Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 24 (1872), ab Seite: 296. (Quelle)
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Rájnis, Joseph (gelehrter Jesuit, geb. zu Güns in Ungarn 4. Juni 1741, gest. zu Keszthely 23. September 1812). Sein Vater, der sich Rheinisch schrieb, war ein deutscher Stadtrath zu Güns. Der Sohn trat nach beendeten Gymnasialclassen im Jahre 1757 in den Orden der Gesellschaft Jesu, verbrachte die ersten zwei Probejahre in Wien und kam dann nach Leoben, wo er mit besonderem Eifer die griechische Sprache betrieb und der Erste es versuchte, das elegische Sylbenmaß der Alten in der ungarischen Sprache anzuwenden. In’s Vaterland zurückgekehrt, wurde er 1761 im Lehramte verwendet, trug, während er selbst 1763 in Kaschau den philosophischen Studien oblag, in Preßburg und Raab in den Humanitätsclassen vor, ging dann nach Tyrnau, wo er die Theologie hörte, 1771 daselbst daraus die Doctorwürde erlangte und dann die h. Weihen erhielt. Nun lehrte er bis 1784 zu Raab die Mathematik und wurde alsdann Aufseher der akademischen Kirche, in welcher Eigenschaft er bis 1806 verblieb. Auf ein geringes Gehalt angewiesen, hatte er vielfach mit Noth zu kämpfen, was ihn bei seinem vorgerückteren Alter wesentlich in seinen literarischen Arbeiten hemmte. Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen, eine bessere Existenz zu erringen, fand er endlich in dem den Wissenschaften und Künsten wohlgeneigten Magnaten Georg Grafen Festetics einen hilfreichen Mäcen, der ihn zum Scholiarchen seines Georgicons in Keszthely ernannte, wo er im Alter von 71 Jahren starb. Seine literarische Thätigkeit war mannigfaltig, er schrieb mehrere Festreden in lateinischer Sprache, welche in den Jahren 1769, 1770 und 1783 im Drucke erschienen sind und von Stöger auch nach ihren Titeln angeführt werden; dann beschäftigte er sich mit dem müßigen Problem der Quadratur des Zirkels, worüber er die Schrift: „Perfecta Quadratura Circuli, quam e verorum numerorum proprietatibus eruit et demonstravit“ (Jaurini 1794, Streibig, 4°.) veröffentlichte. Als diese Schrift eine Entgegnung fand, erwiderte [297] er darauf mit einer „Widerlegung der österreichischen Anmerkungen auf meine Quadratur des Zirkels“ (o. O. u. J.). Interessanter und für die Geschichte der ungarischen Dichtung bedeutsamer ist seine Thätigkeit auf poetischem Gebiete, indem er den schon vor ihm mehrmals gemachten, aber immer unbeachtet gebliebenen Versuch, die antiken Versmaße in der ungarischen Sprache anzuwenden, energisch wieder aufnahm und trotz mannigfacher Angriffe von verschiedenen Seiten mit Eifer und Consequenz fortführte. Schon während seines Aufenthaltes in Leoben, im Jahre 1760, hatte er, während er sich mit dem Studium der griechischen Dichter auf das Eifrigste beschäftigte, Mehreres in dieser Richtung gearbeitet; als er in der Folge in seine Heimat zurückgekehrt war, ermunterten ihn der ungarische Polyhistor Joseph Molnár und der siebenbürgische Bischof Martonfi seine Arbeiten in dieser Richtung wieder aufzunehmen und so vollendete R. das Werk: „A magyar Helikonra vezérlő kalaúz“, d. i. Führer auf den ungarischen Helikon (Preßburg 1781, 8°.), welches eine vollständige ungarische Poetik ist, worin er die Grundsätze der ungarischen Prosodie aufstellte und seine eigenen Gedichte als Beispiele beifügte. Als ihn Mathias Ráth mehrerer in seinem Werke enthaltenen Puncte wegen angriff, ließ R. einen Anhang: „A magyar helikonra vezérlő kalaúzhoz tartozó megszerzés“ (ibid. 1771) folgen; in welchem er in nicht zu gebührlicher Weise gegen seine Angreifer auftrat. Als eine Bestärkung seiner in den obigen Schriften dargelegten Grundsätze ging er daran, die Werke Virgil’s im Metrum des Originals zu übersetzen und gab auch „Magyar Virgilius, első daráb: Maro Virgilius Publusnak Eklogái“, d. i. Der ungarische Virgilius. Erster Theil, dessen Eklogen (Preßburg 1789), heraus. Von Baróti darüber angegriffen, veröffentlichte er nun auch gegen diesen eine Streitschrift, und nicht zufrieden mit diesem einen Kampfe, trat er in einem der Schrift angeschlossenen Anhange auch gegen Bacsányi auf, dessen Ansichten er zu widerlegen suchte. Er setzte diese Kämpfe auch noch in der später gefolgten Uebersetzung des Apulejus fort, welche unter dem Titel: „Apulejus tüköre, melyben a kassai Proteusnak képét és annak sokfele csúfos tünéseit láthatni“ erschien. Als er durch die Gunst seines Mäcens, des Grafen Festetics, von den Sorgen seines Lebensunterhaltes befreit worden, vollendete er die Uebersetzung von Virgil’s Gedichten über den Landbau, und begann sofort jene der „Aeneide,“ an deren Vollendung ihn jedoch der Tod hinderte. Diese seine letzte Arbeit erschien erst nach seinem Tode, herausgegeben[WS 1] von Konde unter dem Titel: „Magyar Virgilius, masodik darab“, d. i. Der ungarische Virgilius, 2. Theil (Pesth 1814, 8°.); demselben hat der Herausgeber eine Biographie des Uebersetzers beigefügt. In seinem handschriftlichen Nachlasse, der in den Besitz des Pesther Universitäts-Bibliothekars Georg Fejér gelangt war, befand sich eine neue, jedoch nicht ganz vollendete Bearbeitung des „Kalaúz“ unter dem Titel: „Magyar Parnassus“, worin seine sämmtlichen Gedichte, dann mehrere poetische Uebersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen, ein Lustspiel in Jamben und fünf Acten: „Az ikerek“, d. i. Die Zwillinge, frei nach Plautus, sich befanden. Toldy, der gewiegteste Kritiker der älteren ungarischen Literatur, schreibt über Rájnis, daß er, so weit dieß aus seinen [298] wenigen Gedichten ersichtlich, besonderen Sinn für das Erhabene und Kräftige hatte, demselben aber bei seinem wenig geläuterten Geschmacke mitunter durch gemeine Bilder bedeutenden Eintrag thut. Außerdem fehlt es ihm an Erfindungskraft und an Gefühl, somit an Allem, was das Wesen des Dichters ausmacht.“ Was seine Uebersetzung des Virgil betrifft, so meint Toldy, „daß R. gerade dessen entbehrte, was ein Uebersetzer des Virgil vor allem Anderen besitzen muß: die Eleganz. Uebrigens ging er bei dieser Uebersetzung verständig zu Werke, und wenn auch Baróti ihn in seinen später bearbeiteten Eklogen an Schönheit und Anmuth übertrifft, so hat doch R. vor dem „Szekler Poeten“ ohne Zweifel die echt ungarische und dabei keineswegs gezwungene Behandlung der Sprache voraus. Seine Kraft bestand überhaupt vorzüglich in der Sprache ...“.

Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 344. – Handbuch der ungrischen Poesie u. s. w. in Verbindung mit Julius Fenyéry) herausgegeben von Franz Toldy (Pesth u. Wien 1828, Kilian u. Gerold, 8°.) Bd. I, S. 199. – Toldy (Franz Dr.), Geschichte der ungrischen Dichtung von den ältesten Zeiten bis auf Alex. Kisfaludy. Aus dem Ungrischen übersetzt von Gust. Steinacker (Pesth 1868, S. Heckenast, 8°.) S. 359 u. 362. – Ungarns Männer der Zeit. Biografien und Karakteristiken hervorragendster Persönlichkeiten. Aus der Feder eines Unabhängigen (C. M. Kertbeny recte Benkert) (Prag 1862, A. G, Steinhauser, kl. 8°.) S. 249. – Stoeger (Joh. Nep.), Scriptores Provinciae Austriacae Societatis Jesu (Viennae 1855, Lex. 8°.) p. 292 [nach diesem geb. 14. Juni 1741]. – Fejér (Georgius), Historia Academiae scientiarum Pazmaniae Archi-Episcopalis ac M. Theresianae Regiae literaria (Budae 1835, 4°.) p. 86. – Tudományos gyüjtemény, d. i. Wissenschaftliche Abhandlungen (Pesth, 8°.) 1823, IX, S. 24 u. f.: „Biographie“ verfaßt von Georg Fejér. – Toldy (Ferencz), A’ magyar költészet kézikönyve a Mohácsi vésztől a legújabb időlg, d. i. Geschichte der ungarischen Dichtung von der Schlacht bei Mohács bis auf unsere Tage (Pesth 1855, Gust. Heckenast, gr. 8°.) Bd. I, S. 532–546.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: herausgeben