Der Dienst des Pfarrers/Das außeramtliche (Privat-)Leben des Geistlichen

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Kapitel XI.
Das außeramtliche (Privat-) Leben des Geistlichen.

 1. Unsre alten Väter, vorab Johann Gerhard, widmen dem Stande der Ehe lange Abhandlungen (de coniugio ministrorum ecclesiae l. c. pag. 153–214). Zuerst die Abhandlung über den Zölibat, sodann folgt der Schriftbeweis für Zulässigkeit der Priesterehe aus I. Tim. 3, 2, Tit. 1, 6, I. Kor. 9, 5, I. Kor. 7, 25, aus der Gestattung durch göttliches und natürliches Recht, aus der Seltenheit der Gabe der Enthaltsamkeit, aus der Geschichte ab exemplorum paritate, aus der Würde dieses ehelichen Lebens, aus der Hochschätzung des Sakraments der Ehe in der katholischen Kirche, aus den Beschlüssen der Konzilien, aus dem Alten Testament und den Beispielen heiliger Ehen. Die Väter zeigen dadurch, daß die Ehe des Geistlichen ihnen bedeutsam genug ist, vielfältig und allseitig erwogen zu werden.

 Es soll auch hier ein kurzes Wort nicht fehlen, weil das Pfarrhaus kaum je eine so bedeutsame Mission gehabt hat als in unsren Tagen, da die Neugeburt unsres Volks,| die ersehnt und erhofft wird, vom Hause und der Familie ausgehen, und diesen das Pfarrhaus wie eine Stadt auf dem Berge voranleuchten soll.
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 Man kann über die Zeit der Verlobung bestimmte Gesetze und Ratschläge nicht geben, der allzufrühen Verlobung, der ein langer Brautstand folgen muß, wird man nicht das Wort reden dürfen, vielmehr darnach trachten müssen, daß der auf langsamer Erwägung und treuer Beratung beruhenden Verlobung die Ehe bald folgen könne. Lange Verlobungen reiben leicht innerlich auf, halten zu viel von der Pflicht ab oder verwickeln in allzu weite „Ausdeutung“ von Pflicht, Gewissen und Arbeit, auch lernen sich die Verlobten zu nahe kennen, ohne doch schon das Gegengewicht der gegenseitigen Erziehung zu haben. Und ehe das neue Leben der Gemeinschaft mit der Fülle von Fragen und Beziehungen beginnt, ist eine zwar uneingestandene, aber deutlich sich zu spüren gebende Ernüchterung und Enttäuschung eingetreten. Daß andrerseits den eilig geschlossenen Ehen viele Gefahren innewohnen, und es unerträglich schwer ist, sich erst in der Ehe wirklich kennen zu lernen, wo dann Pflicht und Ernst auch unter dem Weh des Enttäuschtseins aushalten heißen, braucht nicht viel gesagt zu werden. Jedenfalls sollte man, da man doch nicht den Besitz und das Vermögen, sondern den Christen heiraten will, nicht zur Ehe schreiten, bis der Hausstand auch äußerlich gesichert erscheint. Von Sorgen der Nahrung gleich in den ersten Jahren beschwert sein, tut weh. Es wird erlaubt sein zu sagen, daß die Gestaltung des Pfarrhauses nicht eben in aufsteigender Entwicklung sich befindet.| Mag das mit der eigenartigen Bildung unsrer Jungfrauenwelt zusammenhängen, in die ein Geist der Flachheit und der Verflachung einzuziehen beginnt, der die ernste Arbeit und die Einfachheit des Lebens scheut, oder mag jetzt die auf der Universität begonnene Verlobung wieder mehr in die Erscheinung treten – die Einfachheit des Pfarrhauses unsrer Jugend, über dessen Schwelle man gerne eintrat, ist im Schwinden. Und damit ein großer Faktor der Selbst- wie der Volkserziehung. An der schlichten gesunden Einfachheit des Pfarrhauses, in dem nicht Dürftigkeit, aber noch weniger Prunk herrschte, erbaute sich die Gemeinde, und die mit Sand bestreute Diele wehrte niemandem den Eingang in das Haus. Jetzt nehmen sich die oft in der Gewerbehalle gekauften Geräte in den einfachen und primitiven Gelassen auf dem Lande seltsam genug aus, es fröstelt den Besucher der Anblick an, und die Insassen scheinen auch nicht heimisch werden zu können. So beginnt das Unglücksgefühl an dem Ort, der das ganze Erdenglück beschließen sollte, dazu der Schmerz über Mangel an gebildetem Verkehr, obgleich was Bildung und Unbildung heißt, nicht immer feststeht, dann das Verlangen nach Abwechslung, nach Reisen und Anregung. Und man wird nicht heimisch, weil man’s nicht werden will. Das spürt die Gemeinde und zieht sich zurück, sie kennt ja außer ihrer Enge wenig von der Welt, hätte in ihrer Abgelegenheit genug Welt, und wundert sich, wie andre anderes begehren können. Die Verstimmung der Gattin wirkt auf den Pfarrer, der doch sein Werk mit Freuden, nicht mit Seufzen tun soll, er sucht nun sich zu zerstreuen entweder im Studium und| bei ernster Arbeit, was noch Kraft und Freude wieder geben kann, oder im gesellschaftlichen Leben, an das er sich leicht verliert. Die ersten Jahre der Ehe werden die schwersten, und nur die Gewohnheit macht sie leichter. Wahrlich, es ist nicht immer so, es ist nicht häufig so, aber es ist so. Darum kann man die jungen Geistlichen nicht herzlich genug bitten, bei der Wahl ihrer Lebens- und Amtsgefährtin – denn eine σύνζυγος καὶ διάκονος mehr noch wie jene Phöbe aus Kenchreä soll sie sein – nicht auf äußere Vorzüge zu achten, sondern auf den Lebensernst und die Lebenshaltung. Bildung ist nicht Kenntnis etlicher französischer Phrasen und der Baustile alter und neuer Zeit, auch nicht der modernen und unmodernen Literatur, selbst nicht einmal der trefflichen und das Haus verschönenden und gerne verklärenden Musik, Bildung ist das Verlangen, dem Ernst des Lebens Kraft abzugewinnen und entgegenzusetzen, die Fähigkeit, auf fremde Interessen einzugehen, Lasten zu tragen und doch nicht zu ermatten, den Alltag zum Festtag zu erheben, das große sehnliche Heimweh, das die Welt liebt um des willen, der sie geliebt hat. Was an äußern Kenntnissen, deren Mangel ja nicht Norm und Erfordernis sein soll, abgeht, kann erstattet werden. Gemeinsame Lektüre der alten Hausbücher (etwa der Briefe Schleiermachers, Wilhelm von Humboldts und Bunsens, vorab der Briefe Luthers), der Geschichte gibt reichlich Belehrung. Aber auch wenn dies nicht ermöglicht werden könnte, daß nur Gebetsgemeinschaft besteht, die συμφωνία τῶν ἐπαινούντων καὶ ἐλπιζόντων, der Wetteifer, den Tertullian der rechten Ehe wünscht. Wo diese ist, da ist eines| des anderen Gewissen, da lebt man nicht vom Lobe, sondern von der Prüfung, was etwa Tugend und Lob sei, da sagt man sich die Wahrheit und kommt im Gericht einander näher, da ist die Liebe Königin des Hauses, nicht die verzärtelnde Schwachheit seine Tyrannin. Von solchem Pfarrhause, das sich in gottgeordnete Grenzen und Schranken mit Freuden fügt, das die kleinen Freuden als Würze des Lebens dankbar begrüßt, ohne die fehlenden Äußerlichkeiten zu vermissen, geht eine stille Predigt nicht nur durchs Dorf, sondern durchs Land. Dieses Haus ist ein Bethaus, von der Heiligkeit der Gottessatzung umhegt, vom Ernst des Gottesgebotes erfüllt, von der Freude am Herrn geadelt und verklärt. In dieses Haus kommt das Anliegen gerne, spricht sich wohl auch bei der Ehefrau aus, die für das Kleinste Verständnis hat, wie es denn das edelste Vorrecht der Frau ist, zu erlauschen und zu erfassen, und findet Trost und Rat. Die Ewigkeit wird es offenbaren, welchen Schatz Luther wieder erschloß, als er in den Frühlingstagen 1525 an die priesterliche Hand den Trauring streifte, nicht voreilig – ein Vierzigjähriger ist abgeklärt – aber in vollem Bewußtsein der Schmähung, der er sich aussetzte, und der Segnung, die Gott in Aussicht genommen. Vor unsre Augen tritt die erlauchte Reihe der Pfarrersfrauen, deren oft die Welt nicht wert war, der stillen Dulderinnen, der wortlosen Kreuzträgerinnen, die, von Sorgen fast erdrückt, nur danken konnten und im ärmlichen Hause Licht und Wärme zu verbreiten wußten, für ihre Kinder bewahrende Engelsgestalten, erziehend und beeinflussend, ohne des Gatten Selbständigkeit anzutasten und in sein Amt sich| einzudrängen. Die Innere Mission des Pfarrhauses ist in Büchern aufgezeichnet, die nicht ein Menschengriffel beschrieb. Es soll nicht ungesagt bleiben, daß Ehelosigkeit, in rechtem Verstande erfaßt und gehalten, mit klarem Blicke für die sonderlichen Gefahren der Vereinsamung und der abgöttischen Liebe zur Arbeit, des feinen Egoismus, der sich heiligmäßig nennen läßt und ungottgemäß dem Ich dient, den Geistlichen nicht nur nicht hindern kann und darf, sein Amt wohl auszurichten und in Würden zu führen, sondern ihn geradezu unbehinderter ausschreiten und mehr arbeiten lassen wird. Wiewohl, um einen Fall zu nennen, man glauben möchte, der unverheiratete Geistliche habe weniger Eingang in die Häuser, bestimmte Fragen ehelicher Kasuistik würden von ihm ferngehalten, so wird doch auch dies rein individueller Natur sein. Daß der unverheiratete Mann besonders vorsichtig sein muß, sein einsames Haus, das ein Vorbild nicht sein kann, nicht zum Anstoß werden läßt, sei nur angemerkt; ohne daß von äußerlichen Gesetzen die Rede sein soll, muß jedenfalls auch er seinem Hause wohl vorstehen.
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 2. Die Studierstube. Das Sanktuarium im Hause, die Rüst- und Betkammer, die Stätte eigner Beichten und fremder Anliegen sei und bleibe nach gutem Brauch das Studierzimmer, das auch im bescheidensten Pfarrhause als „unverdächtiger Ort“ vorhanden sein muß. Es braucht nicht die Papptafel zu tragen, die es ankündigt noch die kalte Anzeige „zu sprechen von – bis –“, es soll an seiner Schwelle feierlich und über den Türpfosten würdig sein. Hier weilt der Pfarrer, um sich für die Arbeit des Alltags, für die Feierarbeit, mit der| er den Sonntag ohne Schuld bricht (Matth. 12, 5), zu rüsten und das Öl auf die Lampe zu gießen, damit sie hell leuchte. Das Studium des Pfarrers! Wie vielumfassend und – in der verhältnismäßig beschränkten Arbeit des Dorfes – wie reichlich kann und soll es sein! Und doch müssen etliche Feinde genannt werden, die das wahre Studium gefährden und Beschäftigung mit Studium verwechseln. Da ist die Flut der kirchlichen Blätter aus allen Lagern, – denn es wird gut sein, auch ein Blatt zu lesen, mit dessen Haltung der Diener des Bekenntnisses nicht einverstanden sein will – man muß den Gang der äußeren und inneren Mission verfolgen, den kirchengeschichtlichen Blättern darf man das Interesse nicht entziehen. Da heißt es mit den Fingern lesen lernen, nicht alles Wort um Wort einnehmen, sondern mit Auswahl und nach bestimmten Gesichtspunkten. Ein Gleiches gilt von den wissenschaftlichen Broschüren, von den Flugschriften, von der kurzlebigen Tagesliteratur, die auch nicht unbeachtet bleiben dürfen. Aber wenn man Tage für dies alles dranwenden und Auszüge aus ihnen machen wollte, studiert ist das nicht. Zum Studium gehört der Mut an umfangreiche Werke, die mit dem Bleistift in der Hand immer wieder gelesen werden wollen und sollen, der Wille, etwas zu lernen, und die weise Wahl nach bestimmtem Programm. Daß der Urtext beider Testamente alle Tage in die Hand kommen soll, ist gewiß, bald ohne Kommentar, bald mit ihm. Im übrigen aber werde ein Arbeits-Plan gemacht, der durchgehalten werden kann, etwa Luthers Theologie von Theodosius Harnack und Köstlin und ein bestimmtes Werk Luthers| in der Sommerszeit, zur Winterszeit Oehlers alttestamentliche Theologie und Orellis Religionsgeschichte und Hemans Geschichte des Volkes Israel, zu der die Stades verglichen werden mag. Im andern Jahre arbeite man in Dogmatik und vergesse nicht die „alten“ Bücher von Thomasius, Christi Person und Werk und etwa Ritschl, Religionsunterricht für höhere Klassen zu studieren. Solche Gegenstücke sind heilsam und gut. Ein weiteres Jahr bestimmt man für Ethik, nicht nur für die von Martensen, obgleich sie das Urteil eines unwissenschaftlichen Buches nicht verdient, sondern für die von Harleß, die unter allen mit dem Schriftbeweis und den Zitaten aus den Werken Luthers am besten dient und die Wahrheit am geschlossensten darlegt, und Rich. Rothe, wobei Luthardts Geschichte der Ethik nicht vergessen werden soll. Weiterhin lasse man die Kirchengeschichte sich am Herzen liegen, etwa Briegers mustergültige Reformationsgeschichte (im Ullstein-Verlag), die manche mit einem Predigtbuch vergleichen, – wahrlich ein treffliches Predigtbuch, dem man viele Leser wünschen möchte – oder Bezolds Geschichte der Reformation in dem Sammelwerk von Wilhelm Oncken. Und diese Bücher lese man immer wieder, um von ihnen aus zu prüfen und weiter zu lernen, auch aus den Büchern, die nimmer Ausdruck des Kirchenglaubens sind! Wer aber könnte nicht an Stelle der genannten andre einsetzen! Frank und Ritschls Rechtfertigung und Versöhnung, dessen geschichtliche Urteile jedenfalls besser sind als die exegetischen Befunde, Kähler und des alten Ernst Sartorius Lehre von der heiligen Liebe, Dorners Geschichte der protestantischen Theologie und Hases| Polemik, Rankes Geschichte der Päpste und Hundeshagens Wesen des Protestantismus und Thiersch, des Irvingianers, Vorlesungen über Katholizismus und Protestantismus. Das Herz wird weit, wenn es alles dessen gedenkt, was studiert werden soll und darf und – kann, ars longa, vita brevis! Daneben habe man noch Zeit zu gemeinsamer Lektüre und vergesse nicht Shakespeare um der Befruchtung der Gedanken willen vorzunehmen. Wenn man das Seine zu Rate hält, kann man etwa mit dem Nachbarkollegen die wichtigsten Bücher anschaffen. Zudem sind Bibliotheken da und ihre Bedingungen freundlich und günstig. Daß der edlen Musika ihr holdes Recht werden darf und zur Erholung alles Schöne und Große dienen soll, ist Freiheit. Nur darf nicht der Genuß die Pflicht verdrängen und verkürzen oder gar an ihre Stelle treten wollen.
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 3. Die Geselligkeit. a) Die Kirchenordnungen der mittelalterlichen wie der reformatorischen Kirche warnen, ohne ihn zu verbieten, vor dem Besuch des Wirtshauses. Dem ist beizustimmen. Was man dort gewinnt, wenn es überhaupt Gewinne sind, wiegt den Verlust nicht auf. Es hat wohl etliche gegeben, die im Wirtshause Seelsorge trieben, ihren Bauern die Zeitung vorlasen und erklärten und manch gutes Wort anknüpften. Aber vermutlich war diese Art von Seelsorge ziemlich abrupt und ging kaum in die Tiefe, gut genug, wenn sie nicht zur Karikatur ward. Es kann Fälle geben, wo der Geistliche die Gaststube besuchen muß, etwa bei einer Feierlichkeit, aber er wird gehen und kommen, wie es ziemlich ist und ohne gemachte Würde sich zur Geltung| bringen. Wo er ist, verschwindet das Kartenspiel und verstummt das leichte Gerede. Wenn er aber selbst Gefallen am Kartenspiele findet und es teilt, dann frage er sich, ob ihm dazu die Zeit gegeben sei und ob die Gemeinde aus den Händen gerne das Nachtmahl empfängt, die mit Spielkarten hantieren. Nimmt aber die Gemeinde nimmer Anstoß daran, dann ist es um so schlimmer.
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 b) Als ein Kleinod evangelischer Geselligkeit aber feiern wir die Konferenzen, mehr noch die in engem Kreise als die offiziellen, deren Unfreiwilligkeit nicht immer richtig ist. Wenn zwei oder drei Pfarrer, wie schon erwähnt, die Predigtkonzepte austauschen, ein gutes Buch miteinander lesen, zu dem auch die Frauen beigezogen werden können (ein Lebensbild, eine tüchtige geschichtliche Skizze), wenn das ungeschriebene Statut lautet, daß zuerst gearbeitet, dann erst Unterhaltung gepflogen werde, so ist das – edelste Gesellschaft, die mit reinem Gewissen genossen werden kann: die Erinnerung ist dann die beste Probe. Hier lernt man einander kennen, schätzen und schützen. Aus diesen kleinen Zusammenkünften entstehen oft gesegnete, bis in die Ewigkeit reichende Verbindungen. – Aber auch die „wissenschaftlichen“ Konferenzen haben, besonders wenn jedes Mitglied gerade die Fragen behandeln darf, die ihn beschäftigen und die Exegese, die besser in kleinerem Kreise getrieben wird, zurücktritt, ihren hohen Segen. Daß sie mit Gebet eröffnet werden, versteht sich wohl von selbst, die Lesung eines Bibelabschnitts in dem Grundtext gebe die Einleitung; über den Vortrag, dem nie eine Qualifikation folgen soll, weil ja jeder das Beste geben wird| was er hat, werde dann durch Frage und Gegenrede Aussprache gehalten. Dann mag noch der brüderlichen Aussprache ihr Recht sein, zu der übrigens auch sonst Raum und Gelegenheit genug wird. Und zu guter Zeit eile man der Heimat zu; das alte Residenzgesetz will die Gemeinde immer „unverlassen“ haben.
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 c) Ob der Geistliche politisieren, tanzen, ins Theater gehen, etwas „mitmachen“ darf? Daß er seine an Gottes Wort sich prüfende, aus der Geschichte und ihren Lehren zu bemessende, persönliche Überzeugung in öffentlichen Fragen sich bildet, bewahrt und vertritt, ist nicht nur Recht. Aber von der politischen Arbeit halte er sich ferne, um der Gemeinde und dem πολίτευμα ἐπουράνιον recht dienen zu können. In den rein technischen Fragen aber bescheide er sich und denke an Jesu Wort: Luk. 12, 14. – Wir kennen den Präzisionismus des alten Pietismus und teilen ihn nicht, aber wir fragen billig, ob der Mann, dem die Sorge für Seelen anbefohlen ist, für die er einst Rechenschaft geben soll, nicht zum Vergnügen Zeit, aber ob er daran noch Lust hat. An sich ist der Besuch eines Festes der studentischen Korporation, der er einst angehörte, dem Pfarrer nicht zu mißgönnen, er trifft alte Freunde, pflegt gesegnete Erinnerungen, zeigt den Seinen die Stätten seiner Jugend. Und doch ist zu fragen, ob solche Festlichkeiten nicht in die νήπια hinüber führen können, die der Apostel ἀνὴρ γεγονώς ablegt? Der tanzende Pfarrer hat gewiß den Ruhm der Weltoffenheit und Weitherzigkeit, und der Makel des frömmelnden Schriftgelehrten fällt nicht auf ihn. Wer dann die Krankenbetten, die Sterbelager in der Gemeinde, die Sonntage| mit ihren Fragen und stillen Anklagen! Weil er die Macht hat, solche Dinge zu tun, muß er auch die Freiheit haben, sie zu lassen. Und diese Freiheit zu brauchen ist besser als der andren zu dienen. Er richtet andre nicht, aber ihm frommt es nicht, so läßt er es. Die Schwachen werden es ihm danken und der Heiland der Schwachen wird ihn dafür segnen. – Gewiß mag ein gutes Stück, eine Oper, ein klassisches Drama vieles bieten, was auch dem Pfarrer als gebildetem Manne nützlich und dienlich ist. Und wenn er glauben würde, durch Fernebleiben vom Theater frömmer zu sein, so tut er wohl daran, diesen Wahn sich zu benehmen. Aber wiederum wird er sich zu fragen haben, ob er nicht, in den schweren Ernst des Lebens und seiner Wirklichkeit gestellt, auf dessen Darstellung im ob auch vollendeten Spiele verzichten könne und müsse. Die Konflikte, die das Spiel ihm nahebringt und löst, hat er in schwerer Tatsächlichkeit durchlitten und durchlitten gesehen. Mitten in den Genuß drängt sich und will nicht abgewiesen werden die Erinnerung und zwängt sich auf das Gewissen, ob ihm das Gegenstand der Kunst sein dürfe, was das Leben ihm an Ernst und Schwere bot. – Irrational ist das Leben, in dem er steht. Warum soll er auch nur Stunden über dieses Mißverhältnis sich hinausheben lassen? Und das musikalische Genießen kann er, wenn er musikverständig ist, sich selbst gewähren, wenn nicht, doch nur mehr ahnen als haben. Es ist ja wahrlich nicht Erweis fortgeschrittner Heiligung, wenn über alle diese Mitteldinge mit uneingeschränkter Bestimmtheit abschließendes Urteil gefällt werden kann, aber aufs Ganze gesehen wird man wohl| sagen dürfen, daß Verzicht heilsamer und nützlicher ist als Vergunst und daß das enge Gewissen das weite Herz und den freien Blick nicht nimmt, sondern erhält.

 Je ernster der Christenstand genommen und der Beruf in seiner Einzigartigkeit erfaßt wird, dem allein – das muß und darf der Indifferenzierung von Geistlichen und Laien immer wieder entgegengehalten werden – eine Herrenstiftung zur Seite steht, desto geringer wird das Gebiet der Mitteldinge, die dem weiten Gewissen so viele offene Türen zeigen.

 Es ist weniger als ein Mittelding, ob ich in schwarzer oder heller Kleidung gehe: das Kleid macht nicht den Mann – und doch ist dieses Gewand, durch die Sitte gewahrt, durch das Herkommen gewohnt, einmal als Zeichen des Amtes, dessen man sich nach außen doch nicht schämt oder weigert, zum andern als Bewahrung vor mancher Lässigkeit und endlich zu einem Zeugnis, auf das hin mancher Einsame es wagt mich anzusprechen, nicht abzulegen. Es wehrt der Freiheit nicht und gibt doch die rechte Bestimmtheit.

 Sub specie aeterni wird ja vieles als unbedeutend erscheinen und entfallen: Aber was im Lichte der Ewigkeit bedeutsam erscheint, die Bewahrung der eignen Seele und der ihrem Denken und Tun befohlenen Herde, das muß auf die Zeit des Werdens und Bereitens heiligen Ernst legen. Den Ernst, der sich nicht fürchtet, daß der Herr nahe, aber bangt, der Erzhirte möge seinen Knecht verlassen und seinen Namen nimmer im Munde leiden.

 Ein Diener Christi! Nur ein Diener – das Urteil einer des Dienstes sich weigernden und an furchtbarere| Dinge verkauften Welt klingt über diese schwache Gegenwärtigkeit der Erscheinung und ihre unwerte, nichtsbedeutende Rede (II. Kor. 10, 10) mitleidiger Verachtung voll. Mein Diener, ruft der, der einst zum Propheten Jeremias sprach: Wenn du dich zu mir halten wirst, sollst du mein Hirte sein, mein Diener, siehe, ich stehe vor der Türe deines Herzens, deines Hauses und Amtes und klopfe an. Ich klopfe an, damit du meine Demut kennest, die da Gast sein will, wo sie gebieten könnte, klopfe an, damit du dich rüsten kannst, mich zu empfangen. Wenn du meine Stimme hören wirst, die meine unter den drohenden und lockenden und schmeichelnden, und mir freudig Herz und Haus und Amt erschließest, so will ich zu dir eingehen und das Brot der Sorge und der Tränen mit dir teilen, dein tägliches Brot segnen und dich zu mir laden, mit mir nehmen, auf daß du seiest wo ich bin, und werdest, wie ich bin.

 O si possemus excitari, ut tales essemus amatores vitae permanentis, quales sunt homines vitae fugientis.





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