BLKÖ:Schindler, Julius Alexander

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schindler, Karl
Band: 30 (1875), ab Seite: 12. (Quelle)
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Schindler, Julius Alexander (Mitglied des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes und Poet, geb. zu Wien 18. September 1818). Als Poet unter dem Pseudonym Julius von der Traun bekannt. Sein Vater, ein angesehener Kaufmann in Wien, besaß verschiedene Fabriks-Etablissements zu Fischamend und war darauf bedacht, seinem Sohne eine vorzügliche Erziehung angedeihen zu lassen. Nach beendeten Elementarschulen besuchte derselbe die Gymnasien in der Josephstadt, später bei den Schotten, und bezog darauf die Wiener Hochschule, wo er die philosophischen Studien beendete und sich anschickte, das Studium der Medicin zu beginnen. Familienverhältnisse bewogen S., dieses Vorhaben aufzugeben und sich zu einer praktischen Thätigkeit vorzubereiten. Er hörte nun höhere Mathematik und Mechanik am polytechnischen Institute, Chemie unter Professor Meißner, betheiligte sich durch zwei Jahre an der Leitung der Fabriken seines Vaters und trat dann als Chemiker in eine neugegründete Kattunfabrik [13] zu Steyr in Oberösterreich. Eine neue Veränderung in den Verhältnissen seiner Familie veranlaßte S., den eingeschlagenen Lebensweg wieder zu verlassen, die im Jahre 1839 aufgegebenen Facultätsstudien von Neuem aufzunehmen, dießmal aber den Rechtswissenschaften sich zuzuwenden, deren Studium er in Wien im Jahre 1843 beendigte. So hatte S. im Alter von 25 Jahren eine in ihrer Art reiche und mannigfaltige Vergangenheit hinter sich, und der Schatz des Wissens, den er sich in verschiedenen Disciplinen erworben, sollte nicht unfruchtbar liegen bleiben, sondern im entscheidenden Augenblicke und dann mit vollem Gewinn aufgebraucht werden. Nachdem nun S. eine kurze Praxis bei dem Magistrate der Stadt Steyr und dem Salinenamte zu Gmunden genommen, wurde er im Jahre 1845 Justitiar bei dem ihm befreundeten Fürsten Gustav Lamberg zu Schloß Steyr. Der Fürst, wie ihn ein Biograph Schindler’s, der über das Zusammenleben beider geistig hervorragenden Menschen berichtet, schildert, war ein sehr gebildeter, freisinniger und reicher Gutsbesitzer, der sich dem strebsamen, feuereifrigen jungen Manne mit aufrichtiger Zuneigung anschloß und sich ihm in allen Fällen vertrauensvoll mittheilte. Die beiden Gesinnungsgenossen durchzogen gemeinschaftlich die herrlichen Hochjagdreviere der fürstlichen Besitzungen und arbeiteten dann zusammen in allen Fächern des geistigen Strebens. Schindler hatte sich bereits auf dem Gebiete der schönen Literatur und nicht ohne Glück versucht; über Anregung des Fürsten nahm er nun auch an der liberalen Journalistik und Broschürenliteratur jener Zeit lebhaften Antheil. Man muß diese vormärzlichen Verhältnisse, deren Jammer allen jüngeren Strebenden jener Zeit gleichsam in den Gliedern lag, gekannt, ja miterlebt haben, um zu begreifen, wie man förmlich darnach brannte, diesem unwürdigen Gebaren heimlich ein Schnippchen zu schlagen. Der Gewalt gegenüber war man ja, wenn man öffentlich auftrat, doch ohnmächtig, man fand also darin einen eigenen Reiz und die herrschenden unwürdigen Verhältnisse machten es unerläßlich, eine derartige Productivität mit dem dichtesten Schleier des Geheimnisses zu umgeben. Die zur Drucklegung in das Ausland wandernden Manuscripte waren allerlei Gefahren ausgesetzt und der Schmuggel über die Grenze hinaus war nichts weniger denn leicht, und waren sie endlich glücklich unter dem Grenzschlagbaume hindurchgekommen, waren der Artikel oder die Broschüre gedruckt, dann war es wieder mit nicht geringeren Schwierigkeiten verbunden, das fertige Blatt oder Büchlein in’s Land hineinzubringen. Kurz, es war eine die Ehre des Staates entwürdigende und, weil sie den Einzelnen zu heimlichem Widerstände drängte, die Bevölkerung förmlich entsittlichende Periode. Und doch konnte es nicht anders sein. Im freieren Auslande fand das unter unwürdigem Geistesdrucke geknebelte, von einigen Pascha’s und dem Heere geistesbankerotter Schreiberseelen geknechtete Oesterreich so viel Theilnahme, daß man nach jedem freien Athemzuge von Oesterreich her lauschte und daß die außerösterreichischen liberalen Zeitungen die muthigsten und thätigsten Mitarbeiter eben in Oesterreich besaßen. Einer der fleißigsten war Schindler, dem sein Aufenthalt in Steyr es wesentlich erleichterte, seine Anonymität vor den lauernden Augen der Polizei zu wahren, die hauptsächlich immer auf die Centrale des Reiches, auf das wenngleich [14] behäbige, aber sich doch bereits allmälig aus seinem politischen Schlafe erhebende Wien gerichtet waren. Als im Jahre 1846 Fürst Lamberg nach Prag reiste, um an den Verhandlungen des böhmischen Landtages theilzunehmen, war Schindler sein Begleiter, und es können als politische Ernte der beiden Jahre 1846 und 1847 die „Beiträge zum Verständnisse der ständischen Bewegung in den deutsch-österreichischen Provinzen“ (Leipzig, bei Herbig, 8°.) angesehen werden, welche S. damals, natürlich ohne als Autor sich zu nennen, herausgab. Auch noch im Jahre 1848 befand sich S. im Auftrage des Fürsten Lamberg in Prag, um mit Friedrich Grafen Deym [Bd. III, S. 277 im Texte] einem der Hauptführer des damaligen böhmischen Landtages, verschiedene Landtagsschriften auszuarbeiten. So war denn S. an der Seite des freisinnigen Fürsten mit den Vertretern der Fortschrittspartei im böhmischen Adel in Verbindung, und in den Tagen, als Oesterreich noch ganz unter Sedlnitzky’s Zuchtruthe seufzte, in Opposition zu der Regierung und thätig in’s politische Leben getreten. Als im Jahre 1850 die Patrimonialgerichte aufgehoben wurden, trat S. in den Staatsdienst über und wurde Staatsanwalts-Stellvertreter in Leoben. Die damalige Reactionsperiode war nicht dazu angethan, um einen Mann wie S., der in der Vollkraft seines Lebens stand und die Freiheit unter so schweren Wehen mit blutigen Knalleffecten sich hatte entwickeln sehen, apathisch zusehen zu lassen, wie die mit solchen Opfern erkaufte Errungenschaft unter den Herrschaftsgelüsten des Prätorianerthums und den Fußtritten der Bureaukratie nach und nach verenden und einer neuen Auflage vormärzlichen Unterdrückungs-Systems Platz machen sollte; er blieb seinen unter genug schwierigen Verhältnissen ausgesprochenen Ansichten und Ueberzeugungen treu, mußte aber dafür manche Anfeindungen Jener, welche die Reactions-Aera mit Posaunenstößen begrüßten, und endlich die Maßregelungen der täglich mächtiger werdenden Bureaukratie über sich ergehen lassen. Er wurde zunächst in gleicher Eigenschaft nach Gratz versetzt, im Jahre 1854 aber plötzlich aus dem Staatsdienste entlassen, weil, wie das betreffende Decret wörtlich sagt, wenngleich seine Dienstleistung als eine gute und ersprießliche anerkannt werden müsse, „er im Jahre 1848 durch die Herausgabe der in Steyr erschienenen Zeitung „Zwanglose Blätter aus Oberösterreich“ Principien vertreten habe, welche den gegenwärtigen (1854) Grundsätzen der Regierung nicht entsprechen“. Wenn einer von S.’s Biographen aus diesem Anlaß bemerkt: „Nebenbei mag auch die Amtseifersucht seiner damaligen Vorgesetzten auf oratorische Erfolge bei öffentlichen Verhandlungen und seine Beliebtheit im Publicum viel zu dieser Entscheidung beigetragen haben“, so mag auch dieß nicht ganz unrichtig sein, denn wie der „Künstlerneid“ ein berüchtigtes Laster ist, so steht ihm der Beamtenneid in nichts nach. S. suchte nun eine Advocatur oder ein Notariat zu erlangen, aber alle seine in den J. 1854 und 1855 in dieser Richtung eingebrachten Gesuche wurden abschlägig beschieden. Nachdem er nun einige Zeit in Salzburg privatisirt hatte, trat er im Jahre 1856 als Domänenverwalter des Grafen Henckel-Donnersmarck in Wolfsberg in Kärnthen in Privatdienste, wurde später Rechtsanwalt und Generalbevollmächtigter für die Domänen und Bergwerke der k. k. privileg. Staatsbahn-Gesellschaft in Ungarn, und war zuletzt General-Secretär [15] derselben Gesellschaft in Wien. In dieser Stellung traf ihn das Jahr 1860. Der politische Umschwung, den Oesterreich, das unter der überstandenen Reactionsperiode um zehn Jahre seiner Entwickelung zurückgedrängt und durch das Gołuchowski’sche Octoberdiplom unseligen Andenkens für immer in seiner Gesammtexistenz bedroht worden, im genannten Jahre erfuhr, fand begreiflicherweise auch in S. einen begeisterten Vertreter; er trat nun als Candidat für die Landtagswahlen auf und wurde am 20. März 1861 vom Bezirke Neubau in Wien in den Landtag und von dem letzteren als Vertreter der Stadt Wien in den Reichsrath entsendet. Jetzt als Mitglied des Reichsrathes gelang es ihm auch im April 1862, das ihm bis dahin oft verweigerte Notariat zu erlangen. Seine Thätigkeit im Landtage und im Reichsrathe ausführlich zu schildern, entzieht sich der Aufgabe dieses Lexikons. Die stenographischen Protokolle dieser beiden politischen Körper können zur Genüge darüber Ausschluß geben. Während seiner zehnjährigen Wirksamkeit als Volksvertreter blieb Schindler der Löwe des Tages. Seine Reden zählen zu den glänzendsten, welche je im halbhölzernen Parlamentshause vor dem Schottenthore [vergl. unten in den Quellen S. 19 S.’s Charakteristik als Parlamentsredner] gehört wurden. Seine mannigfaltigen Erfahrungen in verschiedenen Lebensstellungen haben ihm Einblick in die Verhältnisse aller Stände und aller Stämme verschafft; er kennt sein – nicht engeres, sondern als Großösterreicher – großes Vaterland und spricht in wärmster Weise für dessen Fortschritt und Entwickelung. In allen Fragen von einiger Bedeutung stand S. immer im Feldlager der Liberalen, und sein vollendetes Rednertalent hat in wichtigen Fällen nicht selten den Ausschlag gegeben. Ueber seine Stellung im Parlamente und jene Wirksamkeit, über welche der Natur der Sache nach wenig nach außen bekannt wurde, kann hier nur Einiges, was sich eben als Thatsächliches der Erinnerung zunächst aufdrängt, gesagt werden, was der Vergessenheit entzogen werden soll. Das parlamentarische Leben in Oesterreich war neu – denn die 48ger Episode in der k. k. Reitschule kann man kaum als eine Vorübung gelten lassen – die politische Redekunst lag so zu sagen in den Windeln, da war es S., der gewissermaßen die Methode der parlamentarischen Beredsamkeit, mit den Wenigen, welche diese Gabe besaßen, mitbegründen und dadurch Oesterreich im Parlamente dem Auslande gegenüber ehrenvolle Erfolge erringen half. Es ist dieses ein Moment, welches bei der geringen Zahl guter Redner, die im Hause vor dem Schottenthore damals sich befanden, nicht gering anzuschlagen ist und Oesterreichs parlamentarische Ehre nicht wenig steigerte. – Auch trat S. in mannhaftester Weise gegen den Föderalismus und Dualismus und für die Centralisation Oesterreichs ein; – sprach in packender, überzeugender Weise gegen das Concordat und für die Befreiung und Verbesserung des Unterrichts, dessen seit einem Jahrhundert – seit Joseph’s II. Tode – planmäßig betriebene Verkümmerung Oesterreich, so bitter zu büßen hat und es ihm so schwer macht, sich aus der Erniedrigung, die ihm in den letzten Jahrzehnden widerfuhr, wieder zu seiner alten Größe zu erheben: – über seine Anträge wurden (1867/68) unsere verfassungsmäßigen Rechte erweitert: durch das jährliche unbeschränkte Steuerbewilligungsrecht – früher mußte das Parlament nur um die Bewilligung von Steuern angegangen werden – und [16] durch das Recrutenbewilligungsrecht; – über Schindler’s Antrag wurden alle körperlichen und Kettenstrafen in der Armee abgeschafft, und dann war es vornehmlich S., welcher in der oben bezeichneten Session die bereits an Bauunternehmer übergebene Befestigung Wiens, wodurch Millionen aus den Taschen der Steuerzahler in die grundlosen Säcke weniger baulustiger Unternehmer in legalster Weise gewandert wären, hintertrieben hatte. – Ferner war es Schindler, der im Ausschusse des Reichsrathes auf Grund einer von Dr. L. A. Frankl und von der Künstlergesellschaft „Grüne Insel“ im Jahre 1860 angeregten Petition den Antrag einbrachte, einen jährlichen Betrag von 25.000 fl. – der später auf die weit geringere Summe von 10–15.000 fl. herabgemindert wurde – in das Budget des Staats-, später Ministeriums für Cultus und Unterricht zum Zwecke von Künstlerpensionen, Stipendien und Kunstaufträgen einzustellen, der auch dessen Annahme durchsetzte, worauf derselbe als Ausschußantrag vor das Haus gebracht und dort einstimmig angenommen wurde. Im Vorstehenden sind nur etliche Hauptmomente der parlamentarischen Thätigkeit S.’s angedeutet worden; aber sie genügen, um die Frage zu rechtfertigen, wie es geschehen konnte, daß ein Mann wie S. nach einer zehnjährigen Thätigkeit im Abgeordnetenhause, einer Thätigkeit, die, wie vorstehende Thatsachen bezeugen, so Ersprießliches erringen half, bei der im Juni 1870 vorgenommenen neuen Wahl in den Reichsrath erliegen konnte. Da ist jedoch ein Umstand besonders auffallend: so lange S. Wien im Parlamente vertrat, – er war anfangs März 1861 gewählt worden – hatte er wegen seiner Parlamentsreden, Abstimmungen oder seiner sonstigen Haltung weder von Seite seiner Wähler, noch jener politischen Journale, welche die eigentliche öffentliche Meinung vertreten, irgend einen Tadel erfahren. Als er dann im Mai 1870, ergriffen von dem Tode seiner Tochter, Zerstreuung in einer Reise suchte und eine solche nach Frankreich und Spanien antrat, da benützte eine ihm feindselige Clique in der Voraussetzung, daß ihm auf seiner Fahrt in fernen Ländern ein Wiener Blatt kaum zu Gesicht kommen werde, seine Abwesenheit und begann die Hetze. Eine Sorte lumpiger Vorstadt-Demokraten colportirte in ihren Schmutzblättern die verschiedensten Nachrichten, deren Ursprung jedoch auf das Bureau eines der damals die öffentlichen Geschäfte leitenden Staatsmannes zurückführt, für dessen slavisch-föderalistische Ausgleichspläne der entschieden deutsch-österreichisch gesinnte S. nicht zu gewinnen war. Als nun S. nach der Rückkehr von seiner Reise im Juni 1870 von Neuem candidirte, hatte diese Clique während seiner Abwesenheit mit solchem Erfolge gearbeitet, daß er – wenngleich mit wenigen Stimmen – unterlag und einem Candidaten Platz machte, der so beredt vor den Wählern, im Abgeordnetenhause aber seither noch kein einigermaßen erhebliches Lebenszeichen von sich gegeben hat. S. selbst, über diesen freilich nicht neuen Wandel der Volksgunst verbittert, hat seither nicht wieder candidirt und lebt seiner literarischen Muße abwechselnd in Wien und im Sommer auf Leopoldskron nächst Salzburg. Für das Abgeordnetenhaus aber ist S. ein Verlust, den nicht blos seine Freunde, sondern am meisten die Anhänger seiner politischen Partei empfinden, welche die Erreichung hoher Ziele im staatlichen Leben Oesterreichs anstrebt. [17] Die politische Thätigkeit S.’s hat seine literarische in den Hintergrund gedrängt, und doch ist auch diese nichts weniger als untergeordneter Art. Schon im Jahre 1840 trat er in Castelli’s Taschenbuch „Huldigung der Frauen“ als Erzähler auf und seither erschienen in verschiedenen belletristischen Journalen und Almanachen seine Arbeiten, durch welche er bald mit den besten österreichischen Poeten bekannt und befreundet wurde, von denen u. A. Anton Alexander Graf Auersperg (Anastasius Grün) und Adolph Ritter von Tschabuschnigg genannt seien, welche Beide auch auf dem Felde der Politik seine Kampfgenossen waren. Er veröffentlichte seine Schriften unter dem Namen Julius von der Traun, und die Titel derselben – von denen der größere Theil so wenig bekannt geworden, daß ein Poet von Schindler’s Bedeutung den Literaturhistorikern Rudolph Gottschall, Goedeke, Heinrich Kurz u. A. unbekannt geblieben und sein Name nicht einmal in Mosenthal’s „Museum aus den Dichtungen österreichischer Lyriker und Epiker“ erscheint – sind in chronologischer Folge: „Oberösterreich. Ein Skizzenbuch“ (1848); – „Südfrüchte. Novellen“, 2 Bde. (1848); – „Eines Bürgers Recht. Ein Trauerspiel“ (1849); – „Die Rosenegger Romanzen“ (1852; zweite verm. Aufl. (Wien 1873, Faesy u. Frik, 8°.); – „Geschichte des Scharfrichters Rosenfeld und seines Pathen“ (1853); – „Herbsttage auf Helgoland (1853); – „Reisebilder“ (1853); – „Unter den Zelten. Soldatenlieder“ (1853); – „Die Gründung von Klosterneuburg. Ein Gedicht“ (Leipzig 1854, Herbig); – „Theophrastus Paracelsus. Ein Volksdrama“ (1854); – „Gedichte“ (Wien 1871, Faesy u. Frik, Lex. 8°.), Prachtausgabe und nicht in den Handel gekommen; – „Carte blanche“ (Leipzig 1862, Volkmar, 12°.), politische Sinngedichte; – „Salomon, König von Ungarn“ (Wien 1873, Faesy u. Frik, 8°.) ein episches Gedicht; außerdem leitete er die Herausgabe der nachgelassenen Werke des oberösterreichischen Volksdichters Anton Schosser[WS 1] und des Lyrikers Ferdinand Sauter [Bd. XXVIII, S. 290] und außer der im Jahre 1848 besorgten Redaction der schon erwähnten „Zwanglosen Blätter für Oberösterreich“ redigirte er auch einige Zeit die „Oberösterreichische Zeitung“ und das in Gratz erschienene Damenjournal „Iris“, das später unter Cajetan Cerri’s Redaction einen ungeahnten Aufschwung nahm und nur durch Unersättlichkeit des Eigenthümers, dem der reiche Gewinn, den es eintrug, noch nicht genügte, zu Grunde ging. Es ist, wie aus vorstehender Uebersicht erhellet, in welcher man touristischen, lyrischen, epischen, dramatischen und epigrammatischen Arbeiten begegnet, eine ebenso reiche als mannigfaltige literarische Thätigkeit, welche S. entfaltet hat. Der Wechsel seines äußeren Lebens, später aber seine politische Thätigkeit waren wohl zunächst Ursache, daß S. nicht genug Muße fand, sich auf literarischem Gebiete zu concentriren und jene Erfolge zu erzielen, die nicht ausgeblieben wären, wenn S. seine ganze Zeit der Ausbildung seiner künstlerischen Anlagen gewidmet hatte und es ihm gegönnt gewesen wäre, aus der Poesie eine volle Lebensaufgabe zu machen. In dem von Paul Heyse herausgegebenen „Novellenschatze“, welchem auch kurze biographische Skizzen jener Autoren beigegeben sind, deren Arbeiten in diesen „Schatz“ aufgenommen werden, heißt es über einzelne Arbeiten von S.: „Die Geschichte des Scharfrichters Rosenfeld und seines Pathen“ verbürgt schon allein den entschiedenen novellistischen Beruf ihres [18] Verfassers und nur gewisse Bedenken gegen die nach unserem Gefühl nicht hinlänglich motivirte Grausamkeit der Entwickelung haben uns abgehalten, das in der Darstellung meisterhafte Seitenstück zu Clemens Brentano’s „Geschichte vom schönen Annerl und braven Kasperl“ unserer Sammlung einzureihen. Der „Gebirgspfarrer“, der allerdings ähnlich wie „Germelshausen“ aus dem Gebiete der Novelle schon in das der Legende hinübergreift, wird von einer der Hauptrichtungen der S.’schen Muse, der Neigung zu volksthümlichen Stoffen, einen nicht minder lebendigen Begriff geben, ohne einen Mißklang zu hinterlassen. Auf den höchst eigenthümlichen Reiz des Volkstones, den S. in den „Rosenegger Romanzen“ angeschlagen, können wir an dieser Stelle nur im Vorbeigehen aufmerksam machen.“ Unter seinen Dichtungen aber räumt die Kritik seinem „König Salomon“ den Preis ein. Es ist ein Epos, in welchem Dichtung, Geschichte und Sage auf eine prächtige Weise verwoben sind, und obgleich der Stoff einer längst vergangenen Zeit entnommen ist, verstand es der Dichter doch, Beziehungen und Anklänge auf unsere Zeit mit feiner Hand, gleichsam als sinniges ornamentales Beiwerk, in das reiche Gemälde hinein zu zeichnen.

Deutsche Blätter. Literar.-polit. Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube (1867) (Leipzig, Ernst Keil, 4°.) 1867, Nr. 48: „Aus dem österreichischen Reichstage“. – Frankl (Ludw. Aug. Dr.), Sonntagsblätter (Wien, gr. 8°.) IV. Jahrg. (1845), S. 616, in der „Local-Zeitung“. – Frankfurter Journal 1861, Nr. 123, Rubrik: Deutschland, Correspondenz: Wien 1. Mai. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) XLIX. Band (1867), Nr. 1260: „Der Kampf um das österreichische Concordat“. – Konstitutionelle Volks-Zeitung (Wien, kl. Fol.) II. Jahrg. (1866), Nr. 50: „Dr. Alex. Julius Schindler“. – Morgen-Post (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 57, im Feuilleton in „Das Schindler-Bankett“. – Neue illustrirte Zeitung. Herausg. und redigirt von Johannes Nordmann (Wien, kl. Fol.) 1873, Nr. 1: „Dr. Alexander Julius Schindler“ [nach dieser geb. am 26. September 1818, nach anderen Quellen am 18. September d. J.). – Waldheim’s Illustrirte Monathefte (Wien, gr. 4°.) Jahrg. 1865, Nr. 50, S. 398. – Porträte. 1) Zugleich mit Mühlfeld im Holzschnitt, ziemlich ähnlich, in der Illustrirten Zeitung, Nr. 1260, S. 121; – 2) Holzschnitt in der Konstitutionellen Volks-Zeitung (Wien) 1866, Nr. 50 [ziemlich ähnlich]; – 3) in Waldheim’s Illustr. Monatheften (Wien, gr. 4°.) 1865, Nr. 50, S. 393 [sehr ähnlicher Holzschnitt]; – 4) in der Neuen Illustr. Zeitung von Joh. Nordmann 1873, Nr. 1. Holzschnitt von Haske [nicht sehr ähnlich].
Schindler und Napoleon. Die Begegnung Alexander Schindler’s mit dem Kaiser der Franzosen, während dessen Aufenthaltes in Salzburg, bildete einige Zeit das Thema der politischen Blätter Oesterreichs und Deutschlands. Schindler’s Widersacher verbreiteten die Meinung, als habe S. diese Begegnung gesucht. Nun abgesehen davon, daß man die persönliche Aehnlichkeit Schindler’s mit Napoleon III. gehörig ausgenützt und immer wieder aufgefrischt hatte, so daß der Kaiser der Franzosen auf sein alter ego aufmerksam wurde und sein vermeintliches Ebenbild persönlich kennen zu lernen wünschte, welche Thatsache diese vielbesprochene Begegnung ebenso einfach als natürlich erklärt, so hat S. selbst unmittelbar, nachdem jene Gerüchte von einer jederzeit scandalbereiten Revolverpresse colportirt wurden, denselben in entschiedener Weise, den wahren Sachverhalt mittheilend, widersprochen. Hier werden die bezeichnendsten Aufsätze darüber und auch jenes Blatt, das die Erklärung Schindler’s enthält, angeführt. Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 230: „Dr. Schindler bei Napoleon“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) XXI. Jahrg. (1867), Nr. 230: „Schindler bei Napoleon III. Original-Telegramm des Fremdenblatt“. – Neues Wiener Tagblatt 1867, Nr. 163: „Audienz des Wiener Abgeordneten Schindler beim Kaiser Napoleon“. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 1076: „Napoleon und Schindler“ (Orig.-Correspondenz der Neuen freien Presse); – dieselbe vom 10. September 1867, Nr. 1087: „Erklärung Schindler’s“.
[19] Schindler als Reichsraths-Abgeordneter. Wie es in der Lebensskizze erwähnt ist, war Schindler während einer Periode von zehn Jahren, 1861 bis 1870, Mitglied des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes. Seine unter allen Umständen höchst bemerkenswerthe und – seine politischen Gegner mögen sagen, was sie wollen – auch einflußreiche Thätigkeit ist wohl am besten aus den stenographischen Berichten des Abgeordnetenhauses zu ersehen. Seine Reden in den Adreßdebatten, wegen Aufhebung des Concordates u. s. w. wirkten durch den schlagfertigen Witz, den frischen Humor und die Grazie des Vortrages geradezu zündend. Für Jene, denen die stenographischen Protokolle, nicht so leicht zugänglich sind, sei nur – da sie zur Charakteristik S.’s beitragen – der wichtigeren gedacht, so z. B. seiner Rede in der Adreßdebatte am 18. August 1861 [Wiener Zeitung, 3. Quartal, S. 799]; über das Briefgeheimniß [ebd., 4. Quartal, S. 4221]; über die Nothwendigkeit eines Unterrichtsministeriums in der Sitzung vom 27. Juni 1863 [Wiener Zeitung, 2. Quartal, S. 960]; in der Resolutionsfrage in der Sitzung vom 29. Jänner 1864 [Wiener Zeitung, 1. Quartal, S. 94]; über die Verhältnisse des Justizwesens in Oesterreich in der Sitzung vom 26. April 1865 [Wiener Zeitung, 2. Quartal, S. 326]; in der Adreßdebatte in der Sitzung vom 5. December 1865 [Presse 1865, Nr. 337]; seine Rede in der Wähler-Versammlung des VII. Wiener Bezirkes [Neue freie Presse 1867, Nr. 861] und endlich seine Rede in der Adreßdebatte vom 20. Jänner 1870 [Fremden-Blatt 1870, Nr. 21]; damit ist jedoch die Liste der bezeichnendsten Reden Schindler’s während seiner zehnjährigen reichsräthlichen Thätigkeit, indem er keinen nur einigermaßen wichtigen Anlaß vorübergehen ließ, ohne die Rednertribüne zu betreten oder auf seinem Platze – und oft unvorbereitet, aber immer schlagfertig – in die Debatte einzugreifen, noch lange nicht erschöpft, der vorstehenden wurde eben nur als der wichtigsten gedacht. Was den Charakter der Beredsamkeit Schindler’s anbelangt, so ist derselbe einfach, natürlich, einschmeichelnd, ungezwungen, voll Frische und Abwechslung. Sie amusirt, indem sie überzeugt. Ohne lange Auseinandersetzung über den Stoff seiner Rede, erkennt man doch bald, daß er denselben vollkommen beherrscht und selbst der Minderunterrichtete fühlt sich durch seine drastischen Bemerkungen vollständig informirt. Zu welcher Partei man sich bekennen mochte, seinem farbenreichen, ästhetisch geordneten und von Witzfunken durchleuchteten Vortrage mußte man Beifall zollen. Das österreichische Parlament besaß viele Mitglieder, einen angemessenen sachlichen Vortrag zu halten wissen; eigentliche Redner besaß es – wie dieß auch aus der politischen Vergangenheit Oesterreichs leicht zu erklären – nur sehr wenige, und unter diesen sehr wenigen war einer der glänzendsten, wo nicht der glänzendste, S. Ebenso wie er unsere ganze Verstandesthätigkeit durch die Logik seines Vortrages und die Dialektik seiner Bemerkungen in Anspruch nimmt, ebenso versteht er es wieder, alle Tiefen und Höhen des Gemüthes anzuregen. Mit kühner Kunst weiß er Alles zu sagen, wem immer es gelte, und die herbsten Wahrheiten, die man in anderer Form kaum vertrüge, versteht er, in humorvollen Witz zu kleiden, der immer wie leise Klage ausklingt, mitunter wohl schmerzt, aber nie verbittert. Das Ueberraschende bei seinen Reden, insbesondere, wenn er Angriffe abwehrt, bestand zunächst in der Schlagfertigkeit seiner Entgegnungen. Gewiß mag anderen Rednern derselbe köstliche Gedanke einfallen, nur geschieht das gewöhnlich 12–24 Stunden später, während S. in derselben Secunde, in welcher der Angriff erfolgte, auch schon denselben mit ebenso viel Geist, als Scharfsinn und immer mit voller Ruhe abwehrte. Es ist, als ob er Rosen würfe, deren Stacheln wir erst fühlen, wenn wir sie berühren. Man muß die leichte Hand, mit der er oft schwere Steine hob, bewundern, und wenn er in die fatale Lage kam, einen politischen Gegner aufzuknüpfen, eine Lage, in die man in einem polyglotten Parlamente leicht gerathen kann, so vollführte er dieses penible Geschäft immer mit einer chevaleresken Eleganz und in Glacé-Handschuhen. An Schindler und im Herrenhause an Graf Auersperg kann man den Einfluß der Poesie auf die politische Redekunst am besten erkennen. Bei dem Einen wie bei dem Andern war auch im Parlamente der Poet ihr Lehrer. Beide führten den Leuten die Politik im Gewande der Kunst vor. S.’s größte Kunst aber ist seine Improvisation. Während seine Gegner sprachen, warf er einzelne Schlagworte mit Bleistift auf’s Papier, und diese Zettelchen in der Hand, widerlegte er sie in stundenlanger Rede, die, [20] effectvoll, wie ein feines Lustspiel gegliedert, die Aufmerksamkeit und den Beifall des ganzen Hauses nicht erkalten ließ. Die hervorragendsten dieser Improvisationen waren S.’s Rede in der Generaldebatte zur Aufhebung der Wuchergesetze [gegen Greuter, der die Arbeiter aufzuwiegeln suchte] und die zur Einführung von Luxussteuern. Um aus der nicht geringen Zahl seiner schlagfertigen Entgegnungen nur die Eine hervorzuheben: so machte er in einer seiner confessionellen Parlamentsreden eine bittere Bemerkung über die vom Papste eben damals vollzogene Heiligsprechung des durch Kaulbach’s Bild für immer gekennzeichneten Peter von Arbuez. Greuter unterbrach ihn von seinem Platze mit einem energisch herausgeschrieenen „Pfui!“ Schindler hielt einige Secunden inne und erwiederte dann, gegen Greuter gewendet: „Was wollen Sie von mir mit ihrem Pfui? Den Mann habe ja nicht ich heilig gesprochen“. – Ganz bezeichnend für Schindler’s Redeweise sind Mühlfeld’s Worte in einem auf Schindler gerichteten Toaste. „Schindler“, sagte Mühlfeld, „ist nicht so sehr geistreich, als er besitzt Geistesfülle. Ich begreife nicht, wie ihm oft auf Einmal über eine Sache so Verschiedenstes einfallen und wie er das sofort logisch und elegant ordnen kann, so daß er zuletzt auch Alles gesagt hat.“ Und wie sehr es S. bei seiner geistvollen Opposition um die Sache und nicht um seine Person zu thun war, dafür spricht die Bemerkung eines Ministers, der nach einer von Schindler’s oppositionellen Reden auf ihn zutrat und meinte: „Hätten Sie sich vom Anfange an Mühe gegeben, so viel für die Regierung zu sprechen, als sie dagegen sprachen, Sie hätten es weiter gebracht.“ Schindler erwiederte: „Aber Oesterreich nicht“. Daß ein Mann, wie S., dem solche geistige Vorzüge eigen sind und der in seiner unabhängigen Lage um die Gunst gewisser Leute, welche die öffentliche Meinung mit der Farbe anstreichen, welche sie durch ihre Brillen sehen, an Feinden keinen Mangel hat, versteht sich doch von selbst, aber S. tröstet sich dann immer mit der berühmten Devise des letzten Ritters: Viel Feind; viel Ehr’!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Franz Schosser