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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1882
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: commons
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[637]

No. 39.   1882.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig – In Heften à 50 Pfennig.


Gefunden – nicht gesucht

Novelle von E. Laddey
(Schluß.)
6.

Der Badecur folgte als Schluß der diesjährigen Sommerreise ein Aufenthalt in Berchtesgaden, und je schöner sich dieser gestaltete, um so bänger sah man seinem Ende entgegen. Der Urlaub des jungen Officiers war abgelaufen, und wenige Tage später mußte auch Mimi in ihrem Stifte eintreffen, um sich nach langen Freiheitswochen wieder dem Schulzwange zu fügen.

Die zwei Monate waren doch nicht spurlos an ihr vorübergegangen; ihr Aeußeres war mädchenhafter und ihre Manieren waren zurückhaltender geworden.

Elfriedens Verlobung war nun auf die ersten Tage nach der Rückkehr in die Stadt festgesetzt worden, und begreiflicher Weise interessirte dieses Ereigniß Mimi sehr; der Wunsch erwachte in ihr, sie möchte lieber der Feier anwohnen und sie vorbereiten helfen, als noch so lange das Schulmädchen machen.

Man nutzte die letzte Zeit noch gehörig aus; die ganze herrliche Umgebung Berchtesgadens wurde nun durchstreift und dann zuletzt noch für ein paar Tage an den Königssee gegangen.

Was Mimi auch bisher gesehen, tiefer prägte sich ihr kein Bild ein, als der wunderbare, klare, tiefgrüne See, eingerahmt von fast senkrecht herabfallenden Kalkfelswänden, über welche des Watzmanns glitzernde Eiskrone ragt.

Es war an einem schönen etwas schwülen Augustnachmittage, als die Baronin Waldenburg mit ihren jungen Verwandten – Mr. Billings war schon abgereist – nach dem westlichen Ende des Sees, nach Bartholomä, fahren wollte. Ein passendes Boot war gerade nicht vorhanden und nur noch drei Plätze in dem großen Fahrzeuge frei, das von einer anderen Gesellschaft schon in Beschlag genommen war und von vier tüchtigen Mädchen gerudert wurde. Es blieb nichts übrig, als sich zu theilen. Zwei von der Gesellschaft mußten es in einem kleinen Boot wagen, das nur von einem Schiffer gerudert wurde.

„Wer hat Muth genug, das kleine Ding da mit mir zu besteigen?“ fragte Felix.

„Ich,“ entgegnete Bertha ohne Zögern und stieg zu dem Vetter in's Boot. Elfriede lächelte malitiös.

Die Fahrt war sehr angenehm, der Spiegel des Sees ruhig; nur die Sonne stach unangenehm und machte die Luft träge.

Im großen Boote herrschte munteres Leben; heitere Lieder wurden gesungen, und war Mimi nun auch geschult genug, um nicht gleich mit der fremden jungen Gesellschaft zu singen, so konnte sie sich doch nicht enthalten, die Melodien ganz leise mitzusummen; sie fand es unbeschreiblich schön, so bei des Gesanges Wogen über die Fläche des Sees hinzugleiten.

Eine Art von Heimweh ergriff sie, wenn sie daran dachte, dieser Herrlichkeit alsbald Valet sagen zu müssen.

Wie ganz anders Bertha! Sie freute sich als echtes Stadtkind auf die Rückkehr in die Stadt; die Natur ließ ihr Herz kalt; sie sehnte sich nach den belebten Promenaden, auf denen sie hoffentlich bald an seinem Arme glänzen sollte. Erst heute hatte sie wieder einen herzlichen Brief von der Mutter Felix’, die von jeher für die verwaisten Nichten ihrer Schwägerin warmes Interesse gezeigt hatte, erhalten. Sie erzählte ihrem jungen Begleiter von diesem Briefe. Er lächelte.

„Mama correspondirt gern,“ sagte er, „die Einsamkeit ihres Gutes ist so recht darnach angethan, diese Leidenschaft auszubilden; auch ich habe einen Brief erhalten, und er ist nicht weniger als zehn Seiten lang.“

„Das muß denn doch aber eine wichtige Angelegenheit sein, die Ihre Mama zu einer so langen Epistel veranlaßte.“

„Ja, eine sehr wichtige. Es handelt sich um nichts mehr noch weniger, als um meinen Abschied. Mama dringt allen Ernstes darauf, daß ich, sobald meine Ernennung zum Premier eintrifft, was vielleicht schon im Herbste, jedenfalls aber beim Armeebefehl des Frühjahrs erfolgen wird, aus dem activen Heere scheide, zur Reserve übertrete und nach Hause komme, um meinen Kohl selbst zu pflanzen, wie meine Vorfahren gethan haben.“

„Und was werden Sie auf solche Zumuthung erwidern?“ fragte Bertha erschreckt.

„Diese Zumuthung ist doch im Grunde ein so natürlicher Wunsch von Mama, daß mir nichts anderes übrig bleibt, als Ja dazu zu sagen.“

„Ich dachte, Sie wären Soldat mit Leib und Seele.“

„Das bin ich auch und werde niemals fehlen, wenn das Vaterland ruft. Das Soldatenleben im Frieden aber kenne ich jetzt genug und sehe ein, daß Mama Recht hat: es giebt auf unserem Gute genug für mich zu thun, und so werde ich denn den bunten Rock ausziehen und ein Bäuerlein werden.“

„Wie kann man nur in aller Welt in der Blüthe der Jahre daran denken, sich auf dem Lande zu begraben?“ entgegnete Bertha, und ein Zug des Unmuths streifte ihr hübsches Gesicht; die lebensvollen Lippen warfen sich schmollend auf, und die fein behandschuhte Hand zupfte ungeduldig an den rothen Schleifen des grauen Sommerkleides.

[638] „Sie finden ein Leben auf dem Lande dem Begrabensein gleich?“ fragte Felix.

Bertha biß sich auf die Lippen; sie hatte zu viel gesagt, ihr heftiges Temperament hatte sie verrathen, ohne daß sie es wollte.

„Das nicht,“ antwortete sie, sichtbar bemüht, den Eindruck ihrer Worte zu mildern. „Aber ich hätte allerdings nie gedacht, daß Sie, der Sie alle Aussicht haben, eine glänzende Carriere zu machen, der Sie das enfant chéri Ihres Corps sind – daß Sie so bald auf alle die vielen Annehmlichkeiten verzichten würden, die sich Ihnen darbieten. Warum veranlassen Sie nicht lieber Ihre Mutter, die Einsamkeit aufzugeben und zu Ihnen nach der Stadt zu ziehen?“

„Warum sollte sie unser Waldenburg verlassen, an dem ihr Herz mit jeder Faser hängt? Da kennen Sie sie schlecht.“

„Aber Ihre Mutter ist so frisch, nahm so lebhaft an Allem Theil, was sich von Vergnügen darbot, als sie im vorigen Jahre bei uns zu Besuch war, daß ich denke, sie müßte sich leicht an das Leben in der Stadt gewöhnen.“

„Nein, Cousine, da irren Sie, in uns Allen fließt echtes Landblut, und im Grunde freue auch ich mich darauf, auf unserem alten Gute herumzuwirthschaften nach Herzenslust.“

„Nun, vor der Hand ist der Premierlieutenant ja erst in Aussicht,“ tröstete sich Bertha, „und ich hoffe, Sie nehmen bald Urlaub und kommen zu uns nach W. Sie wissen, Sie haben versprochen, mich reiten zu lehren, und das ist seit lange mein Herzenswunsch; es mangelte mir nur bisher an einem passenden Begleiter. Gott, Vetter, Sie können es sich nicht vorstellen, welche Pein ein Leben ist, das man nur in weiblicher Umgebung verbringt.“

Felix lachte.

„Wenn Sie reiten wollen, Bertha, so veranlassen Sie die Tante, nach L. zu kommen! Es lebt sich angenehm in unserer Garnison, und nur so könnte ich den Lehrer machen – –“

„Das ist ein Gedanke. Helfen Sie mir, die Tante überreden! Es lebt sich gewiß angenehm in einer kleinen Garnisonstadt.“

„O ja! Man kann sich mit einem Schlage zur Löwin des Tages machen. Und erst auf Bällen – auf jede einzelne Tänzerin kommt mindestens ein Dutzend tanzlustiger Lieutenants.“

„Nun, was das betrifft, so habe ich nicht nöthig nach einem Orte zu gehen, wo der Einäugige König ist. – Zweifeln Sie etwa, daß ich auch bei uns meine Tanzkarten doppelt füllen kann?“

„Sehe ich aus, als ob ich solchen Verbrechens fähig wäre?“

Bertha war versöhnt und ganz auf ihrem Terrain, das heißt in der Beschreibung der winterlichen Feste; sie verstand es meisterlich, durch leise hingeworfene Andeutungen zu verstehen zu geben, welche reichen Triumphe sie gefeiert hatte.

Unter solchen heiteren Gesprächen erreichte man St. Bartholomä, aber der Himmel blickte nicht mehr so lachend, er hatte sich trüb gefärbt, und die Schiffer warfen besorgte Blicke nach oben; sie meinten, daß es am gescheidtesten wäre, die Rückfahrt sogleich anzutreten. Davon aber wollte kein Mensch etwas wissen; sollte man sich vergebens auf die herrlichen Laiblinge gefreut haben?

Aber das lustige Fischessen wurde auf die unliebsamste Weise gestört, als der Himmel immer schwärzer und schwärzer wurde und die Ruderknechte und Mägde energisch erklärten, allein mit ihren Booten zurückfahren zu wollen, wenn die Herrschaften noch länger zögerten, da ein schlimmes Wetter im Anzuge sei und im Wirthshause – das eigentlich ein königliches Jagdschloß war – Niemand übernachten dürfe.

Ein heftiger Aufbruch, ein wirres Durcheinander von Bedauern, Fürchten und Zögern – so kam man an den See; verschwunden war seine märchenhafte Farbe, wie seine schmeichelnde Glätte; dunkel wälzten sich jetzt schwere Wogen, und das farbenkräftige Bild schaute wie eine Decoration der Unterwelt aus. Alles beeilte sich, die Schiffe zu besteigen.

„Nicht um die Welt fahre ich wieder in dem kleinen Kahn,“ rief Bertha und drängte rücksichtslos die Schwestern bei Seite.

„Was soll nun werden?“ fragte die Baronin rathlos.

„Vielleicht geht es an, daß das große Boot eine Person mehr einnimmt?“ wandte sich Felix an die Alpenmädchen.

Die Antwort war eine entschieden verneinende.

„Ich fürchte mich nicht,“ rief nun Mimi in alle diese Unentschlossenheit hinein, „ich fahre mit dem Vetter.“

„Recht so, Mimi!“ meinte Felix, „und wer weiß, ob wir unser kleines Fahrzeug nicht eher in Sicherheit bringen und vor dem Gewitter im Hafen anlangen, als jenes stolze Boot.“

Aber keines der Boote noch die unzähligen weiteren Kähne sollten dieses Ziel so glücklich erreichen; noch war kein Schiff auf der Mitte des Sees, als der Regen in Strömen zur Erde floß, ein stoßweise dahersausender Wind die Wellen peitschte, grelle Blitze den schwarzwolkigen Himmel durchzuckten und der Donner in der rabengefiederten Nacht seine grausige Stimme erhob.

Die kleine Flotille war mit Windesschnelle zerstoben und aus einander geflohen; wie eine Nußschale tanzte das kleine Schiff, das Felix und Mimi trug, auf den wildbewegten Wellen.

Der Fischer ruderte mit Anspannung aller Kraft.

„Lassen Sie mich mit Ihnen abwechseln!“ bat Waldenburg, aber der wetterbraune Mann schüttelte den Kopf und sagte:

„Das ist meine Sache.“

Gesprochen wurde wenig; die Lage war eine zu ernste; nur als ein greller Blitzstrahl das geisterbleiche Antlitz Mimi’s beleuchtete, die Felix gegenüber saß, da nur je eine Person auf den kleinen Brettern Raum hatte, da sagte dieser:

„Fürchten Sie sich sehr, Mimi?“

Sie schüttelte ihr umhülltes Köpfchen:

„Nein, gar nicht, mir ist nicht bang; ich möchte mich auch so gern muthig benehmen, aber meine Glieder sind eiseskalt. – Freilich, wenn der Kahn umschlüge, ich käme schlimm weg – schwimmen kann ich nicht.“

„Ich auch nicht; hilft auf dem See auch nichts,“ entgegnete der Schiffer. „Es geschieht uns nichts.“

„Nur ruhig sitzen bleiben und nicht verzagen!“ mahnte Felix.

Das wollte Mimi auch nicht, gewiß nicht. Aber als nun eine große Woge in’s Boot schlug, da schrie sie doch auf, und unwillkürlich streckte Felix seine Arme aus, sie zu halten.

Dann hörte er sie murmeln.

„Sagten Sie etwas?“ fragte er.

„Nein,“ entgegnete sie einfach, „ich bete.“

Es ward Felix ganz eigen um’s Herz, als er bei dem fahlen Scheine des Blitzes Mimi’s todesbleiche Lippen sich im Gebet bewegen sah.

„Ich habe für uns Beide gebetet,“ sagte sie, als sie geendet.

Waldenburg wußte, daß seine Mutter allabendlich für ihn betete, aber der Gedanke daran hatte ihn nie ergriffen; warum that es denn Mimi’s Gebet? –

Wieder flog das kleine Schiff auf einer großen Welle jäh hinauf und dann wieder hinab. Mimi zitterte.

„Kleine, geben Sie mir Ihre Hände!“ sagte er.

Mimi that es.

Er hielt die kleinen Finger ganz fest, und es war, als ströme von ihm eine magnetische Kraft aus, sie sich dem zitternden Mädchen mittheilte; denn mit jedem Augenblick ward Mimi ruhiger, und als wieder ein Blitzstrahl ihr Antlitz streifte, da lächelte sie; die dunklen Augen blickten den jungen Begleiter vertrauungsvoll an, und der noch immer bleiche Mund versicherte: „Jetzt fürchte ich mich gar nicht mehr.“

Nun galt Mimi’s Sorge den Anderen.

„Die arme Tante, wie wird sie diese Fahrt bestehen?“

„Ich hoffe, sie ist in Sicherheit! Das große Boot hat so viel mehr Widerstandsfähigkeit, als das unsere, ist nicht so leicht ein Spiel der Wogen. – Wie schade, daß meine arme, kleine Mimi keinen Platz mehr darin finden konnte!“

„Aber dann wären Sie ja ganz allein gewesen, und ich glaube – ich hätte Todesangst um Sie ausgestanden!!“

Mimi sagte das gerade in dem Momente, wo der Sturm wieder einmal seine volle Kraft entwickelte: es heulte, es donnerte, es schnob und rollte in den Lüften, und das tückische Element drohte das kleine Boot hinab in die Tiefe zu ziehen, und bei dieser grausigen Aussicht dachte Mimi nur an eins – welch Glück es bei allem Unglück doch war, an seiner Seite zu sein!

Ihre einfachen Worte trafen Felix bis in’s Innerste; ergriffen zog er die kalten Hände der Durchnäßten an seine Lippen.

Wäre es nicht so dunkel, so stockdunkel um ihn her gewesen, Waldenburg hätte das heiße Erglühen sehen müssen, das Mimi’s Antlitz überzog; es überlief sie „siedend heiß“ – die Knospe öffnete sich dem Lichte, und zum ersten Male sprach die Stimme der Jungfrau vorwurfsvoll: „Was hast du gethan!“ -

Scheu kauerte Mimi in sich zusammen; sie wollte ihre Hände [639] aus den seinen ziehen, aber er hielt sie fest, als wollte er sie halten für immer, und bald jubelte er: „Mimi, die Lichter unseres Hafens!“

So war sie denn nahezu überstanden, die gefahrvolle Fahrt; nur noch wenige Minuten Geduld – und gottlob ! – das kleine Boot landete; erleichterten Herzens stieg man an’s Land.

„Adieu, Fischer, Ihr habt uns wacker gerudert. Habt Dank, Braver!“

Mimi und Felix wanderten am Ufer entlang; noch strömte der Regen; noch tobte das Gewitter; von Mimi’s Tante und Schwestern war nichts zu sehen; sie hatten sich wohl längst unter Dach und Fach gerettet.

Lächelnd zog die Kleine ihren dünnen Sommershawl um die Schultern, um sich, so gut es ging, in denselben einzuhüllen, aber Felix zog ihren Arm in den seinen und sagte:

„Es war ein böses Abenteuer, Cousinchen, das wir da standhaft mit einander erlebt haben. Mir hat es Lust gemacht, mit der kleinen, muthigen Mimi noch manche Fahrt zu wagen. Sie dürfen die Schwestern getrost ihrer Mattherzigkeit halber verspotten. – Für heute aber verschreibe ich uns Beiden gleich ein warmes Bett und einen heißen Thee; denn das Andenken dieser Stunde wollen wir uns doch durch keinen unpoetischen Schnupfen verkümmern lassen; nicht wahr, kleine Leidensgefährtin?“

Wie eine Träumende kam Mimi auf ihr Zimmer, wo sie die Tante in herzklopfender Angst fand; man überhäufte die glücklich Gerettete mit Fragen, aber Theilnahme wie Neugierde fanden heute keine Befriedigung, Mimi sehnte sich allein zu sein, und da Alle darnach strebten Ruhe zu finden nach den Aufregungen des Tages, so genoß sie dieses Glückes sehr bald.

Groß war Mimi’s Erschöpfung, aber kein Schlaf wollte ihre Augen schließen; halb wachend, halb träumend lag sie da. Noch immer befand sie sich auf dem schwankenden Fahrzeuge; ihr war’s, als ob die Wogen sie hin- und herschaukelten, aber kein Bild der Furcht nahm ihre Seele gefangen; sie fühlte allein das Erschreckende, Beseligende des einen Augenblicks, wo er ihre kleinen nassen Hände wärmend in die seinen schloß.



7.

Und nun geschah mancherlei Ungeahntes; das Erste war, daß Felix sich ein paar Tage Nachurlaub geben ließ und nicht mehr daran dachte, vor der Familie Waldenburg abzureisen. Dann erfuhren die eifrig forschenden Damen, daß er, der Schreibeträge, der gern mit Egmont zu sagen pflegte: „Unter vielem Verhaßten ist mir das Schreiben das Verhaßteste,“ einen ganzen Vormittag mit Schreiben zugebracht hatte und daß der Brief, den sie ihn in den Kasten werfen sahen und der an seine Mutter adressirt war, sehr voluminös erschien.

Alle außer Mimi, die wie im Traume umherging und es kaum wagte, Felix anzusehen, waren äußerst gespannt; denn man fühlte, daß irgend etwas in der Luft lag, das Entscheidung bringen sollte, und da Felix in nichts sein Benehmen änderte und der natürlichen Lage nach Bertha’s ständiger Begleiter war, so hob diese siegesgewiß das Haupt.

Aber Alles kam anders: ein paar Tage später saß Mimi allein in der Laube des Gärtchens und recitirte ihre Ferienaufgaben, für die sie, wenn man ehrlich sein will, gar kein Interesse mehr hatte. Die Tante war mit den Schwestern und Felix spazieren gegangen, Mimi hatte zu Hause bleiben müssen; denn endlich war es wohl an der Zeit, sich für die Schule vorzubereiten.

Da trat der junge Officier zu ihr.

„Gut, daß ich Sie allein finde, Mimi! Ich habe mich losgemacht, um ernst und ungestört mit Ihnen zu reden.“

„Mit mir?“

„Ja, sehen Sie mich nur so verwundert an! Ich habe nichts mehr, noch weniger im Sinne, als Sie für alle Zeiten Ihrer Gelehrsamkeit untreu zu machen. Alles hat seine Zeit; ich finde es naturgemäßer, die Schulbücher bei Seite zu legen, wenn die Kinderschuhe ausgezogen sind, und sich in anderen Dingen zu unterrichten die dem Beruf des Weibes näher liegen.“

„Ich verstehe Sie nicht!“

„Nun, sagen Sie einmal aufrichtig: würde es Ihnen nicht mehr Freude machen, in Küche und Keller herumzuhantiren, als wieder auf der Schulbank zu sitzen und höchst unnütze Aufsätze über Gott weiß was für tiefsinnige Themen zu fabriciren?“

„Ja das wohl! Davon aber kann nicht die Rede sein; noch kann Tante mich nicht brauchen.“

„Aber es ist ja nicht absolut nöthig, daß Sie zu dieser Tante gehen; wenn meine Mutter auch nur eine weitläufige Verwandte ist, so würde sie Sie doch mit Vergnügen in ihr Haus aufnehmen, und es ist jedenfalls dankbarer, zu ihr zu gehen, da sie es seit so lange ersehnt, ein junges Mädchen bei sich zu haben! Sehen Sie mich nicht so verwundert an, Mimi! Ich spreche nicht in’s Blaue hinein – da ist ein Brief meiner Mutter, der Sie in optima forma auffordert, nach Waldenburg zu kommen.“

Mit wachsendem Erstaunen las Mimi diesen Brief; er war so lieb, so innig; er sagte, wie die Schreiberin so einsam sei, wie sie mit offenen Armen die junge Verwandte empfangen werde, die ja „ein so holdes, gutes, warmherziges Mädchen“ sein solle.

Ein Erröthen überflog beim Lesen dieser Briefstelle Mimi's Züge. Felix sah sie innig an und sagte:

„Ich habe Sie recht schlecht gemacht – nicht wahr?“

Mimi las weiter.

„Sie sollen in Allem wie eine liebe Tochter gehalten werden,“ schrieb die Baronin, „und um Ihre weitere geistige Ausbildung braucht Ihnen auch nicht bange zu sein. Mir selbst wird es eine Freude sein, gute Bücher mit Ihnen zu lesen.

Nach meinen Begriffen, die vielleicht ein bischen altmodisch sind, gehört freilich zum Leben einer Frau, wie es sein sollte, noch viel mehr, als die sogenannte ‚geistige Ausbildung‘, nämlich: Bescheidwissen im Hause, und haben Sie Lust und Liebe dazu, sich die hierher gehörigen Kenntnisse zu erwerben, so sollen Sie an mir, die ich Hausfrau mit Leib und Seele bin, die mütterlichste Unterweiserin haben.

Nun denken Sie einmal mit der Tante über meinen Vorschlag nach, der, ich will es nur verrathen, von Felix ausgegangen ist, und dann eile ich selbst herbei, mir mein neues Haustöchterchen zu holen.“

„Nun, was denken Sie, Mimi?“ fragte Felix.

„Daß Ihre Mutter die reizendste, liebenswürdigste Frau der Welt sein muß. Wie in aller Welt konnten Sie es wissen, daß ich mich so sehr, so schrecklich trotz aller Pensionsfreundinnen nach einem Familienleben gesehnt habe?“

„Das fühlt man! Die Garantie aber, daß Sie sich glücklich auf Waldenburg fühlen werden, übernehme ich. Ich weiß es, ich werde mein Bäschen vollständig eingebürgert finden, wenn ich zu Weihnachten nach Hause komme.“

In Mimi’s Augen leuchtete es auf.

„Nein,“ sagte sie dann wieder zweifelnd, „es wäre zu schön – die Tante giebt es nicht zu.“

„Das soll meine Sache sein,“ entgegnete Felix, und ein ganzer Schelm sprach aus seinen Augen. „Autorisiren Sie mich, die Erlaubniß zu erwirken? Und soll Mama an Ihnen ein Töchterchen haben?“

Seine Stimme klang ganz harmlos, und doch erröthete Mimi bis in den Nacken, und nicht um die Welt hätte sie anders als durch schweigendes Kopfnicken ihre Zustimmung zu erkennen geben können. – –

Das Erstaunen der Baronin war maßlos, als sie, zurückkehrend, nun ebenfalls einen Brief ihrer Schwägerin erhielt, der dieselbe Bitte aussprach. Was sollte das heißen? Sie begriff es nicht. Auf die Rede des Neffen, die lebhaft schilderte, wie die Mama sich lange nach einer jungen Gesellschaft sehne, entgegnete sie etwas scharf:

„Nun, ich denke, endlich wirst Du Dich doch entschließen zu heirathen; dann hat Deine Mutter eine wirkliche Tochter.“

„Tantchen, ich will eine Wette mit Dir eingehen, daß das in den ersten anderthalb Jahren nicht geschieht.“

Es kochte in der armen, in ihren schönsten Hoffnungen betrogenen Pflegemutter, und selbst ihrer Beherrschung gelang es nicht, den Verdruß, den sie empfand, ganz zu verschweigen.

„Das glaubte ich allerdings nicht annehmen zu müssen. Dein Benehmen berechtigte –“

„Niemanden, zu glauben, daß mein Herz irgendwie und irgendwo gefesselt sei – will ich hoffen,“ fiel Felix mit jenem Zucken der Brauen ein, das deutlich verrieth, daß er in diesem Augenblicke keinen Scherz verstand. „Ich würde die reichen Güter [640] die mir das Leben gab, nicht verdienen, wenn ich das Köstlichste, meine Freiheit, leichtsinnig verschleuderte, ohne die vollste Ueberzeugung zu haben, daß ich ein Wesen gefunden, mit dem ich vollständig übereinstimme, das aber kann ich bisher von keiner der vielen jungen Damen sagen, die man so liebenswürdig war mir auf meinem jungen Lebenswege entgegenzuführen – damit ich mich in sie verlieben möchte.“

Die letzten Worte waren bitter gesprochen, mit Schrecken sah die Baronin, daß unter dieser harmlosen Außenseite gleichwohl die Erkenntniß des Neffen geschlummert habe, wie schwer er in der Wagschale der Heirathscandidaten für besorgte Mütter und Tanten falle.

„Mangel an Selbstbewußtsein kann Dir Niemand vorwerfen, Felix,“ sagte die Baronin.

„Ist es etwa Selbstbewußtsein, Tante, wenn ich mir klar und deutlich vor Augen halte, daß der Erbe des stattlichen Gutes von Mancher geheiratet würde, der es ganz gleichgültig ist, ob er die Fähigkeit besitzt, glücklich zu werden und zu machen?“

„Derartige romantische Ideen hätte ich bei Dir nicht gesucht. Was in aller Welt verlangst Du denn? Ist es Dir nicht genug, wenn Du eine schöne, geistreiche, liebenswürdige Frau aus vornehmer Familie bekommst, die zu repräsentiren versteht, die –“

„Verzeih, liebe Tante, daß ich Dir in’s Wort falle! Sieh, ich bin weit anspruchsloser, als Du glaubst, und zumal an die Repräsentation meiner Zukünftigen habe ich noch gar nicht gedacht. Auch verlange ich gar nicht, daß sie besonders geistreich sei. So gern ich mich mit klugen Frauen unterhalte, so wäre es mir sehr unbequem, eine Frau zu besitzen, vor der ich gewissermaßen immer geistig Toilette machen müßte, um ihre brillanten Einfälle zu pariren. Ein mittleres Wissen, ein gesunder Menschenverstand und ein bischen Mutterwitz, vor Allem aber ein treues, gutes Herz – das ist Alles, was ich begehre.“

„Eigenschaften, die auch ein Bauermädchen besitzen kann.“

„Vergiß nicht, Tantchen, daß meine Zukünftige eine Bauersfrau werden wird! Es ist beschlossene Sache, ich baue meine eigene Hufe.“

„Was kümmert mich das? Du bist ein so verwöhnter, eigensinniger Mensch, daß es um jede Mühe, die man sich um Dein Glück giebt, schade ist. Brechen wir ab!“

„Ja, thun wir das und kehren wir zu unserem ersten Thema zurück! Du hast nichts dagegen, liebe Tante, daß Mimi zu Mama geht?“

„Doch!“ entgegnete die Baronin und machte eine sehr würdige Miene. „Du hast mich eben wieder überzeugt, wie unberechenbar die Männer sind, wie selbst die reizendsten Mädchen ihren Ansprüchen nicht genügen. Mimi ist die am wenigsten hübsche der Schwestern, es ist natürlich, daß sie keinen Mann bekommen wird; sie besitzt ja kein Vermögen. Ich folge also nur einer vernünftigen Sitte unserer Zeit, wenn ich sie das Gouvernantenexamen machen lasse, um ihre Zukunft – –“

„Verzeih!“ unterbrach sie Felix, „wenn Mama Mimi zu sich entbietet, so ist es selbstverständlich, daß sie für ihre Zukunft sorgt.“

„Wer bürgt dafür, daß des Mädchens ungestümes Wesen Deiner Mutter behagt, daß diese nicht bald danach strebt, sie wieder zu entfernen?“

„Ich! – Nur an Mimi wird es liegen, daß Waldenburg stets ihre Heimath bleibt.“

Diese Worte wurden mit so gewichtiger Betonung gesprochen, daß die Baronin frappirt aufblickte.

„Felix?!“

„Laß' unausgesprochen, Tante, was Du sagen willst! – Mimi ist noch zu jung, als daß ich den Frieden ihrer Seele stören möchte, gönnen wir ihr, sich in ihrer Harmlosigkeit zu entwickeln! – Bewahre mein Geheimniß, liebe Tante, und wünsche mit mir, daß diese Fahrt in’s frische freie Land doch eine Art Brautfahrt gewesen sei – wenn auch in anderer Weise, als Du und ich gedacht!“




Mimi lebte sich bald in ihrer neuen Heimath ein. Es wurden wohl anfangs noch lange Episteln in's Fräuleinstift nach M. geschrieben, allmählich aber hörten sie auf. Die Vergangenheit versank immer mehr vor der Glücklichen, die ihr Leben erst recht empfangen zu haben meinte, als sie in Waldenburg eine zweite Heimath gefunden hatte.

In einfacher, naturgemäßer Weise und Beschäftigung vergingen die Tage; was es lernend empfing, das gab das junge Mädchen in Fülle zurück durch ihr heiteres, anschmiegendes Wesen – ja, Frau von Waldenburg hatte eine Tochter gefunden. –

Felix kam sich so groß, so verständig vor, als er sich vorgesetzt, zu warten, mindestens ein ganzes langes Jahr zu warten, bis er der kleinen Mimi sagte, daß er sie wolle und keine Andere, aber Theorie und Praxis sind zweierlei – als die Bäume blühten, da streuten sie ihren Schmuck auf ein junges Paar, das Arm in Arm mit glückstrahlenden Mienen unter den grünen Zweigen dahinschritt.

„Zur Strafe, daß Du mich einst aus der Sonne weggelockt, sollst Du jetzt selbst mein Sonnenschein sein, Dein Lebelang! Willst Du's, kleine Mimi?“ hatte er gefragt.

„Ob ich’s will?!“ war die zwischen Weinen und Lachen ertheilte Antwort gewesen. „Aber ich werde es nicht können, ich bin nichts als ein unwissendes Mädchen, das gar kein Zeug in sich hat, eine große Dame zu werden.“

„So gerade will ich Dich. Ein zu fein geschliffener Diamant verliert seine schönsten Strahlen. Ich bin ein einfacher, natürlicher Mensch, und so soll auch mein Weibchen sein. Ich ging aus, um zu suchen, und fand nicht, aber ich fand, wo ich nicht suchte; so muß es sein:

Aus den Wolken muß es fallen,
Aus der Götterhand das Glück!“

Noch ein Jahr bräutlichen Wartens, und dann reichte der Herr Premierlieutenant seinen Abschied ein, um hinfort als ehrsamer Gutsherr auf seinem Gute zu leben.

Bei der fröhlichen Hochzeit, die im nächsten Frühjahre stattfand, hatte Mimi nur eines zu vermissen – die Gegenwart der Schwestern. Aber Mistreß Billings, weiland Elfriede, hob gerade ihr erstes Kindchen aus der Taufe und fühlte sich nicht stark genug zu einer Reise. Und Bertha konnte es Felix denn doch nicht verzeihen, daß er die kleine, unbedeutende Schwester, der doch noch so gar nichts am Heirathen gelegen gewesen war, ihrer stolzen Schönheit vorgezogen hatte. –

Augenblicklich ist für Fräulein Bertha ein noch immer stattlicher Major in Sicht, hoffen wir, daß er, der auch lange vergeblich gesucht hat, in Mimi’s Schwester endlich sein Ideal gefunden haben möge! Bis zur Stunde aber kann das noch Niemand verbürgen.


Kairo.[1]

von Adolf Ebeling.

Kairo ist, wie Alexandria und überhaupt Aegypten, jetzt in Aller Mund, und eine kurze Schilderung der Saracenenstadt dürfte gewiß den Lesern willkommen sein. Ueberdies ist Kairo die bedeutendste und volkreichste Stadt von ganz Afrika, die zweite der gesammten mohammedanischen Welt und weit orientalischer als das allerdings größere Constantinopel, das in vielen Beziehungen längst einen sehr europäischen Anstrich gewonnen hat.

Masr el Kahira, die siegreiche, die herrliche, oder einfach Masr, die Hauptstadt, wie die Aegypter sagen, liegt am rechten Nilufer und nur wenige Meilen südlich von dem Punkt, wo sich der Strom in zwei mächtige Arme theilt, um das Delta zu bilden; deshalb nennen auch die arabischen Dichter in ihren bilderreichen Festgesängen Kairo sehr oft den „blitzenden Diamanten am Griff des grünen Deltafächers“.

Geradezu unbeschreiblich ist der Eindruck, den Kairo beim ersten Anblick auf den angekommenen Fremden macht, denn selbst die bunten, originellen und lebendigen Bilder, die er in Alexandria gesehen, treten dagegen vollständig in den Schatten. Alexandria ist zu sehr mit südeuropäischen Elementen untermischt, sodaß es ganz gut als eine halb italienische, halb griechische Stadt passiren könnte,

[641]

Kairo von der Citadelle aus gesehen.
Nach einer Photographie.

[642] während Kairo wirklich noch die mohammedanische Mamlukenhauptstadt ist, und wie Bagdad und Damaskus ein echt orientalisches Gepräge trägt. Wenigstens gilt dies von dem alten und größeren arabischen Theile der Stadt mit seiner Hauptstraße, der berühmten Muski, in deren auf- und abwallendem Menschenstrom man fast alle Völkerschaften von Westasien, von ganz Afrika und von Südeuropa und auch noch von weiterher studiren kann. Perser, Armenier und Inder, Abessinier, Kopten und Marokkaner, beturbante Türken in Menge, dann wieder Griechen, Albaneser und Arnauten mit dem rothen Fez, Beduinen und Nubier und andere Neger und Farbige in allen Schattirungen, und alle diese Menschen in ihren besonderen Trachten und Costümen, oft prächtig und reich gekleidet, oft auch nur in sehr primitiver Umhüllung, und als Zugabe tiefverschleierte Frauen zu Fuß und zu Esel, vergoldete Haremswagen, die mit ihren galoppirenden Eunuchen und vorauseilenden Läufern kaum durchkommen können durch das dichte Gewühl, oder auch eine Reihe gravitätisch einherschreitender Derwische, oder gar ein langer Zug von zehn, zwanzig hochbeladenen Kameelen - das ist mit „zwei Worten“ so ein ungefähres Bild der Muski, von früh bis spät, tagaus, tagein, und darüber der fast immer wolkenlose, lichtblaue Himmel mit der glühenden afrikanischen Sonne, und wo die Straße einen Durchblick gestattet, Palmengruppen, weiße Häuserwürfel und ragende Moscheen mit glänzenden Kuppeln und schlanken Minarets.

Amt südöstlichen Ende der Stadt liegt auf einem sanft ansteigenden Felsplateau die Citadelle mit der berühmten Alabastermoschee Mohammed Ali’s und vielen Palästen, Haremsgebäuden und Casernen. Hier residirte der trotz seines Despotismus immerhin große Mann, der Regenerator Aegyptens, wie man ihn mit Recht nennt, und der Gründer und Ahnherr der jetzt im Pharaonenlande herrschenden Dynastie. Von der hoch hinausgebauten weiten Terrasse dicht neben der Moschee erblickt man ein Panorama, das jedenfalls zu den großartigsten und schönsten der Welt gehört.

Die ganze unermeßliche Stadt mit ihren ungezählten Einwohnern (man sagt zwischen 300,000 bis 400,000) liegt zu unseren Füßen: ein Häusermeer, aus welchem nur die Moscheen und die größeren Gebäude wie Inseln hervortauchen, darüber hinaus die arabische Wüste mit den nackten und zerklüfteten Mokkatamfelsen, und dazwischen weitgedehnt eine zweite Stadt, aber eine Stadt des Todes, die sogenannten Khalifengräber (vergl. Abbild. S. 644), wo die ehemaligen Mamlukensultane sich ihre Mausoleen errichteten. Jetzt liegen diese Gräber in Ruinen; kaum eine einzige der vielen Hundert einst so reichverzierten Kuppeln ist der Zerstörung entgangen; die Dome und Portale sind eingefallen, und nur wenige der hohen Minarets, von denen in früheren Jahrhunderten die Mueddims die Gläubigen zum Gebet riefen, sind noch zugänglich, aber auch sie werden wohl bald den anderen Trümmern nachsinken.

Einen herrlichen Contrast mit dieser düsteren, wenn auch höchst imposanten Todtenstadt bildet nach der entgegengesetzten Seite, nach Westen hin, das Nilthal mit seinen immer grünen Fluren, seinen Baumwollen- und Zuckerrohrfeldern, zwischen denen der Nil majestätisch hindurchfließt, derselbe Nil, der schon zu den Zeiten der Pharaonen, vor 3000 und 4000 Jahren, die Barken eines regsamen, kunst- und gewerbfleißigen Volkes getragen und der auch heute noch von unzähligen großen und kleinen weißen Segeln belebt ist. Die schwarzen Fellahdörfer treten überall aus dem Grün hervor und nehmen sich von hier oben sehr malerisch aus; in der Nähe betrachtet freilich sind es ärmliche Lehmhütten mit einer in Schmutz und Elend tief herabgekommenen Bevölkerung – eine Folge namentlich der abscheulichen Mißwirtschaft der letzten Jahrzehnte, von welcher wir bereits in unserm früheren Artikel (Nr. 31 u. ff.) gesprochen haben.

Den gewaltigsten Eindruck machen aber die Pyramiden, die Wächter der Wüste; denn die Wüste, und zwar die Libysche, tritt hier dicht an die grünen Felder heran und zieht sich dann unabsehbar in gelbgrauen Wellen hinaus bis an den fernen Gesichtskreis.

Kairo liegt, wie Eingangs erwähnt, nur wenige Meilen südlich von der sogenanten „Gabel“, d. h. von dem Punkte, wo sich der Nil in zwei Ströme theilt; er fließt dann westlich als Rosette- und östlich als Damiette-Arm in das Mittelmeer, wodurch das Delta gebildet wird. Ueber diese „Gabel“ führt ein großartiger Brückenbau, der die beiden äußersten Ufer mit einander verbindet und als Stau- und Schleusenwerk dient: das ist die Nilbarrage (vergl. Abbildung S. 644), die zur Regulirung der Hochwasser während der Ueberschwemmungen angelegt wurde und speciell den unermeßlichen Feldern des Deltas zugute kommen sollte. Der Gedanke zu dieser Barrage ist schon von Mohammed Ali ausgegangen, der auch den Bau begann. Unter Said Pascha wurden dann noch die Thürme an beiden Ufern, nach Art der Brückenköpfe, befestigt, wodurch die Barrage jetzt ein kleines Fort bildet. Das ist aber auch Alles; denn seine ursprüngliche Bestimmung hat das Werk, das über 20 Millionen Franken gekostet, von jeher sehr mangelhaft erfüllt. Die meisten Schleusen sind nicht dicht, und die Fundamente des Baues haben an vielen Stellen durch den ungeheueren Andrang der Wassermassen stark gelitten, sodaß die Schifffahrt dadurch mehr gehemmt als gefördert und die Bewässerung nur unvollkommen erreicht wird.

In Kriegszeiten jedoch, wie die augenblicklichen, dürfte die Barrage als vorgeschobenes Werk zum Schutz der Hauptstadt von Wichtigkeit werden, ja, nach den neuesten Nachrichten hätte man dort bereits mit dem Aufwerfen von Erdwällen und mit der Anlage von größeren Verschanzungen begonnen. Das wäre aber auch zugleich der einzige Damm, den die Aegypter der von Südosten anrückenden englischen Armee entgegensetzen könnten; denn im Uebrigen ist Kairo längst eine ganz offene Stadt, und gerade nach der arabischen Wüste, also nach Suez und Ismailia hin, am offensten. Die hohe und breite Mauer, die früher die ganze Stadt umgab und bei der damaligen Kriegführung große Sicherheit gewährte, ist schon seit Anfang dieses Jahrhunderts bis auf wenige Reste verschwunden; nur die gewaltigen Thore sind geblieben, einige von ihnen, wie das Bab en Nasr und das danebenliegende Bab el Futuh, könnten wohl im Nothfalle als kleine Festungen dienen, aber wie lange würden sie im Stande sein den englischen Sechszigpfündern zu widerstehen?

Nur die bereits erwähnte Citadelle ist die einzig wirklich feste Position von Kairo, die mit ihren Kanonen (und sie soll jetzt sehr gut armirt sein) die ganze Stadt beherrscht; die labyrinthischen Zugänge mit ihren steilen Felsenmauern und Zinnen würden die Vertheidigung wesentlich erleichtern, aber auch das ist im Grunde nur illusorisch; denn der Mokkatam liegt wenigstens 400 bis 500 Fuß höher, und von dort könnte man also wieder die Citadelle leicht zusammenschießen. Hoffentlich kommt es nicht zu diesem Aeußersten, und es wird in diesem beklagenswerten Kriege an dem zerstörten Alexandria genug sein.

Bis in die jüngste Zeit, das heißt bis zum Ausbruch des jetzigen Krieges, war Kairo fast immer das erste Ziel der Orientreisenden und nicht allein der Vergnügungstouristen, sondern auch der Afrikaforscher, die von da weiter nach allen Richtungen in's Innere zogen. Für die Ersteren bot zunächst die ägyptische Hauptstadt selbst des Interessanten und Sehenswerten unendlich viel, und hier ist es am Platze, des Exkhedives Ismail mit Anerkennung zu gedenken, weil er von jeher bestrebt gewesen, den Fremden den Aufenthalt in seiner Residenz so angenehm und genußreich wie möglich zu machen.

So ließ er den ungeheuren, aber ganz verwilderten und sumpfigen, über dreißig preußische Morgen großen Esbekiehplatz, der dem schlechtesten Gesindel als Schlupfwinkel diente, in einen prächtigen Park und Lustgarten verwandeln, mit Cascaden und Felsengrotten, mit chinesischen Tempeln, Cafés-chantants und einem Musikpavillon für ein einheimisches, aber von französischen Musikern gebildetes Orchester, sogar mit einem kleinen Theater und mit Gondelfahrten auf einem großen cementirten See. Man glaubt sich dort in Paris, im Bois de Boulogne, und natürlich waren es auch Pariser Gartenkünstler, die Alles geschaffen, und zwar mit einem Aufwand von über 20 Millionen Franken. Einmal in der Woche wurde der Garten immer glänzend illuminirt, und wenn fürstlicher oder sonst hoher Besuch aus Europa da war, auf dem See auch ein Feuerwerk abgebrannt. Dann war der vicekönigliche Hof selbst zugegen; die leichtverschleierten Haremsschönheiten wandelten zwischen den europäischen Herren und Damen umher, und mehr als ein zartes Liebesverhältniß mag sich dort unter den Palmen und Sykomoren entsponnen haben.

Breite, macadamisirte Straßen mit Asphalttrottoirs (Alles nie gesehene Dinge in Kairo) wurden um den Garten herum angelegt, und die dort belegenen Gasthöfe wetteifern an Luxus und Bequemlichkeit mit den ersten enropäischen Hotels und lassen sie sogar in Bezug auf die Preise weit hinter sich.

Aber auch auf einem höheren Gebiete kam Kairo dem Fremden [643] in glänzender Weise entgegen, nämlich durch das Museum ägyptischer Alterthümer in Bulak. Die ganze Pharaonenwelt liegt in diesen Sälen zur Schau, und bei ihrer Besichtigung erkennt man Aegypten als das älteste Culturland der Erde; die ausgestellten Kunstschätze werden doppelt interessant, weil man nur aus den hohen Fenstern hinauszuschauen braucht, um die Felsentempel und Königsgräber zu sehen, wo man sie gefunden.

Dicht neben dem Museum liegt die Insel Rhoda mit dem tausendjährigen Nilmesser und dem Mosesbaum, unter welchem die Tochter Pharao's das ausgesetzte Moseskind im Schilf gefunden – natürlich nur eine Legende, die aber an Ort und Stelle, wo noch so Vieles an jene Zeiten erinnert, ganz glaubwürdig erscheint. In Bulak, dem Hafen von Kairo, liegen auch die Nilbarken (die Dahabihen), die man im Winter für einige Monate miethet und auf denen man stromaufwärts fährt bis nach Assuan und weiter nach Nubien, um unterwegs die bedeutendsten Ruinenstätten zu besuchen: Theben und Luxor, die Memnonssäulen und die Tempel von Karnak und Philä, auf deren Dächern sich ganze arabische Dörfer angesiedelt hatten, bevor man sie wieder freilegte. Viele von diesen Nilbarken sind mit allen Bequemlichkeiten ausgestattet, mit einem großen Speisezimmer, mit kleineren Wohnräumen und eleganten Boudoirs für die mitreisenden Damen, mit einer Bibliothek und sogar einem Piano, wenn man es wünscht und nur genügend bezahlen will; denn begreiflich ist der Miethpreis einer solchen Barke mit Allem, was dazu gehört, kein geringer. Auf dem erhöhten Hinterdeck stehen unter einem schützenden Sonnenzelte Divane, Sessel und Tische, und die Reisenden können im angenehmsten dolce far niente (oder im Keff, wie man auf arabisch das „süße Nichtsthun“ benennt) das wunderbare Nilpanorama an sich vorüberziehen lassen. Jetzt freilich mag es anders auf dem Nil aussehen, und die „Ingilis“, d. h. die Engländer, die dort früher immer sehr willkommen waren, weil sie die reichlichsten Trinkgelder gaben und die nachgemachten „Antiquitäten“ am besten bezahlten, dürfen sich dort nicht sehen lassen. Vielleicht werden sie bald als Herren den schönen Strom auf- und abfahren, aber mancher Tropfen Nilwasser wird bis dahin wohl noch unter der großen Nilbrücke bei Kairo hindurchfließen.

Uebrigens bedarf man gar keiner langen und kostspieligen Nilfahrt, wenn man die Wunder des Pharaonenlandes sehen will, denn die Stadt Kairo ist so günstig gelegen, daß sich die großartigsten jener Wunder ganz in ihrer Nähe befinden und auf bequemen Ausflügen zu erreichen sind, nämlich die Pyramiden von Gizeh, die höchsten und berühmtesten von allen ägyptischen Pyramiden, mit der Sphinx, und weiterhin das Trümmerfeld von Memphis mit den Apisgräbern und den Felsentempeln. Diese Ausflüge sind, nach Ansicht der meisten Reisenden, die schönsten und interessantesten Touren, die man überhaupt in Aegypten machen kann; man nimmt sogar aus dem Hotel ein gutes Frühstück mit und tafelt mitten in der Wüste auf irgend einem Grabsteine, dessen Hieroglyphen den Ruhm des großen Ramses (Sesostris) verkünden, der vor mehr als dreitausend Jahren hier regierte und dessen Reich sich über den ganzen Osten bis an den Tigris erstreckte.

Die schönste und größte Oase der Libyschen Wüste, das Fajuhm, liegt gleichfalls nur wenige Meilen südwestlich von Kairo, aber schon immer entfernt genug, um Gelegenheit zu einem Dromedarritte und zu einem Nachtlager unter Zelten, nach Art der Beduinen zu bieten. Keine andere Oase Aegyptens überrascht so sehr durch die Fülle und Pracht ihrer Vegetation wie diese. Die herrlichsten Rosen und die köstlichsten Trauben und Feigen kommen von dort; die Palmenhaine und Baumwollenfelder wetteifern mit den reichsten des Delta's, und wenn im Februar und März, den eigentlichen Frühlingsmonaten Aegyptens, die Orangen- und Granatbäume in voller Blüthe stehen, dann entfaltet sich dort der ganze Zauber einer tropischen Landschaft. Von hohem geschichtlichem Interesse ist ferner das Fajuhm durch den Mörissee und das Labyrinth, welches letztere sogar von den Alten bekanntlich zu den sieben Weltwundern gezählt wurde. Von dem Labyrinthe, wie es Herodot beschrieben, mit seinen 1500 Zimmern und Sälen über und ebenso vielen unter der Erde sind jetzt nur noch die Trümmer der Mauern und Gänge zu sehen, und auch der über drei Quadratmeilen große Mörissee ist längst ausgetrocknet und die hohe Pyramide in seiner Mitte zusammengefallen, aber man erkennt doch noch an einzelnen Dämmen die Ufer dieses ungeheueren künstlichen Beckens, das zur Pharaonenzeit bei den Nilüberschwemmungen als Reservoir diente, um von da die Wassermassen durch Schleusenwerke auf die höher gelegenen und von der Fluth nicht erreichten Felder zu leiten – also gewissermaßen auch eine Art von Nilbarrage, wie die obenerwähnte, nur daß zwischen beiden ein Zeitraum von ungefähr dreißig Jahrhunderten liegt.

Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten in der Nähe von Kairo gehört auch Heliopolis mit dem Marienbaum und dem Obelisken. Die „Sonnenstadt“ selbst, das On der Bibel, ist mit seinen Tempeln, Palästen und Säulenhallen, unter denen der größte Denker und Weise des Alterthums, Plato, gewandelt, um sich bei den Sonnenpriestern Aufschluß über die Unsterblichkeit der Seele zu holen, längst bis auf die letzte Spur vom Erdboden verschwunden; nur ein einziger Obelisk steht noch aufrecht da, wenn auch einige zwanzig Fuß tief im Sande, aber die scharfgemeißelten Figuren und Bilder seiner spiegelblanken granitnen Flächen erzählen dem Kundigen viel von der ehemaligen Herrlichkeit. Zwei seiner steinernen Brüder wurden unter den Ptolemäern nach Alexandria geschafft; man nannte sie später „die Nadeln der Cleopatra“, und beide haben in jüngster Zeit die Reise über das Weltmeer angetreten, die eine nach London, wo er im Nebel der Themsequais paradirt, der andere nach New-York, wo er vor seiner Aufrichtung wochenlang in den Docks zwischen Petroleumfässern lagern mußte - hier wie dort eine klägliche Profanation für einen „versteinerten Sonnenstrahl“, wie die alten Aegypter diese Steinriesen nannten. Was den Marienbaum betrifft, so soll nach der Legende die heilige Familie auf ihrer Flucht nach Aegypten unter ihm geruht haben. Die prächtige, jedenfalls vielhundertjährige Sykomore gehört übrigens der Exkaiserin Eugenie, welche sie bei ihrem Besuche im Jahre 1869 vom Exkhedive zum Geschenk erhielt. Beide, der Geber wie die Beschenkte, leben entthront im Exil, aber der Baum grünt unbesorgt weiter und hat sogar damals von seiner Besitzerin, natürlich auf vicekönigliche Kosten, ein hübsches Gitter bekommen, sodaß seine unteren Zweige jetzt nicht mehr so kahl gerupft werden wie früher, wo man, so weit man nur hinanreichen konnte, ihm auch nicht ein einziges Blättchen ließ. Nicht weit davon liegt das Lustschloß Kubeh, der ehemalige Lieblingsaufenthalt des jetzigen Khedives, der dort vielleicht manchmal von seiner dereinstigen Erhöhung träumte, sich aber gewiß seinen Thron nicht von so vielen Schrecknissen und blutigen Kämpfen umgeben dachte, wie sie ihm das Schicksal schon nach so kurzer Regierung gebracht hat. Er mag sich jetzt wohl oft nach den schönen, friedlichen Orangenalleen seines Gartens zurücksehnen, wo er den zuvorkommenden Wirth machte und nach orientalischer Sitte keinen Gast ohne einen Blumenstrauß entließ.

Kairo hat auch einen Corso, die sogenannte Schubra-Allee, die man, allerdings en miniature, nicht unpassend mit den Elyseischen Feldern von Paris oder dem Hydepark in London vergleichen kann. Die vornehme und schöne Welt – die Halbwelt müssen wir durchaus hinzusetzen; denn in der Wintersaison war Kairo seit den letzten zwanzig Jahren immer das beliebteste Rendezvous der Wiener und mehr noch der Pariser demi-monde – fährt und reitet dort in den Nachmittags- und Abendstunden spazieren, und namentlich sind es die Haremscarossen der reichen Paschas mit ihrem verbotenen, aber nur leichtverschleierten Inhalt, welche die Blicke der Europäer auf sich ziehen.

Am Ende der Allee liegt das Schloß Schubra, wo Mohammed Ali seine letzten Lebensjahre in dumpfem Hinbrüten verbrachte und wo er auch am 2. August 1849 in völliger Geisteszerrüttung starb. Er selbst verglich sich in lichten Augenblicken mit einem Löwen, dem man die Zähne und Krallen ausgebrochen und dann in einen Käfig gesperrt hatte, und sein Gespenst in schlaflosen Nächten war die europäische Diplomatie. Seitdem ist dieselbe in gar mancher Beziehung fast zu einer figura comica geworden; man denke z. B. nur an die in Stambul tagende Conferenz und als Gegensatz dazu an das Auftreten der Engländer in Aegypten! Wem fällt dabei nicht unwillkürlich das Lied aus den „Fliegenden Blättern“ ein mit dem lustigen Refrain:

„Die Diplomaten … aten,
Thun ewiglich berathen
Und kommen doch zu nichts.“

Das schöne Schloß ist jetzt unbewohnt und wird so vernachlässigt, daß es seinem gänzlichen Ruin entgegengeht. Der Exkhedive zeigte hier wenig Pietät für den Großvater, der seinem jüngsten Sohne Halim das Besitzthum vermacht hatte, demselben [644] Halim, den Ismail später als unwillkommenen Prätendenten durch allerlei Intriguen aus Aegypten zu entfernen wußte und der jetzt als möglicher Ersatzmann für Tewfik oft genannt wird. Aber Halim, der seitdem in Stambul oder Paris gelebt hat, dürfte schwerlich der Mann der rettenden That sein, und wenn er es wäre, alsdann erst recht von den Engländern unberücksichtigt bleiben.

Unter den zahlreichen Schlössern, die der letzte Khedive mit einem Aufwand von so vielen Millionen erbaut und die er mit wirklich fabelhafter Pracht hat einrichten lassen, steht Gezireh obenan, und kein Fremder, der nach Kairo kommt, versäumt den Besuch, schon um sich eine richtige Vorstellung von orientalischem Luxus und grenzenloser Verschwendung zu machen. Wie Versailles, für das Ludwig der Vierzehnte im Ganzen eine Milliarde verausgabt haben soll (was jetzt ungefähr die zehnfache Summe bedeutet), gewissermaßen die französische Revolution erklärt – denn der größte Theil der Einkünfte von ganz Frankreich wurde darauf verwendet – so kann man in Gezireh recht gut den Staatsbankerott begreifen, den Ismail seinem unglücklichen Lande hinterlassen hat. Von einer näheren Schilderung Gezirehs dürfen wir hier wohl absehen; auch haben wir schon in einem früheren Artikel einige kurze Andeutungen darüber gemacht; nur eine pikante Erinnerung, die sich an Gezireh knüpft, möchten wir nicht unerwähnt lassen.

Im Winter 1875 empfing der Schloßherr auf einem jener kolossalen Hofbälle, deren er damals noch viele gab und die immer so „heidenmäßiges“ Geld kosteten, oben an der weißen Marmortreppe den Herzog von Connaught, als den vornehmsten Ballgast, und gab ihm auch an der Tafel, wo alle Gerichte auf goldenen Schüsseln servirt wurden, den Ehrenplatz. Jetzt rückt derselbe Herzog von Connaught mit seiner Division vor, und wenn ihm das Kriegsglück günstig ist, wie es fast den Anschein hat, so kann er vielleicht noch als Sieger in die Hauptstadt einziehen und dann auch sein Quartier in demselben Gezireh aufschlagen, wo er sich damals so vortrefflich amüsirte, wie er beim Abschied dem Khedive mit herzlichem Händedrucke versicherte.

Die Nilbarrage.
Nach einer Photographie.

Charakteristisch für die unermeßlichen Summen, die Gezireh gekostet hat, ist auch der Umstand, daß die über eine Quadratmeile große Insel, auf der das Schloß mit seinen Parks und Wundergärten liegt und nach der es seinen Namen führt (Gezireh heißt auf arabisch: Insel), in ihrer ganzen Ausdehnung fast um zwei Meter erhöht werden mußte, um sie gegen den hohen Wasserstand der Nilüberschwemmungen genügend zu schützen.

Die Gräber des Kalifen bei Kairo.
Nach einer Photographie.

Daß Kairo unter den klimatischen Curorten schon seit Jahren einen hohen Rang einnimmt, ist bekannt, und – seltsam genug! – ist es namentlich der Aufenthalt in der Wüste, der den Brustleidenden von den europäischen Aerzten empfohlen wird und dem auch gar viele Kranke ihre Genesung zu verdanken haben. Deshalb hat Kairo seinen Bade-Ort, oder richtiger seinen Luftcurort, nur wenige Meilen östlich von der Stadt, aber trotzdem mitten in der arabischen Wüste, auf dem Wege nach Suez. Schon unter Said Pascha entdeckte dort ein deutscher Arzt, der leider zu früh verstorbene Dr. Reil, in jener Gegend Schwefelquellen, und diesem Umstände verdankt Heluahn seine jetzige Bedeutung. Gasthöfe und Landhäuser entständen, nachdem vorher durch einen großartigen Aquäduct vom nahen Nil für die Hauptbedingung zur Existenz der Colonie, für Wasser, gesorgt worden war, und mehr als die Heilquellen war es die reine Wüstenluft selbst, die bei vielen Kranken geradezu Wunder wirkte. Auch bei dieser Gelegenheit bewährte sich die Munificenz Ismail’s in glänzender Weise, und zwar durch Schenkung großer Terrains mit dem nöthigen Baumaterial und bedeutender Geldsummen, hauptsächlich aber durch Anlage einer Eisenbahn, was wir um so lieber hervorheben, als so Viele geneigt sind, ihm nach seinem Sturze auch „kein gutes Haar“ mehr zu lassen.[2]

Dies wären somit einige Einzelheiten über die Hauptstadt Aegyptens, die uns von allgemeinem Interesse schienen und die wir, schon aus Rücksicht auf die Raumverhältnisse [645]

Eine Ruhepause. Oelgemälde von S. C. Fischer.
Nach einer Photographie im Verlage der „Photographischen Gesellschaft in Berlin“ auf Holz übertragen.




dieses Blattes, nicht weiter ausdehnen durften, so viel wir auch noch zu sagen hätten. Das Volksleben im Innern der Stadt selbst, speciell in den arabischen Vierteln, die Bazare und Khans, in denen alle Schätze des Orients aufgehäuft sind, die Moscheen und Derwischklöster mit ihrem eigenthümlichen Cultus, die feierlichen Aufzüge bei öffentlichen Festen und Begräbnissen, dann wieder die Kaffeehäuser mit ihren Märchenerzählern und so vieles, vieles Andere, das den Fremden oft dergestalt fesselt, daß er sich in eine ganz neue Welt versetzt fühlt, mußte unberücksichtigt bleiben.

Nur eine kurze Schlußnotiz in Bezug auf die Nilüberschwemmung sei uns noch gestattet! Dieselbe erreicht gerade jetzt, im September, wie alljährlich, ihren höchsten Stand, und sie könnte möglicher Weise bei den Kriegsoperationen eine wichtige Rolle spielen.

Das Phänomen des durch Regengüsse im abessinischen Hochlande und im Innern Afrikas bedingten periodischen Steigens des Nils ist so alt wie die Welt, und namentlich gehört die seit langen Jahrtausenden sich stets gleich bleibende Regelmäßigkeit desselben wirklich zu den Naturwundern unserer Erde. In der Nacht des 16. Juni bringt nämlich nach einer uralten Sage ein Engel den „goldenen Tropfen“ vom Himmel herab und wirft ihn in den oberen Nil, [646] und schon am nächsten Tage beginnt das Steigen. Jene Nacht wird noch heute in ganz Aegypten als „die Nacht des Tropfens“ (leileth en nukta) mit Gesang, Illumination und sonstigen Belustigungen gefeiert, und die „Nilrufer“ verkünden von da an täglich die wachsende Schnelle des steigenden Wassers, zuerst natürlich in Ober- und später in Mittelägypten, aber gegen Ende des Juli schon in Kairo, wo der Strom unaufhaltsam höher und höher steigt, bis er die nöthige Höhe von achtzehn Ellen über seinem gewöhnlichen Niveau erreicht hat, weit über seine Ufer tritt und das Land überschwemmt. Der Anblick von der großen Nilbrücke aus ist alsdann ein gewaltiger, und für den, der ihn zum ersten Male genießt, furchtbar und schreckenerregend. Der Strom, der dann mehr als doppelt so breit ist wie der Rhein bei Köln, wälzt seine dunkelgelben Wogen mit so donnerndem Getöse, daß man meint, es käme aus dem Süden ein ganzes Meer herangestürmt, oder das Mittelmeer habe bereits von Norden her das Delta überfluthet, um mit seinen Wasserbergen Alles zu verschlingen. Und doch ist das, was jedem anderen Lande die entsetzlichste Zerstörung bringen würde, für Aegypten eine Quelle des reichsten Segens; denn durch tausend große und kleine Canäle werden die tobenden Wassermassen überallhin geleitet, und schon nach wenig Wochen ist das ganze Nilthal zu beiden Seiten ein unermeßlicher,[WS 1] spiegelklarer, ruhiger See, aus welchem nur die Städte und Dörfer mit den verbindenden Dämmen hervorragen. Dann beginnt das wunderbare, geheimnißvolle Walten der Gewässer, die den befruchtenden Schlamm absetzen und darauf langsam wieder in ihr gewohntes Bett zurückfließen. Ende October werden schon die höher gelegenen Felder wasserfrei, die tieferen erst Ende November, und die Saaten werden gestreut zu doppelter und oft zu dreifacher Ernte.

Die Wohlfahrt des Landes hängt von der richtigen Leitung und Vertheilung der ungeheuren Wassermassen ab, und die Schleusenwerke und Dämme müssen ununterbrochen und auf das Sorgfältigste überwacht werden, damit sich der Segen nicht in Unheil verwandele. Nur wenige Hauptdämme, namentlich im Delta, brauchten durchstochen zu werden, und die schreckliche Gefahr einer wirklichen, regellosen Ueberschwemmung wäre da - ein Plan, mit dem sich Arabi Pascha, als dem letzten Vertheidigungsmittel gegen den andrängenden Feind, tragen soll, wie man von vielen Seiten behauptet, den er aber schwerlich ausführen wird, weil seine eigene Vernichtung leicht damit verbunden sein könnte. Andere nehmen an, er würde bei einem eventuellen Rückzuge nach Kairo die Umgebung der Stadt meilenweit nach allen Seiten hin unter Wasser setzen lassen, was allerdings ausführbar wäre, um dann in der Stadt selbst, wie auf einer Insel, das Weitere abzuwarten, aber während man sich daheim und fern vom Kriegsschauplatz dergleichen Bilder ausmalt, können dort die eisernen Würfel schon ganz anders gefallen sein.

In dieser letzteren Beziehung bleibt uns nichts übrig, als mit den fatalistischen Mohammedanern zu sagen: „Insch Allah“: „wie Gott will“, und dem „Kismet“, dem vorher bestimmten Schicksal, an das jeder gute Moslem glauben muß, Alles anheim zu stellen.




Der Krieg um die Haube.
Von Stefanie Keyser.
(Schluß.)


Drüben im Rathhaus wüthete die Tanzfreude.

Allen voran übte die Rotmundin die feinen Künste, die sie in Augsburg gelernt hatte. Sie lenkte und renkte und bog sich, glitt sanft und leise mit zerbrochnen Tritten dahin oder schwenzelirte keck einher, wie das Alles zum Gepräng hoffärtiger Frauen gehörte.

Der junge Erzherzog versuchte jeden Tanzschritt einmal mit der hübschen Evastochter: den Hoppelreihen, das Verdrehen und Umbschweifen, das man später Walzer nannte, und er fragte sie jedesmal:

„Wann kommt der Todtentanz?“

„Wenn die Glocke Mitternacht schlägt!“ antwortete sie mit süßer Stimme.

Und auch dieser schöne Augenblick kam und verging.

Der Ferdinandus lag still auf dem Pfühl. Zinken und Hörner tönten; die schellenumhangene Handtrommel rasselte, und er blinzelte durch die Wimpern.

Der Letzten eine beugte sich die Rotmundin zu ihm nieder, und während sie den von Gold und Perlen flimmernden Schleier mit der Gebärde der Klage an ihre Augen führte, flüsterte sie dem still Liegenden zu:

„Ihr seid ein braver Herr gewesen, habt mir armem Weibe geholfen, daß ich nun meinem Eheherrn wieder in alter Lieb und Treu anhängen kann. Deß zum Dank geb ich Euch den Kuß mit auf die weite Reise.“

Sie drückte einen langen Kuß auf das vielbesprochne Schlarpel.

Das Gesicht des Erzherzogs wurde sehr roth, und Herr Rotmund leichenblaß.

Herr Wilhalm war heute großartiger denn je. Er saß den fremden Herren gegenüber auf hohem Pferd, damit sie nicht abermals aus Rand und Band kämen, und er ließ die Elsbeth warten, auf daß er sein Ansehen bei ihr erhöhte und ihr die gute Lehre beibrachte: eine Frau hat nichts von dem Manne zu fordern, sondern alles von seiner Liebe und Gunst geduldig zu erharren.

Und die Elsbeth war eine fleißige Schülerin; sie sah nur schüchtern zu ihm hinüber und maulte nicht, als ein Reigen nach dem andern vorüber ging, und Herr Haller, ohne sich zu rühren, an der Wand stand gleich dem trutzigen Rolandsbild draußen am Rathhaus.

Als aber der Kuß des Todtentanzes abermals drohte, machte er seinen Prüfungen ein Ende, schritt zu ihr hinüber und bot ihr die Hand zum einleitenden Rundgang. Da sich dann der Ringelreihen der Frauen ausschied, den Erzherzog zu umkreisen, führte er die Elsbeth stracks davon in eine der tiefen Fensternischen.

Einen Augenblick standen beide athemlos neben einander.

„Ihr habt Euch des Sturzes entledigt,“ sprach er endlich, auf das Goldnetz zeigend, in dem ihr schönes Haar gefangen lag.

„Ich habe gestern in der Stunde der Gefahr gelobt, den Sturz abzulegen,“ antwortete Elsbeth mit niedergeschlagnen Augen.

„So seid Ihr doch auch wandelbaren Sinnes und habt Euch dem Neuen zugewendet,“ rügte er würdevoll.

Sie schlug die Wimpern zu ihm auf, und jetzt sah er weg; denn wie sie ihn mit ihren zwo Wegwartenäuglein anschaute, da strahlte etwas darin, das drang ihm tiefer in’s Herz als das, was aus den Augen der schönen welschen Frauen ihn angeflimmert hatte.

„Wandelbaren Sinnes?“ fragte sie und schüttelte den Kopf, „nein, nur das Gehäuse wandelt sich, der Kern aber wird allzeit derselbe bleiben. Wir schaffen neue Truhen in das Gemach, aber es wird immer derselbe Linnenschatz darin sein; wir setzen andre Oefen, aber dasselbe Feuer wird darin brennen, und auf der Bank dahinter werden die Kinder sich dieselben Märlein erzählen; wir schmücken uns mit einer neuen Haube, und es sehen Euch dieselben Augen darunter an; wir thun den Goldlatz von uns, und gegen das neue Mieder schlägt dasselbe alte Herz. Ach Wilhalm! Wir können Euch nimmer berücken wie die Frauen aus Venezia, die, unter einer heißen Sonne erblüht, heiß fühlen und berauschen wie die Blüthe des Baumes, daran die gelben Limonien wachsen. Unsre Liebe brennt in einer stillen Flamme, aber wie die ewige Lampe für und für. Hauchet Ihr sie an, so duckt sie sich, als wolle sie verlöschen; dann wieder leuchtet sie sacht weiter, und darum giebt man uns das Lob, daß wir treu sind.“

Da schmolz dahin, was an Geckerei und Firlefanz und beleidigter Manneswürde noch in ihm war. Er war nur noch der frische junge Gesell, der sein Herz klopfen hörte und der mit einer bebenden Stimme fragte:

„Elsbeth, wollen auch wir uns Treue halten?“

Sie drückte die Hände vor das Antlitz.

Wilhalm aber zog sie jubelnd an sein Herz. Ihm war so wohl, als habe er Maienwein getrunken, und er flüsterte übermüthig:

„Nun mußt Du Dich doch herzen lassen auf Befehl; denn Dein Herz ist Festordner geworden und schwingt den weißen Stab mit magischer Gewalt, der Du nimmer zu widerstehen vermagst.“


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: unrrmeßlicher

[647] „Du aber? Du?“ flüsterte sie und sah ihm halb lächelnd, halb ängstlich in die Augen.

„Ich? O, i kenn mi halt nimmer aus,“ antwortete er auf gut Nürnbergisch und drückte seine Lippen auf ihren stillen Mund. Und er, der bisher nur den langsamen polnischen Tanz, in dem man gravitätisch dahin wandelte, seiner Würde angemessen gehalten hatte, sprang nun fröhlich mit seiner Elsbeth im letzten Hupfauf.

Dann sagten Alle der fürstlichen Durchläuchtigkeit Valet.

Der Morgen graute schon; die schaulustigen Bürger waren endlich schlafen gegangen, und tiefe Ruhe waltete in der Stadt. Nur aus den Armenhäusern drang frommer Gesang; es waren die Danklieder, welche die herbe Ursel bestellt hatte.

Noch andre Herzen stimmten selig ein: der Rotmund, der endlich seinen Kuß bekam, der Wilhalm, der sich fröhlich in seinem zerrütteten Gemach auf’s Lager warf und feines Läuten im Traum hörte, wie von einem Schlüsselbund.

Und die Elsbeth? Lange noch, nachdem längst ihre Eltern, von dem gehabten Kummer getröstet, ausschliefen, stand sie an ihrem Fenster und schaute in die aufsteigende Morgenröthe. Ihre Nachbarinnen, die Schwalben, erwachten, zirpten und riefen einander zu, und weil sie Niemand hatte, dem sie ihr Herz ausschütten konnte, sprach sie zu den geflügelten Hausgenossen:

„Ihr Schwälblein seid mir das liebste von allem Gethier, das da fleugt. Ihr steuert frei durch die blaue Luft, daß man meint, Eure Fahrt habe kein Ziel. Dann seid Ihr doch glücklich, wenn Ihr Euch im steinernen Nestlein zusammenfindet. So war es auch mit der Sehnsucht in unsren Herzen. Wir wußten nicht, woher sie kam und wohin sie begehrte, bis sie sich nun zur Ruhe setzt in einem traulichen Heimwesen.“ – –

Am andern Morgen ging’s überall still her. Die geschwärmt hatten, schliefen dem Tag die Augen aus. Die Knechte der fremden Gäste packten ein.

Aber allmählich entstand ein Laufen, ein Suchen und Rufen auf der Burg. Der Erzherzog hatte seinen lustigen Rath zu sich befohlen, und der war nimmer zu finden. Erst hielt man es für einen Schalksstreich vom Narren, daß er sich versteckte. Man suchte ihn von der Spitze des Heidenthurmes bis hinab in das Verließ und die Folterkammer. Der Narr blieb verschwunden.

Pfalzgraf Ottheinz meinte:

„Der liebe Gott hat ihn zu sich genommen, hat auch einmal seinen Spaß mit ihm haben wollen.“

Der Erzbischof von Mainz aber sagte: „Der Teufel hat ihn geholt; er stak so voll Ketzerei wie ein alter Pelz voll Motten.“

Endlich hatte ein Stadtsöldner seine Kappe unten im Graben gefunden, innig vereint mit einem Sturz, und brachte beides auf der Spitze seines Spießes getragen.

Jetzt argwöhnte auch der Stadtschultheiß einen Teufelsspuk.

„Er ist der Böse selbst gewesen und gekommen, uns den Sturz zu entführen, und zu Spott und Hohn hat er uns seine Kappe mit dem ehrwürdigen Schmuck vereint zurückgelassen.“

Aber der Erzherzog zürnte ob dieser losen Reden. Er wollte seinen lustigen Rath wieder haben. Aus der Verwunderung wurde Verdruß, aus dem Verdruß Zorn.

Sein Gefolge saß reisefertig unter der Burglinde, die sich zum fünfhundertsten Male gelaubt hatte, und schwang zum Zeitvertreib die großen Krausen, wie man die gerippten Krüge nannte. Es wurde kein Befehl zum Abmarsch gegeben. Ja, der hohe Herr stampfte endlich zornig mit dem Fuße auf und erklärte, er weiche nicht von dannen, bevor ihm Nürnberg seinen lustigen Rath wieder geschafft habe. Durch alle Straßen rannten Boten; der ehrbare Rath rieb sich den Schlaf aus den Augen und versammelte sich, um Hülfe zu schaffen. Der Narr wurde wie ein verlornes Kleinod ausgeschellt.

Schon klang das Mittagsläuten von allen Thürmen, und noch standen die Rosse und Maulthiere im Schloßhofe, saßen die Herren und Knechte beim Frühtrunk.

Da nahte ein stattlicher Zug. Herr Wilhalm Haller schritt voran; vier Knechte trugen einen Schrein ihm nach. Er begehrte Gehör bei Seiner fürstlichen Durchläuchtigkeit.

Ungnädig nahm der Fürst ihn auf.

Aber Wilhalm sah getrost in das finstre Gesicht des hohen Herrn. Er wußte, wie man einem jungen Herzen beikommt.

So sprach er denn die Betrübniß der Stadt aus über den Verlust des Narren und bot in tiefster Unterthänigkeit einen kleinen Ersatz aus der Hand eines kunstfertigen Bürgers.

Auf einen Wink öffnete sich die Thür; zwei Diener trugen ein holdseliges Engelsbild herein, setzten es nieder und gingen.

Ferdinandus schaute auf.

Da stand sie vor ihm, von dichten Locken umwallt, in züchtige Gewänder bis zur kleinen Fußspitze herab gehüllt. Beschwichtigend hielt sie die feinen Hände empor, und die blauen Augen lachten ihn strahlend an.

Seine fürstliche Durchläuchtigkeit konnte nicht widerstehen. Er neigte das Haupt, man wußte nicht, ob vor dem Huldbilde oder zum Dank gegen Herrn Haller, und sprach dann:

„Wir sind content und wohlzufrieden. Der Engel soll an dem Kanzelfuß unsrer Hauscapelle aufgestellt werden. Alle Heiligen seien gepriesen, daß wir mit so gutem Gewissen ihn an dem heiligen Orte bergen können!“

Dann gab er Befehl zum Aufbruch. – – –

Als in diesem Jahr Fortuna mit ihrem rothen Segel über dem Schützenfeste waltete, wandelte Ursula als Ehegemahl ihres Vetters an seinem Arm durch das Gedränge.

„Es ist der Herr, der überall für die neue Lehre spricht,“ flüsterte das Volk, ihm nachschauend. „Ein stattlicher Mann! Er schaut mild aus, aber ernst, als möchte er nimmer lachen.“

„Desto holdseliger ist sie,“ sagten Andre. „Warum man sie nur die herbe Ursel genannt hat?“

Auch die Rotmundischen schauten dem Paare nach. Mit ihnen war der Wilhalm Haller gekommen, die Elsbeth am Arm, zum letzten Mal als Bräutigam, da andern Tages die Hochzeit sein sollte.

„Was trägt die Ursula für ein Birettlein mit gerade aufsteigender Feder über dem Perlennetz?“ fragte die hübsche Frau den Wilhalm Haller.

„Ein Wiener Putz!“ antwortete dieser. „Ihr Ehewirth ist gut bekannt in Wien; wird ihn haben kommen lassen.“

Frau Rotmundin lächelte ihren Mann an.

„Ich weiß nit, mein Häuble gefällt mir nimmer. Warum ich nur halt meinem lieben Ehegespons deshalb so schwere Tage gemacht habe? Ich will’s nit wieder thun. Aber Du mußt mir auch solch ein Birettlein kommen lassen, Herr Rotmund! Gelt?“

Herr Rotmund seufzte und nickte.

Wilhalm drückte die Hand Elsbeth’s fest an sein Herz und flüsterte:

„Ach Elsbeth, mir gefällt von allen Zierden die Haube am besten, unter die Du morgen kommst.“




Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 50. Waldverbrechen.


Erst vor Kurzem ward die Dresdener Haide von einem ihrer schlimmsten Schlingensteller durch dessen Tod befreit. Der Mann, von dem ich spreche, hat es in seinem fluchwürdigen Handwerke zur wahren Meisterschaft gebracht, und darum wurden auch seine ebenso geschickt gefertigten wie aufgestellten Schlingen von jedem Jäger, dem solche zufällig oder auf der Suche darnach in die Hand fielen, sofort als von dem infamen Frevler herrührende erkannt und nach dessen berüchtigtem Namen als Sch..…’sche „angesprochen“. Dieser gefährliche Hallunke stammte aus einer förmlich nach verbrecherischen Ahnen zählenden Wildererfamilie, und ich selber habe sozusagen drei Generationen derselben an mir vorüber wandeln sehen und dabei ihrem schändlichen Treiben genugsam nachspüren können. Hatte ich doch schon als zwölfjähriger Knabe oft genug Gelegenheit, auf meinen Waldstreifereien mit Jägern den Großvater und den Vater unseres Helden, wie später diesen selbst, in ihrer verderblichen Thätigkeit verabscheuen zu lernen. [648] Eine besondere Veranlassung, diesem Gefühle vollste Nahrung zu bieten, fand sich gerade an dem Tage, an welchem ich meinen ersten Rehbock schießen sollte.

Ich hatte nämlich von dem gestrengen, mir aber sehr gewogenen alten Oberförster C. vom Fischhauser Revier, dem Vater meines vertrautesten Schul- und Waldcameraden, als Angebinde zu meinem eben zurückgelegten sechszehnten Geburtstage das Versprechen erhalten, gelegentlich einen Rehbock auf seinem Reviere abschießen zu dürfen, doch nicht eher, als zur Zeit der vollen Gehörnreife der Thiere, damit, wie er sagte, ich doch auch eine ordentliche Trophäe davon trüge, falls mir mein Schuß gelingen sollte. So war denn Ende Mai herangekommen, als ich gelegentlich eines Besuches bei meinem freundlichen Gönner endlich den so heiß ersehnten Befehl erhielt: nun mein Heil auf einen Bock zu versuchen. Um meiner überschwänglichen Freude darüber einen kleinen Dämpfer aufzusetzen, fügte er jedoch in seiner gewohnten Kernsprache noch hinzu: Der Teufel solle mich reiten, wenn ich einen etwa nur zu Holze schösse[3]; fehlen – und somit blos ein Loch in die Natur schießen – das sei mir seinetwegen unverwehrt.

Nach dieser eben nicht sehr ermunternden Bemerkung erhielt ich auch sonst noch höchst stramme Verhaltungsregeln für meinen am nächsten Morgen auszuführenden Pürschgang und ward schließlich mit einem „Waidmanns Heil!“ gnädigst entlassen.

Schon frühzeitig – noch vor Sonnenaufgang – eilte ich nach vor Freude schlaflos verbrachter Nacht hinaus in den thaufrischen Morgen, überglücklich, zum ersten Male in meinem Leben nach einem edleren Wilde, als Hasen, Kaninchen u. dergl., und zwar so ganz für mich allein, wie ein schon bewährter Waidmann, jagen gehen zu dürfen. Bald war ich im sogenannten Nachtflügel des Reviers und somit an dem mir vorgeschriebenen Pürschorte angekommen, von wo aus ich nun sofort begann, auf’s Vorsichtigste einen wenig betretenen halbvergrasten Weg entlang zu schleichen. Als ich noch gar nicht weit auf demselben vorwärts gekommen war, vernahm ich plötzlich neben mir, in einer Dickung, ein dumpfstampfendes Geräusch und gleich darauf knisterndes Brechen in dem Gestängel, gleich wie von einem flüchtigen Wilde herrührend. Rasch sprang ich bis zu einer mir im Wege liegenden kleinen Blöße vor, wohin die Flucht des Thieres offenbar sich wendete, und kaum dort angelangt, sah ich denn auch wirklich in der ein wenig lichter stehenden Kiefernschonung etwas Rothbraunes schimmern. Mit der Büchse am Kopfe harrte ich des Augenblickes, der mir den Rehbock frei vor das Rohr bringen sollte, um Feuer darauf geben zu können. Welch einen Schrecken aber empfand ich, als jetzt der von mir fieberhaft ersehnte Flüchtling in vollster Hast aus dem Gehölz hervorbrach und ich statt des erhofften Bockes einen leibhaftigen – Menschen auf das Korn bekam, der, mit rothbrauner Wollenjacke bekleidet, wie sie früher die Fleischerburschen zu tragen pflegten, vor mir über die Lichtung hineilte! Donnerwetter, wie schleunigst hob ich da die Mündung der bereits gestochenen Büchse hoch, um sie von meinem verhängnißvollen Ziele abzuwenden. Dann aber rief ich dem flüchtenden Schwerenöther laut nach:

„Halt! Steh’, oder ich schieße!“

Aber trotz meiner rasselnden Drohung behielt ich doch nur die unverwandte, freilich darauf hin äußerst behend werdende Kehrseite des dahinstürmenden Patrons vor dem Auge, bis er unterhalb eines Hanges meinen Blicken entschwand. Dafür trug die Morgenluft mir noch einen recht wenig einladenden Zuruf von dem Unsichtbargewordenen zu, und in unmittelbarem Anschluß daran erhob nun auch noch der Waldschelm Kukuk, wie mir zum Spott, seinen neckischen, von heiserem Gekicher unterbrochenen, vielmaligen Ruf. Doch ich nahm solchen Ausgang meines Debüts unverdrossen hin, freute mich vielmehr von ganzem Herzen, daß ich durch mein jugendliches Feuer nicht schlimmstes Unheil anrichtete.

Nach diesem so unerwartet gestörten Pürschgange gedachte ich denselben erst ein Stück weiter hin wieder aufzunehmen und zu diesem Zwecke einem nicht fern liegenden Gehau zuzuschleichen, wo ich, wenn nicht schon auf dem Wege nach dorthin, einen Bock noch draußen anzutreffen hoffte. Zuvor aber suchte ich mir oben doch erst noch die Fährte meines Störenfrieds auf und verfolgte sie nach rückwärts, um zu erforschen, weshalb denn eigentlich der Kerl, welcher mich jedenfalls für einen dienstthuenden Jäger gehalten, Reißaus genommen haben mochte. Leicht ließ sich seine Spur im frischen Thau auf Gras und Haide der freien Blöße verfolgen, und in der Dickung, wo der silbern glänzende Niederschlag den Boden nicht zu netzen vermocht, kennzeichnete sich die Fluchtlinie deutlich genug durch die Abstreifungen der jetzt im vollen Sonnenlichte am Gezweige des jungen Kiefernbestandes funkelnden Thauperlen. An der Erde aber zeigten auch sonst noch die derben Stiefeleindrücke des Geflohenen die genommene Richtung an.

So sicher geleitet, kam ich bald an eine lichte Stelle, wo ein ganz frisches sogenanntes Achselstück[4] lag, das der Biedere hier jedenfalls bei seiner Flucht weggeworfen. Das dadurch entstandene Geräusch hatte mich, wie mir nun klar wurde, einfältiger Weise auf einen abgehenden Rehbock schließen lassen. Ein Stück weiter hin fand ich auch noch den Stock eines frischumgesägten Baumes, der trotz seiner nur geringen Stärke doch schon recht alt und nur in Folge seines dürftigen Standes auf schlechtem Schorfboden so spärlich gewachsen war. Höchlichst bedauerte ich dessen Vernichtung, der so lange als Wahrzeichen gegolten, weil er die einzige Linde im Reviere war, mir aber außerdem noch ganz besonders lieb und werth gewesen, da ich alljährlich manches Tüchelchen voll Blüthen seiner Zweige meiner guten Mutter für ihre Hausapotheke zugetragen.

Noch lag der unverwelkte grünende Wipfel des Baumes daneben, und ringsum zeigten sich die wüsten Spuren der nächtlichen Thätigkeit des herzlosen Holzdiebes, der, um ein elendes Stück Holz zu erbeuten, ein Baumleben vernichten konnte.

Versunken in Betrachtungen über solch rohes Gebahren, rüttelte mich plötzlich der mir zum Ohr dringende Laut eines Rehkälbchens auf, und ohne Zögern folgte ich der Klangrichtung tiefer hinein in das Dickicht. Hierbei auf einen Wildsteig gekommen, konnte ich auf diesem dem sich wiederholenden Rufe um so unbehinderter entgegeneilen, sodaß ich gerade noch rasch genug zu der gesuchten Stelle kam, um hier Zeuge eines herzbrechenden Anblickes zu werden – ein Mutterreh hing in der Schlinge! Die beiden Kälbchen, ein liebreizendes Zwillingspärchen, standen dicht an der Kopfseite ihrer laut röchelnden bisherigen Führerin, sich an deren schlanken, jetzt von einschneidender Drahtschlinge erwürgten Hals ängstlich schmiegend. Noch war ja Leben in dem alten Reh, aber der angstgequälte, peinvolle Ausdruck seines edelgeformten Kopfes und namentlich der unsäglich schmerzduldende Blick seines sanften schönen Auges ließ schon das Schlimmste fürchten.

Rasch sprang ich hinzu, um noch vor eintretendem Tode die Schlinge zu lösen und so vielleicht doch das Thier zu retten, eine Aufgabe, die zu erfüllen mir bei der scharf angezogenen Drahtschlinge nur dadurch möglich ward, daß ich die schon gebeugte Kiefernstange, an welcher letztere befestigt war, mit dem Nickfänger anschnitt und dann sammt dem daran hängenden Rehe vollends niederbrach, damit dieses vor Allem nicht mehr, an seiner entsetzlichen Fessel emporgezerrt, in der Schwebe hänge. Den schnürenden Draht nun auch noch vom Halse zu entfernen, war mein nächstes Bemühen, was mir auch gelang. Mit dem Tode ringend, sank hierauf das hingemarterte, noch in seinem tiefsten Elend so anmuthige edle Geschöpf in den weichen Waldboden nieder und ließ es ruhig geschehen, daß ich ihm das schöne Köpfchen etwas erhöht auf einen Mooshügel bettete. Sein Blick, der mich hierbei, wie bittend und dankbar zugleich, traf, zeugte mir deutlich, daß es mich nicht fürchte. Sprechen doch die Augen selbst der Thiere, besonders aber die eines Rehes, so verständnißvoll zum Menschenherzen!

Die während meiner Thätigkeit nur einige Schritte zurückgewichenen Kitzchen aber riefen noch unaufhörlich nach dem Schutze der verlorenen Mutter, die trotz meiner angewandten Sorglichkeit nicht wieder auf die Läufe zu bringen war. So kniete ich denn in wahrhaftigster Wehmuth vor dem beklagenswerthen Opfer rohester Selbstsucht. Und wie viele dergleichen Erfolge seiner Grausamkeit mochte der Schurke, der das vollbracht hatte, bereits vor Augen gehabt haben, ohne davon gerührt worden zu sein!

Der Mensch aber, der ein Herz hat, und jemals solch’ jammervolles Verenden eines Rehes, dieses lieblichsten, anmuthreichsten Wildes unserer Wälder, mit angesehen, der wird und muß einen solchen Missethäter, der dergleichen Gräuel auszuüben vermag [649] und darum bei Gelegenheit auch sicher ein Menschenleben nicht schonen würde, auf’s grimmigste hassen. Fast bedauerte ich im Augenblicke, auf den vorhin vor mir Geflohenen nicht geschossen zu haben; hielt ich diesen doch jetzt ganz unbedingt für den Baum- und Thiermörder in einer Person.

Noch strahlten des sterbenden Rehes Lichter unter ihren langen beschattenden Wimpern mit feuchtschimmerndem, tiefdunklem

Mutterreh in der Schlinge.
Nach der Natur gezeichnet von Guido Hammer.

Glanze mich an, als plötzlich unter den letzten Athemzügen, die sich seiner wehen Brust entrangen, auch die perlenschwarze Pracht des herrlichen Auges erlosch und im Brechen sich mit smaragdenem Schein bedeckte – dem Verkünder des eingetretenen Todes.

So lag es denn endlich regungslos vor mir, die nun verwaisten Kälbchen aber, denen ich bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt, riefen noch immer klagend nach der vermißten Versorgerin. Doch ich konnte mich ihrer nicht weiter annehmen; denn ich würde sie nur dadurch verscheucht haben, während sie, ruhig gelassen, möglicher Weise bei der todten Mutter aushielten, bis ich Hülfe gebracht haben würde. Deshalb gab es nun für mich keinen Aufenthalt mehr; im Fluge kehrte ich nach dem Forsthause zurück, hier Meldung meiner Erlebnisse abzustatten.

Nachdem das geschehen, eilte ich mit gleicher Beschleunigung zur Trauerstätte zurück, diesmal begleitet von meinem Freunde, des Försters Sohne, und dem Gehülfen. Dort angekommen, trafen wir wirklich die Kälbchen, jetzt wieder dicht an die verendete Mutter getreten, noch vor, doch wichen dieselben bei unserem Nahen scheu zurück und deckten sich seitab in die hohen Schmalen. Sie nicht umkommen zu lassen, mußten wir die armen Dinger nun doch nothgedrungen zu fangen suchen, und als dies gelungen war, lenkten wir, schon um ihretwillen, sofort unsere Schritte wieder heimwärts, der Gehülfe das todte Reh auf der Achsel tragend, wir beiden Anderen je ein Junges im Arme. Dabei versäumten wir aber nicht, die Stelle des Holzdiebstahls zu berühren, was dem Gehülfen darum sehr wichtig erschien, weil er dort einige Spuren zur Ermittelung des Thäters zu finden hoffte; [650] denn gleich mir hielt er den Holzfrevler zugleich für den Schlingensteller. Ein zerknitterter alter Holzanweisezettel, auf ein Gemeindemitglied eines nahegelegenen Haidedorfes lautend, war ihm ein wichtiger Fund. So kamen wir denn mit gutem Erfolg bald wieder in der Försterei an und boten hier vor Allem den halb verschmachteten Kitzchen frisch gemelkte Kuhmilch, welche sie auch nach einigem Sträuben mit Befriedigung annahmen; sie wurden davon sichtlich erquickt.

Mit diesem letzten Act meines verunglückten ersten Pürschganges war nun meine Mission erfüllt, und ich habe nur noch hinzuzufügen, daß der durch den gefundenen Zettel leicht ermittelte Holzdieb ein Pantoffelschnitzer war, der sich den Lindenstamm für seinen Handwerksbedarf ausersehen hatten am Schlingenstellen aber als vollkommen unschuldig befunden wurde. Wohl aber ward durch ihn der schändliche Wilderer, den man übrigens sofort mit in Verdacht genommen, entdeckt und der That überführt. Und es war dieser kein Anderer, als der Vater des von mir eingangs bezeichneten, erst kürzlich im Zuchthause verstorbenen Schlingenstellers – ein Beweis für das alte, gute Sprüchwort: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme.“




Zum Capitel „Schuldenmachen“.


Wie oft höre ich Eltern sagen: „Unser Eduard, Hermann,“ oder wie der liebenswürdige Sprosse heißen mag, „war doch ein so guter, braver Junge, hatte immer ‚Nr. 1‘ und ‚Sehr gut‘ in Fleiß und Betragen und macht jetzt Schulden über Schulden.“ Solchen klagen gegenüber kann ich mich eines geheimen Lächelns nicht erwehren, wie traurig auch der Anblick des elterlichen Hauses sein mag, welches sich für den verschwenderischen Studenten einschränken muß, oder des Vaters, der die für seine Tochter bestimmten Ersparnisse hergiebt, um die Schulden des Sohnes zu bezahlen, der auf irgend einer Universität den flotten Studenten spielt. Mein Lächeln mag frivol erscheinen.

Ich beeile mich daher, zu erklären, daß ich mit dem Schicksal einer in dieser Weise heimgesuchten Familie die vollste Sympathie fühle und das Lächeln auf Rechnung der menschlichen Organisation zu setzen bitte, die so geartet ist, daß sich die Mundwinkel eigenthümlich verziehen, wenn das Auge oder der Geist etwas durchaus widersinniges wahrnimmt, etwa: daß Menschen Wirkungen erwarten, wo keine Ursachen sind, zu ernten hoffen, wo sie nicht gesäet haben.

Sich nach der Decke strecken, mit seinen Mitteln auskommen, ohne die Hülfe Anderer in Anspruch zu nehmen, ist eine Kunst, eine sehr große Kunst, in der nur wenige als Meister geboren werden, die Mancher nie, Mancher aber erst in der Schule schmerzlicher Erfahrungen lernt, die ihm oft die schönen Zwanzig und Dreißig bitter vergällen.

Gewöhnlich nimmt man an – und zwar mit großem Unrecht – daß alle Personen, welche in Schulden gerathen, leichtsinnige Verschwender seien. Ein großer Theil aller Verschwendung ist aber auf zwei Gründe zurückzuführen: auf das Unvermögen mit Geld umzugehen und auf falsche Ideen von Noblesse und guter Erziehung. Viele Menschen möchten gern vorwärts kommen, möchten sich einschränken, schränken sich auch auf das Jämmerlichste ein – aber sie machen ’s ganz verkehrt: sie sparen die Pfennige und vergeuden die Zwanzigmarkstücke, ohne die geringste Ahnung von dem zu haben, was sie thun. Es hat ihnen eben von Jugend auf an der nöthigen Erziehung gerade nach der Richtung des Sparens hin gefehlt.

Die meisten Eltern glauben in dieser Beziehung genug gethan zu haben, wenn sie ihren Kindern anempfehlen, ihre Kleider nicht zu zerreißen, wenn sie ihnen Strafpredigten halten oder sie züchtigen, sobald sie verschwenderisch gewesen sind, und ihnen zuweilen in ernstem, rührendem Tone die Einschränkungen vorstellen, welche sich die Familie auferlegen muß. Die natürliche Folge davon ist, daß eine große Menge Kinder an den Begriff Sparsamkeit sehr traurige Bilder reiht, und in besonders nachdenklichen Köpfen schon früh der Gedanke angeregt wird, wie schön es doch sein müsse, viel Geld zu haben. Das Erste und Fundamentalste aller Erziehung ist jedoch, in dem Kinde eine Neigung zu dem Lehrgegenstande wach zu rufen. Und das ist in vorliegendem Falle außerordentlich leicht, wenn man von Jugend auf sein Interesse dafür in Bewegung setzt und ihm gradweise die verschiedenen Eigenschaften, welche den Charakter des Haushälterischen bilden, anerzieht.

Von früh an muß das Kind eine bestimmte Summe Geld verwalten. Man fängt am zweckmäßigsten damit an, daß man ihm wöchentlich oder monatlich ein kleines Taschengeld auswirft. Dafür kann es sich Soldaten, Bilderbücher, Puppen etc. kaufen. Das Kind wird nach einigen unangenehmen Erfahrungen bald hinter den Grundsatz aller menschlichen Wirthschaft kommen, sich mit dem geringsten Aufwande die größtmögliche Summe von Besitz und Genüssen zu verschaffen. Es wird, wenn es mehrmals Einkäufe gemacht hat, das Dauerhafte dem Zerbrechlichen vorziehen, mit seinen Spielsachen verständig umgehen, weil es sieht, daß es mit jeder Ersparniß die Möglichkeit gewinnt, andere zu kaufen, und unter den Wünschen, die sein Herz bewegen, auswählen und sich beschränken lernen. Es ist nicht unrichtig, Kinder in kleine Schulden gerathen zu lassen. Die Sorgen, die das kleine Herz quälen, sind eine vortreffliche Schule der Erziehung. Der Vater soll den Kindern den Betrag der Schuld, die sie contrahirt haben, und die sie mit ihrem wöchentlichen oder monatlichen Taschengelde nicht bestreiten können, vorschießen und ihnen dieselbe allmählich abziehen. Auf diese Weise wird sich im Kindesgemüthe mit dem Begriffe der Aufnahme der Schuld der andere Begriff der folgenden Einschränkungen und Entbehrungen verbinden, was bei dem gewöhnlichen Schuldner bekanntlich nicht der Fall ist, der in der Aufnahme einer Schuld nichts sieht, als Erlösung von augenblicklichem Uebel und momentaner Drangsal. Es ist kaum nöthig hinzuzufügen, daß der Vater alle Schritte des Kindes in dem schwierigen Processe, mit Geld umzugehen, zu überwachen hat. Er wird mit dem Kinde berathen, welcher unter mehreren Wünschen zu befriedigen und was zu missen ist. Er wird es nicht dulden, daß ein Kind mit Fremden Schulden contrahirt. Alles dies erreicht er am besten dadurch, daß er ihm von Jugend auf empfiehlt, zu buchen. So lernt das Kind die Kunst, den Stand seiner Casse in jedem Moment überblicken zu können. Von Zeit zu Zeit sieht es, was besser ungekauft geblieben wäre und was ihm wirklich genutzt hat. Es lernt – und das ist in unserer irdischen Existenz von ungeheurer Wichtigkeit – wie große Summen pfennigweise aus den Cassen verschwinden.

Sobald das Kind auf dieser Stufe Fortschritte gemacht hat, kann man ihm größere Summen und andere Arten von Ausgaben anvertrauen. Man wirft ihm von Semester zu Semester eine bestimmte Summe für Bücher und Schreibmaterialien aus, nicht zu karg bemessen, damit es Ersparnisse machen kann. Es muß auf dieser Stufe berathen, aber nicht bestimmt werden, selbst nicht durch schmerzliche Seufzer und Interjectionen. (Die Sitte mancher Mütter ist bekanntlich, mit leidendem Gesichtsausdrucke zu sagen: „Thu, was Du willst!“) Besonders müssen die Eltern Sorge tragen, in dem Kinde die Scheu vor einer großen Ausgabe zu ertödten, wenn dieselbe verständiger als eine kleine ist. Wenn es aber nicht thut, was die bessere Einsicht der Eltern ihm räth, so mag es die Folgen seines Thuns an seinem eigenen Leibe fühlen. Deshalb kein Tadel, auch kein Spott, wenn das Kind die Consequenzen seines falschen Schrittes bemerkt! Aus dieser Erziehung soll eben alles Tadelnde, Bevormundende ausgeschlossen werden.

Auf einer folgenden Stufe mögen die Eltern dem Sohne eine fixe Summe für seine Kleidung auswerfen, vielleicht mit der Ausgabe für Schuhe und Stiefeln anfangen und allmählich die Ausgaben für Strümpfe, Hemden, Cravatten, Handschuhe und schließlich für seine Anzüge in den Kreis seiner Verwaltung eintreten lassen.

Wenn der Vater auf dem gekennzeichneten Wege fortschreitet, wird er den Sohn mit achtzehn, neunzehn Jahren in Geldsachen unabhängig gemacht haben. Dieser wird gelernt haben, zu veranschlagen, mit seinen Mitteln zu rechnen, zu überlegen, auf welche Weise er die Kraft seines Vermögens stärken kann, Nothwendiges, Dauerhaftes dem Ueberflüssigen und Unsoliden vorzuziehen; er wird nicht durch größere Summen geblendet werden und geringe Summen nicht mißachten. Kurz, er wird den Werth des Geldes erkannt haben; er wird wissen, was 100 und 200 Mark bedeuten.

Die Ueberschüsse, welche sich bei einer tüchtigen Verwaltung ergeben, können entweder zu Ansammlung eines Capitals oder als Mittel zur Erreichung anderer Zwecke verwendet werden. Der Sohn möchte vielleicht eine Reise machen. Der Vater veranschlage die Reisekosten – nicht zu knapp – und überlege mit ihm, auf welche Weise er die Summe ersparen kann! Ein schon vorhandener Ueberschuß wird dem jungen Manne den Nutzen desselben doppelt klar machen. Vielleicht mag der Vater zu ihm sagen: „Wenn du bis zur bestimmten Zeit die Hälfte der Summe erübrigt hast, will ich dir die andere Hälfte schenken.“ Auch mag der Eine oder der Andere darauf aufmerksam gemacht werden, daß er sich durch jahrelange Sparsamkeit etwa die Mittel zu verlängertem Studium auf der Universität oder zu einem Aufenthalte im Auslande erwerben kann. Es mag wiederholt werden: Die Sparsamkeit darf nicht als etwas Unangenehmes, Düsteres betrachtet werden, sondern als die Kunst, durch Nachdenken und Berechnung sich die größte Summe von nützlichem Besitz oder von erlaubten Genüssen zu verschaffen, Unannehmlichkeiten von sich fernzuhalten oder die materielle Freiheit für die Anstrebung weiterer Ziele zu gewinnen. Selbst wenn vorhandene Ersparnisse für größere Zwecke verwandt werden, sollen sie nicht ganz aufgezehrt werden. Der junge Mann muß sich daran gewöhnen, immer einen Betrag für unvorhergesehene Fälle zu besitzen.

Die Rolle der Mutter ist hierbei eine mehr negative. Sie soll die Tendenzen des Eheherrn nicht durchkreuzen, indem sie dem Kinde heimlich Geld zusteckt und so eine planvolle Erziehung unmöglich macht.

„Wird die Folge dieser Erziehung nicht die sein,“ höre ich die Einen und die Andern fragen, „daß der junge Mann in den Jahren, da sich sein Gemüth in der Richtung zum Idealen entwickeln soll, zu einem berechnenden kleinlichen Wichte heranwächst?“ Ich glaube nicht, wenn die Erziehung ihr Hauptziel darin findet, ihren Zögling frei zu machen, und er in der Sparsamkeit das Mittel suchen lernt, um höhere Ziele verfolgen zu können. Aber selbst vorausgesetzt, daß die Erziehung die Ansammlung von Capital anstrebte, würde bei dem Charakter des deutschen Jünglings jene Furcht in den meisten Fällen unbegründet sein. Sie wird – und das soll sie – ein heilsames Gegengewicht gegen diametral entgegengesetzte Bestrebungen bilden. Sollten sich aber häßliche Charakterzüge ausprägen, so suche man – was überhaupt als eine Ergänzung dieser Erziehung betrachtet werden mag – den Zögling dazu zu veranlassen, Almosen zu geben. Demjenigen, welcher von seinem Eigenen Almosen giebt, wird jedenfalls klarer werden, was Mildthätigkeit heißt, als dem Kinde, welches auf Spaziergängen Geld erhält, um es am Wege lungernden Bettlern zu übergeben. Abgesehen davon, daß das Kind auf [651] die letzt bezeichnete Weise zu einem stolzen Bewußtsein seiner Bedeutung gelangt, fühlt es nichts von den heilsamen Empfindungen, die mit der Opferwilligkeit unzertrennlich verbunden sind.

Alle diese Vorschriften werden freilich fruchtlos bleiben, wenn Eines nicht vorausgesetzt werden darf, Eines, welches die Vorbedingung jeder guten Erziehung ist: das Beispiel; denn was nützt alle Erziehung, wenn das Kind nicht in der Familie selbst ein Vorbild von siegreichem Anpassen an die gegebenen Verhältnisse sieht, wenn die Mutter es nicht versteht, auch um das Kleine „Glanz und Schimmer zu weben“, wenn der Vater es für nobel hält, jedes Jahr große Gesellschaften zu geben, welche der Familie die größten Entbehrungen auferlegen, den Töchtern ihr Erbtheil nehmen und sie oft zwingen, das Brod der Erzieherin oder Gesellschafterin zu essen! Dann freilich muß das Kind in der Sparsamkeit etwas Widerwärtiges, in der Gastfreiheit ein Uebel sehen. Welch ungeheure Vermehrung des Nationalwohlstandes und des häuslichen Glückes aber, wenn Tausende von Familien ihren gesellschaftlichen Pflichten weniger gewissenhaft nachkämen, und ihre Pflichten gegen ihre Kinder sorgfältiger erfüllten, wenn sie auf periodische Abfütterungen verzichteten und eine bessere tägliche Tafel hielten, die der ganzen Familie gesunderes Blut, stärkere Muskeln und Nerven verschaffte! Wahrlich, manche deutsche Gewohnheiten sind unsolide Gewohnheiten. Wer in den neuen Vierteln unserer großen Städte in den Miethcasernen Wohnungen gesucht hat, der hat oft genug Gelegenheit, Stockwerke zu sehen, welche ein paar schöne Zimmer nach vorn enthalten, die bekannten „guten“, das ganze Jahr nie von der Familie benutzten Stuben, und einige kleine Räume in einem Hinterbau, wo Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer friedlich neben einander liegen. Man kann mir nicht erwidern: das ist der Fehler der Häuserspeculanten; denn die Häuserspeculanten lassen eben die Häuser bauen, wie sie die Mehrzahl ihrer Miether wünscht. In diesen Häusern leben nun Leute mit verhältnißmäßig kleinem Einkommen, die es trotzdem für richtig halten, in den Staatszimmern Gesellschaften zu geben und in den Wohnräumen ein beschränktes Leben zu führen.

Ist es da zu verwundern, daß das aufwachsende Kind in der Sparsamkeit nichts sieht, als eine Entbehrung des Nothwendigen, um das Ueberflüssige zu besitzen, nichts als ein Mittel trauriger Heuchelei, um mit Glanz und Schimmer Leere und Mangel zu verdecken?

Unsere jungen Leute sind, wenn sie mit einer gewissen Selbstständigkeit in’s Leben treten, meistens nicht gehörig daran gewöhnt, mit Geld umzugehen. Relativ unbedeutende Summen erscheinen ihnen unerschöpflich, und sie wirthschaften darauf los, bis sich die Endlichkeit derselben erweist. Sie verstehen es nicht, zu veranschlagen, zu berechnen, das Nothwendige zu erreichen und das Ueberflüssige zu missen.

Ungenügend wirthschaftlich vorbereitet tritt mancher junge Mann in ein Studenten- oder in ein Officiercorps ein. Der Ton, die Sitten und Anschauungen dieser Kreise sind ein Erbtheil der kleinen Aristokratie unseres Vaterlandes, und indem eine Menge Bürgerlicher in dieselben eindringt, werden die mannigfachen Fehler und schwachen Seiten unserer kleinen Aristokratie in weite Schichten des Bürgerthums getragen.

Unser zahlreicher kleiner Adel ist wegen seines Reichthums bekanntlich nicht gerade berühmt, auch nicht wegen seiner Haushaltungskunst. Eine seiner Maximen ist es nun aber leider „in Geldsachen nobel zu sein“. Wenn man diese Noblesse richtig versteht, ist sie unzweifelhaft ein gutes Ding, z. B. wenn man es für nobel hält, Schuster, Schneider und alle Leute, welche mit geringem Geldcapital arbeiten, nach Ablieferung der Waare zu bezahlen, nothleidende Bauern dem Wucherer zu entreißen, sich nicht in zweideutige Geschäfte einzulassen etc. Das ist aber nur allzu oft nicht das, was unter Noblesse in Geldsachen verstanden wird. Im Gegentheil: man glaubt nobel zu sein, wenn man mehr kauft, als man bezahlen kann, Luxusgegenstände an sich bringt, aber dringendere Bedürfnisse nicht zu bestreiten vermag, wenn man dem armen Verwandten Champagner mit Austern vorsetzt, da ihm dreißig Mark willkommner wären, wenn man sich von dem Ladeninhaber auf das schmählichste übervortheilen läßt – ein Gentleman darf nicht sagen: das ist unverschämt theuer – und leckere Mähler hält, indeß der Schuster demüthig vor der Thür steht und um Bezahlung bittet, obgleich er sie fordern kann. Es wäre falsch, wenn man all diesen Leuten ihre Verschwendung hart vorwerfen wollte. Manche von ihnen sind in Verhältnissen aufgewachsen, wo man daran gewöhnt ist, aus dem Vollen zu schöpfen, sodaß es ihnen wirklich schwer fällt, auszukommen, wenn ihnen dieses „Volle“ eben nicht zu Gebote steht. Solche Momente des Mangels verwöhnter junger Herren sind die Geburtsstunden des Schuldenmachens. Eine Anleihe folgt der andern, und wer dieses Leben einige Jahre fortsetzt, kann leicht so weit kommen, daß er seine Schulden nicht mehr allmählich abtragen kann. Der gähnende Abgrund muß plötzlich aufgefüllt werden, wenn er nicht ewig dem Schuldigen entgegengähnen soll. Da bietet sich der Spieltisch oder eine reiche Heirath, oder der Name und Titel deckt eine schmachvolle Gründung. Dahin führt die Noblesse in Geldsachen.

Doch genug davon! Wer offene Augen hat, muß sehen, daß immer Zweierlei nöthig ist: die Kunst, bei geringen Mitteln mit fröhlichem Gemüthe hauszuhalten, und der ernste Wille, aus unsern Sitten und Gewohnheiten alles Unsolide, auf den Schein Berechnete zu entfernen und die falsche Noblesse mit Ernst und Spott über Bord zu werfen. Zur Erreichung dieses Zieles muß aber vor allem Eines mitwirken: eine gute Erziehung, die gerade auf die Beseitigung dieser schreienden sozialen Uebelstände ihr Augenmerk richtet.




Blätter und Blüthen.


Das Jubiläum des Gregorianischen Kalenders (1582–1882). In den Tagen, da die vorliegende Nummer unserer „Gartenlaube“ in die Welt hinausgeht, vollendet sich das dritte Jahrhundert seit der Einführung einer ebenso tiefgreifenden wie heilsamen Reform, deren Gedächtniß wir nicht unbeachtet mögen vorübergehen lassen. Wir sprechen von der großen Kalenderverbesserung Papst Gregor’s des Dreizehnten, und wir vermitteln unsern Lesern das Interesse für die Bedeutung dieses Actes durch nachstehende kurze und allgemein verständlich gehaltene Darstellung.

Wie man weiß, hatte Julius Cäsar in Verbindung mit dem alexandrinischen Astronomen Sosigenes anstatt des früheren, in arge Verwirrung gerathenen, altrömischen Kalenders im Jahre 47 v. Chr. Geburt den verbesserten, nach ihm benannten Julianischen Kalender eingeführt, wonach das Jahr in der Regel in 365 Tage zerfiel, jedes vierte Jahr aber als Schaltjahr einen Tag mehr erhielt, und demnach die mittlere Dauer des Jahres 365¼ Tag betrug.

Cäsar gab ferner den Monaten diejenige Zahl von Tagen, welche sie noch gegenwärtig haben, und setzte zuletzt den Beginn seines ersten Jahres auf den Neumond nach der Wintersonnenwende (46 v. Chr.), den er als 1. Januar bezeichnete, während die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche auf den 24. März fiel. Statt der bisher üblich gewesenen Monatsnamen Quintilis und Sextilis aber führte später der römische Senat, Julius Cäsar und Augustus Octavianus zu Ehren, die noch jetzt gebräuchlichen Bezeichnungen Juli und August ein.

Nachdem diese von Cäsar ins Leben gerufene Einschaltungsmethode, welche sich durch das ganze römische Reich hindurch erhielt und später ohne Aenderung auch auf die christliche Kirche überging, länger als sechszehnhundert Jahre beibehalten worden, wurde sie endlich verdrängt durch jene mathematisch weit genauere Zeitberechnung Papst Gregor’s des Dreizehnten, welche noch gegenwärtig die Grundlage des nach ihm benannten und zuerst im Jahre 1582 eingeführten Gregorianischen Kalenders bildet.

Da nämlich 129 Jahre des Julianischen Kalenders um ungefähr einen Tag zu groß sind, so hatte derselbe mit dem Laufe der Sonne auf die Dauer nicht in Uebereinstimmung bleiben können, und in der That fiel schon zur Zeit der großen Kirchenversammlung zu Nicaea (325 n. Chr.) das Frühlingsäquinoctium nicht mehr auf den 24. sondern auf den 21. März. Bereits im fünfzehnten Jahrhundert ging daher die Kirche mit dem Gedanken um, eine Anzahl Tage aus dem Kalender auszuwerfen, um auf diese Weise jene Differenz auszugleichen, aber erst ein volles Jahrhundert später nahm Papst Gregor der Dreizehnte, von der Kirchenversammlung zu Trient ausdrücklich hiermit beauftragt, die Sache wirklich in Angriff und berief behufs Feststellung eines neuen Kalenders eine Commission von vornehmsten Astronomen und Mathematikern. Da seit Cäsar’s Zeit ungefähr dreizehnmal 129 Jahre vergangen waren, so hatte sich die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche um volle 13 Tage rückwärts geschoben und fiel dieselbe somit bereits auf den 11. März.

Um sie nun den Bestimmungen des Concils von Nicaea gemäß wieder auf den 21. März zu versetzen und bei diesem Tage zu erhalten, was die kirchliche Berechnung der Feste wünschenswerth machte, da das Osterfest regelmäßig am ersten Sonntage nach dem auf die Frühlingsnachtgleiche folgenden Vollmond gefeiert werden sollte – wurde durch die päpstliche Bulle vom 24. Februar 1582 angeordnet, daß im gedachten Jahre die zehn Tage vom 5. bis 14. October ausfallen und somit gleich nach dem 4. October der 15. October geschrieben werden solle. Damit aber im Laufe der Zeit sich der alte Fehler nicht wiederhole, wurde als Jahreslänge die Zeit von 365 Tagen, 5 Stunden 49 Minuten angenommen, welche den auf Anordnung des astronomiekundigen Königs Alfons des Zehnten von Castilien herausgegebenen Planetentafeln zu Grunde lag. Gleichzeitig wurde, um eine sich trotzdem ergebende geringfügige Differenz zu beseitigen, bestimmt, daß zwar im Allgemeinen, wie bisher, jedes Jahr, dessen Zahl durch vier theilbar sei, ein Schaltjahr von 366 Tagen sein, daß aber von den Schlußjahren der Jahrhunderte, wie 1600, 1700 etc. nur die mit 400 theilbaren Jahre Schaltjahre, die übrigen hingegen gemeine Jahre sein sollten.

Es blieb also im Gregorianischen Kalender das Jahr 1600 ein Schaltjahr, 1700, 1800 und 1900 aber wurden gemeine Jahre, und erst das Jahr 2000 wird wieder ein Schaltjahr sein, womit zwar die absolute mathematische Genauigkeit noch immer nicht ganz erreicht, aber doch jedenfalls den praktischen Bedürfnisse auf lange hinaus Genüge geleistet war.

Eingeführt wurde der Gregorianische Kalender oder der Kalender neuen Stils zunächst in Italien, Spanien und Portugal, wo man der obengedachten päpstlichen Bulle gemäß vom 4. October 1582 sofort zum 15. October überging. Die übrigen Länder Europas bequemten sich der Reform erst nach und nach an, und zwar in nachstehender Reihenfolge, wobei wir jedesmal die ausgefallenen Tage in Parenthese hinzufügen: Frankreich 1582 (10. – 19. December), die katholischen Provinzen der Niederlande 1582 (16. – 25. December), die katholischen Theile von Deutschland und der Schweiz 1583 zu verschiedenen Terminen, Böhmen 1584 (7. – 16. Januar), Polen 1586, Ungarn 1587, die protestantischen Gebiete von Deutschland und Dänemark 1700 (19. – 28. Februar), die protestantischen Provinzen der Niederlande 1701 (2. – 11. December), die protestantischen Cantone der Schweiz 1701 (1. – 10. Januar), Großbritannien 1752 (3. – 13. September) und endlich Schweden 1753 (18. – 28. Februar).

Die Russen und überhaupt die Bekenner der nicht unirten griechischen Kirche sind dagegen bekanntlich beim Julianischen Kalender, dem sogenannten Kalender alten Stils, stehen geblieben und aus diesem Grunde hinter den übrigen Europäern schon gegenwärtig um zwölf Tage zurück.

[652] Hinsichtlich der Bestimmung des Osterfestes bestand in Deutschland noch lange eine Verschiedenheit zwischen Katholiken und Protestanten; aber auch diese wurde im Jahre 1775 auf Anregung König Friedrich’s des Großen von Preußen beseitigt, und weicht seitdem der protestantische Kalender vom katholischen nur in den Benennungen der Sonntage und einigen anderen unwesentlichen Punkten ab.

Papst Gregor der Dreizehnte starb schon drei Jahre nach Vollendung des großen Werkes. Durch die vorstehend skizzirte Reform, welche seinen Namen trägt, hat er sich ein dauerndes Denkmal errichtet und ein Anrecht auf die Dankbarkeit der Nachwelt – und zwar nicht blos der katholischen – erworben: um so bedauernswerther erscheint sein fanatischer Jubel über die Pariser Bluthochzeit, die er durch ein feierliches Tedeum und eine in majorem Dei gloriam geprägte Denkmünze verherrlicht hat.




Herman Schmid’s „Gesammelte Schriften“ (Leipzig, Ernst Keil). Die Zahl der Erzähler, welche direct aus dem frischen Born echter Volkschilderung schöpfen, ist in Deutschland von jeher keine große gewesen; die Nation der „Denker und Dichter“ kann eben, ihrer Natur gemäß, nicht reich sein an naiven Talenten, an Geistern, die, selbst schlicht und unmittelbar empfindend, die Gestalten ihrer Dichtungen aus jenen Kreisen nehmen, wo in diesen Zeiten einer nivellirenden Ueberfeinerung schlichte Natürlichkeit noch am meisten angetroffen wird – aus den Kreisen des Volkes. Eine dieser seltenen, volksthümlich und aus dem Volke heraus schaffenden Dichternaturen war Herman Schmid. Was Jeremias Gotthelf für die Schweiz, was Fritz Reuter für Mecklenburg, das ist Herman Schmid für sein geliebtes Baiernland.

Nicht direct aus den unteren Schichten des Volks hervorgegangen, sondern vielmehr unter dem Vollgenusse einer akademischen Bildung herangewachsen, dabei aber in steter Fühlung mit dem Leben des Volkes und der Natur, brachte er für seinen volksschriftstellerischen Beruf vor allem zwei der wichtigsten Eigenschaften aus dieser Schule mit: einen hochgebildeten Geist und ein gesundes natürliches Gefühl: jener schützte ihn in seiner Production vor der Gefahr flacher und geschmackloser Alltäglichkeit in Wahl und Bearbeitung seiner Stoffe; dieses befähigte ihn zum Verständniß und zur anschaulichen Wiedergabe alles Dessen, was das Herz des Volkes bewegt. Er stand denkend weit über dem Volke, befand sich aber fühlend mitten unter ihm, und so kam es, daß die Schöpfungen Herman Schmid’s von jeher ebenso freundlich begrüßt wurden vom gebildeten Manne, wie vom einfachen Sohne des Volkes; so kam es ferner, daß seinen Erzählungen bei aller Leichtfaßlichkeit und Popularität stets ein ernstes künstlerisches Streben inne wohnt und daß sie nirgends die strenge ästhetisch-sittliche Durcharbeitung entbehren lassen, ohne die kein echtes Volksbuch denkbar ist.

Schmid ist ein Meister in der Situationsmalerei und in der Charakterzeichnung; auch was die technische Bewältigung seiner Sujets, die Gliederung und Führung der Handlung seiner Erzählungen betrifft, braucht er kaum einen Vergleich zu scheuen; er versteht, wie Wenige, seine Stoffe in der Fundamentirung, im Aufbau und in der Gipfelung wirkungsvoll zu gestalten, ohne dabei jemals in seichte Effecthascherei zu verfallen. Er verschmäht zwar keineswegs den Effect, aber er weiß ihn künstlerisch zu verwenden; er ist ein guter Colorist, aber niemals auf Rechnung der correcten Zeichnung seiner Gestalten. Sein Stoffgebiet ist kein weites, umfangreiches – um so gewissenhafter und tiefer gräbt er auf dem weise abgesteckten Terrain nach den Schätzen, welche dieses birgt: Charaktere und Verhältnisse der baierischen Bergbewohner weiß er mit einer Treue zu schildern, die etwas unwiderstehlich Ueberzeugendes hat, und vermöge seines ungewöhnlichen Schilderungstalentes gelingt es ihm, die verständnißvoll eingeflochtenen Naturbilder ebenso stimmungsvoll wie anschaulich zu zeichnen und sie stets mit großem Geschick da einzureihen, wo der Gang der epischen Darstellung als Ruhepause ein lyrisches Intermezzo fordert. Bald sind es die einfachsten Culturzustände, in welchen seine Stoffe sich bewegen, bald Themata von geschichtlicher Bedeutung, die er zum Hintergrunde oder zum Mittelpunkte seiner Erzählungen macht, immer aber, woher er seine Gegenstände auch nehmen mag, zeigt er sich als ein intimer Kenner der Volksseele, als ein feinsinniger Forscher auf dem Gebiet des Menschengemüths.

Zuerst trat Herman Schmid mit den Erzählungen „Der Greis“ und „Unverhofft“ an die größere Oeffentlichkeit, und zwar in Edmund Hoefer’s „Stuttgarter Hausblättern“. Es war kein besonderer Erfolg, den diese Geschichten erzielten, aber sie waren es doch vorwiegend, welche die immer wache und stets feinfühlig tastende Aufmerksamkeit unseres verewigten Ernst Keil auf den baierischen Dichter lenkten. Einer freundlich an ihn ergangenen Einladung zu Eintritt in die Reihe der „Gartenlauben“-Mitarbeiter Folge leistend, veröffentliche Herman Schmid seine „Huberbäuerin“ als ersten Beitrag in unserem Blatte und legte bei der großen Verbreitung, welcher die „Gartenlaube“ sich schon damals (1860) erfreute, mit dieser Erzählung den Grund zu seiner nun schnell wachsenden Popularität, die, unterstützt durch die nimmer müde, werkthätige Freundschaft Ernst Keil’s, seiner Schaffenslust fortan immer neue Nahrung und einen sie segensreich anfeuernden Sporn bot.

Unsere Leser kennen die lange Reihe fesselnder und warmherziger Erzählungen, welche die „Gartenlaube“ dem liebenswürdigen Dichter verdankt; wir heben aus der Zahl derselben hier nur auszeichnend hervor: „Almenrausch und Edelweiß“, „Der baierische Hiesel“, „Der Dommeister von Regensburg“, „Der Habermeister“, „Die Gasselbuben“, „Die Zuwider-Wurzen“ und „Der Loder“.

All diese trefflichen und eine große Reihe anderer Geschichten bilden den Inhalt der 1867 von dem Verfasser derselben in Verbindung mit Ernst Keil veranstalteten billigen Volks- und Familien-Ausgabe der Schmid’schen Schriften; sie sind in der bisherigen Sammlung von zweiunddreißig Bänden längst in Tausenden von Exemplaren verbreitet und in zweiter Auflage erschienen.

Zur Vervollständigung jener Ausgabe trägt nun die Verlagshandlung der „Gartenlaube“ seit längerer Zeit die Schriften des zu früh verstorbenen Autors sorgsam zusammen, um dieselben den vorangegangenen Bänden als „Gesammelte Schriften von Herman Schmid (neueste und letzte Folge)“ anzureihen. In pietätvoller Rücksicht auf die große Liebe und Achtung, welche Herman Schmid gerade in den Kreisen unserer Leser genießt, und abweichend von unserm Princip, das uns die Besprechung belletristischer Erzeugnisse an dieser Stelle sonst verbietet, haben wir nicht unterlassen wollen, auf jene „Neue Folge“ der Schmid’schen Erzählungen hinzuweisen. Den zahlreichen Freunden der Muse unseres Dichters, ganz besonders aber den Besitzern der bisherigen Sammlung seiner Schriften, werden diese Schlußhefte derselben (2 bis 3 Hefte monatlich) ohne Frage besonders willkommen sein. Mögen sie dazu beitragen, dem verdienstvollen Erzähler der baierischen Berge ein dauerndes Denkmal zu setzen!




Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig erscheint:

Herman Schmid’s „Gesammelte Schriften“. Volks- und Familien-Ausgabe. Dritte (letzte) Folge. Vollständig in 30 bis 35 Heften. Preis des Heftes 30 Pfennig.

Inhalt: Der Bauernrebell. – Die Geschichte vom Spötterl. – Im Himmelmoos. – Mütze und Krone. – Concordia. – Hund und Katz’. – Aufg’setzt. – Die Türken in München. – Ledige Kinder.




Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das dritte Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.
Die Verlagshandlung.




Das nächste Quartal werden wir eröffnen mit der ebenso fesselnden wie gehaltvollen Erzählung:

„Spätsommer“ von C. von Sydow,

Verf. der allbeliebten Novelle „Dorette Rickmann“ u. s. w. Einige weitere Erzählungen von verschiedenem Umfange werden im Verlauf des Vierteljahrs sich dem „Spätsommer“ anschließen.

Aus der Reihe der zunächst auf dem Programme stehenden belehrenden und unterhaltenden Artikel heben wir hier nur hervor. „Garibaldi“, eine Charakteristik von Johannes Scherr (illustrirt von Professor Karl Werner), „Goetz von Berlichingen“ (auf Grund neuer Forschungen) von Karl Braun-Wiesbaden, „Die Temperenzbewegung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika“ von Rudolf Doehn, „Populäre Vögel auf der Anklagebank“ von Adolf und Karl Müller, „Klein-Frankreich in New-York“ von Max Lortzing, „Deutschlands erster Kriegshafen“ (Wilhelmshaven) aus hervorragender fachmännischer Feder, sowie ferner: „Bilder aus Neu-Berlin“, „Die Fabrikation von Kriegsmaterial in der Gruson’schen Fabrik in Buckau“, und „Die deutschen Hospitäler im Auslande“. Außerdem die Fortsetzung unserer Rubrik: „Um die Erde“, welche einen besonderen Reiz noch dadurch gewinnen wird, daß unser Specialartist Rudolf Cronau soeben in Begleitung des durch seine vortrefflichen Leistungen allbekannten New-Yorker Publicisten Udo Brachvogel das bisher wenig besuchte Yellowstone-Gebiet von Nordamerika betreten hat. Ersterer wird fortfahren, seine interessanten Bilder zu zeichnen, während Letzterer die Cronau’schen Zeichnungen mit sensationellen Berichten aus jenem Wunderlande der neuen Welt begleiten wird.
Die Redaction der „Gartenlaube“. 



Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Vor der Besetzung Kairos geschrieben.
    D. Red.
  2. Wir verweisen hier auf das schon früher von uns lobend erwähnte Werk Ebeling’s: „Bilder aus Kairo“, in welchem sich ein sehr interessantes Capitel über das „Wüstenbad Heluahn“ befindet, wie wir überhaupt jene zwei Bände Allen, die sich gerade jetzt über die Zustände in Aegypten näher unterrichten wollen, als gute und anziehende Lectüre empfehlen.
    D. Red.
  3. Zu Holze schießen heißt in der Jägersprache bekanntlich: ein Stück Wild so anschießen, daß es in Folge dessen nicht in Kürze verendet, auch nicht des Jägers Beute wird, sondern langsam zu Grunde geht und somit Niemandem Nutzen bringt.
    D. Red.
  4. Achselstück nennt man den Klotz eines Stammes, den ein Mann auf der Achsel fortzutragen im Stande ist.

Anmerkungen (Wikisource)