Dresden Tagebuch einer musikalischen Reise (1773) von Charles Burney
Leipzig
Berlin 1


[39]
Leipzig.


Diese Stadt hat sich von dem, was sie in dem letzten Kriege ausgestanden hat, noch nicht wieder erhohlet; und ihre berühmte Messe, welche sonst eine Versammlung der reichen, muntern und fleissigen Bürger aus allen Theilen des Erdbodens sowohl, als eine Assemblee der souverainen Prinzen [40] und des hohen Adels aller nördlichen Reiche aus Europa zu seyn pflegte, scheint itzt in ein gewöhnliches Jahrmarkt oder Kirmeß, dergleichen vierteljährlich in unserm engländischen Marktflecken gehalten werden, zusammen geschrumpft zu seyn.[H 1]

Herr Ebeling, in Hamburg, Magister der Philosophie, und ein sehr einsichtsvoller Liebhaber der Musik, hatte mich bey Gelegenheit, da ich meine Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der Musik in Frankreich und Italien herausgegeben, mit verschiedenen wissenschaftlichen Briefen beehrt, und mir manche nützliche Anmerkung über die musikalische Geschichte von Deutschland mitgetheilt; und, als er in Erfahrung brachte, daß ich gesonnen sey, eine Reise durch dieses Reich zu thun, trieb er seinen Eifer so weit, daß er an verschiedene seiner Freunde, und brave Tonkünstler in etlichen Städten, schrieb, die ich auf meinen Wege berühren mußte, in welchen er solche angelegentlichst ersuchte, mir bey meinem Unternehmen alle mögliche Hülfe und Beystand zu leisten.

Als ich nach Leipzig kam, verspürte ich die Wirkung seiner Freundschaft, bey der Art, womit mich Herr Hiller, Musikdirektor beym Concerte dieser Stadt, empfing; denn er hatte ihn schriftlich auf meine Ankunft vorbereitet. Dieser Mann, [41] der nicht allein ein vorzüglich guter Schriftsteller über musikalische Materien, sondern auch der erste und allgemein beliebteste Komponist von deutschen Operetten ist, war unermüdet in seinem Bestreben, mir, so lang als ich mich in Leipzig aufhielt, angenehme Dienste zu leisten.

Ich erwartete von Herrn Breitkopf, dem vornehmsten Buchhändler mit musikalischen Kompositionen in Europa, viele Nachrichten über Musik und Tonkünstler zu erhalten, und besuchte ihn also unmittelbar nachdem ich angekommen war; allein ich fand an ihm nichts weniger als einen gesprächigen Mann. Er schreibt sich die Ehre zu, der Erfinder der beweglichen musikalischen Typen zu seyn, und scheint dazu ein Recht zu haben,[H 2] [42] weil er seit dreyzehn oder vierzehn Jahren sowohl seinen eignen Landsleuten als andern Europäern eine sehr grosse Menge musikalischer Werke, allerley Arten, von den grössesten itztlebenden Komponisten, aus seiner Presse geliefert hat, wovon er alle Messe ein Verzeichniß liefert. Er scheint auch der Erste zu seyn, der bey seinem Verzeichnisse die ersten drey oder vier Anfangstäckte der ersten Stimmen in Noten beygefügt hat, wodurch der Leser in den Stand gesetzt wird, zu wissen, ob er ein Werk ganz oder nur zum Theil besitzt.

[43] Ausser den gedruckten Musikalien von fast allen berühmten Komponisten, verkauft Herr Breitkopf geschriebene um einen billigen Preis, wie auch einzelne Stücke sowohl aus gedruckten Werken, als auch aus einer Menge andrer, die niemals in Kupfer oder im Druck erschienen sind.

[44] Herr Hiller, der fast gar nicht von meiner Seite kam, so lang ich in Leipzig war, hatte gleich den ersten Abend die Güte, mich mit nach der komischen Oper in seine Loge zu nehmen. Vor dem Kriege hatte die Stadt beständig eine Gesellschaft Schauspieler, die immerfort eine hinlängliche Einnahme hatte; allein seit der Zeit hat sich keine einzige lange Zeit daselbst halten können.[H 3] Die Gesellschaft, die itzt da war, kam eben von Berlin, [45] woselbst sie anderthalb Jahr gespielt hatte. Das Stück, was sie heute Abend gaben, war der Deserteur, mit deutschem Texte unter der Originalmusik von Moncigny. Die Acteurs bezauberten mich gar nicht, weder durch ihr Singen noch durch ihr Agiren; keiner sang im Tackte, oder intonirte rein, oder war mehr als gemein. Mir ist fast [46] in meinem Leben die Zeit nicht länger geworden; nachdem ich die ganze Nacht durch auf einem offenen Wagen gereiset war, hätten weit bessere Sänger Mühe gehabt, mich munter zu erhalten. Indessen ging ich von hier mit Herrn Hiller zu Hause, dessen ausserordentlich gutes Herz und Kunstgelehrsamkeit mir weit angenehmere Unterhaltungen verschafte, als das Theater.

Den folgenden Morgen, den 25sten Septemb. war Herr Hiller so verbindlich, mich mit nach dem Theater zu nehmen, wo man eine von seinen komischen Opern probirte. Die Sinfonie und erste Arie waren schon vorüber als wir kamen, man fing aber wieder ganz von vorne an. Die Musik kam mir sehr natürlich vor und gefiel mir, und verdiente nach meiner Meinung viel bessre Sänger, als die gegenwärtige Gesellschaft hat; denn, die Wahrheit zu sagen, singen sie so gemein und alltäglich, als bey uns die Leute zu singen pflegen, welche weder den Vortheil eines musikalischen Unterrichts gehabt, noch jemals gute Sänger gehört haben. Sie haben gerade den kreischenden Hauch, wenn sie die hohen Noten angeben, und stossen ihn mit der vollen Stärke heraus, gleich dem starken Anschlage einer Strohfiddel, anstatt ihn mit einer Messa di voce oder Schweller aufzunehmen. Die Instrumente machten ihre Sache schlecht; da es indessen die erste Probe war, hätten sie auf den rechten Weg gebracht werden können, wenn [47] Herr Hiller für gut befunden hätte ein wenig zu poltern, zu lärmen und den strengen Herrn zu spielen; denn es ist eine traurige Anmerkung, daß wenigen Komponisten von einem Orchester Gerechtigkeit wiederfährt, wenn sie die Spieler nicht vorher hart angefahren und sich in ein gewisses Ansehn gesetzt haben.

Ich dachte den Ursachen nach, warum unter den Sängern auf der Leipziger Bühne durchgängig eine so schlechte Singart herrschte, und konnte keine finden, die es so wahrscheinlich erklärte, als die gegenwärtige Entfernung dieser Stadt von einer italiänischen Oper, welches ordentlicher Weise wegen der italiänischen Sänger, die darin zu singen pflegen, eine gute Singschule für die Einwohner eines Orts ist, wie zu Manheim, Ludewigsburg, München, Wien und Dresden, wo ich den Gesang des grossen Haufens sehr angenehm, den Ausdruck sehr natürlich und eine gar nicht fehlerhafte Art, die Stimme zu führen, gefunden habe. An allen diesen Orten sind seit langer Zeit beständig italiänische Opern gewesen, welche ohne Streit Einfluß auf den allgemeinen Geschmack und auf die Art zu singen gehabt haben.

Zu Ende des vorigen und im Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts, machten die italiänischen Opern während der drey gewöhnlichen Messen zu Leipzig, einen Theil der öffentlichen Lustbarkeiten [48] aus; und der Geschmack an diesen Opern ging damals so weit, daß in dem einzigen Jahre 1703. sechs neue Spiele aufs Theater gebracht wurden. Anno 1720. gingen diese Opern ein, und ich finde keine Spur, daß nachher wieder welche vorgestellet worden wären.[H 4]

Als die Probe von Herrn Hillers Operette geendigt, war er so gütig, mich in der Stadt herum zu führen, um Bücher aufzusuchen. Nach dem Meßcatalogus zu urtheilen, welcher in der hiesigen Oster- und Michaelsmesse herauskommt, werden in Deutschland mehr Bücher gedruckt, als in irgend einem europäischen Reiche, und in Leipzig vielleicht mehr, als in irgend einer andern deutschen Stadt.

Bey einem zwoten Besuche, den ich dem Herrn Breitkopf gab, besahe ich seine Druckerey, und fand eine Menge Pressen im Gange,[H 5] und zwar in verschiedenerley Arbeiten, denn er druckt nicht bloß Musik. Unter andern verschiedenen Fragen, die mich meine Neugierde an die Gesellen thun ließ, war auch die, wie viele Typen oder Charactere zu einer Buchstabendruckerey erfodert würden, und wie sich ihre Anzahl zu den Typen, die zum Notendruck gehörten, verhielten? Und ich erstaunte [49] zu finden, daß die Zeichen zum Notendruck sich auf dreyhundert beliefen, und daß zum Buchstabendruck nur Einhundert Charactere erfodert würden.[H 6]

Ich ging in einige der hiesigen vornehmsten Kirchen, und fand sie fast alle sehr geschmückt und sehr stäubig und schmutzig. In verschiedenen derselben [50] giebt es indessen gute Orgeln, besonders in der Kirche der Reformirten; gute Orgelspieler aber fand ich in keiner, auch erfuhr ich auf meine Erkundigung nicht, daß die Stadt grosse Virtuosen auf irgend einem Instrumente aufweisen könnte. Hieraus muß man aber nicht folgern wollen, daß Leipzig weniger der Aufenthalt von Genies wäre, als andre Oerter; denn es würde nicht schwer fallen zu beweisen, daß es die letzten hundert Jahre hindurch einen geschickten Meister nach dem andern in seinem Schoosse gehabt hat. Für die Liebhaber der Harmonie ist aber wohl kein Zeitpunkt in der musikalischen Geschichte der Stadt Leipzig merkwürdiger, als da es von 1723. bis an seinen [51] Tod, 1754.[H 7] der Wohnort des grossen Sebastian Bach, Vater der itzlebenden grossen Tonkünstlers dieses Namens, gewesen ist.

Dieser berühmte Meister, welcher nach und nach Cantor, Organist und Musikdirektor[H 8] zu Leipzig gewesen, ward 1685. zu Eisenach, in Sachsen gebohren. Seit mehr als zwey hundert Jahren sind in dieser Familie beständig grosse Musikmeister gewesen. Alle diejenigen, welche in Deutschland seit den letzten funfzig Jahren über die Musik geschrieben haben, zeugen von seiner ungemeinen Kunst. Quanz sagt in seinem Versuche einer Anweisung die Flöte zu spielen, den er schrieb, als Sebastian Bach noch lebte, daß dieser vortrefliche Meister die Kunst die Orgel zu spielen, bis auf den höchsten Grad der Vollkommenheit gebracht habe; und Herr Marpurg, in seiner Abhandlung von der Fuge, die er kurz nach seinem Tode heraus gab, sagt von ihm, daß er die Gaben verschiedener grossen Männer in seiner Person allein vereinigt besessen:[WS 1] gründliche Wissenschaft, einen fruchtbaren und lebhaften [52] Geist, einen richtigen natürlichen Geschmack und die fertigste Hand, die sich nur gedenken läßt.

Die Ausfoderung, die er von Dresden aus, von dem berühmten französischen Organisten, Marchand, erhielt und annahm, ist in Deutschland eine bekannte Sache. Als Marchand in dieser Stadt angekommen war, und alle Orgelspieler in Frankreich und Italien überwunden hatte, erbot er sich, gegen jeden Deutschen aus dem Stegreife zu spielen, den der König von Pohlen bereden lassen könnte, es mit ihm aufzunehmen. In Dresden war niemand, der das Herz hatte, und mit einem so siegreichen Streiter sich einlassen wollte; als man aber einen eignen Bothen an Sebastian Bach abfertigte, der damals noch ein junger Mann war, und sich zu Weimar[1] aufhielt, verfügte der sich ungesäumt dahin, und besiegte wie ein andrer David diesen Goliath. Man würde sich irren, wenn man hieraus schlösse, daß Marchand ein mittelmässiger Spieler gewesen. Alsdann würde es Bachs Ruhm nicht vergrössert haben, daß er sein Ueberwinder gewesen. Es war eine Ehre für Pompejus, daß Cesar sein Ueberwinder, und für Marchand, daß er von niemand als von Bach besieget worden war.

Ausser verschiedenen vortreflichen Kompositionen für die Kirche, hat er Ricercari herausgegeben [53] welche aus Preludien und Fugen für die Orgel, aus allen vier und zwanzig Tonarten, über zwey, drey und vier Themata, im Modo recto & contrario, bestehen.[H 9] Alle itzt lebende Organisten [54] in Deutschland, haben sich nach seiner Schule gebildet, so wie die meisten Flügel- Clavier- und Fortepianospieler, nach der Schule seines Sohnes, des vortreflichen Carl Philip Emanuel Bach, der so lange unter dem Namen [55] der Berliner Bach bekannt gewesen, und nunmehr Musikdirektor zu Hamburg ist.

Da Leipzig die letzte ansehnliche Stadt in Sachsen war, auf die ich meine musikalischen Nachforschungen erstreckte; so scheint es hier der beste Ort zu seyn, da ich anmerken kann, daß dieses Churfürstenthum sehr fruchtbar an Tonkünstlern von ausserordentlichem Genie und Geschicklichkeiten gewesen ist; denn es ist Keisers, Händels, der Bachischen Familie,[H 10] Hassens und Grauns Vaterland.

Noch ein Paar Worte von den Beschwerlichkeiten der Reisen durch Deutschland, womit ich meinen Beschreibungen und Klagen ein Ende machen will.

Der Pfad zu den Wissenschaften ist rauh und in allen Ländern ungebahnt, nirgend aber mehr so, als in Deutschland.

– Alpestre, scosceso, erro e selvaggio,
Degno d’un alma audace.

Anmerkungen

  1. Er lebte von 1708. bis 1717. zu Weimar.

Anmerkungen (H)

  1. [302] Es kommen wirklich noch itzt aus allen Gegenden von Europa Kaufleute dahin. Wollte uns der Verfasser wirklich zu verstehen geben, daß das auch der Fall mit den englischen Marktflecken wäre? Viele Engländer, die Leipzig recht gut kennen, werden bey diesem Artikel doch große Augen machen.
  2. Herr Breitkopf, der Sohn, hat wie der Uebersetzer aus guten Nachrichten weiß, ein Werk über die Geschichte der Buchdruckerkunst unter der Arbeit, welche unter andern auch diesen Schein, daß ihm die Ehre dieser Erfindung gebühre, in völlige Gewißheit setzen wird. Bis dahin, daß das Publikum dadurch völlig sicher weiß, daß diese für die Musik so wichtige Erfindung von einem Deutschen herrührt, will ich eine Note aus dem Manual Typographique, par Fournier le jeune, Paris 1764. übersetzt hier anführen. Es heißt daselbst pag. 50. also: „Diese Charactere sind für die Buchdruckerkunst so interessant geworden, daß sich schon verschiedene Personen die Erfindung derselben streitig machen wollen. Diese Personen sind, Herr Breitkopf zu Leipzig, die Gebrüdere Enschede, Schriftgiesser und Buchdrucker zu Harlem, und Rosart, Stempelschneider [42] und Schriftgiesser vorher zu Harlem, itzt zu Brüssel. Da diese Ansprüche von der Art sind, daß sie von neuem Dunkelheiten über den historischen Theil der Buchdruckerkunst verbreiten könnten, habe ich mich bemüht, die Sache hier ins Licht zu setzen, und hier ist das, was ich darüber weiß. Herr Breitkopf, an den ich mich deshalb verwendet, ist so gütig gewesen, mir so viel Auskunft zu geben, als ihm möglich war. Er schreibt mir, daß er der wahre Erfinder der musikalischen Typen ist, wozu er den Plan gemacht, den er Theilweis an einen reisenden Stempelschneider, Namens Schmidt, der von Berlin aus zu ihm kam, gegeben hat. Er begann dabey gegen Ostern 1754; allein da dieser Stempelschneider nichts von der Musik verstund, und ihm Herr Breitkopf seinen ganzen Plan zu entdecken nicht für rathsam hielt; so glückte dieser erste Versuch nicht; er mußte also von neuem daran gehen. Der zweyte Versuch, schreibt Herr Breitkopf, erschien im Monat July, welcher aber sehr mittelmässig und kleiner war, als er seyn sollte, und der einzige Nutzen den ich davon hatte, war, daß ich einsah, mein Plan sey möglich. Er ließ die Stempel von neuem anfangen, mit einer [43] fast unglaublichen Geduld, fügte er hinzu, und im folgenden September hatte er nur erst gerade so viel als er brauchte, um eine Ode von vier Zeilen abzusetzen, welche er durch den Professor Gottsched an Ihro Hoheit, die Churfürstinn von Sachsen präsentiren ließ. Diese Prinzessinn, welche eben ein italiänisches Drama, Il Trionfo della Fedelta, geschrieben, und selbst in die Musik gesetzt hatte ,freute sich sehr über diese neue Erfindung, und hielt solche für würdig, daß ihre Oper damit gedruckt werden sollte. Das munterte mich auf, sagt Herr Breitkopf, mein Werk zu Stande, und meine Erfindung zu mehr Vollkommenheit zu bringen.“

    „Diese musikalischen Typen kamen also im Februar 1755. vollkommen zu Stande; sie wurden zuerst gebraucht ein Sonnet damit zu drucken, welches der Herr Gräfe, Braunschweigischer Kammersecretair (itziger Postrath) komponirt hatte, und welches über das Drama Ihrer Königl. Hoheit gemacht, und dieser Prinzessinn dedicirt war. Das zweyte Werk, welches dieser neue Notendruck lieferte, war dieses Drama selbst, im Jahre 1756. In der Anzeige, die davon heraus kam, schrieb man Herrn Breitkopf die Erfindung dieser Notenschrift zu, eine Ehre, die er sich durch eine Unterschrift am Ende des Werks vorbehalten hatte. Auf diesen Gründen beruhn die Ansprüche, die er auf die Ehre der Erfindung dieser Caractere hat, und wird durch 51 Werke unterstützt, die er von 1755. [44] bis 1761. gedruckt, und wovon er mir ein Verzeichniß zugesandt hat.“

    „Es sind ungefehr zwey Jahr (1762. nemlich) daß die Herrn Enschede im Journal etrangér ankündigen liessen, daß sie eine ‚neue Notenschrift hätten schneiden lassen, und daß man der Stadt Harlem den Ruhm dieser Erfindung nicht würde streitig machen wollen.‘ Kann man die Ehre der Erfindung der musikalischen Typen der Stadt Harlem zuschreiben wollen, nachdem man schon fünf oder sechs Jahre vorher mit eben dergleichen zu Leipzig gedruckt hat, und nachdem ich schon welche zu Paris öffentlich bekannt gemacht habe, die auf eine andre Art gemacht sind? Auf ähnlichen Gründen beruht das ehmalige und von einigen noch fortwährende Vorgeben, als ob Harlem der Erfindungsort der Buchdruckerey sey. Die Herrn Enschedes haben mich mit einem Briefe vom 11. Nov. 1757 beehrt, in welchem sie schreiben: ‚Wir haben die Musik von Herrn Breitkopfs Erfindung gesehen; wir finden diese Methode zwar thunlich, aber sehr beschwerlich und mit vielen Kosten verknüpft. Wir ersuchen Sie, uns eine Probe von der Ihrigen zu senden.‘ Da sie bis dahin noch nichts in dieser Art drucken lassen, und da die Typen, die sie nachher haben schneiden lassen, eine getreue Copey von den Breitkopfischen sind: [45] so können sie wohl nicht die Erfinder derselben seyn; ihr eignes Geständniß beweiset das.“

    „Herr Rosart hat in die Sammlung seiner von ihm geschnittenen Schriftproben, eine ähnliche Probe von Notenschrift gesetzt, mit einer Note, worin er sagt, daß er der Erfinder davon sey; und voriges Jahr (1763) hat er eben dasselbe in der Brüsselschen Zeitung ankündigen lassen. Auf die Vorstellungen, die ich ihm gethan habe, warum er erst so spät mit seinen Ansprüchen auf diese Ehre hervorträte, hat er mir geantwortet, daß er seine besondre Ursachen gehabt, die ihn verhindert hätten, seine Notenschrift eher öffentlich bekannt zu machen, die er schon 1750 in Harlem angefangen, woselbst er auch schon verschiedene Proben davon gezeigt hätte. Diese Gründe schienen mir nicht stark genug, um das über den Haufen zu stossen, was man für Herrn Breitkopf hier angeführt findet.“

    „Was die Notenschrift anbetrift, die ich 1756 geschnitten und bekannt gemacht habe: so ist solche von einer ganz verschiedenen mechanischen Einrichtung, wie man in meinem Buche sehen wird, und niemand macht mir ihre Erfindung streitig. Wenn ich in der Folge der Zeit gut gefunden habe, andre zu machen, und verschiedene Theile dieser beyden Handgriffe näher zu vereinigen; so kündige ich auch die Letzten nicht als meine alleinige Erfindung an, sondern bloß als eine Verbesserung.“
  3. [303] Die kochische Gesellschaft, hätte sich in Leipzig, das die meiste Zeit bis an 2000 Studenten hat, sehr wohl halten können, wenn sie nicht durch einige Professoren und Geistliche vertrieben worden wäre. Sie war vorhin Jahrelang da gewesen.
  4. [303] In Gotscheds Vorrathe der dramatischen Dichtkunst, stehn von 1693 jedesmal Deutsche angegeben, die er selbst besaß. Bis 1720 sind solche häufig.
  5. Nächst der Trattnerschen in Wien, ist die Breitkopfische Buchdruckerey in Leipzig, die stärkste in Deutschland.
  6. Hier ist ein grosser Irtthum in der Rechnung, den der Uebersetzer, so unwichtig er auch manchen scheinen möchte, für nöthig hält, zu berichtigen. Es ist wahr, daß ein gewöhnlicher deutscher Buchstaben- oder Setzkästchen nur 110 M. O. W. und ein lateinischer oder antiqua Kästchen ungefehr 150 Fächer zu den verschiedenen Charakteren enthält. Allein wer bedenkt, wie vielerley Schriften gewöhnlich in einem deutschen Buche gebraucht werden, der wird finden, wenn man nur annimmt, daß ausser zu den hervorstehenden deutschen Worten, Schwabacher oder eine fettere Schrift, noch zu den Noten Antiqua, Cursiv und auch wohl Griechisch und Hebräisch gebraucht wird, daß die Anzahl der Charactere aller dieser verschiednen Schriften zusammen genommen weit beträchtlicher ist, als diejenigen, die zum Notendruck erfodert werden.
      Z. E. Ein Kasten  Fracktur   –   110 Zeichen.
    detto Schwabacher 110
    detto Antiqua 150
    detto Cursiv 125
    detto Griechisch​ ohne Ligaturen 200
    695 Zeichen.

    Ich gestehe, daß ich Herrn Breitkopfs Musikkästchen nicht kenne, aber Fournier hat in dem Gießzettel [50] in seinem Manual Typographique nur 189 Charactere angegeben, welches also noch nicht einmal so viel ist, als ein kleiner griechischer Kasten ohne Ligaturen enthält. Und ein Setzer, der Griechisch mit allen vorkommenden Ligaturen aus den Mönchszeiten setzen sollte, würde ungefehr noch dreymal so viele Charactere inne haben oder suchen müssen, als einer, der Notendruck setzt, nöthig hat. Ein Gelehrter sollte wirklich von dem Mechanischen der Kunst, die ihn so sehr interessirt, als die Buchdruckerkunst, einen nicht gar zu unvollständigen Begriff haben, um nicht oft in dem Falle zu seyn, ganz mit vollem treuherzigen Ernste etwas Unmögliches zu verlangen; wie z. E. ein junger Doctor in einer gewissen Stadt, seine am Universitätsorte gedruckte Dissertation von 4 Bogen zum Buchdrucker schickte, mit dem Ersuchen, ihm von Mittag bis auf den Abend doch vier Exemplare nur davon zu machen, die er mit der Post wegzuschicken hätte, er wolle gern das Exemplar mit 4 Ggr. bezahlen.

  7. Ist ein Druck- oder Schreibfehler, und soll heissen 1750.
  8. Er wurde 1723. gleich als Musikdirektor und Cantor an der Thomasschule erwählt. Er war auch Kapellmeister des Herzogs von Weissenfels, und 1736. wurde er gleichfals zum Königl. Pohlnischen und Churfürstl. Sächsischen Hofkomponisten ernannt.
  9. Im ersten Theile des 4ten Bandes der Mizlerschen musikalischen Bibliothek findet sich eine zuverlassige Lebensbeschreibung dieses Vaters der deutschen Organisten. Folgendes Verzeichniß, welches sich, die letzten drey Nummern ausgenommen, ebenfalls daselbst befindet, hält der Uebersetzer für gar nicht überflüssig, hier anzuführen. Man hat nemlich von J. S. Bach, in Kupfer gestochen
    1) Erster Theil der Clavierübungen, bestehend in sechs Seiten.
    2) Zweyter Theil der Clavierübungen, bestehend in einem Concert und einer Ouvertüre für ein Clavicymbel mit 2 Manualen.
    3) Dritter Theil der Clavierübungen, bestehend in unterschiedenen Vorspielen, über einige Kirchengesänge für die Orgel.
    4) Eine Arie mit 30 Variationen, für 2 Claviere.
    5) Sechs dreystimmige Vorspiele, vor eben so viel Gesängen, für die Orgel.
    6) Einige canonische Veränderungen über den Gesang: Vom Himmel hoch da komm ich her.
    7) Zwo Fugen, ein Trio, und etliche Canons, über ein dem Verfasser von Se. Majestät dem Könige von Preussen aufgegebenes Thema, unter dem Titel; Musikalisches Opfer, dem Könige zugeschreiben.
    8) Die Kunst der Fuge. Seb. Bachs letztes Werk, welches alle Arten der Contrapunkte und Canons über einen einzigen Hauptsatz[WS 2] enthält. Seine letzte Krankheit hat ihn verhindert, nach seinem Entwurfe die vorletzte Fuge völlig zu Ende zu bringen, und die letzte, welche 4 Themata enthalten, und nachgehends in allen 4 Stimmen Note für Note umgekehrt werden sollte, auszuarbeiten. Dies Werk ist erst nach der Verfasser Tode ans Licht getreten. [54]
    Im Manuscript sind folgende bekannt:

    1) Fünf Jahrgänge von Kirchenstücken, auf alle Sonn- und Festtage.
    2) Viele Oratorien, Missen, Magnificat, einzelne Sanctus, Dramata, Serenaden, Geburts- Namenstags- und Trauermusiken, Brautmissen, auch einige komische Singstücke.
    3) Fünf Passiones, worunter eine ist mit zwey Chören.
    4) Einige zweychörige Moteten.
    5) Eine Menge von freyen Vorspielen, Fugen und dergleichen Stücken für die Orgel mit obligatem Pedale.
    6) Sechs Trio für die Orgel mit obligatem Pedale.
    7) Viele Vorspiele vor Chorälen, für die Orgel.
    8) Ein Buch voll kurzer Vorspiele vor den meisten Kirchenliedern, für die Orgel.
    9) Zweymal 24 Vorspiele und Fugen durch alle Tonarten, fürs Clavier. NB. Dieses sind die oben im Text erwähnten Ricercari.
    10) Sechs Toccaten fürs Clavier.
    11) Sechs dergleichen Suiten.
    12) Noch sechs dergleichen, etwas kürzere.
    13) Sechs Sonaten für die Violine, ohne Baß.
    14) Sechs dergleichen fürs Violonschell.
    15) Verschiedene Concerte für 1. 2. 3. und 4 Clavicymbale.
    16) Funfzehn Inventiones.
    17) Funfzehn Sinfonien.
    18) Sechs kleine Vorspiele. Ausser einer Menge andrer Instrumentalsachen, von allerley Art und für allerley Instrumente.

  10. Bachs Familie ist im Thüringischen, und Hasse im Niedersächsischen, also gar nicht im Churfürstenthum Sachsen, zu Hause.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. in der Vorlage: . [Punkt]
  2. Vorlage: Haupsatz
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