BLKÖ:Trefort, August von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Treiber, Wilhelm
Band: 47 (1883), ab Seite: 97. (Quelle)
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Trefort, August von (ungarischer Staatsmann, geb. zu Homona im Zempliner Comitate Ungarns 1817, nach Anderen 1821). Der Sohn eines Arztes zu Homona, bezog er nach Beendigung des Gymnasiums zu Anfang der Dreißiger-Jahre die Pesther Hochschule, an welcher er die Rechte hörte und nebenbei fleißig Sprachstudien trieb. Im Jahre 1836 machte er die erste große Reise, auf welcher er Deutschland, England, Frankreich besuchte, dann aber sich nördlich und ostwärts wendend, über Stockholm und Kopenhagen nach St. Petersburg und Moskau ging. Mit einem reichen Schatze von nationalökonomischen Kenntnissen kehrte er 1837 über Oberitalien in seine Heimat zurück und trat als Concipient in den Dienst der königlichen Hofkammer zu Ofen. Er schied jedoch bald aus dem Amte, um sich ganz der Pflege der Wissenschaften hinzugeben. Schon im Jahre 1840 agitirte er für die Gründung eines ungarischen Kunstvereines, schrieb in dieser Richtung mehrere Artikel in einem Journal und betrat so die schriftstellerische Laufbahn. Mit seinem Schwager Joseph Freiherrn von Eötvös [Bd. IV, S. 55], nebenbei gesagt einem der edelsten Staatsmänner, welche Ungarn besaß, und mit dem nachmaligen berühmten Geschichtsschreiber Ungarns Ladislaus Szalay [Bd. XLI, S. 136] verband er sich nun zur Herausgabe der nach dem Muster der „Revue des deux mondes“ eingerichteten Monatschrift „Budapesti Szemle“, in welcher er dann mehrere Artikel nationalökonomischen Inhalts, über Avicitätsverhältnisse und die Entwicklung der englischen Verfassung veröffentlichte. Schon zu dieser Zeit richtete sich die Aufmerksamkeit der gelehrten Kreise auf den jungen strebsamen Mann, der 1841, also erst 24 Jahre alt. von der königlichen Akademie der Wissenschaften zum correspondirenden Mitgliede ernannt wurde. In den ungarischen Landtag 1843 gewählt, galt er in demselben bald als der einzige Deputirte, welcher die gründlichsten Kenntnisse im Gebiete der politischen Oekonomie besaß. „Mit einer Aufopferung“, schreibt der Croquist aus Ungarn, „und einem Fanatismus hat er sich in die verschiedenen Theorien dieser Wissenschaft gestürzt und gleich einer Biene überall das Süße ausgekostet“. Er bezeichnet ihn als Frondeur in politischen Fragen, aber als Mann der Ueberzeugung in volkswirthschaftlichen. Und er hat ihm ein richtiges Horoskop gestellt, als er von ihm sagte: „er wird später seine Nützlichkeit, sein schönes Talent bewähren, er hat eine Zukunft!“ In der That ist auch Trefort – freilich erst 28 Jahre später – Minister geworden. Einige Zeit wirkte er nun als Publicist bei dem Journal „Pesti Hirlap“, indem er Artikel über Bankwesen und Creditanstalten schrieb, worüber er auch eine besondere Flugschrift herausgab. In den Jahren 1845 und 1846 machte er Reisen in der Türkei und in Italien. Mittlerweile arbeitete er auch an einer „Geschichte der englischen Revolution“, zu welcher er ausgedehnte Studien gemacht, als aber dieselbe bereits druckfertig lag, ging sie bei dem Bombardement der Stadt Pesth zu Grunde. Hatte ihn für den Landtag 1843 die königliche Freistadt Altsohl zum Deputirten gewählt, so schickte ihn 1848 die Pesther Vorstadt Theresienstadt als Ablegaten ins Parlament. Er fungirte in diesem Bewegungsjahre auch als Staatssecretär [98] im Handelsministerium. Aber das nationalökonomische Raubsystem Kossuth’s war nicht nach seinem Sinne, und der politische Genosse dieses Hochverräthers mochte er auch nicht werden. Nach Abdankung des ersten ungarischen Ministeriums leitete er das Handelsministerium bis zum 28. October 1848, und an diesem Tage aus dem öffentlichen Leben scheidend, reiste er mit seinem Schwager Eötvös in die Schweiz, von wo er, die Occupation Jellacic’s voraussehend, erklärte, erst dann zurückzukehren, wenn es die Umstände gestatteten. Er sah seine Heimat auch erst 1850 wieder. Die nun folgenden Jahre, innerhalb deren die ungarische Verfassung sistirt war, beschäftigte sich Trefort mit Landwirtschaft auf seinem Wohnsitze im Békéser Comitate und behandelte als Publicist nationalökonomische Fragen. Der Reichstag 1861, in welchen er gewählt wurde, rief ihn ins politische Leben zurück. In der 26. Sitzung des Repräsentantenhauses hielt er eine sehr gemäßigte Rede in der Debatte, welche sich über die Frage entspann, ob an den König die Antwort auf dessen Botschaft in Form einer Adresse oder eines Beschlusses zu richten sei [vergleiche zum Verständniß der Sachlage die Biographie Paul Jámbor Bd. X, S. 60] und sprach für die Adresse. Bald galt er als eine der hervorragendsten Capacitäten der Deák-Partei, und man bezeichnete ihn wiederholt als Candidaten für das Communicationsministerium. Nach dem Tode des Freiherrn von Eötvös, im Februar 1871 wurde ihm von dem Grafen Andrássy das Cultus- und Unterrichtsministerium angeboten, welches er jedoch unmittelbar nach dem Hinscheiden seines Schwagers, zumeist aus Gründen der Pietät, ablehnte. Erst als Theodor Pauler, der dieses Ressort übernahm, am 4. September 1872 desselben wieder enthoben wurde, trat Trefort es an und behielt es nicht nur, als Lonyay am 4. December 1872 das Ministerpräsidium niederlegte, sondern auch als Lonyay’s Nachfolger Joseph von Szlávy am 21. März 1874 von seinem Posten zurücktrat und Stephan von Bittó sich zur Leitung der Staatsgeschäfte entschloß. So blieb Trefort auch unter Wenckheim und Coloman Tisza im Amte, bis am 4. October 1878 das ganze Ministerium Tisza demissionirte, worauf er am 5. December 1878 von Neuem zum Cultus- und Unterrichtsminister ernannt wurde, als welcher er zur Stunde noch fungirt. Was nun Trefort’s politisches Glaubensbekenntniß anbelangt, so hat er dasselbe in seinen beiden Reden, anläßlich der Adreßdebatte im Jahre 1861 und bei Gelegenheit seiner Wahl ins Parlament im November 1865, klar und deutlich ausgesprochen, und es umfaßt folgende Hauptmomente: Ungarn müsse durch ein in Budapesth residirendes und dem ungarischen Reichstage verantwortliches Ministerium regiert werden; für die österreichische Monarchie sei der Dualismus Naturgesetz (?) Die Politik müsse eine volkswirtschaftliche Grundlage haben, das Finanzwesen der politisch-administrativen Reform entsprechend geregelt werden. Die Angelegenheiten des Landes seien von denen der Monarchie auszuscheiden und die ungarischen Finanzen von dem Finanzwesen Oesterreichs abzusondern. Das in Wien concentrirte Finanzwesen und das bisherige Budget müsse in drei Theile getheilt werden. Ungarn mit seinen Nebenländern habe die eigenen Bedürfnisse zu decken, ebenso der Ländercomplex jenseits der [99] Leitha für die seinigen zu sorgen, es werde demnach zwei Länderbudgets geben und ein Budget für die Gesammtmonarchie. Zum Schluß seiner Rede raffte er sich voll Ingrimm über die damalige politische Lage Oesterreichs zu den Worten auf: das ganze Land müsse den Reichstag während dessen Berathungen energisch unterstützen, damit ein für die Krone und das Land günstiges Resultat erreicht werde, und die Monarchie in der Weise erstarken könne, „daß sie als Hort der Freiheit imponire und der Spott moskowitischer Bojaren, sowie der Berliner Maulhelden verstumme“. Was Trefort’s ministerielle Thätigkeit betrifft, so ist unter ihm, wie schon unter seinem Vorgänger Großes für die Entwicklung des Unterrichts in Ungarn nach allen Seiten geschehen. Und wenn nicht noch mehr geschah, so liegt der Grund dafür nur in der Unmöglichkeit, der großen finanziellen Schwierigkeiten Herr zu werden. Paul Hunfalvi’s „Literarische Berichte aus Ungarn“ geben hievon im zweiten Jahrgange (1878) in den Abhandlungen: „Das ungarische Unterrichtswesen .in den Jahren 1875 und 1876“ (S. 269 bis 279) und „Zehn Jahre ungarischer Unterrichtsverwaltung“ (S. 418–461), verfaßt von dem unbefangenen Beurtheiler und trefflichen Kenner der ungarischen Zustände und Verhältnisse Prof. J. H. Schwicker, ein ebenso anschauliches als umfassendes Bild. Wenn wir noch einen Blick auf Trefort’s schriftstellerische Thätigkeit werfen, so gewahren wir, daß sich der größte Theil seiner Arbeiten zerstreut in politischen und periodischen Fachblättern befinde. Die Schriften der ungarischen Akademie der Wissenschaften und die Zeitschrift „Budapesti Szemle“ enthalten in den Jahren 1862, 1863 seine biographischen Denkreden auf Fallmerayer, Mac Aulay und Toqueville. Eine Sammlung seiner zerstreuten Aufsätze erschien zunächst unter dem Titel: „Emlékbeszédek es tanulmányok“, d. i. Denkreden und Studien (Budapesth 1881). Sie enthält außer den vorbenannten Denkreden kritische Essays über die Werke von Laboulaye und Carey, über die Reden von Guizot, über Riehl, ferner Blicke auf die Entwickelungsgeschichte der englischen Constitution, an Lanfrey’s „Histoire de Napoléon I.“ anknüpfend einen Aufsatz über das Zeitalter Napoleons I., eine Abhandlung über die national-ökonomischen Momente der 1848 geschaffenen agrarischen Gesetze, Reiseskizzen aus Rußland, in seinen jungen Jahren geschrieben, und seine ministerielle Rede aus dem Jahre 1873 über die Aufgaben des Unterrichts. Wenn zunächst für Ungarn geschrieben, haben doch die darin behandelten Gegenstände ein allgemeines Interesse und stammen aus der Feder eines denkenden, kenntniß- und erfahrungsreichen Mannes, der in der Wissenschaft nur ein wirksames Mittel zur Veredlung des Lebens sieht und kein Deutschenfresser ist. Zur Zeit ist der ungarische Minister für Cultus und Unterricht von der Stadt Oedenburg gewähltes Mitglied des ungarischen Repräsentantenhauses, Ehrenmitglied der philosophisch-socialwissenschaftlichen historischen Classe und des dirigirenden Senates der ungarischen Akademie der Wissenschaften.

Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1875, Nr. 304: „Zur kirchenpolitischen Gesetzgebung in Ungarn“. – Dieselbe, 1880, S. 4548 und 5053. – Dieselbe, 1881, Beilage Nr. 181, S. 2643: „Reden und Essays von August Trefort“. – Deutsche Zeitung (Wiener polit. Blatt) 6. September 1872, Nr. 245: „Correspondenz aus Pesth vom [100] 4. September“. – Helfert (Joh. Alex. Freiherr von). Geschichte Oesterreichs vom Ausgange des Wiener October-Aufstandes 1848 (Prag 1872, Tempsky, gr. 8°.) Bd. III: „Die Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph I.“, Anhang, S. 73. Anmerkung 48. – Kákay (Aranyos). Licht- und Schattenbilder zur Charakteristik des ungarischen Landtages (Pesth 1867, Wilhelm Lauffer, gr. 8°.) S. 97. – Levitschnigg (Heinrich Ritter). Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1860, Heckenast, 8°.) Bd. II, S. 196. – Literarische Berichte aus Ungarn. Herausgegeben von Paul Hunfalvy (Budapesth, Knoll, gr. .8°.) Bd. II (1878), S. 455. – Neue Croquis aus Ungarn (Leipzig 1844. J. B. Hirschfeld, 12°.) Bd. I, S. 166; Bd. II, S. 271. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 8. Juli 1874, Nr. 3543: „Eine ungarische Ministerkrise“. – Die Presse (Wiener polit. Blatt) 6. September 1872, Nr. 245: „Minister Trefort“. – Ung arische illustrirte Zeitung (Pesth, gr. 4°.) 1872, Nr. 37 [nach dieser geb. im Jahre 1821]. – Der ungarische Reichstag 1861 (Pesth 1861, Karl Osterlamm, 8°.) Bd. I, S. 299 bis 306. – Der Wanderer (Wiener polit. Parteiblatt) 1865, Nr. 317: „Eine Rede Trefort’s“ [gehalten zu Gyoma im November 1865, anläßlich seiner Wahl zum Deputirten des Gyomaer Bezirks für den ungarischen Landtag]. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Zusammengestellt von Jakob Ferenczy und Joseph Danielik (Pesth 1856, Gustav Emich, 8°.) S. 598. – Magyarország és Nagyvilág, d. i. Ungarn und die große Welt (Pesth, gr. 4°.) 16. September 1872, Nr. 37: „Trefort Ágoston“. – Nemzeti Nagy Képes Naptár (Budapesth) Bd. VI, 1874, S. 94 u. 96. – Országgyülési Emlékkönyv (Pesth) 1866, S. 205 und 395.
Porträte und Chargen. 1) Aufschrift: „August Trefort“. Unterschrift: „Was wir von Trefort haben gelesen | Ist mehr „„trefer““ als Trefort gewesen“. Charge von Klič in „Humoristische Blätter“ von K. Klič; 12. Juli 1874, Nr. 74. – 2) Unterschrift: „Wie sich der Debreczenyi-Miklós die Germanisirungswirthschaft des Cultusministers Trefort plausibel macht“. Charge von St.(ur) im Witzblatt „Bombe“. 8. März 1873. – 3) Unterschrift: „Trefort Ágoston, közoktatásügyi miniszter“. Rusz (xylogr.) im „Magyarország és nagyvilág“, 1872, Nr. 37. – 4) Unterschrift: „August Trefort“. Medaillonbild. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in der „Neuen illustrirten Zeitung“ (Wien, Zamarski, kl. Fol.) 1875, Nr. 10.
In das Bilder- und Autographenblatt „Vindobona“ (Wien, einzige Nummer) schrieb August Trefort: „Wer kein politisches Temperament besitzt, soll nicht Politik treiben. Ich meine das Talent, Lob und vor Allem Tadel auf den wahren Werth zu reduciren, Verleumdungen mit Verachtung zurückzuweisen. Ars artium: die Bemeisterung der Empfindlichkeit. Pesth 28. März 1880. August Trefort“. (Facsimile der Schrift. Kann wohl auch als Trefort’s Wahlspruch gelten.)