BLKÖ:d’Elvert, Christian

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Emanueli, Giovanni
Band: 4 (1858), ab Seite: 30. (Quelle)
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d’Elvert, Christian (Geschichtforscher, geb. zu Brünn 11. April 1803). Ist der Sohn eines Lothringers und einer Belgierin aus dem edlen Hause de Taintenier zu Mons. Die Eltern flüchteten vor den Gräueln der französischen Revolution nach Deutschland und bis nach Brünn, wo sie sich häuslich niederließen (1797). Hier leistete d’Elverts Vater während der französischen Invasionen (1805 und 1809) als Dolmetsch, Vermittler und Commissär gute Dienste. Der Sohn Christian besuchte die Schulen in Brünn, dann in Olmütz, begann die juridisch-politischen Studien in Prag und vollendete sie in Wien. Lehrer wie die Geschichtschreiber Richter, Wolny, Knoll , der Aesthetiker Ficker und der Jurist Wagner wirkten anregend auf E. ein. Seine Vorliebe für geschichtliche Arbeiten erhielt mannigfache Nahrung durch Schwoy’s und Zlobitzky’s Sammlungen vaterländischer Denkwürdigkeiten, im Franzensmuseum zu Brünn und durch die Archive des mähr.-schles. Landesguberniums (1827) mit den auf zwei Jahrhunderte zurückgehenden reichen Actenschätzen. Die Stunden seiner Muße widmete er nun ausschließlich der Förderung der Landeskunde Mährens, seines zweiten Vaterlandes, zu welchem Zwecke er die amtlichen Quellen der letzten Jahrhunderte benützte, während Boczek, den er, wie Maniak u. A. für die mährische Geschichte gewann, die Quellen für die frühere Zeit in den Archiven aufsuchte und sammelte. Im Brünner Wochenblatte (1824–27), welches Horky, und im Taschenbuche für Mährens und Schlesiens Geschichte, welches Wolny nach dem Muster des Hormayr’schen herausgab (1826–1829), begann E. seine literarische Thätigkeit. Er trat darin mit der Geschichte der Zierotine, Kaunitze, Schaafgotsche, des Olmützer Bischofs Johann des Eisernen[WS 1] und der Kriegsereignisse in Mähren 1621–1628 auf. Sein selbständiges Erstlingswerk „Versuch einer Geschichte Brünns“ (Ebd. 1828, Traßler, 8°.) fand beifällige Aufnahme, weil es damals an einem solchen geschichtlichen Leitfaden in Mähren fast ganz fehlte. Nun folgte eine Reihe von Abhandlungen, die wohl zunächst durch seine amtliche Stellung veranlaßt wurden u. z.: „Umriss der ältesten Justiz-Verfassung und die ältesten Gesetze Mährens“ (in Wagners Zeitschrift 1829, 1. H. S. 59 und 7. H. S. 43); – „Ueber das Lehenwesen in Mähren und Schlesien überhaupt und das Olmützer Afterlehenshofrecht insbesondere“ (Ebenda 1831, I S. 214); – „Das Institut der Freisassen in Mähren und Schlesien“ (Ebd. 1840, III S. 437 u. 485), welche als bahnbrechend auf dem Felde der bis dahin ungepflegten Rechtsgeschichte Oesterreichs von Wagner, Legis-Glückselig u. A. freundlich begrüßt wurden. Hiemit schließt der erste Zeitabschnitt seines literarischen Wirkens, denn Graf Ugarte, der an der Spitze der Regierungsgeschäfte in Mähren stand, war jedem liter. Wirken abhold, und d’E.’s Thätigkeit concentrirte sich in den Geschäften des Amtes und der Verwaltung. Während der Dienstleistung bei dem Kreisamte in Iglau (1836–1838) bemühte er sich, den Gemeindehaushalt zu ordnen, die Gemeinde- und Polizei-Anstalten zu heben. Als Commissär bei dem Brünner Kreisamte (1843–1849) ließ er sich diese und die Schulen angelegen sein, führte die Robot- und Zehentablösungen, namentlich auf der großen Herrschaft Seelowitz durch, brachte im Kampfe mit der aufgeregten Arbeiter- und bäuerlichen Bevölkerung, die so viele Jahre ohne Erfolg verhandelte Regulirung der Zwitrawa endlich zu Stande (1847–1849), welche einen guten Theil der Vorstädte Brünns von fast jährlichen Ueberschwemmungen befreite und die Möglichkeit ihrer Ausdehnung [31] herbeiführte; insbesondere betrieb er aber die Herstellung und den Neubau der Bezirksstraßen, an welchen im Brünner Kreise binnen einigen Jahren bei 50 Meilen zuwuchsen. Dieses praktische und erfolgreiche Wirken wendete ihm auch das Vertrauen seiner Mitbürger zu, die ihm davon Beweise gaben, als sie ihn in den mährischen Landtag (1848) und deutschen Reichstag (1849), dann in den Gemeindeausschuß der Hauptstadt Brünn (1850) wählten. Auf dem Landtage wirkte er für die theilweise Uebernahme der Zwittawa-Regulirungskosten auf das Land, für die Errichtung der technischen Lehranstalt, den Ankauf der Boczek’schen Sammlung und die Bestimmung von 2000 fl. jährlich für die mährische Geschichtforschung, insbesondere die Fortsetzung des Diplomatars; – für die Erklärung des Franzensberges und Augartens, den man seinem Schicksale überlassen oder auch unter Arme vertheilen wollte, als National-Denkmale und ihre Erhaltung aus Landesmitteln. Auch trat er damals, durch die Bestrebungen der politischen Parteien veranlaßt, denselben mit der historisch-staatsrechtlichen Abhandlung: „Die Vereinigung der böhmischen Kronländer zu Einem Landtage, zu Einer Central-Verwaltung“ (Brünn 1848) entgegen. Im Brünner Gemeindeausschusse benützte er seine durch erprobtes langjähriges Wirken gewonnene einflußreiche Stellung, um gemeinnützige Anstalten zur Ausführung zu bringen. Die Wahl zum Bürgermeister, welche ihn getroffen, lehnte er ab. Die neue Verwaltungseinrichtung (1850) veranlaßte seine Uebersetzung aus der politischen Dienstsphäre in die finanzielle und E. wurde Finanzrath bei der mährisch-schlesischen Finanz-Landes-Direction. In dieser Eigenschaft führte er die neuen Zoll-Reformen in Mähren und Schlesien wie den Handels- und Zollvertrag mit den deutschen Zollvereinsstaaten durch, zu welchem Zwecke ihm das Ministerium commissionelle Verhandlungen mit dem königl. preuß. Provinzial-Steuerdirector von Biegeleben anvertraute (1853). Auch ernannte es ihn zum Mitgliede der mährischen Grundentlastungs-Commission und der mähr. Grundentlastungs-Fondsdirection, so wie zum landesfürstlichen Commissär bei der neuen Bank-Filial-Escompteanstalt in Brünn (1853). Die Bewegungen des J. 1848 hatten auch der kaiserl. königl. mähr.-schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde neues Leben eingehaucht. Es entstanden einzelne Sectionen, um ihren vielseitigen Beruf wirksamer erfüllen zu können; die historisch-statistische Ende 1849. Seit E. im Anfange des J. 1851 an die Spitze der Section trat, beginnt die Entwickelung derselben in einer Art, wie sich einer ähnlichen in so kurzer Zeit kaum ein zweiter historischer Verein in Oesterreich und Deutschland zu erfreuen haben dürfte. Die Zahl der Mitglieder, welche Ende 1850 nur 44 betrug, stieg bis 1856 auf mehr als 600, das reine Vermögen der Section von 80 fl. auf nahe 8000 fl. C. M. Dabei gab die Section 9 Bände Schriften heraus, welche E. vom 2. an nicht nur redigirte, sondern auch größtentheils selbst verfaßte. Dasselbe ist der Fall bei dem „Notizenblatte“ der Section, welches die Ackerbaugesellschaft als unentgeltliche Beilage ihrer Mittheilungen seit der Mitte des J. 1855 erscheinen läßt. Neu sind die anregenden und belehrenden Vorträge in Brünn, welche er bei den Monatssitzungen der Section 1851 einführte und meistens selbst hält; und an dem regen Leben der Geschichtforschung in Mähren, welches in wissenschaftlichen Kreisen längst beobachtet wird, hat d’Elvert wesentlichen Antheil. Während sich Wolny die Topographie zum Vorwurfe [32] genommen hat, Boczek, Chitil, Dudik und Chlumetzky nach Archivschätzen der Vorzeit forschen und sie im mähr. Diplomatar, in der mähr. Landtafel, in Auszügen, Regesten, Reisebeschreibungen u. a. mittheilen, hat d’E. seine Aufmerksamkeit und Thätigkeit nach allen Seiten der Landescultur ausgedehnt, vorzugsweise aber der bisher so sehr vernachlässigten Cultur- und Rechtsgeschichte zugewendet. Dieses Ziel verfolgen insbesondere die literarischen Erzeugnisse aus der zweiten Hälfte seines öffentlichen Auftretens. Dahin gehören: „Die Schweden vor Brünn“ (Brünn 1845); – „Geschichte und Beschreibung der Stadt Iglau“ (Brünn 1850), auf Kosten der Gemeinde gedruckt; der Ertrag wurde vom Verfasser der Kinderbewahranstalt daselbst gewidmet; – „Geschichte der historischen Literatur Mährens und österr. Schlesiens“ (Brünn 1850), auf Kosten des Landes gedruckt, vom Verfasser theilweise an Museen, Lehranstalten, Studierende vertheilt; die Ergänzung dieses Werkes im 6. Bande der Sectionsschriften [S. 233–340]; – ferner: „Geschichte des Bücher- und Steindruckes, des Buchhandels , der Bücher-Censur und der periodischen Literatur in Mähren und österr. Schlesien“ (Brünn 1854), auch als 1. Bd. seiner „Beiträge zur Geschichte und Statistik“ beider Länder, oder als 6. Bd. der „Sections-Schriften“; – „Die Verfassung und Verwaltung von österr. Schlesien, in ihrer historischen Ausbildung, dann die Rechtsverhältnisse zwischen Mähren, Troppau und Jägerndorf, sowie der mähr. Enklaven zu Schlesien“ (Brünn 1854), auch als 2. Band der Beiträge und der größere Theil des 7. Bds. der „Sections-Schriften“; – „Die Culturfortschritte Mährens und österr. Schlesiens, besonders im Landbaue und in der Industrie, während der letzten hundert Jahre“ (Brünn 1854); – „Geschichte der Verkehrs-Anstalten in Mähren und österr. Schlesien“ (Brünn 1855), auch als 8. Bd. der „Sections-Schriften.“ Kürzere Abhandlungen und Aufsätze d’E.’s sind in den Sections-Schriften zerstreut abgedruckt als: „Mährens und Schlesiens Kohlenbau“, – „Die Zuckerfabrikation“, – „Verkauf der Staatsgüter“, – „Bibliotheken und andere wissenschaftliche Kunst- und Alterthums-Sammlungen“, – „Literaten- und Gelehrten-Gesellschaften in Mähren und österr. Schlesien“; – „Die Geschichte des Theaters in beiden Ländern“, auch abgesondert gedruckt (Brünn 1852); – „Die Geschichte der Landkarten“; – „der Grafen und Freiherrn Mittrowsky, der Graten Dubsky, u. s. w.“ Alles dies bereits Erschienene und vieles andere zum Drucke bereit Liegende, oder zur Erforschung Vorbereitete über Kirchen, Kunst, Lehranstalten, Handel, politische und bürgerliche Verhältnisse, Bergbau, Kriegswesen u. d. m. Mährens und östr. Schlesiens, sind werthvolle Vorarbeiten zu einer Literar- und Culturgeschichte Mährens und Schlesiens. Mit dieser zunächst wissenschaftliche Zwecke verfolgenden und fördernden Wirksamkeit konnten in unserer Zeit keine Vortheile, wohl aber mannigfaltige Opfer verbunden sein. Aber die gelehrte Welt gab dem rastlos thätigen Forscher vielfache Beweise ihrer Anerkennung, viele gelehrte insbesondere historische Vereine des In- und Auslandes u. a. jene von Breslau, Görlitz, Graz, Klagenfurt, Linz, Nürnberg, Prag und Salzburg übersendeten ihm ihre Diplome, und die Stadt Iglau als ihrem Historiographen das Ehrenbürgerrecht.

Wurzbach v. Tannenberg (Const. Dr.), Bibliogr.-statistische Uebersicht der Literatur des östr. Kaiserstaates (Wien 1857, Staatsdruckerei, gr. 8°.) I. Bericht 2. Aufl. (1853) S. 60, Marg. 1569; S. 66, Marg. 1805; – II. Bericht (1854) S. 218, Marg. 6578, 6585 u. S. 223, Marg. 6779; – III. Bericht (1855) S. 116, Marg. 3932, 3938; S. 668, Marg. 21774, 27784; S. 669, Marg. 21810; S. 935, Marg. 30611. – Die Geschichte der histor. Literatur Mährens u. Schlesiens von d’Elvert (Brünn 1850) S. 335, 358–361. – Schriften der histor. Section der mährisch-schlesischen Gesellschaft f. Ackerbau etc. VI. Bd. [33] S. 3, 233, 306–8. – VIII. Bd. Vorwort zur Geschichte der Verkehrsanstalten von d’E. u. S. 295. – IX. Bd. S. 464–466. – Oestr. Blätter für Literatur u. Kunst 1856, Nr. 24.[BN 1]

Berichtigungen und Nachträge

  1. E d’Elvert, Christian Ritter von [Bd. IV, S. 30].
    Christian d’Elvert. Eine biographische Skizze von der historisch-statistischen Section der k. k. mähr. schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Nach authentischen Quellen herausgegeben. Ein Denkmal der Verdienste dieses ausgezeichneten Gelehrten und Geschichtsforschers. Veröffentlicht am 10. September 1858, als dem Tage der feierlichen Ueberreichung seines ihm von der Section gewidmeten Porträts (Brünn 1858, Gastl, gr. 4°., Titel und 16 unpag. Blätter). [Eine Würdigung dieses liebenswürdigen, um die Geschichte Mährens so hochverdienten Forschers; daß doch jede Provinz Oesterreichs ihren d’Elvert hätte!] – d’Elvert (Christian Ritter v.), Geschichte der k. k. mähr. schles. Gesellschaft u. s. w., wie bei Diebl, S. 363, Nr. 90. [Band 24, S. 402]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann von Bucca (Wikipedia).