Die Edda (Simrock 1876)/Snorra-Edda/Sôlarliôth
Jener grimme Greis:
Über die Wegscheide, die er bewachte,
Konnte Keiner lebend kommen.
Lud nie den Mann zum Mal
Bis müd und matt und unvermögend
Jetzt ein Gast die Gaße gegangen kam.
Und heißen Hunger zu haben;
Mit verzagtem Herzen zeigt’ er Vertrauen
Zu dem übel gearteten.
Gern aus ganzem Herzen,
Gedachte Gottes und gab dem Bedürftigen,
Weil er sich verworfen wuste.
Nicht bedurfte der Wandrer der Wohlthat.
Die Sünde schwoll: im Schlaf ermordet er,
Wie weis er war, den Reuigen.
Als er verwundet erwachte;
Aber der Andere nahm seine Sünden auf sich,
Der ihn schuldlos erschlug.
Und bargen seine Seele:
Ein lauteres Leben lebt sie ewig
Bei Gott dem Allgütigen.
Wie gut es ihm ergehe.
Oft verderbt uns, woran wir am Wenigsten dachten;
Niemand setzt sich selbst sein Schicksal.
Daß ihr Glück so bald zerbräche;
Doch musten sie nackt, da nichts ihnen blieb,
Wie Wölfe fliehen zum Walde.
Viel Schmerzen schufen die Frauen:
Mein befleckte Manche, die der mächtige Gott
Doch so schön geschaffen.
Mochten nicht ohn einander sein.
Eines Weibes wegen wurden sie sich feind:
Die stand ihnen zum Sturz bestimmt.
Scherz und schöne Tage,
Sie schlugen alles sich aus dem Sinn
Bis auf der Lieben lichten Leib.
Sie schliefen den süßen Schlaf nicht mehr.
Aus diesem Harme erwuchs der Haß
Zwischen Bundesbrüdern.
Grimmig vergolten,
Den Holmgang gingen sie um das holde Weib
Und lagen beid im Blute.
Des ward ich wohl gewahr,
Denn abgefallen sind allermeist
Von Gott, die sich ihm ergaben.
Lustig zu leben allein bedacht;
Von Feuer zu Feuer nun sieht man sie fahren,
Die schnöden Geschwüre zu bähen.[WS 1]
Über alle Sterblichen;
Aber den Lauf wies ihrem Looße
Anders der Allmächtige.
Und sparten im Spiele das Gold nicht:
Das büßen nun beide, da sie bettelnd wechseln
Zwischen Frost und Feuer.
Wie süß er red und raune.
Heuchl ihm Freundschaft: fremden Trug
Laßen wir weislich uns warnen.
Als er sich in Wigolfs Gewalt gab:
Er traut’ ihm treulich; doch Jener trog ihn,
Der seinen Bruder erschlagen.
Man verhieß ihm Gold dagegen.
Sie schienen versöhnt beim süßen Meth;
Noch kam der Falsch nicht zum Vorschein.
Als sie Rygiarthal erritten,
Mit Schwertern erschlugen sie den Schuldlosen
Und ließen sein Leben schwinden.
Und bargen im Brunnen die Stücken.
Sie wollten es hehlen; der Herr aber sahs,
Der heilige, himmelhernieder.
In seine Freuden zu fahren;
Doch mag er wohl säumig die Mordgesellen
Ihres langen Leids erledigen.
Dir holdes Herz zu hegen:
Deinen Wünschen werden sie in kommenden Wochen
Alles zu Liebe lenken.
Büße nicht Böses häufend.
Liebesthat versöhne den Schwerverletzten:
Das, sagt man, frommt der Seele.
Dem mächtigen, der uns Menschen schuf;
Übels viel befährt der Mann,
Der seinen Vater versäumt.
Wes du dich bedürftig dünkst.
Wer nichts erbittet dem bietet man nichts:
Wer ersinnt des Schweigenden Schäden?
Vor des Fürsten Thüre.
Da erhoff ich, was mir verheißen ist:
Kost erlangt wer verlangt.
Aus dieser Welt des Wehs.
Niemand fürchte sich, der nichts verbrach:
Ein reines Herz errettet.
Die wandelbaren Sinnes sind.
Da erfährt wohl Jeder, der fahren soll
Über feuriger Flammen Glut.
Sagt’ ich dir siebenfach:
Vernimm ihn wohl und vergiß ihn nie,
Er ist wohl werth zu wißen.
In dieser Welt des Wehs.
Das ist das andre: daß alle Menschen
Wider Willen Leichen werden.
Daß sie nach Schätzen schielen.
Zu langem Leide wird das lichte Gold;
Manchen bethören Thaler.
Denn wenig wust ich voraus:
Die zeitliche Welt hat wollustreich
Der Schöpfer geschaffen.
Doch groß war die Lust zu leben.
Aber des Waltenden Willen entschied,
Zum Tode führen Wege viel.
Mir um die Hüfte geheftet;
Zerreißen wollt ich sie; aber sie waren stärker:
Leichter geht sichs lose.
Mir die Schmerzen schwollen.
Heim luden mich der Hölle Töchter
Graunvoll alle Abend.
Sinken in die Welt des Schreiens,
Und der Hölle Gitter hört ich mir zur Linken
Schaurig erschallen.
Wie ich von der Welt mich wandte;
Doch heller schien sie mir und herlicher
Als ich sie noch je gesehen.
Als säh ich Gott den Schöpfer selbst.
Ich neigte der herlichen heut zum letzten Mal
In dieser Welt des Wehs.
Daß sonst mir nichts bewust mehr war.
Die Höllenflüße hallten zur Linken mir
Gemischt mit manches Menschen Blut.
Der Schrecken voll und Schmerzen,
Denn mein Herz, das hart bedrängte,
Zerging in Angst und Ohnmacht.
Ich war der Welt schier halb entwandt;
Die Zunge stand mir starr im Munde,
So fühlt’ ich sie von Frost erfaßt.
Nach jenem trüben Tage;
Der blaue Himmel verbarg sich mir,
In Schmerzen entschwand die Besinnung.
Entflog der bangen Brust.
Er schwang sich hoch empor und setzte sich nirgends,
Daß er zur Ruhe kommen konnte.
Wo ich starr lag auf dem Stroh:
Da verstand ich erst ganz das göttliche Wort:
Vom Staube stammen die Sterblichen.
Der die Welt und den Himmel wirkte,
Wie einsam wir beim Abschied bleiben,
Zählten wir gleich der Freunde viel.
Selig wer da wohl gewirkt!
Ich schatzentblößter kam auf ein Bett
Von schierem Sande zu liegen.
Dieß dünkt das erste Bedürfniss;
Doch mir verleidete sich die Lauge solchen Bads
Über alle Maßen.
Ward dann auf den Hengst gehoben.
Schauerlich schien die Sonne der Riesin
Aus Nacht und Nebel nieder.
Unterwelten zu durchwandern;
Auf und nieder sucht ich ängstlich den Weg,
Der leidlicher zu wandern wäre.
Als ich zu den Qualorten kam:
Versengte Vögel, die Seelen waren,
Flogen wie Fliegen umher.
Und bedeckten die glühenden Gaßen.
Sie schlugen die Schwingen als sollte der Himmel
Bersten und die Erde.
Von Zwein am Zaum geleitet;
Auf dem Felde standen seine Füße,
Die Hörner hob er zum Himmel.
Ihrer sieben sah ich.
Volle Hörner hoben sie des herlichen Meths
Aus des guten Gottes Brunnen.
Da hört ich kläglichen Klang.
Aus allen Kräften eifrige Weiber
Malten das Müll zum Mal.
Übel handhaben;
Blutige Herzen hingen von ihren Brüsten
Zu langem Leide nieder.
Auf den glühenden Gaßen.
Ihr Angesicht dauchte mich immerdar
Roth von rauchendem Blut.
Ohne das letzte Geleit;
Heidnische Sterne umstanden ihr Haupt
Von Todesstäben getroffen.
Um Anderer Glück ergeben,
Blutge Runen standen auf ihrer Brust
Vermerkt des Meines halb.
In der Oede traurig irren.
Der Lohn wird dem, der dieser Welt
Eitelkeit sich äffen läßt.
Von Anderer Gut sich angeeignet;
In Scharen gingen sie zu Schatzliebs Burg
Und schleppten Bürden von Blei.
Entleibt dem Gut zu Liebe;
Die Brust durchbohrten den Bösewichtern
Grimme Giftdrachen.
Die heiligen Tage zu halten.
Ihre Hände waren an heiße Steine
Nothfest genagelt.
Der Hochmuth höhnte.
Ihr Gewand war wunderbar
Übergoßen mit Blut.
Auf andre Leute gelogen:
Ihren Häuptern hackten die Höllenraben
Eifrig die Augen aus.
Die die Höllenkinder quälen.
Süße Sünden werden schwer gebüßt;
Hochmuth kommt vor dem Fall.
Gott zu Liebe gegeben:
Himmlische Kerzen über ihren Häuptern
Brannten lichterloh.
Den Armen geholfen hatten:
Heilige Bücher lasen die Himmlischen
Über ihren Häuptern.
Hatten viel mit Fasten.
Ihnen neigten die Engel Gottes:
Das ist süße Seligkeit.
Das Mal zum Mund geführt.
In Himmelsstralen standen ihnen
Die Betten gebreitet.
Die Seele rein von Sünden,
Die freiwillig mit keuschem Fasten
Sich manchen Tag gemartert.
Empor die göttlichen Gaßen.
Männer lenkten sie, die unter Mörderhand
Ledig sanken aller Schuld.
Heiliger Geist des Himmels,
Dich bitt ich, nimm die du erschaffen hast
Uns aus dem Elend alle.
Auf dem Orgelstuhl,
Flüßiges Eisen entfließt ihren Nasen;
So weckten sie Haß und Wuth.
Zu der Wollust Wonne,
Ihre Segel senkt sie spät,
Die an harten Tauen hangen.
Mit Solkatlis Söhnen
Zu des Hirschen Horn, das aus dem Hügel nahm
Der weise Wigdwalin.
Njörds Töchter neun,
Radwör die älteste, und Kreppwör die jüngste
Mit ihrer Schwestern sieben.
Swafr und Swafrlogi!
Blut weckten sie, Wunden sogen sie
Tödliche, bitterböse.
Sollst du vor dem Volke singen:
Das Sonnenlied wird selten wohl
Den Leuten zu lügen scheinen.
Finden wir uns wieder.
Gebe Gott den Begrabnen Ruhe
Und verleihe den Lebenden Frieden.
Und Wahrheit ward dir enthüllt.
Von allen Lebenden war Niemand so gelehrt,
Daß er das Sonnenlied singen hörte.