BLKÖ:Horváth, Stephan

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 9 (1863), ab Seite: 324. (Quelle)
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Horváth, Stephan (Geschichtschreiber und Bibliothekar, geb. zu Stuhlweissenburg 3. Mai 1784, gest. zu Pesth 13. Juni 1846). Der Sohn eines geachteten Handwerkers, besuchte er die Schulen in seiner Vaterstadt und bezog seines ausgezeichneten Fleißes wegen ein kön. Stipendium. 1799 ging er nach Pesth, wo er bis 1806 die philosophischen und juridischen Studien beendete, nebenbei aber auch die Landwirthschaft und die Medicin betrieb. Schon 1802 erwarb er die philosophische Doktorwürde. 1803 kam er als Erzieher in das Haus des damaligen „Judex Curiae“ Joseph von Ürményi, und versah diese Stelle bei dessen zwei Söhnen durch sechs Jahre. Auf Ürményi’s Empfehlung wurde er am 15. November 1808 zum kön. Universitäts-Notar ernannt; einige Jahre später, im October 1812, bewarb er sich bei dem Grafen Franz Széchenyi um die Stelle des Bibliotheks-Custos bei dem National-Museum, erhielt dieselbe am 15. November d. J. und bekleidete sie unter wechselnden Verhältnissen bis an das Ende seines Lebens. Im Jahre 1816 wurde er von dem Erzherzog Palatin Joseph zum Mitglied jener Commission ernannt, die unter dem Vorsitze des Grafen Ladislaus Teleki den von der Familie Marczibányi für das beste in jedem Jahre erschienene Druckwerk gestifteten Preis zuzuerkennen hatte. Am 11. November 1833 wurde er zum Professor der Diplomatik, Genealogie, Siegel- und Wappenkunde an der Pesther Hochschule ernannt. Auch trug er seit Mai 1830 ungarische Sprache, Literatur und Stilistik vor. Von 1837 bis 1843 leitete er unentgeltlich das National-Museum; war 1840 bis 1843 Decan, 1844 Vice-Senior der philosophischen Facultät. So hatte er im Ganzen seinem Vaterlande durch 38 Jahre an der Universität und durch 30 Jahre am National-Museum gedient. Bereits als Jurist hatte er ein genaues Tagebuch unter dem Titel: „Horváth István minden napija“ zu führen begonnen und es bis 1809 fortgesetzt. Seine literarischen Arbeiten veröffentlichte er seit 1804 theils unter eigenem Namen, theils unter dem Pseudonym „Boldogréti Vig László“, d. i. Ladislaus Lustig der seligen Wiese, und anfänglich zumeist in den literarischen Journalen [325] seines Vaterlandes. Seine selbstständigen Werke sind: „Néhány okok, mellyek a kiadott 1334 esztendőbeli magyar levélnek valóságos eredetiségét kétségessé teszik“, d. i. Einige Gründe, welche die wahre Originalität des im Jahre 1334 herausgegebenen ungarischen Documentes in Zweifel setzen (Pesth 1804); – „Verseghy Ferencznek megfogyatkozott okoskodása a tiszta magyarságban“, d. i. Franz Verseghy’s erschöpfte Vernünftelei im rein Ungarischen (Pesth 1806); – „Pest városának régi német Ofen nevéről“, d. i. Ueber die alte Benennung Ofen, welche der Stadt Pesth beigelegt wurde (Pesth 1810); – „Magyar dámák kalendárioma“, d. i. Kalender für die ungarischen Damen (Pesth 1812, 1814, 1818); – „Nagy Lájos és Hunjyadi Mátyás védelmezetések a nemzeti nyelv ügeyében“, d. i. Vertheidigung Ludwig’s des Großen und Mathias Hunyadi’s in der Angelegenheit der Nationalsprache (Pesth 1815); – „A dicső Marczibányi familia tudományos jutalom-tétale s annak első fényes kioszlása sz. András hava 23-án“, d. i. Der wissenschaftliche Preis, gestiftet von der ruhmreichen Familie Marczibányi und dessen erste glänzende Vertheilung am 23. November; – „Verböczi István emlékezete, mellyet a hármas törvénykönyv törvényes bevételének harmadik századára készitett“,d. i. Das Andenken Stephan Verböczy’s, gelegenheitlich der dritten Säcularfeier der gesetzlichen Einführung des Tripartitums (Pesth 1819); – „Magyarország gyökeres régi nemzetségeiről“, d. i. Ueber die Urstämme Ungarns (Pesth 1820); – „Jutalom feleletek a magyar nyelvről, a magyar nemzeti muzeum 1815, 1816 és 1817 esztendei kérdéseire“, d. i. Preisbeantwortungen der über die ungarische Sprache von dem ungarischen National-Museum gestellten Preisfragen in den Jahren 1815, 1816 und 1817 (Pesth 1821, 2 Bde.); – „Rajzolatok a’ magyar nemzet legrégibb történeteiből“, d. i. Schilderungen aus der ältesten Geschichte der ungarischen Nation (Pesth 1825); – „Henrik portugalliai grófról, mint magyar királyfiról“, d. i. Ueber den portugiesischen Grafen Heinrich, als ungarischen Prinzen (Pesth 1821); – „A magyarokról mint Agarenusokról“, d. i. Ueber die Ungarn als Abkömmlinge von Agarenus (Pesth 1828); – „Jaszok elsö értekezés. A Jászokról mint magyar nyelvü nepröl és Nyilazólról“, d. i. Erste Mittheilung über die Jazygier, von den Jazygiern als Pfeilmänner (Pesth 1829); – in deutscher Sprache aber gab er heraus: „Croatien als eine durch Unterjochung erworbene ungarische Provinz und des Königreichen Ungarn wirklicher Theil (Leipzig 1844, Köhler); – „Urgeschichte der Slaven oder über die Slovinen, d. i. Prahler, vom trojanischen Krieg bis zu den Zeiten Kaiser Justinian’s I.“ (Pesth 1844, Hartleben). Von 1833 bis 1837 gab er die Zeitschrift „Tudományos Gyüjtemény“, d. i. Wissenschaftliche Sammlung, heraus. Als er 1830 von der ungarischen Akademie zum Mitgliede gewählt worden, schlug er diese Wahl aus. Der Landtag von 1833/36 hatte ihm in Anbetracht seiner patriotischen Werke einen Jahresgehalt von 2000 fl. C. M. aus der Landescassa angewiesen. Er starb im Alter von 62 Jahren, stand im freundschaftlichen Verkehre mit Benedict Virág, Stephan Kulcsár, Alexander Kisfaludy und Andreas Horváth [s. d. S. 313]. Den jüngeren Gelehrten stand sein Haus stets offen. Er war so mit ganzer Seele Magyar, daß er 47 Jahre lang in Pesth gewohnt, ohne [326] je das deutsche Theater besucht zu haben. Als er im Alter von 62 Jahren starb, wurde sein Tod tief betrauert und in der That hatte das Vaterland an ihm einen der thätigsten Förderer der ungarischen Sprache und Nationalität, einen würdigen Vertreter ihrer Literatur und einen rastlosen Forscher im Gebiete ihrer Geschichte verloren. Er war ein fleißiger Büchersammler [über seine Bibliothek {siehe die Quellen].

Toldy (Ferencz), Irodalmi arcképei s újabb beszédei, Kiadta Tárkányi, d. i. Franz Toldy’s literarische Porträte, herausgegeben von Tárkányi (Pesth 1856, Gustav Emich, 8°.) S. 44. – Magyar irók, Arczképei és életrajzai, d. i. Ungarische Schriftsteller mit Porträten und Lebensbeschreibungen (Pesth 1858, Heckenast, kl. 4°.) S. 45 [nach diesem gest. 16. Juni 1846]. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakabb és Danielik József , d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und Joseph Danielik (Pesth 1856, Gust. Emich, 8°.) S. 195. – Pester Lloyd (polit. Blatt, gr. Fol.) 1856. Nr. 142: „Das ungarische National-Museum“ [im Feuilleton; nach diesem gestorben am 13. Juni 1846]. – Oesterreichische National-Encyklopädie herausgegeben von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 650 [nach dieser geb. 5. Mai 1784]. – Erneuerte vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien, Ant. Strauß, 4°.) Jahrg. 1815, S. 330: „Ehrenrettung G. Eichhorn’s gegen eine ungegründete Beschuldigung Stephan v. Horvath’s“. – Fejér (Georgius), Historia Academiae scientiarum Pazmaniae Archi-Episcopalis ac M. Theresianae Regia literaria (Budae 1835, 4°.) p. 203 [nach diesem „natus nobilibus parentibus“. – Porträt. Unterschrift: Horvát István. Holzschnitt [vortreffliches Bild, auch befindlich bei dem in Pesth von Heckenast herausgegebenen „Magyar irók“]. – Horváth’s Bibliothek. Diese höchst wichtige und merkwürdige Sammlung ist gegenwärtig Eigenthum des ungarischen Nationalmuseums in Pesth, in dessen letzten drei Sälen sie aufgestellt ist. Die Entstehungsgeschichte derselben ist folgende: Während H. Custos am Museum war, erhielt er von dem Erzherzoge Palatin den Auftrag, den galizischen Rath Johann Kriebel in seiner Bearbeitung einer Geschichte Ungarns von ihren Uranfängen bis zur Gegenwart zu unterstützen. Obwohl sich H. weigerte, konnte er doch dem fürstlichen Auftrage sich nicht lange entziehen und er begann nun seine Vorarbeit mit Aufsuchung aller auf Ungarns Geschichte Bezug habenden Quellen, die er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln an sich brachte. Die gemeinschaftliche Arbeit mit Kriebel, deren Fruchtlosigkeit am Tage lag, hatte H. alsbald aufgegeben und sich sofort an die Abfassung einer eigenen Geschichte Ungarns gemacht. Um sich dieser Arbeit ungestört hingeben zu können, bat er im December 1819 von seiner Custosstelle enthoben zu werden, welche Bitte jedoch nicht gewährt wurde. Sein Sammeleifer aber erkaltete nicht; mit allen nur denkbaren Opfern, selbst mit jenem seiner Gesundheit, brachte er die großartige Sammlung zu Stande, welche in ungefähr 30.000 Bänden und aus zahlreichen Handschriften, Diplomen, Landkarten und Zeichnungen besteht. Durch diese Sammlung gerieth er in große Armuth, so daß er und seine Familie Noth litten. Später erst wurde er in seinem Eifer von weltlichen und geistlichen Patrioten durch namhafte jährliche Beiträge unterstützt. Die Veranlassung dazu gab Joseph von Lapády, Güterverwalter der Familie Lazar, der H. eben in der höchsten Noth fand, die Ursache erfuhr und sich für den Gelehrten und seinen Zweck auf das thätigste verwendete. Mit dieser Bibliothek in Verbindung stehen noch 800 Bände voll von historischen Notizen zu allen Zweigen der ungarischen Geschichte, welche H. selbst gesammelt, geschrieben und geordnet hatte. Auf Veranlassung des Erzherzogs Palatin kam diese Sammlung in den Besitz des ungarischen Nationalmuseums.