Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stainer, Sebastian
Band: 37 (1878), ab Seite: 97. (Quelle)
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Hier sei auch des berühmten Geigenmachers Jacob Stainer, des Vaters der deutschen Geige, wie ihn Dr. Schafhäutl treffend nennt, gedacht, um endgiltig alles Falsche und Unrichtige, was Dichtung und mündliche unbegründete Ueberlieferung über diesen Mann in die Welt gesetzt, zu beseitigen. Jacob Stainer ist am 14. Juli 1621 im Dorfe Absam nächst Hall geboren. Sein Vater hieß Martin, seine Mutter Sabine war eine geborene Grafinger. Eine Schwester Stainer’s, Maria, war an den Salzbergs-Officier Blasius Keil verheiratet. Von seinen beiden Brüdern war Paul Tischlermeister in Absam, Markus aber Instrumentenmacher, der sich zu Laufen in Oesterreich angesiedelt und, um seine Instrumente zu höheren Preisen verkaufen zu können, für dieselben unrechtmäßig des berühmten Bruders Namen benützte. Daß Jacob den Geigenbau in Venedig oder in Cremona erlernt, dafür liegen, so weit die Forschung bisher gediehen, keine Anhaltspuncte vor. Bisher erscheint am wahrscheinlichsten, daß er seine ersten Instrumente nach Mustern italienischer Meister, namentlich des berühmten Nicolo Amati, gebaut habe, denn am Hofe des Erzherzogs Leopold V. von Tirol und seiner zweiten Gemalin Claudia von Florenz aus dem Hause Medicis befanden sich, da häufig musikalische Feste stattfanden, viele italienische Musiker, und Stainer hatte genug Gelegenheit, italienische Geigen zu sehen und ihren Bau zu studiren. Im Jahre 1641 – Jacob zählte damals 20 Jahre – war er bereits vollauf mit Geigenmachen beschäftigt. Im Jahre 1643 unternahm S. eine Reise nach Salzburg, wie aus einer Rechnung der „hochfürstlichen Zahlmeisterei“ ersichtlich. Am 26. November 1645 vermälte er sich zu Hall mit Margaretha Holzhammer (geb. 10. März 1624), die ihm aber schon früher, wie aus dem Haller Taufbuche (7. October 1645) ersichtlich, ein Töchterlein Margaretha geschenkt. Im Jahre 1648 unternahm S. eine Reise nach Oesterreich und hielt sich längere Zeit zu Kirchdorf in Oberösterreich auf. Er wohnte daselbst im Hause eines jüdischen Kaufmannes, Salomon Huebmer, und war genöthigt, mit einer Schuld von etlichen Gulden abzureisen, wofür er noch 21 Jahre später bittere Unannehmlichkeiten zu ertragen gehabt, da der Jude für diese durch hohe Zinsen viel vergrößerte Schuld klagbar wurde. Im Jahre 1648 lernte Erzherzog Ferdinand Karl[WS 1], der im Jahre 1646 die Regierung in Tirol angetreten, Stainer kennen und bewunderte sein vortreffliches Geigenspiel. Am 29. October 1658 ernannte ihn der Erzherzog zu seinem Hof-Geigenmacher. Am 12. November 1666 kaufte S. von seinem Schwager Paul Holzhammer ein eigenes Haus sammt Garten. Dasselbe stand hart am Wege dem Kripp’schen Schlosse gegenüber. Um diese Zeit stand Stainer’s Ruf als Geigenmacher im Zenith. Man nannte ihn damals: „Celeberrimus testudinum musicarum fabricator“. Mit Diplom ddo. 9. Jänner 1669 wurde S. von Kaiser Leopold zum Hofgeigenmacher ernannt. Stainer war nun 47 Jahre alt. Bis hieher reichen seine glücklichen Tage. Nun bricht eine Reihe der widerwärtigsten Ereignisse über den Armen herein, der zuletzt in tobendem Wahnsinn endet. Zuerst trat der Jude Salomon Huebmer am 26. März 1669 wegen oberwähnter Schuld klagbar gegen Stainer auf. Stainer bestreitet den hohen Betrag dieser Schuld, wovon er im August 1667 einen Theil bereits abgezahlt, und spricht seinen nicht ungegründeten Verdacht aus, von dem Juden hintergangen worden zu sein. Viel empfindlicher traf ihn der Verdacht der Ketzerei. Die lutherische Lehre hatte auch in Tirol Eingang gefunden, und Stainer wurde, als des Verbrechens der Ketzerei verdächtig, im April 1669 gefänglich eingezogen.[98] Erst am 27. September wurde er aus seiner Haft entlassen, aber die Folgen sollte er noch später fühlen. Als er nämlich in seinen Vermögensverhältnissen immer mehr zurückkam und Albert Graf Fugger die Bezahlung eines ihm geliehenen Capitals von 450 fl. im Jahre 1677 forderte, wendete sich Stainer an den Kaiser, der eben seine dritte Hochzeit feierte, daß man ihm diese Schuld „in Gnaden gut machen“ möchte. Wider alles Erwarten erhielt er einen abschlägigen Bescheid. Man hatte von Innsbruck aus das Gesuch des in Betreff des katholischen Glaubens „Verdächtigen“ gar nicht fürwörtlich einbegleitet und so ward Stainer mit kaiserlichem Erlasse vom 18. Februar 1678 abschlägig beschieden. Von dieser Zeit an wurde er gänzlich unthätig, verfiel allmälig in Trübsinn, der zuletzt in Tobsucht ausartete, in welchem er so gefährlich wurde, daß er gebunden werden mußte. Im Hause zu Absam zeigt man noch in einer hölzernen Bank das Loch, durch welches S. an die Bank angebunden wurde. Stainer’s Ehe war sehr kinderreich. Er hatte neun Kinder, acht Töchter und einen Sohn, dieser wie sein Vater Jacob getauft, der frühzeitig starb. Die jüngste Tochter, Gertrude, wurde ihm im Jahre 1666 geboren. Das ist das bisher urkundlich Festgestellte aus Stainer’s Leben. Daß natürlich, da Stainer 61 Jahre alt geworden, mit dem Mitgetheilten die Darstellung desselben nicht erschöpft ist, bedarf keiner Erklärung und es können noch neue Documente zu Tage treten, welche neues Detail über den unglücklichen Mann bringen. Besonders die Nachrichten über seinen finanziellen Verfall bedürfen der Ergänzung. Stainer’s Gattin Margaretha starb sechs Jahre nach ihm, 1689, im Alter von 69 Jahren in großer Armuth. Bald folgten ihr auch zwei Töchter, Anna und Maria, beide arm und unverehelicht. Ueber die übrigen liegen keine Nachrichten vor. Was nun seine so und mit Recht berühmten Geigen betrifft, so war eben ihre Güte und der Umstand, daß sie mit hohen Preisen bezahlt wurden (300–500 Ducaten), Veranlassung zu häufiger Fälschung. Benützte doch Jacobs eigener Bruder, Marcus, dessen Namen zu solchem Zwecke. Nicht alle Geigen, welche als Stainer’sche ausgegeben werden, sind von ihm, und die Zahl der als seine Fabricate festgestellten Geigen ist ungemein gering. So besaß Mozart eine echte Stainer-Geige, gegenwärtig im Besitze eines Herrn Lenk, Lehrers am Mozarteum; – ein echter Stainer’scher Violon befindet sich auf dem Chor in der Pfarrkirche zu Hall in Tirol mit der Inschrift: „Jacobus Stainer Oenipont. fecit in Absam 1653“, – ferner besitzen Stainer-Geigen der Graf Castelbarco in Mailand und Herr Chrönsel in Wien. Diese letztere Geige, früher im Besitze des Münchener Concertmeisters Fränzel[WS 2], hat eine ganze Geschichte, welche in der zu Speier erschienenen „Musikalischen Correspondenz“ vom 1. Juni 1791 abgedruckt steht. Es ist nämlich von jener Geige die Rede, welche Graf Trauttmansdorff für den tüchtigen Geiger Georg Stezitzky gekauft hatte. Die „Bohemia“ 1838, Nr. 17, band ihren Lesern den Bären auf, daß diese Geige 30.000 fl. gekostet habe. Dieser Münchhausiade trat nun ein Dr. Hurka im Ebersberg’schen „Oesterreichischen Zuschauer 1838, Nr. 49, im Aufsatze: „Die theuerste Geige des Jacob Stainer“ entgegen, indem er aus Acten, welche im Archive zu Bischofteinitz aufbewahrt werden, ermittelte, daß die ganze Auslage für die in Rede stehende Geige in 9797 fl. bestehe. Immerhin eine noch genug hohe Summe. Auch Dr. Schafhäutl berichtet über diese Geige in einem Briefe an S. Ruf, dem wir bisher das einzige quellenmäßige Material über Stainer verdanken: Schafhäutl’s und Hurka’s Mittheilungen stimmen im Wesentlichen überein. Wie Stainer seine Geigen baute, wie er im Walde oft stundenlang zubrachte und den Ton des Holzes der Haselfichte, woraus er seine Geigen baute, studirte, berichtet eben der erwähnte S. Ruf [Bd. XXVII, S. 240]. Ein Schüler Stainer’s, der aus Mittenwalde gebürtige Mathias Klotz, hat das Geheimniß des Stainer’schen Geigenbaues, so weit ihm selbst dieses bekannt geworden, auf die Nachwelt gebracht und hat in den Jahren 1670–1676 die Fabrication der Geigen schwunghaft betrieben. Das Geschäft wird noch heute von der Firma Neiner und Hornstein aus Mittenwald nach Stainer’schen Traditionen fortgeführt. Darüber berichtet das „Neue Wiener Tagblatt“ 1870, Nr. 158. Es wurde schon Eingangs dieser Nachrichten über Stainer bemerkt, daß sich die Poesie viel mit Stainer beschäftigt und wohl auch zunächst veranlaßt habe, daß so viele Unrichtigkeiten über sein Leben verbreitet [99] worden. So z. B. erzählt sogar Nic. Diehl in seinem Buche „Die Geigenmacher der alten italienischen Schule“ (Hamburg 1865): „Stainer wäre zuletzt in ein Kloster gegangen und habe da, um seinen Ruhm zu vervollständigen, zwölf Geigen von der kostbarsten Arbeit gemacht und selbe an die damaligen zwölf Reichsfürsten geschickt“. Woher Diehl diese Notiz habe, unterläßt er beizufügen; wir wissen nur, daß daran kein wahres Wort ist. Aber interessant erschien es uns, der Dichtung über Stainer’s Lebensschicksale nachzugehen, und hier lassen wir in Kürze unsere Ergebnisse folgen. Die erste poetische Benützung der Schicksale Stainer’s brachte die belletristische Zeitschrift „Orangenblüthen“ in der Erzählung: „Jacob Stainer“; – dann ließ Johannes Schuler, dessen dieses Lexikon auch [Bd. XXXII, S. 152] gedenkt, im Jahre 1829 in den „Alpenblumen“ die Novelle „Jacob Stainer“, eine der schönsten Schöpfungen dieser Art, erscheinen; widerfuhr ihr doch die eigenthümliche Ehre, von einem Anderen an Kindesstatt angenommen und von demselben in einem Wiener Blatte als Originalarbeit mitgetheilt zu werden; auch bearbeitete sie ein Theodor Rabenalt als vaterländisches Charakter- und Sittengemälde für die Bühne; – dann erbarmte sich August Lewald dieser Novelle, versah sie mit einigen weiteren Ausschmückungen und verwerthete sie unter dem Titel: „Ein Abend in Absam“ für sein 1835 erschienenes „Reisebuch in Tirol“; – der von E. M. Oettinger[WS 3] herausgegebene „Argus“ brachte im Jahrgange 1857, Nr. 107: „Jacob Stainer“ von W. Fricke;– das Taschenbuch „Charitas“ enthält im Jahre 1843 (S. 134–250) von Alois Büssel (geb. zu Hochanger bei Loser im Salzburgischen 15. März 1789, gest. 27. Mai 1842) – Sebastian Ruf nennt ihn unrichtig Joseph Brüssel – die Novelle „Jacob Stainer, der Geigenmacher“, und S. 250 bemerkt der Herausgeber – denn Büssel war mittlerweile gestorben – daß die Novelle nach „wahrhaften Daten“ gezeichnet sei; – nunmehr folgte Julius von der Traun (Pseudonym für Alexander Schindler) mit einer Novelle, welche in seinen 1848 erschienenen „Südfrüchten“ enthalten ist; – das „Neue Wiener Tagblatt“ enthält in seiner Beilage „Das neue Familien-Journal“ 1869, Nr. 237, ohne Angabe des Autors: „Der Geiger von Absam. Eine Dorfgeschichte“; – das Innsbrucker Unterhaltungsblatt „Der Sandwirth“ 1851, Nr. 11–13: „Jacob Stainer, Geigenmacher von Absam“, von Johannes I.; – die in Wien herausgegebene „Montags-Revue“ 1870, Nr. 9 eine dem Blatte von Karl Gutzkow warm empfohlene Erzählung, betitelt: „Chiara, Künstler, und Lebensbild“, von Otto Keinsdorf, welche Stainer’s Geschick behandelt – und endlich bringt das treffliche, leider specifisch preußisch gefärbte illustrirte Familienblatt „Daheim“ 1875 eine Geschichte der Violine von Elise Polko, in welcher S. 823 unter Nr. V Jacob Stainer die Reihe der Geigenmacher schließt. Stainer’s sinnendes und grübelndes Wesen, das zuletzt in Wahnsinn überging, bot aber dem bei Lebzeiten kaum beachteten und erst jetzt allmälig zur wahren Geltung gebrachten Tiroler Dichter Hermann von Gilm Stoff zu seiner oft nachgedruckten Ballade: „Stainer“. Schließlich sei noch bemerkt, daß, während Stainer’s Geburtsdatum aus nachträglich in der Pfarre Hall aufgefundenen Taufbüchern genau angegeben werden kann, die feste Bezeichnung seines Todestages unmöglich ist, weil in dem Sterbebuche des Jahres 1683– aus unbekannten Gründen – mehrere Blätter ausgerissen sind. [Ruf (S.), Der Geigenmacher Jacob Stainer von Absam in Tirol, geboren 1621 – gestorben 1683. Eine Lebensskizze, nach Urkunden bearbeitet (Innsbruck 1872, Weyer, kl. 8°., 63 S.). – Bote für Tirol und Vorarlberg 1870, Nr. 86–88: „Jacob Stainer’s letzte Lebensjahre. – Volks- und Schützen-Zeitung (Innsbruck, 4°.) 1857, Nr. 123–125. – Dieselbe 1864, Nr. 122. – Staffler (Johann Jacob), Das deutsche Tirol und Vorarlberg, topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen in zwei Bänden (Innsbruck 1847, Fel. Rauch, 8°.) Bd. I, S. 587 [die ersten authentischen Notizen über Stainer]. – Durch vorstehende Daten werden alle bisherigen Angaben in den Musik-Lexikons von Gerber, Schilling, Bernsdorf-Schladebach theils berichtigt, theils ergänzt. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ferdinand Karl (1628–1662) (Wikipedia).
  2. Ignaz Fränzl (Wikipedia).
  3. Vorlage: J. M. Oettinger.