrie auf. Sie schien zu begreifen, um was es sich handelte. „O, mein Gott – ein Duell –“

„Mit Herrn von Brendeln.“

Sie zuckte zurück. In ihr bleiches Gesicht stieg eine Secunde lang flammende Röthe. „Meinetwegen …“ zitterten ihre Lippen.

Der Onkel nickte. „Ich hab’s gleich gemerkt,“ erzählte er, „daß Walter im Stillen etwas plante. Er hielt den Brief, den Herr von Brendeln Dir geschrieben, für einen Schimpf der Familie. Ich weiß jetzt, daß er zu ihm gegangen ist und ihn aufgefordert hat, Dir sein Wort zu halten.“

„O, er konnte glauben –?“

„Herr von Brendeln hat ihm eine schnöde Antwort gegeben – eine Forderung war unvermeidlich. Von einer Aussöhnung konnte nicht die Rede sein. Heute früh haben sie im Stadtwalde mehrere Kugeln gewechselt. Herr von Brendeln ist unbedeutend am Arm verletzt; mein Walter aber …“

Die Stimme versagte ihm.

„Und ich trage die Schuld!“ rief Helene, vor ihm niedersinkend. „Ach! Du mußt mich hassen!“

Onkel Benjamin hob sie auf. „Die Ursache bist Du, Kind,“ entgegnete er, „ja, ja! Aber Deine Schuld will ich’s nicht nennen, daß das geschehen ist. Was kannst Du dafür, daß er Dich liebt?“

„Er liebt mich?!“ schrie Helene auf. „Walter liebt mich? Onkel – dieses Wort –“

„Der Kummer hat mir’s herausgepreßt,“ sagte er. „Magst Du’s doch auch wissen, da nun Alles zu Ende ist. Schon damals als Student – warum ging er fort? Nur weil er Dich dem Herrn Robert Berghen lassen mußte. Als er wiederkam, sollten wir glauben, daß davon nichts hängen geblieben sei. Wer ihn aber so gut kannte, wie sein Vater, der durchschaute bald das Komödienspiel. Vorsichtig wollte er erst prüfen, ob für ihn Hoffnung sei. Nun, mit dem Todten hätt’ er es wohl noch aufgenommen, aber da sah er, daß er zu spät gekommen, daß dieser Herr von Brendeln Dein Herz schon gewonnen hatte.“

„Er hat es nie besessen,“ fiel Helene ein, „glaube mir!“

„Dann ist mein armer Junge um so mehr zu bedauern,“ klagte der Onkel, „da er für ein rechtes Nichts sein Leben auf’s Spiel gesetzt hat. Wie Du das vor Dir rechtfertigen willst …“

Er schluckte den Rest des Vorwurfs nieder. Er war nun aber doch so gut wie ausgesprochen. „Meine Rechtfertigung wird Dir mein Verhalten noch unbegreiflicher erscheinen lassen,“ sagte Helene. „Welch unseliger Irrthum! Wie haben wir einander verkannt! Weil ich mich von ihm verschmäht glaubte –“

„Von Walter?“

Sie warf sich an die Brust des alten Onkels. „Nun darf’s nicht verschlossen bleiben,“ rief sie. „Du wenigstens sollst es wissen: vom ersten Augenblick an, wo ich Walter wiedersah, verstand ich mein Herz. Er – nur er –“

„Spiele nicht mit mir,“ bat er kopfschüttelnd. „Wie konntest Du für meinen Sohn herzlich empfinden, wenn Du einem Andern Deine Hand zusagtest? Aber dieser Andere hat Dich betrogen, und da ist Dir nun Walter gut genug –“

(Fortsetzung folgt.)




Aus dem „Buche von der Königin Louise“.

Die „Gartenlaube“ hat schon wiederholt Gelegenheit genommen, der hohen Idealgestalt einer echten deutschen Frau, wie sie in der Mutter unseres Kaisers verkörpert ist und in dem dankbaren Gedächtnisse aller Deutschen fortlebt, in Wort und Bild zu gedenken, so noch zuletzt, als sie die vierzehnjährige Prinzessin Louise von Mecklenburg mit ihrem elfjährigen Bruder Georg im neckischen Kinderspiele am Brunnen der Frau Rath Goethe in Frankfurt am Main nach dem köstlichen Bilde von Paul Thumann unseren Lesern vorführte (Jahrg. 1882, S. 760 ff.). Eine besondere Veranlassung, auf diese edle Gestalt unserer vaterländischen Geschichte nochmals zurückzukommen, ist uns durch ein vorzüglich gelungenes und mit besonderer Sorgfalt ausgestattetes Prachtwerk gegeben, welches ein vollständiges Lebensbild der „Königin Louise“ entrollt und dessen hoher Werth nicht sowohl in der vorzüglichen Ausstattung, als vielmehr in vielen bisher unbekannten Veröffentlichungen, namentlich in dem Abdrucke vieler Briefe der Königin an ihren Vater und Bruder besteht. Dieselben, sowie die Vorlagen zu den zahlreichen Illustrationen, welche das Werk

[785]

Begegnung der Königin Louise mit Kaiser Alexander I. am 10. November 1802.
Nach dem Kupferstiche von J. Fr. Bolt;00Originalgemälde von J. C. Dähling.

[786] schmücken, sind dem Verfasser, Hofrath Dr. Georg Horn in Potsdam, aus den archivalischen und Kunstschätzen des deutschen Kronprinzen, der Großherzöge von Mecklenburg-Strelitz und Hessen zur Verfügung gestellt worden. Diesem Werke, welches demnächst im Verlage der Grote’schen Buchhandlung in Berlin erscheinen wird, ist auch die Illustration entlehnt, welche unseren Lesern ein wenig bekanntes Gemälde von J. C. Dähling im Holzschnitte vorführt. Dasselbe stellt die Begegnung der Königin Louise mit Kaiser Alexander I. dar, welche am 10. November 1802 in Memel stattgefunden hat.

Damals war diese nördlichste Stadt im Reiche – wir folgen hier der Darstellung G. Horn’s – nur durch ihren Seehafen und ihren Handel mit Rußland bedeutend. Dieser brachte viel Leben in die Stadt. Besondere Annehmlichkeiten bot die letztere sonst nicht, auch selbst nicht im Aeußeren. Die Einwohnerschaft belief sich auf etwa 8600 Seelen. Die Straßen waren eng, finster, unregelmäßig. – Hervorragende Gebäude gab es wenig, das eleganteste Haus gehörte dem dänischen Consul, und hier hatten Friedrich Wilhelm III. und Königin Louise Wohnung genommen, um auf der Grenze beider Reiche den Beherrscher des Nachbarstaates zu erwarten.

Unsere Illustration stellt die Persönlichkeiten dieser Zusammenkunft dar. Es ist ein Gruppenbild aus jener Zeit, arrangirt mehr nach der Phantasie und dem Gesetze und Bedürfnisse künstlerischer Darstellung, als nach der Wirklichkeit. Der Mann, der sich mit graziöser Verbindlichkeit, mit männlicher Huldigung der Königin entgegenneigt, ist der Kaiser Alexander. „Er ist ein schöner Mann,“ schrieb in jenen Tagen unter dem frischen Eindrucke die Gräfin Voß, „blond, mit einer sehr frappanten Physiognomie, aber die Gestalt ist nicht schön oder vielmehr er hält sich nicht gut.“ Links von ihm steht der König, den russischen Kaiser an Leibeslänge überragend, seine Handbewegung deutet die Situation der Vorstellung an. Links von ihm sein nächstältester Bruder Prinz Wilhelm, dann der jüngere Bruder des Königs, Prinz Heinrich. Dahinter das russische und preußische Gefolge, unter jenem der Gesandte von Alopäus, die Fürsten Tolstoi, Kossubey, Dolgorucki, Lieven, unter diesem der wegen seiner ausgesprochenen russischen Sympathien bekannte Graf Kalkreuth, der Gouverneur von Danzig, ferner der kleine dicke Hofmarschall von Massow. Den Mittelpunkt des Bildes bildet die Königin. Meister Dähling, sonst als ein etwas trockener akademischer Zeichner bekannt, hat während dieser Reproduction eine seiner wenigen glücklichen Stunden gehabt. Man erhält durch die Figur der Königin einen Eindruck von ihrer Anmuth, ihrer Würde und Hoheit, von dem Zauber ihres Wesens; die runden Wellenlinien des Körpers, die Haltung der rechten Hand, das halb erhobene, zu dem Kaiser aufschauende Haupt werden zum sprechenden, lebendigen Ausdrucke. Ein glücklicher charakteristischer Zug geht durch alle Gestalten, so auch durch die der Gräfin Voß. Letztere hat sich Zeit ihres Lebens über dieses Bild nicht beruhigen können. Sie ist auf demselben mit aufgenommener Schleppe dargestellt, während es erstes Gesetz der Etiquette ist, diese vor einem Souverain entfaltet zu tragen. Die jüngere Dame links an der Seite der Gräfin Voß ist die Gräfin Moltke. Hinter den Damen stehen die Kammerherren von Schilden und von Buch. – In Wirklichkeit allerdings gestaltete sich die erste Begegnung zwischen den maßgebenden Persönlichkeiten etwas anders. Friedrich Wilhelm III. war dem Kaiser bis eine Meile vor Memel entgegengeritten, der Kaiser kam, escortirt von Detachements preußischer Husaren und Dragoner, von der Landesgrenze aus im Wagen angefahren, stieg aber gleich zu Pferde und hielt so an der Seite des Königs seinen Einzug in die preußische Stadt. An der Treppe der königlichen Wohnung erwarteten ihn die Gräfinnen von Voß und Moltke. Die Königin empfing den Kaiser im ersten der Gemächer, die sie bewohnte, und ging mit ihm und ihrem Gemahle in den daran stoßenden Salon. Unterdeß hatte sich der Hofstaat im Vorzimmer versammelt, und dann traten die Majestäten wieder heraus, um die gegenseitigen Vorstellungen entgegenzunehmen. Sechs Tage blieben die beiden Herrscher beisammen. Die Zeit ging zumeist mit militärischen Uebungen hin.

Aber auch politische Fragen wurden auf dieser Zusammenkunft erörtert, für Preußen sogar sehr brennende. Es handelte sich um sehr schöne Landestheile, die sich Preußen aus der Karte des deutschen Reiches ausschnitt. Wo alle Reichsstände dreist und unverfroren zugriffen, um sich an dem Besitzthum der Kirche für die Verluste auf dem linken Rheinufer zu entschädigen – da konnte der Staat Friedrichs des Großen doch nicht zurückbleiben, und wohl darf man es jetzt sagen, daß die Minister des Königs nicht blöde im Fordern waren: im Ganzen wurden von Preußen zweihundert Quadratmeilen mehr gefordert, als es aufgegeben hatte. Diese Entschädigungen wurden im Beisammensein der Monarchen und deren Minister verhandelt – und das Resultat war der sieben Monate darauf eingereichte Entschädigungsplan bei der Reichsversammlung in Regensburg, der ein Jahr darauf, 1803, zum Reichsdeputationsbeschlusse führte. Und der Preis, den Frankreich dafür forderte? Das linke Rheinufer! Immerhin! Es waren ja nicht deutsche Reichsstände, die das Geschäft der Theilung besorgten – dieses hatte man großmüthigst an Rußland und Frankreich überlassen, wohl um der Parteilichkeit willen. Im deutschen Rhein floß in jenen Tagen die deutsche Schmach, und hier an der Ostgrenze der preußischen Monarchie, im Herzogthum Preußen, das allerdings nie zu dem deutschen Reiche gehört hatte, wurden die Verträge besiegelt.

Nicht mit Unrecht schließt daher der Verfasser des genannten Werkes die Schilderung der Memeler Zusammenkunft mit folgendem Ausruf:

„Der Rhein, o Königin, an dem die Auen Deiner Heimath lagen, in dem der Nibelungenhort, die deutsche Ehre ruht! Du freutest Dich, wie Leonore d’Este, ‚wenn kluge Männer sprechen‘, daß Du verstehen könntest, ‚wie sie es meinen‘. Aber war es denn so klug? Gab Preußen sich im Rhein nicht für Deutschland auf, trieb es die kleinen Fürsten nicht in des Eroberers Arme? Hat Dein Herz, Königin, nicht in seinem Schmerze aufgezuckt, wie deutsche Länder achtlos an Frankreich hingeworfen wurden?“




Blätter und Blüthen.

Vom Bücher- und Bildermarkt für den Weihnachtstisch. (Fortsetzung von Nr. 47.) Wir beginnen diesmal mit den kostspieligeren Leistungen der Kunst und Literatur, welche auch durch ihre bevorzugte äußere Ausstattung andeuten, auf welcherlei Käufer sie warten. Voran steht ein Werk, das ein dreifaches Interesse für sich in Anspruch nehmen kann: das des Gegenstandes und seiner wissenschaftlichen und künstlerischen Behandlung. Dieses Werk ist:

Richard Wagner’s Frauengestalten, erläutert von Richard Gosche, ordentlichem Professor an der Universität zu Halle-Wittenberg. Mit 12 Illustrationen nach Cartons, unter Benutzung photographischer Aufnahme gemalt von J. Bauer und E. Limmer Leipzig, Verlag von Edw. Schloemp.“ – Wagner’s Frauengestalten! An welchem gebildeten Auge zieht nicht bei diesem Worte eine Reihe der erhabensten Erscheinungen des Frauenlebens der Sage und der Geschichte vorüber! Und wie einig und innig reichen sich bei ihrer Vorführung Wissenschaft und Kunst die Hand! In der Einleitung zeigt uns Gosche in seiner klaren, frischen und warmen Darstellungsweise den Weg, auf welchem Wagner zur immer höheren Würdigung der Frauen emporstieg, und dieselben Vorzüge zeichnen die anschaulichste Charakteristik jeder der zwölf vorgeführten Gestalten aus, während wir dabei, wie ein Beurtheiler des Buches sagt, „gleichzeitig die gesammte künstlerische Entwickelung Wagner’s von Rienzi an bis zu Parsisal durchlaufen“.

Der künstlerische Antheil am Werke stellt in scenischer Umgebung die getreuen Portraits folgender zwölf Primadonnen dar: Lili Lehmann als Irene im „Rienzi“, Therese Malten als Senta im „Fliegenden Holländer“, Mathilde Weckerlin als Elisabeth im „Tannhäuser“, Ida Beber als Venus des Hörselbergs, Mathilde Mallinger als Elsa und Fanny Moran-Olden als Ortrud im „Lohengrin“, Rosa Sucher-Hasselbeck als Eva in den „Meistersingern von Nürnberg“, Therese Vogl als Isolde und Angelika Luger als Brangäne in „Tristan und Isolde“, Anna Sachse–Hofmeister als Siglinde und Hedwig Reicher–Kindermann als Brünnhilde im „Ring der Nibelungen“, und Amalie Friedrich–Materna als Kundry im „Parsifal“.

Es wird kaum nöthig sein, dieses Prachtwerk als ein Weihnachtsgeschenk ganz besonders für Verehrerinnen Wagner’s zu empfehlen.

Für Freunde der bildenden Kunst giebt die Wiener Künstler-Genossenschaft ein „Internationales Künstler–Album“ heraus, dessen Inhalt in einer Auswahl von 25 Lichtdrucken nach Handzeichnungen hervorragender Künstler der Neuzeit besteht und das im Verlage der kaiserlich königlichen Hof– und Universitätsbuchhandlung von R. Lechner in Wien [787] erschienen ist. – Vor Allen Denjenigen, welche das Original des Künstlers gerne in einer photograpisch treuen Reproduction besitzen, kommt der große Vervielfältigungsfortschritt des Lichtdrucks zu Gute.

Die 25 Handzeichnungen sind von 20 Malern geliefert: unter diesen befinden sich 11 Wiener (Sigmund l’Allemand, Professor Rud. Alt, Hans Canon, Hugo Darnant, Ludwig Hans Fischer, Fr. Friedländer, Alois Greil, Hans Makart, Prinz Heinr. VII. von Reuß, Frz. Rumpler und Robert Ruß), 4 Münchener (Frz. Defregger, G. Hackl, C. G. Hellquist und F. A. Kaulbach), 2 Düsseldorfer (Morten-Müller und B. Vautier) und je Einer aus Berlin (Prof. Ludw. Knaus), Brüssel (J. B. Madou), Paris (L. A. l’Hermitte) und Stockholm (A. Nordgren).

Dem Kunstkenner genügen schon diese Namen, um den Werth der Sammlung zu würdigen, und der Laie wird stets den Rath eines solchen einholen, wenn er sein werthvolles Weihnachtsgeschenk im Kunstladen sucht. Wir dürfen uns deshalb auf diese Hindeutung beschränken, ohne in ausführlicherer Besprechung auf die einzelnen Stücke besonders einzugehen. Wir verrathen nur, daß wir von Defregger einen Tiroler Bauernknecht, von Vautier ein paar stattliche elsässische Bauernmädchen dazu, von Kaulbach allerliebste Portraits, von Nordgren ein effectvolles Mondscheinbild sehen. Makart erfreut uns mit der Skizze zu seinem „Einzug Karl’s V. in Antwerpen“. Dieselbe hat insofern ein besonderes Interesse, als wie aus ihr ersehen, daß Makart sich anfangs mehr an A. Dürer’s Schilderung jenes Einzugs gehalten zu haben scheint, und erst bei der Ausführung sich weiter von derselben entfernt hat.

Zum Weihnachtsmarkte liefert ferner eine stattliche Reihe von illustrirten Werken die Verlagshandlung von Heinr. Schmidt und Karl Günther in Leipzig.

Von dem großen Prachtwerk: „Rom in Wort und Bild. Eine Schilderung der ewigen Stadt und der Campagna von Dr. phil. Rud. Kleinpaul. Mit 417 Illustrationen“ liegt der zweite Band nunmehr vollendet vor, welcher allein mit 245 Illustrationen ausgeschmückt ist. Vom Verfasser und Verleger ist redlich gehalten worden, was sie in ihrem Programm zugesagt haben, und so können wir mit gerechtfertigtem Vertrauen auch der Vollendung eines anderen neuen Unternehmens entgegensehen, von welchem bis heute die ersten fünf Hefte erschienen sind. Das ist:

„Neapel und seine Umgebungen. Geschildert von Dr. phil. Rud. Kleinpaul. Mit circa 150 Illustrationen, in fünfzehn Heften à 1 Mark.“ Auch für dieses Werk kommen dem Verfasser längerer Aufenthalt im Lande, ein geübter Blick für das Erkennen des Mittheilenswerthen und ernste Studien zu Hülfe. Als ein drittes Unternehmen desselben Verlags nennen wir:

„Amerika. Eine Schilderung der Vereinigten Staaten in Wort und Bild von Friedrich von Hellwald,“ das auf 50 Lieferungen mit circa 700 Illustrationen berechnet ist und von welchem uns 15 Lieferungen vorliegen. Das dem ersten Hefte vorgedruckte Programm verspricht in textlicher Beziehung für einen Mann von Hellwald’s bisherigen literarischen Lieferungen sicherlich nicht zu viel, sodaß wir auch dieses Werk als werthvolle Weihnachtsgabe empfehlen können.

Aus das aus demselben Verlage hervorgehende Werk „Die deutsche Kaiserstadt Berlin und ihre Umgebung. Geschildert von Max Ring haben wir unsere Leser schon früher hingewiesen. Der Verfasser ist unserem Publicum längst durch seine jahrelange Mitarbeiterschaft an der „Gartenlaube“ ein alter Bekannter. Die Zahl der Illustrationen dieses Buches ist auf 300 berechnet. Die außerordentlich rasche Vergrößerung und Verschönerung sowie die steigende Wichtigkeit dieser Stadt nimmt für das Werk selbst immer stärkere Theilnahme in Anspruch. Von den geplanten dreißig Heften sind bis jetzt achtzehn veröffentlicht.

Von einem ähnlichen Unternehmen der Verlagshandlnug Greßner und Schramm in Leipzig: „Russisch-Asien. Geschildert von Hermann Roskoschny“ liegt das erste Heft vor uns. Da dasselbe zugleich die zweiundvierzigste Lieferung eines Werkes über „Rußland, Land und Leute“ bildet, so hat es sich dem Publicum bereits selbst genügend bekannt gemacht.

Es sei uns noch gestattet an dieser Stelle besonders hervorzuheben, daß nunmehr der zweite Band von „Palästina in Bild und Wort“ von Georg Ebers und H. Guthe (Deutsche Verlagsanstalt, Leipzig und Stuttgart) vollständig erschienen ist. Wir haben dieses Prachtwerk im vollsten Sinne des Wortes schon zu wiederholten Malen unseren Lesern empfohlen und können heute unser früheres Urtheil nur bekräftigen. Das Werk liegt uns jetzt vollständig vor und ist wohl geeignet, selbst den anspruchsvollsten Weihnachtstisch zu schmücken.

Eine werthvolle Gabe für Alle, welchen das Glück beschienen ist, auch dem Dienst des Schönen mit dem entsprechenden Aufwand huldigen zu können, ist die ebenso reich als geschmackvoll illustrirte „Geschichte der bildenden Künste, mit besonderer Berücksichtigung der Hauptepochen derselben, von E. Ribbach“. Berlin. Verlag von Friedberg und Mode. Die 166 Abbildungen im Text und 24 Vollbilder dienen zum Schmuck und zur Belehrung zugleich. – Nach des Verfassers Ansicht hat „die Kunstgeschichte, innerhalb des reichen Kranzes der Wissenschaften eine der jüngsten Disciplinen, eine Zeit, so reich in dem Wachsen der Erkenntniß, wie die jetzige, noch kaum erlebt: jeder Tag bringt neue Resultate, Vieles sinkt in Trümmer, was bisher dem eisernen Bestande zugerechnet werden durfte, und oft strahlt durch die Gewinnung eines einzigen Factums nach allen Seiten hin Licht auf“. Eine solche Zeit verlangt nach einem Führer durch diese wandelreiche Kunstwelt, denn „das Interesse für Kunst und Kuntstgeschichte ist vertieft und ist in weitere Kreise gedrungen, und je mehr der Schatz der Kunstdenkmäler anwächst, desto dringender wird der Wunsch, von dieser unbekannten Welt kennen zu lernen, in ihr festen Fuß zu fassen, durch sie Ausweitung des geistigen Horizonts und ästhetischen Genuß zu erhalten. Einem Publicum, das so empfindet“, ist dieses Buch gewidmet, und wir können nur wünschen, daß die bevorstehende Weihnacht mit ihren tausend Freuden auch dieser Bildungsrichtung in unserer Nation mit zu Gute komme.

Ganz besonders als ein Weihnachtsgeschenk für die schönere und bessere Hälfte germanischer Menschheit ist ersonnen und ausgeführt das reich verzierte Prachtbuch:

„Deutsches Frauen-Album in Wort und Bild. Herausgegeben von Dr. Rudolf von Gottschall. Leipzig, Gustav Hoefler.“ Den Inhalt bildet eine Auswahl von Gedichten hervorragender Lyriker, welche sämmtlich dem Lebensgang der Frauen gewidmet sind. Diese Auswahl konnte in keine bessere Hand kommen, als in die eines Literarhistorikers, Kritikers und Dichters von Gottschall’s Gediegenheit. Das Buch behandelt in sechs Abschnitten: 1. Kindheit, Jugend, Schönheit; 2. Liebe; 3. Braut und Gattin; 4. Frauengestalten; 5. Die Mutter; 6. Am Grabe. Unter den Dichtern finden wir nur bekannte und viele gefeierte Namen. Gewidmet ist das Album der Großherzogin von Weimar. – Von den Illustrationen müssen wir den sieben Vollbildern von C. Karger, Herm, Kaulbach und Waldemar Graf Reichenbach auch in künstlerischer Ausführung den Vorzug vor der Mehrzahl der Vignetten (von Karger und Stuck) geben.

Daß zum Christfeste auch eine achtbändige Ausgabe von Emanuel Geibel’s Gesammelten Werken durch die J. G. Cotta’sche Buchhandlung in Stuttgart dargeboten wird, ist sicherlich für die vielen Verehrerinnen und Verehrer desselben eine Nachricht, welcher man keine weitere Entpfehlung beizufügen braucht. Geibel ist und bleibt ja ein Liebling nicht nur der deutschen Frauen, sondern des deutschen Volkes überhaupt, und der Cotta’sche Verlag hat sich durch diese Ausgabe, welche geschmackvolle Ausstattung mit billigem Prelse verbindet, ein weiteres Verdienst erworben.

Neben der schwereren Fracht der genannten Werke kommen Dichter und Verleger auch mit leichterem Gepäck, aber von gleich festlich glänzender Außenseite zum Christmarkte. Die Epiker und Lyriker suchen auf den Wogen der Weihnachtsstimmung mit einzufahren in manches Familienheim, das ihnen nur bei solchen Festgelegenheiten die Thüren öffnet. Unter dieser äußerlich anscheinend so leichten Waare findet sich manche schwere Perle, die aus tiefem Herzen gehoben wurde, und manches kleine Buch, das nur großer Fleiß der Arbeit in’s Leben rufen konnte. Leider gebricht es uns an Raum, um diesen Festgaben begründete Empfehlungen mit zu geben. Wir müssen unsere Leser ersuchen, uns zu glauben, daß wir ihnen nichts anpreisen, dessen Besitz sie nicht erfreuen könnte; doch geschieht dies ausdrücklich mit der Bitte um Berücksichtigung der Verschiedenheiten menschlicher Geschmacksansprüche.

Wir führen zunächst einige Epiker auf.

„Die Madonna. Eine Künstlernovelle in Versen von Anton Ohorn (in Chemnitz)“. Stuttgart, Vertag von Levy und Müller. Diese Dichtung ist eine Herzstärkung, zu der man gern zurückkehrt. Was man oft lesen kann, ist gewiß gut.

„Des Nordlands Königstochter. Eine epische Märchendichtung von Franz Siking. Frankfurt am Main, J. D. Sauerländer’s Verlag.“ Wir lassen auch bei dieser Dichtung die Fabel unerzählt; solches Vorausnaschen verkürzt den Genuß eines wahren Dichterwerkes. Und ein solches haben wir in dieser Märchendichtung vor uns, an welcher uns besonders Zweierlei erfreut. Die Stoffwahl ist ein energischer Fingerzeig für unsere gesammte deutsche Schulbildung, die fast nur auf biblisches und classisches Alterthum begründet ist mit beklagenswerther Vernachlässigung unserer heimischen, in den meisten ihrer Erscheinungen so großartigen Vorzeit. Der Dichter führt uns die Bilder derselben wieder vor und wirbt so auf dem besten Wege für die Aufschließung der alten urgermanischen Schätze auch für unsere Schulstube. Der andere Vorzug dieser Königstochter ist, daß sie uns wirklich männlichen Männern begegnen läßt, daß sie von festem Kerne und gesundem Marke des geschilderten Lebens zeugt. Diese Dichtung verdient recht reichlich in die Hände der männlichen Jugend als Weihnachtsgabe befördert zu werden.

Der Empfehlung und Wahl für den Weihnachtstisch sind ferner besonders werth: Adalbert Schroeter’s „York von Wartenburg“. Vaterländisches Heldengedicht. Jena, Costenoble. – Ernst Harmening’s „Miriam. Hohes Lied der Liebe.“ Mühlhausen im Elsaß, W. Bufleb. – Albert Kellner’s „Melechsala. Romantisches Gedicht.“ Berlin, Verlagsanstalt. – Karl Kösting’s „Der Weg nach Eden. Epische Dichtung in 5 Büchern.“ Leipzig, Ernst Günther. – John Th. N. Rocloff’s „Erika. Eine Mär aus der Haide.“ Leipzig, Otto Most. – Heinrich Seitz’ „Reinhardsbrunnen. Eine Mär vom Wald.“ Hildburghausen, Kesselring’sche Hofbuchhandlung. – Wilhelm Fischer’s „Anakreon. Ein Frühlingsidyll in drei Gesängen“. Leipzig, W. Friedrich’sche Hofbuchhandlung.

(Schluß folgt.)




Nochmals der „Schwager“. In Nr. 39 der „Gartenlaube“ befindet sich eine interessante Abhandlung über Volksirrungen in der Sprache.

Wegen der Herkunft eines Ausdruckes bin ich jedoch anderer Meinung, als Herr Dr. Söhns.

Der geehrte Herr Einsender behauptet nämlich, daß die Bezeichnung „Schwager“, die man dem Postillon giebt, von dem französischen „Chevalier“ herrühre. Erstere Bezeichnung ist sehr alt, geht bis in die vortaxissche Postzeit zurück und stammt höchstwahrscheinlich aus Baiern. Aber den „Schwager“ aus dem Chevalier abzuleiten, scheint mir doch etwas gewagt, da ich nicht glauben kann, daß französische Chevaliers als Fuhrknechte jemals bei uns Dienste leisteten und Reisende gefahren haben.

Der Schwager dürfte folgendermaßen entstanden sein: Die Besitzer der zahlreichen „Schwaigen“, wo Pferde gehalten und gezüchtet wurden, waren nämlich in früherer Zeit, als noch keine regelmäßigen Postverbindungen bestanden, verpflichtet, die Reisenden zu fahren. Es waren dies namentlich Reisende im amtlichem Auftrage, Regierungsbeamte, Couriere etc. Diese Pflichtfuhrleute nannte man „Schwaiger“ und späterhin ist hieraus „Schwager“ geworden.



[788]

Kleiner Briefkasten.

T. E. in Ehrenfeld bei Köln. Die Verse waren zur Aufnahme nicht geeignet. Ueber E. T. A. Hoffmann vergleichen Sie Jahrgang 1856 der „Gartenlaube“ S. 665 und Jahrgang 1857 S. 703. Dem ersteren Artikel ist das Bild des phantastischen Dichters beigefügt.

Leuchtmoos als Zimmerpflanze. Vielen Anfragern theilen wir mit, daß Herr Johann Leistner, Hausmeister der Realschule in Wunsiedel, sich erboten hat, etwaige Aufträge in Bezug auf die Versendung des Leuchtmooses entgegenzunehmen. Freilich wird dieselbe wegen des bereits eingetretenen Frostes und Schneefalles erst im nächsten Frühjahr erfolgen können.

R. Ramière. Wie ist es möglich, Ihnen ein Manuscript zurückzuschicken, wenn Sie der Redaction Ihre Adresse nicht angeben? Nennen Sie uns im Vertrauen auf unsere Discretion Ihren wahren Namen und Wohnort, oder geben Sie wenigstens eine Chiffre für postlagernde Sendung an.




Als Weihnachtsgeschenke empfohlen!
Verlag von Ernst Keil in Leipzig.



Bock, Carl Ernst, Das Buch vom gesunden und kranken Menschen. 13. Aufl. I. Bd.     
Eleg. brosch. 6 ℳ 75 ₰ geb. 8 ℳ –– ₰
  " II. " 
" 0 " 0 5 ℳ 25 ₰ " 6 ℳ 50 ₰
Gerstäcker, Eine Gemsjagd in Tirol. Brosch. 10 ℳ Eleg. geb. mit Goldschn. 12 ℳ 50 ₰
Godin, Mutter und Sohn. Roman. 2 Bände. Eleg. brosch. 6 ℳ 0– ₰
Gottschall, Rudolf von, Friedens und Kriegsgedichte. 2. Auflage des „Janus“. Eleg. geb. m. Goldschn. 4 ℳ 50 ₰
Heimburg, Lumpenmüllers Lieschen. Roman. Eleg. brosch. 5 ℳ 0– ₰
 Kloster Wendhusen. Roman. Eleg. brosch. 4 ℳ 50 ₰
 Aus dem Leben meiner alten Freundin. Roman. 3. Auflage. Eleg. brosch. 5 ℳ 0– ₰
v. Hillern, Aus eigener Kraft. Roman. 3 Bände. Eleg. brosch. 9 ℳ 0– ₰
Horn, Georg, Bei Friedrich Karl. Bilder und Skizzen aus dem Feldzuge der zweiten Armee. 2 Bde. Eleg. brosch. 9 ℳ 0– ₰
Marlitt, Goldelse. Volks-Ausgabe. 16. Auflage. Eleg. brosch. 3 ℳ 0– ₰
 Goldelse. Salon-Ausgabe. Illustrirt von P. Thumann. 2. Auflage. Eleg. geb. mit Goldschnitt 10 ℳ 50 ₰
 Das Geheimnis der alten Mamsell. Roman. 10. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 6 ℳ 0– ₰
 Reichsgräfin Gisela. Roman. 6. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 8 ℳ 0– ₰
 Haideprinzeßchen. Roman. 5. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 9 ℳ 0– ₰
 Die zweite Frau. Roman. 6. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 7 ℳ 50 ₰
 Im Hanse des Commerzienrathes. Roman. 3. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 8 ℳ 0– ₰
 Thüringer Erzählungen. Inhalt: Die zwölf Apostel. – Der Blaubart. 5. Auflage. Eleg. brosch. 4 ℳ 50 ₰
 Im Schillingshof. Roman. 2. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 9 ℳ 0– ₰
 Amtmanns Magd. Roman. 2. Auflage. Eleg. brosch. 5 ℳ 0– ₰
v. Meyern, Teuerdank’s Brautfahrt. Romantisches Zeitbild. Eleg. brosch. 4 ℳ 50 ₰
Meyr, Gleich und Gleich. Erzählung aus dem Ries. Eleg. brosch. 2 ℳ 70 ₰
Michael, Vernünftige Gedanken einer Hausmutter. 2. bedeutend vermehrte Auflage. Eleg. brosch. 4 ℳ Eleg. geb. 5 ℳ 0– ₰
Prutz, Robert, Buch der Liebe. 5. Auflage. Eleg. geb. mit Goldschnitt 5 ℳ 25 ₰
Schefer, Leopold, Für Haus und Herz. Letzte Klänge. Eleg. geb. mit Goldschnitt 5 ℳ 70 ₰
Scherenberg, Ernst, Gedichte. 2. Auflage. Prachtband. 5 ℳ 25 ₰
 Neue Gedichte. 2. Auflage. Eleg. geb. mit Goldschnitt 2 ℳ 60 ₰
Scherr, Johannes, Goethe’s Jugend. Eleg. geb. 4 ℳ 50 ₰
Schmid, Herman von, Gesammelte Schriften, in 69 Heften (à 30 ₰) 20 ℳ 70 ₰
  Neue Folge. Heft 70 u. folg. à 30 ₰
  " Band I (der ganzen Reihe 33. Band) und folg. à 75 ₰
Steub, Altbaierische Culturbilder. Eleg. brosch. 3 ℳ 0– ₰
Stolle, Palmen des Friedens. Gedichte. 5. Auflage. Eleg. geb. mit Goldschn. 4 ℳ 50 ₰
  Deutsche Pickwickier. Komischer Roman. 3. Auflage. 3 Bände. Brosch. 3 ℳ 0– ₰
Temme, Erinnerungen. Herausgegeben von Stephan Born. Mit Temme’s Bildnis. Eleg. brosch. 4 ℳ 50 ₰
Traeger, Albert, Gedichte. 15. Auflage. Eleg. geb. mit Goldschn. 5 ℳ 25 ₰
v. Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. 3 Bände. Brosch. 20 ℳ 50 ₰
Werber, Feuerseelen. Erzählungen. Brosch. 5 ℳ 0– ₰
Werner, Gartenlaubenblüthen. Inhalt: Ein Held der Feder. – Hermann. 2. Auflage. 2 Bde. Eleg. brosch. 6 ℳ 0– ₰
 Am Altar. Roman. 3. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 6 ℳ 0– ₰
 Glück auf! Roman. 3. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 7 ℳ 50 ₰
 Vineta. Roman. 3. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 7 ℳ 50 ₰
 Gesprengte Fesseln. Roman. 3. Auflage. 2 Bände. Eleg. brosch. 7 ℳ 0– ₰
 Um hohen Preis. Roman. 2 Bände. Eleg. brosch. 8 ℳ 0– ₰
 Frühlingsboten. Roman 2 Bände. Eleg. brosch. 4 ℳ 0– ₰




Inhalt: Glockenstimmen. Von Stefanie Keyser (Fortsetzung). S. 773. – Aus dem stillen Berlin. S. 776. Mit Abbildungen. S. 777. – Der Gastgeber unseres Kronprinzen und sein Heim. Erinnerungen an König Alfons von Spanien. Von Wilhelm Lauser. S. 779. - Das Lotto-Spiel. S. 781. Mit Illustration. S. 781. – Die Braut in Trauer. Von Ernst Wichert (Fortsetzung). S. 782. – Aus dem „Buche von der Königin Louise“. S. 784. Mit Illustrationsprobe. S. 785. – Blätter und Blüthen: Vom Bücher- und Bildermarkt für den Weihnachtstisch (Fortsetzung). S. 786. – Nochmals der „Schwager“. S. 787. – Kleiner Briefkasten. S. 788.



manicula00Dieser Nummer ist Nr. 9 unserer „Zwanglosen Blätter” beigelegt.

Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.