BLKÖ:Hartmann, Moriz
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 8 (1862), ab Seite: 4. (Quelle) | |||
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[BN 1], [5] Sohn bemittelter Eltern mosaischen Bekenntnisses, die, was sie im Stande waren, auf die Erziehung ihrer Kinder verwendeten. Anfänglich war er zum Kaufmannsstande bestimmt, später jedoch entschied er sich für die Laufbahn der Wissenschaften und kam an das Gymnasium nach Prag, aber schon im nächsten Jahre in’s Piaristengymnasium nach Jungbunzlau. Nach vierjährigem Besuche des Gymnasiums daselbst ging er nach Prag und im folgenden Jahre nach Leipzig, wo er aber ohne Paß seine Studien nicht fortsetzen konnte. Genöthigt, diesen in Prag zu obliegen (1838–1841), kehrte er dahin zurück und befreundete sich daselbst mit Isidor Heller, Alfred Meißner und Friedrich Szarvady, und die damals von R. Glaser [Bd. V, S. 207] in’s Leben gerufene Zeitschrift „Ost und West“ brachte seine und seiner Freunde Erstlinge vor das Publikum. In Prag hatte der Geist des Studentenlebens noch etwas von seinem eigenthümlichen Schimmer zu erhalten gewußt; auch herrschte damals noch zwischen deutschen und čechischen Studenten nicht jener verderbliche Zwiespalt wie heutzutage. Im „Häuschen zum rothen Thurme“ befand sich ein beliebter Versammlungsort der Prager Poeten und Studiosen und Hartmann’s Name hatte in diesem Kreise von Auserwählten einen guten Klang. 1840 begab sich H. nach Wien, und mit guten Empfehlungen versehen, gelang es ihm auch bald mehrere Unterrichtsstunden zu erhalten, später auch die Hofmeisterstelle in den Großhandlungshäusern J. Lieben und Heinrich von Wertheimstein, womit die Angabe von Minckwitz, daß H. Erzieher im Hause des Fürsten Schwarzenberg gewesen, berichtigt wird. Vorher noch unternahm H. eine Reise nach Oberitalien, von der er über die Schweiz und München nach Wien zurückkehrte. Daselbst trat er mit Heinrich Landesmann, dem unter dem Namen Hieronymus Lorm bekannten geistvollen Kritiker, in freundschaftlichen und literarischen Verkehr. Zwei Jahre lang mochte er seine Stelle als Erzieher in den obengenannten Häusern bekleidet haben, als er, seinem bereits damals lebhaften Drange zu wandern nachgebend, Wien verließ. Das Verlangen sich gedruckt zu sehen, trug auch wesentlich dazu bei, ihn in die Fremde zu führen. Lorm hatte den jungen strebsamen Poeten ermuntert, aber die österreichischen Censurverhältnisse boten ihm wenig Aussicht, seine ganz entschieden gehaltenen poetischen Erstlinge im Vaterlande zum Drucke zu bringen. Zudem waren ihm schon mehrere begabte Talente mit der Thatsache des freiwilligen Exils vorangegangen, er folgte also ihrem Beispiele und ging nach Leipzig, wo 1845 seine, vornehmlich der Verherrlichung des Hussitenthums gewidmeten Gesänge unter dem bezeichnenden Titel: „Kelch und Schwert“ erschienen. Da auf dem Titelblatte sein voller Name genannt war, fehlte es nicht an polizeilichen Verfolgungen, die sich auch nach Leipzig und sogar auf seine Eltern erstreckten. Als sein Paß zu Ende war und er eine Auslieferung befürchtete, ging H. nach Brüssel und Paris und kehrte erst 1846 nach Leipzig zurück, wo er wieder einen Band Poesien, „Neuere Gedichte“, herausgab. Die Sehnsucht nach seiner Heimat ließ ihn den Versuch wagen, dieselbe heimlich zu besuchen. Kaum entging er aber der Verhaftung und er floh nach Berlin. Als ihm daselbst die Nachricht wurde, daß sein Proceß niedergeschlagen sei, kehrte er wieder nach Böhmen zurück, wo er bis October 1847, theils im Elternhause, theils in Franzensbrunn und [6] Marienbad unbehelligt zubrachte. Als er aber zu Ende 1847 der Schillerfeier in Leipzig beigewohnt, begann nach seiner Rückkehr in die Heimat das alte Spiel mit den polizeilichen Verfolgungen, mit Verhaftung und Untersuchung, die später auf freiem Fuße stattfand, und wobei es zu keinem Urtheile kam, da mittlerweile die Bewegungen des Jahres 1848 ausgebrochen waren. Die bisher erfahrenen Verfolgungen, denen H. ausgesetzt gewesen, genügten, seinen Namen in die Reihe der vormärzlichen politischen Märtyrer aufzunehmen und vornehmlich diesem Umstande verdankte H. seine Wahl zum Frankfurter Parlamente. Der böhmische Wahlbezirk Leitmeritz wählte ihn zum Abgeordneten. In Frankfurt hielt er sich zur äußersten Linken, ergriff mehrmals, namentlich zu Gunsten der aufständigen Wiener, in poetischer Begeisterung das Wort. Auch wurde er mit Blum und Fröbel im September 1848 nach Wien entsendet, um den Aufstand der Residenz von Seite des Frankfurter Parlaments zu unterstützen. Rechtzeitige Flucht bewahrte ihn vor dem Schicksale Blum’s. Als Oesterreich die Zurückberufung seiner Abgeordneten vom Frankfurter Parlamente aussprach, leistete ihr H. keine Folge, worauf die Regierung nach ihm als Recrutirungsflüchtling einen Steckbrief erließ. Er übersiedelte nunmehr mit mehreren Abgeordneten der demokratischen Partei nach Stuttgart, wo er bis zur Occupation Badens durch die preußischen Truppen verblieb, dann aber nach der Schweiz flüchtete und seinem Groll gegen die österreichischen Zustände in der „Reimchronik des Pfaffen Mauritius“ Luft machte. Aus der Schweiz begab sich H. nach Frankreich und fand daselbst in Paris an Sabatier, dem Gemal der berühmten Sängerin Karoline Ungher, einen liebenswürdigen Freund. Unter solcher Aegide erhielt H. alsbald den Zutritt in die kunstliebenden Salons der Seinestadt, in welchen er durch seine von Sabatier in’s Französische übertragenen und von Madame Ungher-Sabatier in Musik gesetzten und gesungenen Lieder bekannt und geschätzt wurde. Er folgte auch bald einer freundlichen Einladung Sabatier’s auf ihr Schloß Latour in Südfrankreich, und sein „Tagebuch aus Languedoc“ ist den Erinnerungen an diesen angenehm verlebten Sommer gewidmet. In der liederreichen Provence sammelte H. die Volkslieder derselben, welche ihn Sabatier verstehen lehrte, worauf er sie metrisch bearbeitete und mit einem Freunde veröffentlichte. Wie ihn hier liebevolle Freundschaft und Kunstsinn in Allem förderte, nicht weniger nützlich, insbesondere in literarischen Kreisen, wurde ihm die Anknüpfung mit Taillandier, der an der Universität zu Montpellier über deutsche Sprache und Literatur Vorlesungen hielt. Wie dieser einerseits im Vaterlande durch seine Aussprüche über deutsche Literatur maßgebend ist, so hat er andererseits durch das Organ, in welchem er seine Urtheile über deutsche Literatur ausspricht, nämlich die „Revue de deux mondes“ nicht wenig dazu beigetragen, Hartmann’s Namen selbst in der fashionablen Welt, welche ihren Unterricht über deutsche Literatur aus französischen Quellen zu beziehen liebt, bekannt zu machen. Taillandier’s Liebenswürdigkeit ging so weit, daß er in der Vorlesung, welche Hartmann auf Taillandier’s Einladung in Montpellier besuchte, über den „illustre poëte de Bohême“ las. Wenn H. als Poet solcher liebevollen Freundschaft eben auch weniger bedurfte, so war sie ihm doch förderlich auf seinem von sonst ziemlich widrigen [7] Schicksalen durchkreuzten Lebenswege. Die Jahre 1850–1852 brachte H. in Frankreich u. z. theils in Paris, theils in der Bretagne zu; als er den Winter 1852/53 wieder in der Hauptstadt verlebte, gerieth er plötzlich in den Verdacht böswilliger Correspondenzen, wurde im Februar 1853 gefänglich eingezogen und saß im Gefängnisse von Mazas in derselben Zelle, in welcher nach dem Staatsstreiche am 2. December General Changarnier gesessen hatte. Glücklicherweise währte seine Haft nur 17 Tage, innerhalb welchen er aber zahllose Beweise der liebevollsten Theilnahme von allen Seiten erhielt. Seinem Drange die Welt zu sehen folgend, machte sich H. wieder auf den Weg, besuchte England, Schottland und Irland, und ging 1854 als Correspondent für die „Kölnische Zeitung“ nach der Türkei und auf den Schauplatz des orientalischen Krieges. Dort hatte er das Unglück durch einen Sturz vom Wagen sich ein Beinleiden zuzuziehen, das ihn durch mehrere Jahre quälte, von dem er Genesung in Baden suchte, jedoch nicht fand, bis ihn der in Paris prakticirende, aus Großwardein gebürtige Arzt Dr. Gruby [s. d. Bd. V, S. 388] vollends wieder herstellte. Nach seiner Genesung 1858 besuchte er wieder Deutschland, wo er die Herausgabe mehrerer neuer Werke besorgte und dann nach Frankreich zurückkehrte, von wo er eine Reise nach Afrika anzutreten gedachte, vordem aber eine nach der Schweiz und Italien unternahm. Früher schon verlautete es zu wiederholten Malen von einer bevorstehenden Heirath Hartmann’s mit der berühmten Pianistin Wilhelmine Clauß, nunmehrigen Frau Szarvady, und Julius von (richtiger aus) Rodenberg, der bekannte Dichter und Tourist, spricht in seiner Skizze über Moriz Hartmann [s. d. Quellen] von der „einstigen Liebe Beider“, als von einem öffentlichen Geheimnisse. Hartmann hat sich aber erst im verflossenen Jahre, am 14. Juni 1860, mit Bertha Rödiger, der Tochter des Inhabers einer Erziehungsanstalt in Genf, in der protestantischen Kirche zu Sallover kirchlich trauen lassen und waren James Fazy, Carl Vogt, Klapka und Simon die Zeugen auf Hartmann’s Seite. Hartmann’s Schriften sind in chronologischer Folge: „Kelch und Schwert. Dichtungen“ (Leipzig 1845, 8°.); 2. vermehrte Aufl. ebenda 1845, Lorck; 3. sehr verm. Aufl. Darmstadt 1851, Leske, 8°.); – „Neuere Gedichte“ (Leipzig 1846, Wigand, 8°.) [vergl. Hamburger literarische und kritische Blätter 1846, Nr. 146]; – „Der Krieg um den Wald. Eine Historie“ (Frankfurt a. M. 1850, literar. Anst.) [vergl. „Europa“. redigirt und herausgegeben von Gust. Kühne, 1850, S. 183 – Blätter für literarische Unterhaltung 1850, S. 408]; – „Adam und Eva. Eine Idylle in sieben Gesängen“ (Leipzig 1851, Herbig, 8°.) [vergl. Blätter für liter. Unterh. 1851, S. 24 – Prutz, Deutsches Museum 1851, Bd. I, S. 146]; – „Schatten. Poetische Erzählungen“ (Darmstadt 1851, Leske, 16°.) [vergl. Blätter für liter. Unterh. 1851, S. 670 – Prutz, deutsches Museum 1851, Bd. I, S. 789]; – „Die Reimchronik des Pfaffen Mauritius. Erstes bis fünftes Caput“ (Frankfurt a. M. 1849, 8°.); das erste Cap. führt die Ueberschrift: Wien; das zweite: die symbolischen Thiere; das dritte: Traumbuch für Michel; das vierte: Eljen Kossuth; das fünfte: Apostel und Apostaten [vergl. Blätter für liter. Unterh. 1849, S. 707] – „Petöfi’s Gedichte. Aus dem Ungarischen übersetzt“ (Darmstadt 1851, Leske, 8°.), in Gemeinschaft mit Franz Szarvady; – „Tagebuch aus Languedoc [8] und Provence“. 2 Bde. (Darmstadt 1853, Leske, 8°.) [vergl. Blätter für liter. Unterh. 1853, S. 763 – Prutz, deutsches Museum 1853, Bd. I, S. 26, 468]; – „Zeitlosen. Gedichte“ (Braunschweig 1858, Vieweg, 8°.) [vergl. Wanderer (Wiener Journal) 1858, Nr. 263, bespr. von Joh. Nordmann – Kölnische Zeitung 1858, Nr. 309 – Westermann’s illustr. Monatschrift, V, 326]; – „Erzählungen eines Unstäten“. 2 Bde. (Berlin 1858, Besser, 8°.) [vergl. National-Zeitung (Berliner pol. Blatt) 1838, Nr. 133, von Adolph Stahr, welcher geistvolle Kritiker mit seiner ebenso geistverwandten Gemalin Fanni Lewald unsern Poeten in besonderen Schutz genommen hat – Weser Zeitung 1857, Nr. 4370 – Blätter für liter. Unterh. 1858, S. 156]; – „Mährchen und Geschichten aus Osten und Westen“ (Braunschweig 1858, Westermann, 8°.) [vergl. Blätter für liter. Unterh. 1859, S. 554 – Westermann’s illustr. Monatschrift, Bd. V, S. 327]; – „Bretonische Volkslieder“ (Cöln 1859, Du Mont, 8°.), im Vereine mit L. Pfau [vergl. Westermann’s illustr. Monatschrift, Bd. VI, S. 327]; – „Bilder und Büsten“. 2 Theile (Frankfurt a. M. 1860, Meidinger, 8°.); – „Demokratische Studien“ (Hamburg 1860, 8°.); in diesem Buche verirrt sich der Dichter der Hussitenlieder und des Pfaffen Maurizius auf das Gebiet der Politik und ergeht sich soweit, daß er eine Allianz der Italiener mit Deutschland als Ausgangspunct der Demokratie in Aussicht nimmt; – „Erzählungen meiner Freunde und Novellen“ (Frankfurt a. M. 1860, Meidinger, 8°.). Mehrere Arbeiten Hartmann’s finden sich auch in deutschen Journalen und Unterhaltungsschriften, und zwar: in der „Kölnischen Zeitung“, für welche er seine lebensfrischen Schilderungen aus dem Orient schrieb, in Westermann’s „illustr. Monatschrift“, u. z. in dieser: „Geschichten und Sagen aus Frankreich, I–V“ (Bd. I, S. 140, 599; Bd. II, S. 151; Bd. IV, S. 2539); – „Thomas Carlyle in Chelsea“ (II, 401); – „Francois Rude. Biographie“ (I, 553); – „Barye. Biographie“ (III, 495); – „Beranger. Biographie“ (III, 73); – „Wanderungen in den Pariser Ateliers, Fleury, Jerome, Ary Schefer (IV, 526); Hebert Heilbuth, Brendel, Imor, Hennebert, Kuans“ (V, 655); – „Zuckererbse. Russisches Volksmärchen“ (V, 32); – „Gustav Ricard. Biographie“ (V, 267); – „Die Glocke“ (V, 359);. – „Stephen Heller“ (VI, 301); – „Der Zweck heiligt die Mittel“ (X, 455); – in Prutz’s „deutschem Museum“: „Aus der bretonischen Reisechronik“ (1853, Bd. II, Nr. 27, und 1854, Bd. II, Nr. 43); – „Die Seidenzucht in Südfrankreich“ (1853, Bd. I, Nr. 5, S. 177) – „Aus dem Seebade“ (1851, Bd. II, S. 371); – „Aus Südfrankreich“ (1851, Bd. II, S. 881); – „Briefe aus Irland“ (1851, Bd. I, S. 435, 607, 838). Auch schrieb Hartmann unter dem Pseudonym Geldern für Kuranda’s „Grenzboten“ und L. A. Frankl’s „Sonntagsblätter“. In jüngster Zeit machte H. einen Versuch auf der Bühne und sein kleines Lustspiel „Buridans Esel“ wurde in Wallner’s Theater in Berlin (29. Juni 1861) gegeben, jedoch ohne besonderen Erfolg gehabt zu haben. Die (Berliner) „Volks-Zeitung“ bringt auch in den Beilage-Nummern des Monats Juli (1861) seine Novelle: „Der Gefangene von Chillon“.
Hartmann, Moriz (Lyriker und Novellist, geb. zu Duschnik bei Przibram in Böhmen 15. October 1821)- I. Biographien und Biographisches. Constitutionelles Blatt aus Böhmen (Prag, Fol.) 1852, Nr. 298 und 300: „Böhmen in Paris“. – Sein Werk: „Erzählungen eines Unstäten“ (Berlin 1857, Duncker, 8°.), enthält in der „le mie prigioni“ überschriebenen Einleitung biographische Einzelnheiten aus seinem Leben. – Minckwitz (Johannes), der illustrirte [9] neuhochdeutsche Parnaß (Leipzig 1861, Arnold, 8°.) S. 296–305. – Jüdisches Athenäum. Gallerie berühmter Männer jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens (Grimma u. Leipzig 1851, kl. 8°.) S. 72. – Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt (Leipzig, Keil, 4°.) 1859, S. 269 [mit H.’s Porträt im Holzschnitt] – Brockhaus’ Conversations-Lexikon (10. Aufl.) Bd. VII, S. 486. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliograph. Institut, gr. 8°.) Bd. XV, S. 21, Nr. 20 und Suppl. Bd. III, S. 1318 [nach diesem geb. zu Duschnik bei Przibram in Böhmen 15. Oct. 1825]. – Parlaments-Album. Autographirte Denkblätter der Mitglieder des ersten deutschen Reichstages (Frankfurt a. M. 1849, S. Schmerber, kl. Fol.) S. 156, enthält das Facsimile folgenden Albumspruchs:
Das ist der Zeiten schwere Noth
Der Widerspruch der schwer zu heben,
Daß wohl die Monarchie schon todt,
Und daß noch die Monarchen leben.
Frankfurt 1849.
- – Tagespost (Gratzer Journal) 1860, Nr. 142. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, Fol.) 1846, S. 126. – Frankfurter Konversationsblatt 1856, Nr. 52 – Jahreszeiten (Hamburger Mode-Journal) 1856, Bd. I, S. 231: „Moriz Hartmann“, von Julius von Rodenberg. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris, 1850, Didot, gr. 8°.) Bd XXIII, Sp. 476 [nach dieser geb. 15. October 1821 zu Duschnik]. – Gottschall (Rudolph), Die deutsche National-Literatur in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (Breslau 1855, Trewendt und Granier, 8°.) Bd. II, S. 193, 194, 196, 197, 198, 199. – Lorm (Hieronymus), Wien’s poetische Schwingen und Federn (Leipzig 1847, Wilhelm Grunow, kl. 8°.) S. 72–81. – Hentze (Adolph), die Handschriften der deutschen Dichter und Dichterinen mit 305 Facsimiles (Leipzig 1855, B. Schlicke, kl. 8°.) S. 60 [charakterisirt H.’s Schrift, von der das Facsimile seiner Unterschrift abgebildet ist, mit den Worten: „Kecke Buchstaben, die sich nichts gefallen lassen“.
- II. Porträte: 1) Lithogr. von Winterwerb (kl. Fol., Frankfurt, C. Jügel’s Verlag); – 2) lithogr. (4°., Frankfurt, H. Keller); – 3) F. Hickmann lithogr. (4°.); – 4) Nach Vogel’s Lichtbild Kühner sc.; bildet das Blatt XXXV der Neuen Folge der in J. Mayer’s bibliogr. Institut zu Hildburghausen herausgegebenen „Zeitgenossen“; – auch in der (Leipziger) „Illustrirten Zeitung“ in einer der November-Nummern des Jahres 1848, auf dem Tableau: „Die Linke der Frankfurter National-Versammlung“; – Hartmann ist von zwei französischen Künstlern, von Ricart und von Philipp Arons, in Oel gemalt worden.
- III. Urtheile über Hartmann. Rudolph Gottschall schreibt über Hartmann: „Oesterreichischer Flüchtling, Mitglied des Frankfurter Parlaments und seiner äußersten Linken, zuletzt Verbannter in Frankreich und Kölnischer Zeitungs-Reisender im Orient, hat der Dichter ein bewegtes Leben geführt und war in der Zeit der höchsten politischen Aufregung ein bereitwilliger Pamphletist seiner Partei. Witz und Sarkasmus läßt sich seinen im naiven Chronikenstyl gehaltenen satyrischen Fresken aus der Paulskirche nicht absprechen, aber es lief doch viel Flaches und Triviales mit unter und die Beurtheilung der politischen Charaktere ist durch einseitige Parteiverbitterung gefärbt.“ Gottschall paralellirt auch die beiden böhmischen Dichter Hartmann und Meißner und charakterisirt sie folgendermaßen: „Beide haben ein liebenswürdiges Talent mit der Tendenz nach künstlerischer Abrundung, die in ihren ersten Gedichten indeß noch vermißt wurde. Beide erheben sich an einzelnen Stellen zu hinreißender Kraft, während sie an anderen wieder in Gemeinplätze verfallen, die bei Meißner mehr der Rhetorik, bei Hartmann mehr der trivialen Darstellung angehören. Meißner hat mehr Schwung, Hartmann mehr Plastik; bei Meißner herrscht Würde, wo bei Hartmann Grazie; Meißner ist mehr glänzend und gedankenvoll, Hartmann anspruchsloser und empfindungsreicher; Meißner ist dramatischer, Hartmann epischer, ein Unterschied, der sich schon in den ersten lyrischen Anläufen beider Dichter offenbarte und der neuerdings in ihrem noch nicht abgeschlossenen Streben, größere Kunstwerke zu schaffen, auf’s Deutlichste hervortritt.“ – Adolph Stahr in einem Aufrufe in der (Berliner) „National-Zeitung“, betitelt: „Für Moriz Hartmann“, schreibt: „Deutschland besitzt unter seinen Dichtern und Schriftstellern der Gegenwart gar manche, deren Talente und Leistungen ihn weit überflügeln; aber keinen, hinter dem Hartmann zurückstände an Liebenswürdigkeit des Charakters und reiner edler Gesinnung, keinen, der mit mehr Liebe hinge an dem gemeinsamen Vaterlande. Diese Eigenschaften [10] haben dem Menschen auch die Anerkennung und ehrende Theilnahme erworben, wo der Dichter als solcher nur dem Namen nach bekannt war. In Frankreich wie in England, wo er seit fünf Jahren lebte, durfte er sich der Achtung der Besten erfreuen. In ehrenvoller Armuth, nur seiner Kunst und seinen Studien lebend, mit edlem Stolze jede Unterstützung von Seite seiner Partei abweisend, voll Liebe und Begeisterung für Deutschland, an dessen großer Zukunft er mit gläubigem Vertrauen festhielt, erschien er überall als ein würdiger Vertreter deutschen Charakters und deutscher Bildung. Seine anmuthvolle Persönlichkeit, seine Herzensgüte, seine Milde im Umgange, seine Unfähigkeit zu parteivoller, hassender Ausschließlichkeit hatten ihn in den Jahren 1848 und 1849 selbst Solchen werth gemacht, wo politische Stellung und Ansichten ihm feindlich gegenüberstanden. Moriz Hartmann, der Mensch und Dichter, hatte Sympathien unter allen Parteiungen und man darf sagen, er habe keinen Feind gehabt.“ [Außer Gustav Kühne. Bemerk. des Herausgeb.] – Weniger schmeichelhaft als die bisher angeführten Urtheile ist jenes von Heinrich Heine über Hartmann, welches lautet: „Ei nun, Moriz Hartmann ist ein schöner junger Mann, und ich bin überzeugt, daß sich alle Frauen der Welt in ihn verlieben, die neun Musen ausgenommen, die mögen ihn nicht, das haben mir seine Gedichte bewiesen“. Heine sprach wohl dieß mehr um wieder einmal witzig auf fremder Leute Kosten zu sein. – Ein großer und durchaus nicht unbefangener Gegner Hartmann’s ist Gustav Kühne, der Hartmann bei jeder Gelegenheit [man vergl. die „Europa“ 1853, Nr. 7, S. 55: „Moriz Hartmann als Troubadour“, und dieselbe 1850, S. 183: „Moriz Hartmann und seine böhmische Räuberromantik“] nicht beurtheilt, sondern verfolgt. Dergleichen Ergüsse subjektiver Anschauungen fördern die Würde der deutschen Kritik nicht. – Wenig ermunternd, aber nicht so gehässig wie Gustav Kühne, beurtheilt Johannes Minckwitz unsern Dichter. „Nach Hartmann’s politischen Zielen, schreibt Minckwitz, wollen wir nicht fragen; sie mögen so edel sein, als er sich dieselben vielleicht vorstellt, sie mögen ihm erreichbar scheinen, uns nicht. Das ist Nebensache, wo es sich um poetische Leistung und deren Würdigung handelt. Und da sehen wir denn, daß er seine lyrischen Reimereien über Politik ebenso gut hätte in Prosa abfassen können, wie seine übrigen Zeitungsartikel; die Welt hat durch die Versificirung nichts gewonnen. Denn seine politischen Lieder sind nichtssagend im Allgemeinen, Ergüsse ohne den Hintergrund eines festen Princips in Besonderem, meist grobe und unwitzige Ausfälle, die in der Pfaffenchronik des „Mauritius“ ihren widerwärtigsten Ausdruck gefunden haben. … Was die unpolitische Parthie seiner Lyrik betrifft, so ist sie theils zwecklos und unbedeutend, da man sich vergebens nach einem tieferen Gehalte in den Liedern umsieht, theils überflüssig, da selbst dasjenige, was leidlich sich ausnimmt, darunter einzelne Liebeslieder, von Anderen bereits besser dargestellt ist. Eine zeitlang gab es Bewunderer seiner ersten Producte, indem man sie ihres kecken Freisinnes wegen loben zu müssen glaubte. Später, als man die Fadheit seiner Lyrik einsah, bemühten sich unsere Zeitungsschreiber wenigstens die neuesten Producte des viel umhergeschlagenen „Dulders“ vor der Verdammung zu retten, indem sie in den „Zeitlosen“ eine glückliche Reife seines Talentes erblicken wollten. In der That, prüfen wir diese „Zeitlosen“, so finden wir theils eine verunglückte Nachahmung der Heine’schen Manier, theils die frühere Plattheit.“ – Anders klingt das beredte Urtheil seines Freundes, Hieronymus Lorm: „Neben der tiefen, gesunden, kräftigen Lyrik aus reiner naturwüchsiger Innerlichkeit entsprossen, tritt uns in H.’s politischen Dichtungen eine nicht genug zu schätzende epische Gestaltung der durch die Politik erzeugten Empfindung entgegen. Indem H. der durch die politischen Zustände erregten bitteren Reflexion durch Hinstellung eines sie repräsentirenden Charakters oder durch Erfindung einer Begebenheit eine positive Grundlage gibt, lehnt er seine Poesie an Geschehenes, an eine, wenn auch nur in der Phantasie vorgekommene Geschichte und seine politischen Gedichte erhalten dadurch neben dem Werth der Gesinnung auch einen weit über den Moment hinausragenden ästhetischen Kunstwerth. .. Hartmann’s „böhmische Elegien“, in ihrer Kraft und zauberhaften Wehmuth kaum an Lord Byron’s „Hebreu Melodies“ ihres Gleichen findend, in ihrem echten historischen Schmerze alle sogenannten politischen Gedichte der Gegenwart weit überragend und höchstens von Platen’s „Polenliedern“ erreicht, werden als die erste Verherrlichung des unglückseligen, der Apotheose so werthen Böhmen in der deutschen Poesie eine fort und fort mit der Zukunft immer stärker tönende Brücke zwischen beiden [11] Ländern bleiben.“ – Tagesbote aus Böhmen 1861, Nr. 20: „Böhmens Antheil an der deutschen Literatur“ [charakterisirt in flüchtigen Skizzen die Vertreter deutschen Denkens und Dichtens im Lande der Čechen, darunter auch Moriz H.].
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ E Hartmann, Moriz [Bd. VIII, S. 4], gestorben zu Wien 13. Mai 1872.
- Das neue Blatt. Ein illustrirtes Familien-Journal (Leipzig, Payne, 4°.) III. Jahrg. (1872), S. 393: „Moriz Hartmann“ [mit Holzschnittbildniß]. [Band 28, S. 346]